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K R I T I K U N D N A C H R I C H T E N Charles S. Peirce • "The Ne\'1 Elements of Hathematics" edi ted by carolyn Eisele, I-III, Mouton Publishers The Hague-Paris and Humanities Press, Highlands N.J., 1976. unter dem von Peirce selbst stammenden Titel 'The Ne\·1 Elements of Mathematics'publiziert Carolyn Eisele,emeritierte Professorin des Hunter Colleges in New York, nach jahrelangen Bemühungen und vie- len editorischen eine umfangreiche Ausgabe größ- ten Teils unbekannter (d.h. nicht in den 'Collected Papers ' schon erschienener) und z. T. auch von der Editorin ge\·tissermaJ?>en 'geret- teter' Schriften bzw. Manuskripte des bedeutenden amerikanischen Denkers, die im vresentlichen in der Roughton Library of Harvard University lagerten. Die Herausgabe wurde insbesondere auch durch die Unterstützung von Seiten der 'National Science Foundation', der' American Philosophical Society' und der 'Jol'in De'\'ley Foundati - on' ermöglicht. Natürlich sollten mit dieser Edition mathematischer Schriften (und Briefwechsel) vor allem auch gevrisse diesbezügli - che !ilängel, Vernachlässigungen oder Unterlassungen in den 'Collec - tec Papers' (I-VIII, 1931-1958) ausgeglichen werden. Die Heraus - geberin, die sich bereits durch kleinere Aufsätze wissenschaftsge- schichtlichen Inhalts im Rahmen der internationalen Peirceforschung einen Namen gemacht hat und 1964 im Z\'iei ten Band der 'Studies in the Philosophy of Charles Sanders Peirce' (ed. by E.c. Moore und R.s. Robin) einen Hinweis aufdas den Titel ihrer Edition stiftende,von Peirce hinterlassene 'Mathematical Textbook' gege- ben hatte, glaubte ihre an sich verdienstvolle Arbeit im Hesent - lichen im Alleingang bewältigen zu können. Allerdings konnte sie dabei jederzeit des Rates verdienter Gelehrter der älteren und ge - genwärtigen Pe. irceforschung \'tie Fisch, Ernest Nagel, Victor Lenzen, R.s. Robin oder Carolyn Jakeman u.a. sicher sein. All dies hat Carolyn Eisele in ihrer 'Preface' zum ersten Band ausführlich berichtet, auch Henn man sich einen ausführlicheren und genaueren vorausgehenden Editionsplan bZ\'t. Editionsbericht gewünscht hätte. Auch \'lerden die Schwierigkeiten, die der verlege - rischen Realisierung des Plans ir.uner H ieder einmal im H ege standen und die zweifellos keine ökonomischen ge ltl esen sind, nur angedeu - tet. Diese Schwierigkeiten werden besonders undurchsichtig , wenn man feststellt, daß diese so wichtige Ausgabe erst 1976 erscheinen konnte , und zwar nicht in der Harvard University Press, \'tie man hätte ervrarten l<:önnen, sondern in Zusammenarbeit mit dem weniger bekannten Verlag Humanities Press in Atlantic Highlands , N.J. im renomierten holländischen Verlag Mouton (Den Haag und Paris) und mit dem ausdrücklichen Vermerk 'Printed in the Netherlands' . Die Editorin hat die Bände jeweils mit einer speziellen sachbezo - genen Einleitung versehen , die ausführlicher hätten sein können, zumal gerade die mathematischen Schriften von Peirce inhaltlich außerordentlich verzweigt sind, in verschiedene Lebensalter fallen und verschiedenes originales Gewicht besitzen . Die 'General Intro - duction' im ersten Band gibt dazu einen Lebensabriß und charakte - risiert den Umfang des Feireeschen !,!athematischen Schrifttums des 67

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K R I T I K U N D N A C H R I C H T E N

Charles S. Peirce • "The Ne\'1 Elements of Hathematics" • edi ted by carolyn Eisele, I-III, Mouton Publishers The Hague-Paris and Humanities Press, Atl~ntic Highlands N.J., 1976.

unter dem von Peirce selbst stammenden Titel 'The Ne\·1 Elements of Mathematics'publiziert Carolyn Eisele,emeritierte Professorin des Hunter Colleges in New York, nach jahrelangen Bemühungen und vie­len editorischen Sch~'iierigkeiten eine umfangreiche Ausgabe größ­ten Teils unbekannter (d.h. nicht in den 'Collected Papers ' schon erschienener) und z. T. auch von der Editorin ge\·tissermaJ?>en 'geret­teter' Schriften bzw. Manuskripte des bedeutenden amerikanischen Denkers, die im vresentlichen in der Roughton Library of Harvard University lagerten. Die Herausgabe wurde insbesondere auch durch die Unterstützung von Seiten der 'National Science Foundation', der' American Philosophical Society' und der 'Jol'in De'\'ley Foundati­on' ermöglicht. Natürlich sollten mit dieser Edition mathematischer Schriften (und Briefwechsel) vor allem auch gevrisse diesbezügli ­che !ilängel, Vernachlässigungen oder Unterlassungen in den 'Collec ­tec Papers' (I-VIII, 1931-1958) ausgeglichen werden. Die Heraus ­geberin, die sich bereits durch kleinere Aufsätze wissenschaftsge­schichtlichen Inhalts im Rahmen der internationalen Peirceforschung einen Namen gemacht hat und 1964 im Z\'iei ten Band der 'Studies in the Philosophy of Charles Sanders Peirce' (ed. by E.c. Moore und R.s. Robin) einen Hinweis aufdas den Titel ihrer Edition stiftende,von Peirce hinterlassene 'Mathematical Textbook' gege ­ben hatte, glaubte ihre an sich verdienstvolle Arbeit im Hesent ­lichen im Alleingang bewältigen zu können. Allerdings konnte sie dabei jederzeit des Rates verdienter Gelehrter der älteren und ge ­genwärtigen Pe.irceforschung \'tie r~1ax Fisch, Ernest Nagel, Victor Lenzen, R.s. Robin oder Carolyn Jakeman u.a. sicher sein.

All dies hat Carolyn Eisele in ihrer 'Preface' zum ersten Band ausführlich berichtet, auch Henn man sich einen ausführlicheren und genaueren vorausgehenden Editionsplan bZ\'t. Editionsbericht gewünscht hätte. Auch \'lerden die Schwierigkeiten, die der verlege­rischen Realisierung des Plans ir.uner Hieder einmal im Hege standen und die zweifellos keine ökonomischen geltlesen sind, nur angedeu­tet. Diese Schwierigkeiten werden besonders undurchsichtig , wenn man feststellt, daß diese so wichtige Ausgabe erst 1976 erscheinen konnte , und zwar nicht in der Harvard University Press, \'tie man hätte ervrarten l<:önnen, sondern in Zusammenarbeit mit dem weniger bekannten Verlag Humanities Press in Atlantic Highlands , N.J. im renomierten holländischen Verlag Mouton (Den Haag und Paris) und mit dem ausdrücklichen Vermerk 'Printed in the Netherlands' .

Die Editorin hat die Bände jeweils mit einer speziellen sachbezo­genen Einleitung versehen , die ausführlicher hätten sein können , zumal gerade die mathematischen Schriften von Peirce inhaltlich außerordentlich verzweigt sind, in verschiedene Lebensalter fallen und verschiedenes originales Gewicht besitzen . Die 'General Intro­duction' im ersten Band gibt dazu einen Lebensabriß und charakte ­risiert den Umfang des Feireeschen !,!athematischen Schrifttums • des

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veröffentlichten wie nicht veröffentlichten. Auch wird man mit Recht darüber belehrt, daß neben der mathematisch-schöpferischen und kritischen Tätigkeit zur mathematischen Theorie einerseits und zur Grundlagenforschung andererseits Peirce vor allem auch päda­gogisch- didaktische Ziele in diesen Arbeiten verfolgte.

Im ersten Band dieser Ausgabe (Vol.I) finden sich Arbeiten aus dem Bereich der 'Arithmetic', die in den Jahren 1881-1912 entstan­den sind und ganz besonders didaktische Interessen verraten. Der zweite Band (Vol.II) ist der 'Algebra and Geometry' gevridmet; die Themen streuen außerordentlich und umfassen wenig originale Be ­handlungen elementarer Probleme, dringen aber mit topelegischen Über legungen ('Topical Geometry', 'Graphics and Perspective') und metrischen Untersuchungen ('Hetrics') mit großer methodelogischer Selbständigkeit in für seine Zeit moderne Fragestellungen bz1·1. Er­gebnisse vor. Der dritte Band (Vol.III, 1 und 2) ist angefüllt mit 'Hathematical Hiscellanea', die in '1' i'!iederum neben Schöpferi­schem aus den Gebieten der entstehenden r1engenlehre, Kontinuums ­theorie , Formalen Logik, Theorie der Existenzgraphen, Nicht-Eukli­dischen Geometrie und Mehrwertigkeits-Logik auch Triviales aus den Bereichen ange1vandter r·1athematik,. Maßmathematik (um nicht 'I>Iaß­theorie' zu sagen), Politischer dkonomie und Hahrscheinlichkeits ­rechnun~ enthalten, ei~G ?~oduktionsbre ite, die in '2', für die neu­ere Hathenatikgeschichte und die Peirceforschung zvreifellos höchst bedeutsan , durch einen großen, bisher fast völlig unbekannten Teil des mathematischen Brief1·1echsels (Briefe an Cantor, Hilliam James, P, E. Jourdain, C.J. Keyser, E,H, Moore, Josiah Royce, Howes Norris, Francis Russell, F.c.s. Schiller u.a.) ergänzt Hird. In beiden Tei­len des dritten Bandes gibt es darüber hinaus auch einschlägige Beispiele für die Mitarbeit Peirces an 'The Nation', die, nebenbei bemer kt , jetzt auch gesondert und vollständig in den 'Graduate Studies Texas Tech University' erschienen sind.

Ich möchte im Folgenden noch ein paar Bemerkungen über m.E. wich­tige Ar beiten aus den einzelnen Bänden anschließen. So erscheint mir aus Vol.I, also aus dem arithmetischen Bereich der Feireeschen Hanuskripte, das mit dem Titel 'Axioms of Number' (I-Is.40) deshalb von besonderer Bedeutung, Heil es ein Axiomensystem für die natür­lichen Zahlen bz1·1. die natürliche Zahlenreihe enthält, und Zl'tar aus dem Jahre 1881, also acht Jahre früher entwickelt als das Pea­nosche Axiomensystem gleicher Intention, das 1889 bekannt wurde. Leider hat Carolyn Eisele diese Schrift nicht datiert, man kann das Jahr der Abfassung aber leicht aus Robins 'Katalog' feststellen. Es ist auch zu bedauern, daß die Herausgeberin den Peirceschen Ent­wurf nicht historisch und fachlich kommentiert hat. Ich habe daher ber eits in meinem Aufsatz 'Zeichenzahlen und Zahlensemiotik' (Semio­sis 6/1976) auf den wissenschaftstheoretischen Stellenwert dieser 'Axioms of Number' in der neueren Geschichte der Axiomatik hinge­wiesen . Das Axiomensystem ist weniger formalisiert, als deskriptiV abgefaßt , und man i'lird hinzufügen müssen, daß seine inhaltliche In­tention die beweistheoretische oder metamathematische Funktion und Reichweite et~>ras verdeclct. Sicher ist aber, daß gerade diese Arbeit aus der mittleren Zeit von Peirce, sieht man sie zusammen mit sei­ner Kritik an der Cantcrsehen Kardinalzahlkonzeption, seiner eige­nen Theorie der l\1ächtigkeiten (Nultitudes), der Relationentheorie und der auf dieser entwickelten Theorie der Zeichen (Semiotik), deutlich lverden läßt, wie sehr es sich hier um einen mathematischen

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Denker ersten Ranges handelt, wenn man die mathematische Grund­lagenforschung überhaupt als gleichberechtigten Zl>teig unter den mathematischen Wissenschaften ansieht.

Aus Vol.II ('Algebra and Geometry') möchte ich noch einmal auf die bemerkenswerten Beiträge zur damals (etwa zwischen 1860-1914) sich lebhaft entwickelnden' topelegischen Denkl'teise hinweisen. Die Feir­eeschen Ausführungen zur 'Topical Geometry' gehören nach Carolyn Eisele zum Manuskript 'Elements of Mathematics' (Ms.165), das ver­mutlich auf das Jahr 1895 zu datieren ist. Es ist im i'lesentlichen aus 'Definitionen' und 'Illustrationen' aufgebaut, beginnt le i der erst mit dem Artikel 87 (Nas nicht '-teiter begründet wird) , enthält einen topelegischen Homogenitätsbegriff und Nachbarschaftsbegriff, versucht eine Klassifikation der Oberflächen und setzt sich mit der Censustheorie ('Topological Census') auseinander. In der et ­was später zu datierenden Arbeit 'Topical Geometry' (Ms.134) von (et'l'ra) 1904 aus den 'New Elements of Geometry/Based on Benjami n Peirce's Works & Teachings' (Ms. 94) wird der generalisierende Charakter der topelegischen DenkNeise in der Geometrie hervor ge­hoben. Dabei fällt übrigens der Ausdruck, daß topologisch die geo­metrischen Gebilde als 'quite plastic' betrachtet werden , was na­türlich an Frechets berühmten metaphorischen Term 'Kautschuk- Geo­metrie' erinnert. (Art. 24) In einem l'teiteren Manuskript zum Thema 'Topical Geometry' (Ms . 137) wird dann eine Aufteilung der ' Geo­metry' in 'topics, graphics (Projektive Geometrie) and metrics ' vorgenommen, die zweifellos auf die Kenntnis des 'Erlanger Pro­gramms' Felix Kleins (1872) zurückgeht. Allerdings werden die vel:'­schiedenen Geometrien bei Peirce nicht vtie bei Felix Klein aufgr und der 'Invariantentheorie einer Gruppe' eingeführt.

Im Vol.III interessieren zunächst alle den Problemen der 'I·1ult1 -tude and Continuity' gel'lidmeten Hanuskripte von ca . 1895 bis 1903 und darin "ttieder die Auseinandersetzung mit Bolzano , Cantor und Dedekind, d . h. · also mit den Begriffen der 'Zahl~ des 'Irrat iona-len' und der •r.~enge'. Hir seneint 1 daß gerade in diesen Ausführun­gen Peirce das betreibt, '\'las man kritische Mathematik oder Mathe ­matikkritik nennen könnte (i·tozu heute auch K. Gödel, z.T. sogar Brom1er zu rechnen 1·1ären) und 'l'tas selbstverständlich einen Neben­zweig seiner Grundlagenforschung darstellt . Zu diesem Bereich ge ­hört auch die berühmte Lo'l'lell Lecture (1903), deren Manuskr ipt , wenn auch wiederum nicht vollständig, in diesem Band abgedruckt '\'turde und deren mathematikkritischer Teil in einer deutlichen Tren­nung vom damals entstehenden Logizismus (vor allem '\'lohl Freges , der aber nie genannt wird) so'l'lie von der Cantcrsehen Kardinalzahl­konzeption gipfelt. Im Rahmen der Lowell Lectures taucht auch di e (vor ein paar Jahren durch das schöne Buch Don D. Roberts bekannt gewordene) Theorie der 'Existential Graphs' auf (r•1s . 466) . Zwei Gesichtspunkte fallen hier in den Feireeschen Manuskripten (Mss . 466 und 479) auf, die , auch wenn sie bisher in der neueren Ent ­wicklung der Mathematik völlig vernachlässigt bzw . sogar übersehen wurden , eine neue Mathemat i kkonzeption involvieren : Erstens , daß Peirce bezüglich der Definition der Existential Graphs einen Ge ­brauch von semiotischen Termini macht . Er notiert: ' I propese t o use the term logical graph to designate any diagram which i c o n i 1- e s logical relations by means of geometrical r elations' (Ms . 479) . Eine deutlicher e methodelogi sche Wechse lseitigke i t oder Ergänzung

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zwi s chen Semiotik , Geometrie und Logi k kann man kaum \'lünschen; s ie erhellt den vermitte lnden und f undi er enden Stellemqert , den Peirce der Semiotik im Ver hältnis zur Logik und Geometrie zuspricht. Zweitens f ällt in diesem Zusammenhang die neue existenzgraphische Definition der r e i n e n Hathematik auf, die Peirce (gegenüber seiner früheren, vom Vater stammenden Vorstellung, daß die Mathe­matik durch das Ziehen not wendiger Schl üs se charakteris iert sei ) hier versucht hat. Di ese neue Definition der reinen Mathematik i st konstruktivi stisch breiter als di e logis che. Sie berücks ichtigt f ür die r~1a thematik j etzt den Modus der M Ci g 1 i c h k e i t stärker als den Modus der N o t w e n d i g k e i t, indem sie das System der Vor aus setzungen der ( notvtendi~en ) Schlüsse nicht mehr als ein dicenti sche s Syst em zvte h tert i ger (wahrer oder fals cher ) Alternati­ven oder Axiome einführt, s ondern als ein 'indet erminiertes', of­f enes , a l so r hemati sches System (das \·teder wahr noch falsch , son­dern 'mehr wertis;' ist ) ansetzt. So erscheint i n dieser höchst ori­ginalen Schöpf ung, und Zi'lar \·liederum der mathemati schen Grundlagen­f ors chung , di e übliche axiomatische Mathematikkon~eption als die engere logische eines i m Prinzip zweiwertigen Repertoires von Aussagen , di e i·Tir als Axiome deklarieren, Hährend di e semiotisch­triadi sche Darstel l ung r ei ner r~1athemat ik ode r i hre r ei n numerisch­arithmetis che Konzeption ein mehr i'7e r t iges Al ter nat ivsystem voraus­setzt, Auf diese von Peirce he rvorger ufenen Folgerungen f ür eine mehr vtert ige I·lat hematikkonzeption und i hr e semiot i s che Legitima­tion ist weder Don Robertg, i n seiner Dar st ellung der ' Exis tential Graphs ' noch Carolyn Ei se l e i n den Kommenta r en zu i hr er Ausgabe eingegangen , I ch benutze abe r di e Ge l egenheit, dar auf aufmer ksam zu machen, daß semioti sche Beg~iffsb ildungen nicht nur im Zusam­menhang mi t den Exi stenzgraphen , sonder n auch i n den Er örterungen topalogischer Int ent ion auft r eten . 'I·JesentJ.i.che StUch:e eh;:!:' r:~ emio ­ti scllen B2.si s t heorie v7e:t:'den vo::. Peirce im Rahmen dieser Aus gabe in Br iefen an James , an J ourdain und Keyser erörter t (Vol . III , 2) , Mehr kann an dieser Stelle über den mathematischen Inhalt de r von Carolyn Ei se l e publizier ten Manuskr ipt e ode r 1ber die eigentlichen mat hematischen Er rungenschaften von Peir ce ni cht gesagt wer den . I ch hebe nur noch einmal hervor : nicht hinsichtli ch (mathemati ­scher ) F o r m a 1 i s a t i o n i st die mathematische Hinte~­l assenschaft von Peirce zu bewerten . sondern hinsichtlich viel­fältiger neuer T h e m a t i s a t 1 o n des ~~thematischen . Hier vor allem z , B, im Thema der 'Relation' , der 'Existential Gr aphs ' oder der ' triadischen Zeichen' und darüber hinaus dann im ·fundi e­renden Pr inz i p der neuen, universalen Kategorien der 'Ersthei t '. 'Zvreitheit' und 'Drittheit ' gei,71nnt er seine Originalität und sel • ne vi elleicht er st heute aufdeckbare Bedeutung. Von hier aus gese­hen, i st selbstverständlich auch die Edition Carolyn Eiselas ver­di enst voll; sie ist gei'dssermaßen gleichzeitig \-richtig und unzu­r eichend . Aber das hat s.z. 1933 auch schon Ernest Nagel von der Ausgabe der ' Collected Paper s' sagen müssen , als er bemerkte 'It i s unfortunate t hat Peirce's larger manuscripts have been broken up and distributed thr oughout the volumes •• '. Carolyn Eisele hat kei ne ~1anuskripte zerstückelt und verteilt, wohl aber z . T. fras­mentarisier t , i'7as ein ähnliches Übel der Unvollständigkeit be­deut et , zumal , 'l'li e gesagt , ein Editionsbericht fehlt, der da s Un­ter nehmen der Ausgabe im Detail wie im Ganzen hätte legitimieren können . Di e amerikanische Peiraeforschung, so hat man den Eindruck , tut

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sich sch111er mit ihrem großen und reichen Thema. I'Tenngleich diese Intentionen relativ sicher und ausreichend organisiert sind, a~­beiten sie zu sehr an der Historisierung des Herkes dieses bedeu­tenden Denkers und zu wenig an seiner Aktualisierung. Es scheint auch, als habe die vor ein paar Jahr en von Salomon Bochner in seinen 'Mathematioal Reflections' vorgebrachte Kritik an den Ar­beiten von Peirce das,Eindringen seiner thematischen Innovationen 1n die mathematisch orientierten Fachwissenschaften gelähmt . Doch hätte gerade diese Kritik die Peirceforschung nicht aufr egen dürfen; denn es handelt sich um die Kritik eines Hathematiker s , für den dieses Fach nur Mathematik für Mathematiker ist und der offenbar noch nichts davon gehört hat. daß heute große Teile der Mathematik Ivlathematik für die Philosophie sind. und daß die mathe­matische Grundlagenforschung wissenschaftstheoretischer und damit logischer, semiotischer und ontologischer Provenienz heute für die r-1athematik der Mathematiker mindestens ebenso ~Tichtig ist ~rie Zah­lentheorie oder Beweistheorie. Die neuen Thematisierungen von Peirce bestanden, zusammenfassen~ gesehen, in der Thematisierung einer Mathematik für Philosophie denn genau darum handelt es sich bei der Einführung der neuen Fun!amentalkategorien, deren For mali ­sation aber in der Semiotisierung, nicht in einer Logisierung be­steht. Und so ist Peirce also sieher keine 'amerikanische Tragödie ', sondern lediglich eine amerikanische Schwierigkeit.

I'·1ax Bense

Significalao, Revista Brasileira de Semi6tica, 1/1974 , 2/1975

Die Zeitschrift 'Significayao', 'Bedeutung', die das 'Centro de Estudos Semi6ticos A.J. Greimas' in Ribeiräo Preto, Sao Paulo -Brasilien herausgibt, erscheint einmal pro Jahr, d. h. die Zeit­schrift ist eigentlich ein Jahrbuch. Im Juli 1973 begründet, er­schien das 1. Heft im August 1974, in dem das Programm der Zeit­schrift vorgestellt wird. Danach besteht das Hauptinteresse der Gruppe von Autoren darin, die 'Konstruktion einer wissenschaft ­lichen Metasprache' zu versuchen, mit deren Hilfe 'semiotische Probleme' gelöst werden sollen. Bei diesen semiotischen Problemen handelt es sich um Probleme der Bedeutuns , die 1) als ' Semiose' , 2) als 'semiotische Or~anisation der Erfahrung' (vlobei z1,rischen 'Substanz 1 und 'Form' es 'Inhalts 1 unterschieden \'l'erden soll) 3) als Organisation des s!ntagmatischen Verlaufs im Diskur s , 4~ als Prozeß der Herausarbe tung von Ausdrucksformen und 5) als ~ matische Dimension der Sprache verstanden wird .

!Utarbeiter an der Zeitschrift kann jeder 1-·rerden , der sich für die Themen des 'Centro de Estudos Semi6ticos •• • ' interessier t . Die Aufsätze können in Portugies i scher, Spanischer, Italieni ­scher , Französischer oder Englischer Sprache publiziert Her den ,

Die erste Nununer der Zeitschrift ist A.J. Greimas get>Tidmet . Sie hat einen Umfang von 267 Seiten und enthält einen Beitrag von A, J. Greimas selbst (in französischer Sprache) so~rie Z\·tölf Beiträ ge von brasilianischen Autoren in portugiesischer Sprache . Jeder Auf­satz wird in Engli sch und Französisch zusammengefaßt .

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Zei t schr ift für Internationale Semiotik und ihre Anwendungen, Hef_t 3, 1977

INHALT .

GERARD DELEDALLE: Le ~uatrieme collo~ue europeen de semiotique 5 ROBERT MARTY: Analyse semiotique d'un poeme de J. Supervielle 8 BOREK SIPEK: Die architektonische Realform als Zeichen 12

HINFRIED NÖTH: Alice im Hunderland der Zeichen 21

MECHTILD KEINER: Über den Icon·Begriff 35 HANS BRöG: Betrachtungen zur 'Kritzelse~uenz' vor semiotischem Hintergrund HANNA BUCZYNSKA-GAREHICZ: T11ardo1·1skis Bedeutungslehre c.s. Peirce, The New Elements of Mathematics , ed. by C. Eisele (MAX BENSE) Significa9äo (ELISABETH WALTHER) The Toronto Semiotic Circle (DAVID SAVAN) Semiotisches Forum in Harnburg (HICHAEL STIEBING) 5. Europäisches Semiotik-Collo~uium in Aachen (HANFP:.ED

45 55

67 71 73 74

SPEIDEL) 74