L ausgabe 7

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Journal für Literatur Journal littéraire Herausgeber: LKS Literarischer Kreis e. V. Vol | 07

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Zum Jahresende 2014 und Beginn 2015: Prosa, Lyrik Besinnliches, Unterhaltsames Kurzgeschichten und Auszüge aus Büchern, die erst im Januar auf den Markt kommen. Viel Spaß beim Lesen!

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Journal für Literatur

Journal littéraire

Herausgeber: LKS Literarischer Kreis e. V. Vol | 07

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L

Journal littéraire

Journal für Literatur

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Herausgeber:

Verein LKS Literarischer Kreis e. V. c/o Susanna Bur Blumenstr. 20 66111 Saarbrücken

Kontakt:

[email protected] www.lksev.wordpress.com

Redaktion:

Stefan Weigand Susanna Bur

Grafische Gestaltung:

Stefan Weigand Susanna Bur Titelbild: Fotografie von Erwin Altmeier

Erscheinungstermine:

Das Journal erscheint vierteljährlich. Nächste Ausgabe: 15. März 2015

ISSN 2197-9316

Copyright©:

Für die Inhalte der jeweiligen Texte sowie grammatikalische und stilistische Feh-ler sind die Autorinnen und Autoren selbst verantwortlich.

Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte und Pflichten verbleiben bei den Autorinnen/Autoren sowie Fotografinnen/Fotografen.

Ungeachtet der Sorgfalt, die auf die Erstellung von Text, Abbildungen und Pro-

grammen verwendet wurde, können weder die Autorinnen/Autoren oder Heraus-

geber für mögliche Fehler und deren Folgen eine juristische Verantwortung oder

irgendeine Haftung übernehmen.

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort ..................................................................................................... 7

Eingefangener Herbst, Barbara Würtz ...................................................... 8

Herbstgedichte

Elfchen, Haiku, Senryu, Barbara Würtz ................................................... 9

Auf der Terrasse, Barbara Würtz ............................................................ 13

Ganz unverhofft, Robert Bruckart .......................................................... 14

Herbstzeit, Heinz-Josef Scherer .............................................................. 26

Novembersplitter, Heinz-Josef Scherer ................................................... 27

Zeit des Abschieds, Heinz-Josef Scherer ................................................ 28

Das leere Blatt, Heike S. Rogg ................................................................ 30

Manchmal, Elin Bell ................................................................................ 34

Geschlagen, Elin Bell .............................................................................. 35

So still, Elin Bell...................................................................................... 36

Hey Du!, Erwin Altmeier ........................................................................ 38

Sprachä, Erwin Altmeier ......................................................................... 40

Bescheidenheit, Birgit Burkey ................................................................. 42

Fremdbestimmt, Birgit Burkey ................................................................ 43

Schneeblüten, Birgit Burkey .................................................................... 44

Bombenleger, Marlin Wall ...................................................................... 46

Ein Dienstag im Mai, Werner Thöne ...................................................... 54

Das Weihnachtsbäumchen, Hans-Joachim Grötschel ............................ 56

Selbstgespräch Hans-Joachim Grötschel ................................................ 57

Ich bin treu, Hans-Joachim Grötschel .................................................... 58

Hopp und Topp, Hans-Joachim Grötschel ............................................. 59

Das Grau, Barbara Wehlen-Leibrock...................................................... 62

O, du fröhliche, Susanna Bur .................................................................. 64

Im Wald, da sind die Schweine, Tina Kraus ........................................... 68

Verzeichnis, Redaktion, Fotografen, AutorInnen ................................... 75

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VOR

WORT

pixabay.com

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Es ist in jedem Jahr das Gleiche:

Die Sehnsucht danach, dass ein wei-

teres hektisches Jahr zu Ende geht,

dass das Chaos und die Belastungen

irgendwie einen Abschluss finden.

Mit Schlag Mitternacht zu Sylves-

ter erhalten wir eine neue Jahreszahl,

eine reine, unbelastete Zeit liegt vor

uns, die wir ganz so prägen wollen,

dass es am Ende ein gutes Jahr gewe-

sen sein wird.

Ein herrliches Gefühl!

Von allem trennen, was uns über-

lastet, den ein oder anderen guten

Vorsatz leben.

Mit dem Rauchen aufhören - na ja,

heute Nacht noch nicht unbedingt.

Weniger essen - aber doch nicht im

Winter, da braucht der Körper Kraft,

um sich gegen die Kälte zu wehren.

Keinen Alkohol mehr - nur gerade

jetzt schmeckt der Irish Coffee so gut.

Sich weniger um Arbeitsstress küm-

mern, das Sozialleben verbessern -

aber zur Zeit sind halt alle Telefonlei-

tungen besetzt, da kann man nieman-

den anrufen. Überhaupt wird alles an-

ders, besser, schöner, lebenswerter.

Beginnen wir das neue Jahr doch

einfach damit, dass wir uns nicht

selbst enttäuschen.

Susanna Bur

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8

Vier Wochen schon ist es Herbst

Regen, Gewitter, Kälte

in den letzten 14 Tagen

Heute ein gefühlter Sommertag

Früh am Morgen scheint die Sonne

Wandergruppen sind unterwegs

Am Nachmittag flanieren Besucher

durch die Fußgängerzone und bewundern

das barocke Ensemble der Altstadt

Fast alle Plätze am Eiscafé sind besetzt

Sommerlich gekleidet genießt man

die warmen Sonnenstrahlen

Dazu schlemmt man

einen der köstlichen Eisbecher

oder eine warme Waffel

mit heißen Kirschen, Eis und Sahne

Überall herrscht Urlaubsstimmung

am Sonnenherbsttag in Blieskastel

Eingefangener Herbst Barbara Würtz

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9

Blätter

werden älter

Licht und Farben

bunt ihre letzten Tage

Herbst

Garten

Blühender Frühling

Ernte im Spätsommer

Blätter tanzen im Wind

Herbst

Frühling

voller Blüten

Reifen der Früchte

Jedes Blatt eine Blüte

Herbst

Herbstgedichte (Elfchen) Barbara Würtz

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Im Frühling Blüten

Im Sommer reife Früchte

Im Herbst Blatt-Blüten

Junges Blätter-Grün

Kraftvolles Laub im Sommer

Lichtfarben im Herbst

Herbstgedichte (Haiku) Barbara Würtz

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Erwin Altmeier

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12

Laub voller Farbe

Wind weht bunte Blätter auf

Der Weg ein Teppich

Veilchen im Frühling

Mildes Wachsen im Sommer

Reifes Obst im Herbst

Blüten im Frühjahr

Bald entwickeln sich Früchte

Obsternte im Herbst

Blüte, Frucht, Ernte

Frühjahr –Sommer – Herbst - Winter

Ablauf des Lebens

Der milde Frühling

Erfreut unsere Sinne

Der Herbst ernährt uns

Herbstliche Milde

Sommeratem in der Luft

Frühlings-Vorboten

Herbstgedichte (Senryu) Barbara Würtz

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Die Herbstsonne scheint

dazwischen der Himmel weint

Die Wolken ziehen weiter

Das Wetter wird heiter

Die Sonne erwärmt Land und Leute

Die Menschen genießen voller Freude

Man kann sitzen auf der Terrasse

neben einer schnurrenden Katze

Am Strauch, dem blattlosen

hängen die letzten beiden Rosen

Noch blüht die Tomatenpflanze

Gelbe Minitomaten zieren das Ganze

Zarte Winde wehen

lass´ es geschehen

Denk an den Sommer

denn bald wieder kommt er

Auf der Terrasse Barbara Würtz

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Putlik wohnte in der Erdgeschosswohnung. Unten links, wie

alle im Haus sagten. Er war der Hausmeister und jeder im Anwe

-sen kannte ihn. Doch nicht nur in seinem Wohnanwesen kannte

man ihn. Schließlich betreute er die Nachbaranwesen auch. Die

Häuser gehörten der Siedlungsgesellschaft und die Wohnungen

darin waren vermietet. Wann und wo auch immer etwas nicht

funktionierte, undicht war oder klemmte, Putlik richtete es. Da-

für war er da. Sein Lebensinhalt bestand darin, morgens in der

Frühe aufzustehen und zunächst die Außenanlage in Augen-

schein zu nehmen. Mal waren um diese Zeit die Mülltonnen pa-

rat zu stellen, mal die Papiertonnen, mal zu fegen und zu be-

stimmten Zeiten auch Schnee zu schaufeln, Wege zu räumen

und abzustreuen. Putlik kümmerte sich von Montag bis Freitag.

Dafür bekam er sein Geld und am Wochenende kümmerte er

sich auch, aber nur deshalb, weil ihm sonst langweilig gewesen

wäre. Für diese Sonderdienste erhielt er allerdings kein Geld,

doch das war Putlik egal. Die Hauptsache war für ihn, dass sein

Einkommen zum Leben reichte. Dies war der Fall und so be-

schwerte er sich nicht und teilte sich seine Arbeit über die ge-

samte Woche so ein, wie er es für richtig hielt. Putlik war immer

gleich gestimmt, trug immer das gleiche gelangweilte Gesicht

durch die Gegend und bewegte sich nicht schneller, als er unbe-

dingt musste. Er fand selber, dass er ein langweiliger Mensch

war und oft fragte er sich, wie langweilig die anderen ihn erst

finden mussten. Sein Leben verlief absolut gleichmäßig, Tag für

Tag. Jeden Morgen stand er um die gleiche Zeit auf, ging ins

Ganz unverhofft

Robert Bruckart

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Bad und setzte sich auf die Toilette. Anschließend wusch er sich

die Hände, das Gesicht und die Achselhöhlen, putzte die Zähne

und danach schäumte er sich das Gesicht mit Rasierschaum ein.

Nach dem Bad kochte er sich Kaffee, trank zwei Tassen davon

und zog sich dabei an. Die Tasse spülte er unter dem fließenden

Wasser aus und stellte sie in die Spüle. Er nahm seinen Kittel

vom Garderobenhaken und streifte ihn über, schlüpfte in die Si-

cherheitsschuhe, band diese zu, richtete sich auf und nahm die

Schiebermütze von der Hutablage an der Garderobe. Sein Blick

fiel in den Spiegel, während er sich die Mütze aufsetzte, denn

damit war er ganz eigen. Seine Hand drehte den Schlüssel im

Türschloss, zog den Schlüssel aus dem Schloss heraus, um ihn

anschließend von außen wieder in gleiches einzuführen und die

Tür abzusperren. Sogleich verschwand der Schlüssel in der

rechten Hosentasche und seine Schritte wandten sich dem Aus-

gang zu, wo er entweder nach dem Besen oder dem Schnee-

schieber griff. Es war tagein tagaus die gleich Prozedur und es

spielte sich in jedem Jahr auf die gleiche Weise ab. Langweilig,

wie Putlik selber fand. So war das schon immer in seinem Le-

ben und wahrscheinlich würde es sich nie ändern. Allenfalls

während des Tages gab es etwas Abwechslung, weil mal an der

Elektrik in einem Anwesen etwas zu reparieren war und ein an-

deres Mal lag es an den Wasser- oder Abwasserinstallationen.

Wenn Putlik sein Tagewerk vollbracht hatte, dann zog er sich in

seine Wohnung zurück. Meist war seine bezahlte Arbeitszeit

dann schon lange überschritten, aber das störte Putlik nicht. Für

ihn blieb am Abend sowieso nur das Fernsehprogramm und die

Katze, denn eine Frau, mit der er sich eventuell hätte unterhalten

können, die gab es in seinem Haushalt nicht. Also erzählte er all

seinen Kummer und seine Nöte Paula, seiner Katze. Paula hatte

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er sie nach seiner Lieblingstante benannt und der hatte er als

Kind auch immer all das anvertraut, was er sonst niemandem

sagen wollte oder konnte. Zumindest nach seiner damaligen

Einschätzung. Paula zog er jeder Frau vor, denn mit Frauen kam

er nicht zurecht, wie er fand und das war so, seit Elvira.

Elvira war eine junge Frau, mit einem für Putlik sehr anzie-

henden Körper. Ihre Taille war sehr schmal, ihr Hinterteil auffal-

lend rund und vorne schien es, als trage sie zwei vollkommen

gleichmäßig geformte Bälle in ihrer Bluse. Sehr groß war Elvira

eigentlich nicht und trotzdem erschien es so, als habe sie endlos

lange Beine. Ihr Gesicht war nicht hübsch und ihre Haare zeig-

ten oft ein glanzloses Aschblond und trotzdem strahlte sie für

Putlik unglaubliche Reize aus. Für ihn verkörperte Elvira die

Frau schlechthin.

Putlik war damals sechzehn und Elvira war fast dreißig. Sie

war in die Wohnung im ersten Stock des Nachbarhauses einge-

zogen. Putlik hatte sie beobachtet, vom Fenster aus, als sie mit

einem kleinen Transporter ankamen, sie und mehrere junge

Männer. Die Jungs schleppten alles in die kleine Wohnung und

Erwin Altmeier

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bis zum Abend war aus der Wohnung Gerumpel und Geklapper

zu hören. Danach war es einige Zeit still und plötzlich hörte

man das Quietschen von Elvira. Putlik wurde mit jedem Quiet-

schen nervöser und neugieriger und schließlich hielt er es nicht

mehr aus, stieg in die Schuhe, streifte die Jacke über und ging

nach draußen. Er begab sich hinter die Anwesen, dort an die Bö-

schung, die genau gegenüber von Elviras Fenstern lag und stieg

ein Stück die Böschung hinauf, so dass er in die Fenster zu ihrer

Wohnung Einblick nehmen konnte. Sie und die Jungs alberten

herum, spielten wohl Nachlauf und Putlik wunderte sich, dass

dieses Quietschen der fremden Frau ihn so sehr in ein Gefühl

versetzt hatte, welches ihm bis dahin sehr fremd war, nun aber

irgendwie einschneidend in sein Leben eingriff. Er wollte es im

Innersten seines Herzens nicht, dass diese Kerle das mit ihr

machten. Er selbst wollte vielmehr mit ihr Spaß haben. Einige

Zeit stand er dort an der Böschung und schaute. Mit einem

Schlag wurde ihm bewusst, dass er schon eine Ewigkeit da ste-

hen musste, denn die Jungs waren längst weg und er hatte auch

irgendwie wahrgenommen, dass der Motor des Transporters ge-

startet worden war. Elvira wandelte in der Wohnung herum, ver-

schob Möbelstücke, trug Bilder durch die Gegend und hielt sie

gegen Wände. Irgendwann war sie im Bad verschwunden, hatte

das Fenster gekippt und Putlik hörte das Wasser der Dusche lau-

fen. Er stapfte die Böschung hinunter und kehrte in die Woh-

nung zurück. Seine Mutter sah ihn ganz merkwürdig an.

»Wo warst du um diese Zeit noch, Franz?«

Er gab ihr keine Antwort, streifte Schuhe und Jacke ab und

ging in sein Zimmer. Dort schaltete er das Tonbandgerät ein,

spulte das Band ein gutes Stück zurück, setzte den Kopfhörer

auf und hörte Creedence Clearwater Revival. Looking out my

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backdoor. Putlik vibrierte mit.

Als ihn am Morgen der Wecker aus dem Schlaf riss, blieb er

zunächst einen Moment auf der Bettkante sitzen. Dies hatte

zwei Gründe. Der erste Grund war der, dass ihm bewusst wurde,

in der Nacht einen sehr aufregenden Traum gehabt zu haben, in

dem es um Elvira und ihn ging und der zweite Grund war, dass

er eine frische Unterhose brauchte, da jener Traum sehr feucht

verlaufen war. Er erinnerte sich an einzelne Szenen des Traums,

jedoch nicht an das ganze Traumgeschehen und das ärgerte ihn.

Putlik machte eine Lehre, wollte Elektriker werden, doch als er

sich bewarb, war diese Lehrstelle bereits vergeben und so blieb

ihm nur eine Lehrstelle als Installateur. Als er die Lehrstelle an-

getreten hatte und sich erstmals danach mit seinen Kumpels traf,

fragte ihn einer, was er denn nun für eine Lehre begonnen habe.

Putlik sagte:

»Ich mache eine Ausbildung zum Installateur.«

Einer in der Runde lachte laut auf und gab dann zum Besten:

»Heißt das bei uns hier auf dem Land nicht, du lernst Gas,

Wasser, Scheiße?«

Alle lachten und Putlik zahlte sein angetrunkenes Bier und

ging beleidigt. Er nahm sich fest vor, nie wieder würde er sich

mit diesen Idioten treffen und er hielt sich daran. Zu Mädchen

hatte er sowieso keinen Kontakt und er fragte sich, was die an-

deren machten, um ein Mädchen kennenzulernen. Putlik war

sehr unglücklich darüber, dass er kein Mädchen traf, das auf ihn

zukam, denn er selbst hatte längst erkannt, dass er viel zu

schüchtern war in dieser Hinsicht. Nun zog im Nachbarhaus die-

se Elvira ein und machte ihn ganz verrückt. Den ganzen Tag

während seiner Arbeit hatte er über diese Frau nachgedacht und

auch darüber, dass er am Abend dort an der Böschung gestanden

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und sie beobachtet hatte. Als er am Nachmittag nach Hause

kam, begab er sich zunächst hinter die Häuser, weil ihm einge-

fallen war, dass es dort noch das alte Baumhaus gab. Er blickte

hinauf und fragte sich, ob die Konstruktion wohl noch stabil ge-

nug war, ihn zu tragen, doch er wagte es einfach und kletterte

hinauf. Als er schließlich oben war, überprüfte er alles sehr ge-

nau, denn er hatte Zeit, weil es in Elviras Wohnung noch nichts

zu sehen gab. Das Holz hatte an der ein oder anderen Ecke et-

was gelitten, aber insgesamt würde das Häuschen dem Wetter

noch einige Zeit trotzen. Er konnte in die Wohnung von Elvira

hineinschauen, und genau das wollte er auch, aber um etwas er-

kennen zu können, dafür war die Entfernung doch zu groß. Es

fiel ihm allerdings etwas ein. Sein Vater hatte in den Urlaub

stets ein Fernglas mitgenommen und er wusste genau, wo in der

Wohnung dieses Teil verstaut war. Also nahm er es bei nächster

Gelegenheit mit ins Baumhaus.

Sehr aufgeregt nahm er das erste Mal das Fernglas mit. Es

war schon dunkel als er in seinen Ausguck kletterte und als er

das Glas an seine Augen setzte, da zuckte er zunächst einmal

kräftig zusammen. Elvira stand in ihrem Schlafzimmer, dessen

Fenster noch immer keine Gardinen trugen und hatte sich kom-

plett entkleidet. Putlik konnte ihren Körper genau sehen und er

schaute sich mit dem Glas alles ganz genau an. Dabei zitterte er

so sehr, dass das Bild vor seinen Augen ständig verwackelte und

er wäre vor Aufregung fast aus dem Häuschen gestürzt. Doch

mit der Zeit gewöhnte er sich an ihren Anblick. Wann immer

sich die Gelegenheit bot, Putlik kletterte in seinen Beobach-

tungsstand und erkundete die Wohnung von Elvira und ihren

Körper, wenn sie ihm diesen denn zeigte. Aber er hatte zwi-

schenzeitlich schon ein sicheres Händchen dafür entwickelt,

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wann Elvira so wichtige Dinge wie duschen und sich anschlie-

ßend im Schlafzimmer einzucremen, absolvierte. Putlik war

dann in seinem Baumhaus parat und auch schlechtes Wetter

konnte seine Pläne nicht durcheinander bringen. Doch an die-

sem Abend war alles anders.

Er hatte gehofft, sie würde, ihren Gewohnheiten folgend,

auch diesmal und um diese Zeit unter die Dusche steigen, doch

er hatte sich getäuscht. Offensichtlich war sie schon damit fer-

tig, als er sie mit dem Rund des Fernglases erfasste. Sie hatte

sich zurecht gemacht und sie machte auf ihn den Eindruck, als

erwarte sie jemanden. Kurz darauf verschwand sie aus dem

Zimmer, um recht bald wieder in Begleitung einer Person das

Zimmer erneut zu betreten. Putlik fiel fast aus dem Baumhaus,

als er wahrnahm, wer bei Elvira in der Wohnung weilte. Es war

der alte Putlik, sein Vater. Franz Putlik begann augenblicklich zu

zittern und er hatte keine Ahnung, warum das so war. Er war

sich auch nicht sicher, ob er weiter beobachten oder lieber vom

Baum steigen und in sein Zimmer gehen sollte. Er hatte bereits

einen Fuß auf die oberste Sprosse der Leiter gesetzt, als er es

sich doch noch einmal anders überlegte.

Er setzte sich wieder auf das Holzstück, das im Baumhaus

lag, führte das Glas vor die Augen und schaute. Sein Vater bohr-

te Löcher, steckte Dübel ein und drehte Schrauben in die Wand.

Elvira kam und hängte Bilder an den Schrauben auf. Immer wie-

der verlor er die beiden aus den Augen, immer wieder weilten

die beiden Objekte der Beobachtung außerhalb des Bereichs,

den Putlik einsehen konnte. Die Abstände, in denen er sie nicht

sehen konnte wurden immer länger und die Verweildauer der

beiden innerhalb seines Sichtbereiches immer kürzer. Putlik

wurde nervös. Er fragte sich, was die beiden dort taten. Sein

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Blick konzentrierte sich auf das Wohnzimmer, doch mit einem

Mal wurde seine Aufmerksamkeit auf das Fenster des Schlaf-

zimmers gelenkt, als dort das Licht anging. Putlik drehte den

Kopf und das Fernglas gleich mit. Elvira fiel rücklings auf das

Bett und Putliks Vater beugte sich über sie. Putlik spürte, wie

ihm plötzlich eiskalt wurde. Etwas schnürte ihm die Kehle zu,

doch er wich nicht von der Stelle. Er registrierte, wie sein Vater

sich noch weiter nach unten beugte und Elvira küsste.

»Putlik, klettere die Leiter hinunter und geh in dein Zimmer.

Was du da siehst, das ist nicht gut für dich. Das kannst du nicht

verkraften, also verschwinde endlich. Mach dich vom Baum und

geh und vergiss diese Elvira. Sie ist eine Hure, sonst nichts und

deinen Vater vergiss einfach auch. Du hast keinen Vater, es gab

nie jemanden, den du als Vater bezeichnet hast. Geh endlich in

dein Zimmer Putlik!«

Leise murmelnd hatte er dies vor sich hin gesagt, ehe er noch-

mals das Glas ansetzte und hinüber schaute. Er sah Elviras

hochgestreckte Beine und er nahm die Bewegungen seines Va-

ters über ihr war. Das nächste, was ihm bewusst wurde war, dass

Erwin Altmeier

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ihm Tränen übers Gesicht rannen und er nichts mehr durch das

Fernglas sehen konnte.

Er hatte die Tür zu seinem Zimmer verschlossen, das Ton-

bandgerät eingeschaltet und im Schrank nach der Flasche ge-

sucht. Der erste Schluck waren eigentlich drei Schlucke. Die

Flasche aus der er trank war eckig und trug ein Etikett mit der

Aufschrift Jim Beam. Nachdem er dreimal an der Falsche ge-

nippt hatte, spürte er den Alkohol sehr deutlich. Trotzdem setzte

er den Kopfhörer auf und hörte Musik, trank immer weiter und

spürte schließlich, dass es allerhöchste Zeit für ihn war, endlich

ins Bett zu gehen. Die Flasche war halb geleert und Putlik streif-

te sich die Kleider vom Leib und ließ sich auf sein Bett fallen.

Er hatte den ganz großen Schraubendreher mitgenommen und

er hoffte, es würde ihn niemand hören. Da die Häuser zusam-

mengebaut waren, gab es eine Möglichkeit, durch den Keller in

das andere Gebäude zu gelangen. In seiner Hosentasche befand

sich die Taschenlampe und er schlich sich die Treppe hinunter

bis in den Keller. Dort lauschte er zunächst einmal, ehe er sich

weiter den Gang entlang schlich und schließlich am Treppenauf-

gang im Nachbaranwesen stand. Noch vorsichtiger stieg er Stufe

um Stufe hinauf und lauschte an jeder Wohnungstür, doch es

war nichts zu hören. Alle schienen zu schlafen und so kam er

unbemerkt vor der Tür an, hinter der Elvira nun wohl schlum-

merte. Er wollte es ihr zeigen, wollte es sich auf gar keinen Fall

gefallen lassen, dass sie, für die er doch so viel empfand, ihn mit

seinem eigenen Vater betrogen hatte. Putlik musste nicht viel

Gewalt anwenden, das Schloss und der Türrahmen gaben dem

großen Schraubendreher in Windeseile nach und Franz Putlik,

der noch immer vor Eifersucht kochte, stand in der Diele von

Elviras Wohnung. Er drückte die Wohnungstür hinter sich zu

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und seine Hand suchte den Türgriff der Schlafzimmertür, den er

vorsichtig herunterdrückte. Im fahlen Licht, das von draußen in

den Raum drang, konnte er Elvira sehen. Sie hob den Kopf und

blickte in seine Richtung. Noch bevor sie etwas sagen konnte,

hatte er sich auf sie gestürzt, den Schraubendreher vor sich hal-

tend und sie dort irgendwo zwischen ihren wunderschönen

Brüsten getroffen. Nicht einmal geschrien hatte sie, nur kurz ge-

quietscht. Der Schraubendreher stach bis zum Griff in ihrer

Brust. Putlik überlegte einen Moment, dann entschloss er sich,

das Werkzeug wieder aus Elvira herauszuziehen und mitzuneh-

men. Als er dies jedoch tat, spritzte das Blut ihm entgegen und

tränke alles in rote Farbe. Putlik spürte, wie ihm die Flüssigkeit

auch vom Gesicht rann und an seinem Kinn abtropfte. Für einen

Moment blieb er noch vor dem Bett stehen und sah Elvira an. Er

richtete die Taschenlampe auf ihr Gesicht und schaltete sie für

einen Augenblick ein.

Elviras Mund war leicht geöffnet, ihre Augen hatten einen

starren Blick und schon jetzt erschien die Farbe ihrer Haut ge-

nauso aschfahl wie das Licht, das von draußen in ihr Schlafzim-

mer drang. Er war sich ganz sicher, dass sie nicht mehr lebte

und so wandte er sich ab, um zu gehen, als er die Schritte in der

Diele wahrnahm. Er fuhr auf. Schweißperlen liefen ihm übers

Gesicht und sein Herz überschlug sich regelrecht in seiner

Brust. Seine Hand fasste nach dem Lichtschalter und er knipste

das Licht neben dem Bett an. Seine Füße berührten den Boden

und er rang nach Luft.

»Putlik, es war nur ein Traum. Beruhige dich, es war ganz

einfach nur ein Albtraum, sonst nichts. Elvira lebt und es geht

ihr gut. Beruhige dich also Putlik! Du hast gar nichts Schlimmes

getan.«

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Immer wieder sprach er so mit sich, flüsternd, damit bloß

kein fremdes Ohr es wahrnehmen sollte.

Es war um die Mittagszeit, als es plötzlich an seiner Tür klin-

gelte. Putlik hatte sich an den Tisch gesetzt, zwei Scheiben Brot

mit etwas Wurst und Käse belegt und Paula schlich ihm um die

Beine. Putlik fühlte sich in seiner Mittagsruhe gestört und des-

halb maulte er, doch trotzdem erhob er sich von dem Küchen-

stuhl und machte sich auf den Weg zur Tür. Er öffnete diese und

blickte in ein Augenpaar, das ihm irgendwie sehr bekannt er-

schien, aber zunächst wusste er nicht, wer die Person war, die

gerade vor ihm stand. Doch irgend etwas in ihm sagte, dass er

diese Frau kannte. Auch sie blickte unsicher und schien zu rät-

seln.

»Ich wollte fragen, ob die Wohnung noch frei ist, die letzte

Woche inseriert war.«

Putlik fing an zu lachen und schlug sich mit der flachen Hand

auf den Oberschenkel. Er lachte immer weiter und konnte sich

gar nicht beruhigen. Schließlich schnappte er nach Luft und eine

Träne rann ihm über die Wange. Er versuchte ruhig zu werden.

»Ja, die Wohnung im ersten Stock des Nachbarhauses, die

man vom Baumhaus einsehen kann. Jaja, ganz recht, die ist

noch frei, Elvira!«

Wieder begann er zu lachen und schlug sich auf den Schen-

kel.

Elvira blickte ihn ganz ernsthaft an. Man hätte denken kön-

nen, sie wollte ihn mit ihren Augen röntgen.

»Putlik, bist du das? Franz Putlik, wenn du das bist, dann sag

doch einen Ton und hör endlich auf, so fürchterlich zu lachen!«

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Gesichter der Zweisamkeit Robert Bruckart

ISBN: 978-3-944306-06-3

Seitenanzahl: 270

€ 9,90

www.amazon.de

Auch als E-Book erhältlich

Nichts beschäftigt uns Menschen in unserem Leben wahrscheinlich mehr, als in glückli-cher Zweisamkeit zu leben und trotzdem stellen wir immer wieder fest, dass es nicht gerade einfach ist, eine solche zu finden. Dabei entgeht uns oft, dass wir es meist selbst sind, die einer solchen Zweisamkeit hinderlich im Weg stehen. Und noch eins sei ge-sagt; Zweisamkeit ist nicht gleich Zweisamkeit.

Der Kurzgeschichtenband mit dreizehn verschiedenen Lebensabschnitten erzählt Episo-den aus den Leben von Menschen, bei denen Zweisamkeit und die Suche nach ihr, wie auch das Ende einer Zweisamkeit, eine wesentliche Rolle spielt.

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Es ist die Zeit der sich bunt färbenden Blätter,

des mehr und mehr den Boden füllenden und unter den Schritten ver-

nehmbaren raschelnden Laubes,

der kürzer werdenden Tage und länger währenden Nächte –

die Zeit der Tempodrosselung, des Herunterfahrens, der Reduktion,

der Introspektion –

die Zeit der Romantiker und Träumer,

der Sommerverdrossenen und Herbst-,

Wintergeneigten,

der Innen- statt Außengeleiteten –

die Zeit des Abschiednehmens, der Hoffnung auf und des Glaubens

an Wiedererwachen, Wiedergeburt –

irgendwann.

Herbstzeit Heinz-Josef Scherer

Heinz-Josef Scherer

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Novembernebel verkündet Vergehen, Ende

Blick zurück - Erinnern in Melancholie

Bäume - todeskahl spät - mahnen Reduktion

Ankommen ermöglicht Glück.

Novembersplitter Heinz-Josef Scherer

Heinz-Josef Scherer

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Jahresausklang fordert Abschied

Außen trüb - Nebel richtet Blick nach innen

Dominanz der Dunkelheit lässt Binnenraum zu

Extra- weicht Introversion

Vergehen, Erwachen, Neubeginn in Erinnerung

Hoffnung schafft Vertrauen, Zuversicht in

Zukünftiges

Wechsel

Fortbestand

Gesetz des Lebens.

Zeit des Abschieds Heinz-Josef Scherer

Heinz-Josef Scherer

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Sehnsucht nach dem innern Land - Kurzgeschichten/Erzählungen/ Stories/Gedichte/Aphorismen/Beobachtungen/ Ansichten/Autobiographisches/ Photographien von

Heinz-Josef Scherer’

ISBN 978385438102-0 172 Seiten, € 18,40€

erhältlich beim Autor oder über den Verlag www.united-pc.eu ‘Belletristik-Sonstiges/Allerlei’ sowie bei Amazon

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Da sitze ich nun.

Vor mir ein leeres Blatt. So leer wie mein Kopf. Dennoch soll

ich es füllen, dieses blütenweiße Stück Papier. Noch ist es mein

Feind. Jemand, der was von mir will. Etwas von mir einfordert.

Was will es von mir? Ein Wort? Einen Satz? Eine Kurzgeschich-

te? Eine Kolumne? Eine Satire? Einen vollständigen Roman?

Ich weiß es nicht, es antwortet nicht auf meine stumme Frage.

Wie hypnotisiert starre ich auf die weiße Fläche. In der Hoff-

nung, dass wie von Geisterhand eine Antwort auftaucht. Aber

nichts passiert. Außer, dass es vorwurfsvoll zurück stiert. Das

Einzige, was es zu mir sagt, ist: »Füll mich! Schenk mir deine

Gedanken, deine Fantasie, deine Buchstaben, Worte und Sätze.«

Nein, es ist kein Freund von mir. Ein Freund würde mir hel-

fen, mich unterstützen, mir sagen, was ich tun soll. Dieses Blatt

aber stellt nur eine Forderung - Mach!

Dabei wäre es vielleicht schon von Nutzen, stünde dort eine

Überschrift. Etwas woran ich mich entlang hangeln kann. Was

meine Fantasie anregt. Aber da steht - Nichts!

Minuten verrinnen, Stunden vergehen und noch immer ziert

kein einziges Wort diesen Bogen. Ich könnte ihn zerknüllen und

an die Wand werfen, aber dazu ist er zu schade, denn er ist ja

ungebraucht. Ich könnte etwas darauf zeichnen, doch mir fehlt

das Talent.

Ich greife zum Äußersten. Ich stehe auf, verlasse meinen

Gegner, lasse ihn allein auf dem Schreibtisch zurück. Das ist

Das leere Blatt Heike S. Rogg

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Susanna Bur

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meine Rache, meine Antwort auf seine unverschämte Forde-

rung.

Da liegt es nun, einsam und nackt, ein weißes Papier, wie je-

des andere, das noch in der Schublade wartet. Ich werde es jetzt

nicht mit Worten über die übrigen erheben. Ich lasse es genauso

uniform zurück, wie die fünfhundert weitere. Eine kurzzeitige

Befriedigung überkommt mich. Ich verfüge über die Macht, es

liegt in meiner Hand, es zu beschreiben. Aber nicht lange bleibt

mir dieser Triumph, es scheint mich magisch anzuziehen. Dau-

ernd zieht es meinen Blick auf sich. Es scheint zu schreien:

»Lass dir was einfallen!« Aber noch immer leistet es keine Hil-

festellung. Ich verlasse den Raum, aber es verfolgt mich, steckt

im Kopf fest. Ich lenke mich ab, unternehme etwas, beschäftige

mich mit anderen Dingen. Aber es bleibt in meinen Gedanken

gegenwärtig. Ein weiteres Mal ruft es: »Ich liege hier und rühre

mich nicht von der Stelle.«

»Toll, dann bleib liegen, bis du verrottest«, will ich antwor-

ten. Aber ich weiß genau, dass ich wieder davor sitzen werde.

Ich will es ja füllen, mit meinen Gedanken, meiner Fantasie,

meinen Worten. Warum nur begreift es nicht, dass exakt das

nicht auf Befehl funktioniert? Es kann nicht einfach rufen und

ich gehorche. Es versteht nicht, dass außer ihm und mir noch

mehr dazugehört. Wir können nur dann Partner werden, wenn

beide es wollen. Nur dann, wenn mir endlich etwas einfällt ...

Aber meine Rache ist fürchterlich! Ich schalte den PC an, ru-

fe ein Textprogramm auf und sitze - vor einer leeren

Seite ...

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Einmal Dresen - nicht zurück

Heike S. Rogg

Ein Busfahrer Hannes Krimi …

Website: www.busfahrer-hannes.de

IBSN 978-3-945600-26-9 Elvea Verlag 2014

Dresden ist eine Reise wert. So sieht es auch eine saarländische Reisegruppe und bucht eine Fahrt in die sächsische Hauptstadt. Zusammen mit Busfahrer Hannes und seiner Frau Susanne erleben sie eine informationsreiche Woche, bis … Ja, bis plötzlich ein Fahrgast spurlos verschwindet. Sofort begeben sich Han-nes und Susanne auf Spurensuche, werden aber von der zuständigen Polizei ausgebremst. Das wiederum hindert sie nicht daran, den Fall auf ihre Art weiter zu verfolgen. Die Spur, die sie dabei entdecken, führt in die Abgründe. Gelingt es Busfahrer Hannes trotz allem, seinen vermissten Fahrgast lebend wieder zu fin-den?

Fragen Sie sich vielleicht, was Eierschecke und Frauenkirche verbindet?

… ich wünsche Ihnen ein unterhaltsames Lesevergnügen, Ihre Heike S. Rogg

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Manchmal

Bewirft mich das Leben

Mit Steinen

Ich hebe sie auf und baue etwas

Manchmal

Eine hohe Mauer um meine Seele

Manchmal

Eine Treppe in meine Dunkelheit

Manchmal

Einen Leuchtturm in mondloser Nacht

Manchmal

Eine Brücke zu meinem Herzen

Manchmal

Aber möchte ich die Steine

Dir überlassen

Damit du daraus ein Haus

Für uns baust

Manchmal Elin Bell

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Ein weiteres Gefecht

In dieser sinnlosen Schlacht

Dass wir uns

Nicht einigen können

Ist das Einzige

Worüber wir uns einig sind

Verbale Messer sind scharf

Verletzen tief und

Erinnerungen bluten lange

Aus vielen Wunden

Du wirst mich bezwingen

Doch auch ich werde gewinnen

Geschlagen

Besiegt

Steht am Ende nur das „wir“

Mit dem Rücken zur Wand

Bittet mit einer weißen Fahne

Um Kapitulation

Geschlagen Elin Bell

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In tiefer Nacht

Leise

Klingen wehmütig

Knisternde Melodien

Erinnerungen

Tanzen

Kann sie nicht mehr

Doch schließt sie ihre Augen

Fühlt sie ihr Herz

Behutsam noch

Im Rhythmus schlagen

Hört das Flüstern

Hauchzarter Seide

Nichts bleibt

Ihre Liebe

Wartet auf der anderen Seite

Wenn die Dunkelheit

Dem Tag weicht

Wird es

So still

So still

So still Elin Bell

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Adinavoicu, pixabay.com

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Es ist schon ein Jammer mit der neuen deutschen Recht-

schreibung, die ja mittlerweile gar nicht mehr sooo neu ist. Auch

wenn man grundsätzlich die Reform beim Schreiben umsetzt -

in EINEM Punkt habe ich immer ein Problem, nämlich bei den

Anredepronomen „du“/“dich“/“dein“/“ihr“/“euch“/“euer“!

Doch nein, eigentlich habe ich selbst KEINE Schwierigkeiten

damit, aber ich weiß, dass viele LESER ein Problem haben. Wa-

rum? Weil sie denken, dass ich etwas falsch geschrieben habe,

was eigentlich richtig ist.

Während früher ALLE Anredepronomen groß zu schreiben

waren, ist die Sache heute anders geregelt. Wenn man eine Per-

son oder mehrere Personen „siezt“, wird das entsprechende An-

redepronomen nach wie vor groß geschrieben. Also: „Ich begrü-

ße Sie!“/„Wie geht es Ihnen?“

„Duzt“ man sich aber, so ist die Kleinschreibung der Anre-

depronomen die EMPFOHLENE Schreibweise. Das bedeutet,

die Großschreibung ist weiterhin erlaubt (wenn man z.B. Ange-

schriebenen gegenüber seine besondere Hochachtung ausdrü-

cken möchte). Die Großschreibung ist also richtig bzw. nicht

falsch, aber die Kleinschreibung ist empfohlen will sagen:

“RICHTIGER”! ;-) Leider wissen dies aber viele nicht und sind

evtl. verwundert darüber, wenn sie in einem ansonsten einwand-

frei geschriebenen Text plötzlich vermeintliche Fehler bei den

Anredepronomen entdecken.

Ich versuche oft (z.B. bei SMS oder Facebook-Messages),

dieses Problem durch die totale Kleinschreibung zu umgehen.

Hey Du! Erwin Altmeier

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Wenn ich dies jedoch nicht für angemessen halte, muss ich eben

damit leben, dass manche denken: „Wow, der Erwin weiß noch

nicht einmal, dass man „Du“ groß schreibt!“

Und wenn ich absolut nicht möchte, dass das gedacht wird,

dann greife ich halt zur alten und immer noch erlaubten Rege-

lung. Vielleicht könnte ich ja auch in allen künftigen Schreiben

einen Link zu dieser Seite anbringen, damit klar ist, warum ich

geschrieben habe: „Hey du, wie geht es dir?“

Erwin Altmeier

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Sie kennen das ja sicher: Wenn man eine Rede halten muss,

interviewt wird oder im beruflichen oder privaten Kreis etwas

sagen will, kommt es vor, dass man – um Lücken zu überbrü-

cken – ein mehr oder weniger lang gezogenes „ä” einfügt.

Diese kleine Denkpause nutzt man dann, um sich den Fol-

getext zu überlegen. Nur wenige schaffen es, fließend zu spre-

chen, ohne das besagte „ä” zu verwenden.

Was mir allerdings seit geraumer Zeit immer häufiger auffällt,

wenn ich im Fernsehen Politikern, Reportern und Moderatoren

beim Sprechen zuhöre, ist ein ganz besonderes Phänomen: Man

fügt das „ä” nicht als Denkpause ein, sondern hängt es direkt an

ein Wort an, so als ob es zu diesem gehören würde. Es ist offen-

sichtlich chic geworden so zu sprechen und der Nachahmungs-

effekt ist mittlerweile so groß geworden, dass es nur noch weni-

ge Statements ohne „ä” an so manchem Wortende gibt bzw. gib-

tä.

Es istä also gewissermaßenä eine Erscheinung der Zeitä, die

hoffentlich baldä (gesprochen: baltä) vorübergehtä. Denn mir

wirdä (gesprochen: wirtä) immer ganz schlechtä, wenn ich so

etwas zu oftä hören mussä. Natürlichä übertreibe ich hier et-

wasä, aber wenn Sie einmal daraufä achten, werden Sie merken,

dassä diese Artä des Redensä offensichtlich eine Modeerschei-

nung geworden undä so manches Wortä davon betroffen istä.

Ich will mich jetzt aber mäßigen und Sie nicht länger nerven.

Achten Sie einmal darauf, wenn in Radio oder Fernsehen Politi-

ker interviewt werden, Auslandskorrespondenten berichten oder

Sprachä Erwin Altmeier

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Moderatoren zu Ihnen sprechen – Sie werden z.B. kaum noch

ein “und” hören, sondern viel häufiger ein „undä” (gesprochen:

„untä”).

Ich habe mir einmal den Spaß gemacht und ä-Wörter notiert,

die ich bei Fernsehdarbietungen aufschnappte. Hier eine kleine

Auswahl: hatä, istä, kommtä, gutä, zumindestä, auchä,

schwachä, vonä, Dienstagä, dassä, aufä, Herzä, bisä … Die Liste

könnte spielend leicht fortgesetzt werden.

Ich sehne mich jedenfalls nach einem baldigen Ende dieses

Sprachsspuksä!

Erwin Altmeier

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Wir trinken Hoffnung,

bis zur Selbstaufgabe,

für Bescheidenheit

fehlen die Gründe.

Wir suhlen uns

im seichten Überfluss,

die Zukunft auf dem Schoß,

dennoch fließen Zweifelgedanken.

Bescheidenheit Birgit Burkey

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Mit deinem Schatten

löschst du mein Licht,

quälend verglimmen

letzte Funken Leben.

Während ich

durch aufdiktierte Zeit treibe,

verliere ich meine Gedanken,

und begrabe Erinnerungen

an die letzten,

in Freiheit geborenen Atemzüge.

Fremdbestimmt Birgit Burkey

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An einem stillen Dezembermorgen dreht sich der Winter träumend

noch einmal um in seinem Wolkenbett, blinzelt neugierig hinunter

auf braune Felder, wirft einige Schneeblumen, wie Samen, übers

Land.

Ihre Saat trägt reiche Früchte, Weiß überzieht Bäume und Wiesen,

Sterne erkeimen an Fensterscheiben, Häuser tragen ein Wattekleid

und Kindernasen tanzen mit Flockennixen einen Reigen.

Schlitten erobern Waldwege, mit verwegenen Kufen gleiten Eisköni-

ginnen über frostige Seen. Schneemänner flanieren am Ufer, trinken

Punsch, erfreuen sich am Blütentreiben in der Wintermärchenzeit.

Staunend blicken Kinderaugen auf die Zauberwelt in ihren Händen,

schütteln die Schneekugeln, wieder und wieder, damit das Wirbeln

der fruchtbaren Kristalle niemals endet.

Schneeblüten

(Miniaturgedichte in 100 Worten) Birgit Burkei

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Susanna Bur

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Prolog

Nr. 2 sah von seinem Sudokurätsel auf, als er die Geräusche

aus dem Obergeschoss hörte. Die Musik des Filmabspanns en-

dete abrupt, der Fernseher verabschiedete sich mit einem Klin-

gelton. Er folgte dem schwerfälligen Tritt über seinem Kopf, litt

fast mit unter dem Schmerz, den jeder Schritt ihr bereitete. Nun

würde seine Frau ins Bad gehen, die Zähne putzen, sich zur

Nacht umziehen. Noch immer war sie eitel, wollte erhalten, was

die Zeit noch nicht zerstört hatte, für ihn. Dabei liebte er dieses

Gesicht noch heute wie vor vierzig Jahren; jede ihrer Falten

schien eine Geschichte des gemeinsamen Lebens zu erzählen.

Er stand ebenfalls auf, räumte seinen Block und den Stift in

die Schublade der Eckbank, begann mit der Vorbereitung für das

Frühstück am nächsten Morgen. Füllte Wasser in den altmodi-

schen Kessel, maß die Wassermenge anhand des Gewichts ab.

Genau einen Liter; das hatte er im Gefühl.

Die Schäferhündin, die neben dem Kachelofen geschlafen

hatte, sah auf; ihr fast fragender Blick ließ ihn lächeln und er

nickte ihr zu. Ja, sie würden noch eine Runde drehen, ein Depot

überprüfen, sobald er Marie für die Nacht warm zugedeckt hat-

te.

Das Summen der elektrischen Zahnbürste oben erstarb, nun

folgte ihre letzte Aufgabe des Tages. Das Ablegen der Kleidung,

diese alltägliche Routine, verstärkte den Schmerz in ihren Glie-

dern, doch sie wollte sich nicht helfen lassen; musste ein winzi-

ges Stück Würde bewahren.

Bombenleger Marlin Wall

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Nr. 2 stellte Tassen und Teller auf den Frühstückstisch, suchte

ihren Lieblingseierlöffel aus der Schublade, nahm den Salzs-

treuer aus dem Regal und stellte ihn genau in die Mitte des Ti-

sches. Eine Blume würde er ihr aus dem Garten mitbringen,

morgen nach dem Frühspaziergang. Er wandte sich um, öffnete

die Tablettenschachteln und legte die Medikamente auf das klei-

ne Tablett, stellte ein Glas Milch dazu, maß die Tropfen des

Schmerzmittels ab.

Die Badezimmertür oben öffnete sich; durch die Holzdecke

hörte er sie langsam ins Schlafzimmer gehen, stellte sich ihr er-

leichtertes Seufzen vor, wenn sie sich aufs Bett setzte.

»Bertrand?«, rief sie.

»Ich bin schon unterwegs!«

Er balancierte das Tablett die Treppe hinauf, wandte sich nach

rechts und betrat das Schlafzimmer. Wie jeden Abend traf ihn

ihr bittender Blick und er nickte. Er stellte das Nachtmahl auf

den Tisch, schlug die Bettdecke zurück, drehte sie mit geübtem

Griff ins Bett. Während sie die Tabletten einnahm, schloss er die

Rollläden, kippte das Fenster und deckte sie sorgfältig zu, küsste

sie auf die Stirn. »Bonne nuit, Marie!«

Sie lächelte ein wenig. »Gehst du noch einmal los?«

»Ja, Losa wartet schon.«

»Bleib nicht so lang fort«, bat sie.

»Nein, heute nicht.« Er fuhr ihr übers Haar. »Träume´ schön,

mein Schatz!«

Sie streckte sich wohlig. »Erst, wenn du wieder zurück bist.«

Er nickte und schaltete die Nachttischlampe aus.

Losa erwartete ihn bereits am Fuß der Treppe. Er legte ihr das

Halsband an, nahm die Joppe vom Haken und zog die Taschen-

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lampe aus einer der Taschen. So leicht sie auch in der Hand lag,

so zuverlässig warf sie ihren Strahl fast 100m weit.

Solche Materialien hätten wir uns früher gewünscht, dachte

er. Die alten Weitstrahler waren echte Batteriefresser, die Birnen

so unzuverlässig, dass man immer Ersatz mit sich herumtragen

musste. Doch am Asselscheuerhof hatte auch die alte Lampe ih-

ren Dienst getan, fast wäre die tödliche Falle zugeschnappt.

Heute war er froh über den glücklichen Zufall, der damals zwei

Menschen gerettet hatte. Nein, dieser Krieg gegen Gegner, die

nie existiert hatten, musste endlich beendet werden.

Er zog seine Mütze über, öffnete die Haustür, trat in den Re-

gen. Die Werkstatt lag quer zum Wohnhaus; aus Gewohnheit

kontrollierte er das alte Schloss: Alles in Ordnung. Losa zog ihn

weiter, wollte laufen, drüben im Wald.

»Ruhig, Mädchen!«, ermahnte er sie. »Erst die Kontrolle.«

Sie umrundeten die Halle, er ließ den Strahl der Taschenlam-

pe über das Brachgelände wandern, auf dem der Neubau entste-

hen sollte. Seit zwei Jahren lagen die Architektenpläne in sei-

nem Schreibtisch, doch die Baugenehmigung wurde durch mie-

se Tricks verzögert.

Er seufzte, als Losa aufgeregt umher tänzelte, folgte ihrem

Ziel. Sie erreichten die Barriere am Ende der Stichstraße und er

ließ sie von der Leine. Sie stürzte in den Wald, während er in

seinen Wanderschritt fiel.

An der zweiten Wegbiegung sah er sich prüfend um, dimmte

die Taschenlampe und verließ den Waldweg. Ein Strauch ver-

barg den Trampelpfad, dem er in leichten Kehren folgte; der di-

rekte Aufstieg forderte zu viel Kraft. Früher wäre er den Hügel

im Laufschritt mit schwerem Gepäck hinauf gehetzt, aber auch

seine Kondition hatte nachgelassen. Kurz vor dem Gipfel wand-

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Gwalter, pixabay.com

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te er seinen Schritt nach rechts, eiliger jetzt, denn er hatte das

leichte Knurren von Losa gehört.

Sie wartete am Eingang des Depots, die Ohren wachsam auf-

gestellt. Er ging auf sie zu und tätschelte ihren Kopf. »Was ist

denn, mein Mädchen? Stimmt etwas nicht?«

Er schaltete die Lampe aus und horchte in die Dunkelheit,

vernahm nur die Laute des Waldes. »Such, Losa«, wies er die

Schäferhündin leise an.

Sie lief in den Wald, folgte einer Spur den Hügel hinauf, die

er nicht sah. Er pfiff kurz und sie kehrte zu ihm zurück. »Gleich

gehen wir dort hinauf und dann zeigst du mir den Weg.«

Die Taschenlampe flammte auf kleinster Stufe wieder auf und

in ihrem schwachen Schein überprüfte er den Waldboden, fand

nur frische Spuren von Wildschweinen. Trotzdem sah er sich

noch einmal um, bevor er die mit Farn bewachsene Bodenklap-

pe des Depots vorsichtig öffnete, die Stütze ausklappte und die

wenigen Stufen hinunterstieg.

Der Strahl seiner Lampe wanderte über mehrere Kisten auf

einem Regal am Ende des Unterstandes. Alle waren verschlos-

sen und wirkten unberührt. Er ging auf einen Tisch an der linken

Seite zu, öffnete die Schublade und hob eine Metallkassette her-

aus. Der Deckel sprang auf, nachdem er den Code am Ziffern-

block eingestellt hatte. Die Unterlagen waren geordnet; er sah

das Kürzel des letzten Kontrolleurs. Nr. 4 führte die Aufsicht

über dieses Depot, das kleinste von allen.

Unter dem Schreibblock befanden sich die beiden Armeepis-

tolen und das Geld, das er vor Jahren nach der Währungsreform

von DM und Franc in Euro umgetauscht hatte. Er legte es zur

Seite und blätterte durch das Codebuch mit dem Natostern. Die

Ziffern und Buchstaben hatten ihre Bedeutung schon vor Jahren

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verloren, waren nie zum Einsatz gekommen. Er erinnerte sich an

all die Übungen für den Ernstfall, der nie eingetreten war, des-

sen vage Möglichkeit jedoch sein ganzes Leben überschattet

hatte. Nun musste alles ein Ende haben.

Er legte das Buch zurück, verschloss die Kassette und kon-

trollierte die Kisten. Dynamit, Sprengkapseln, Zündschnüre,

Batterien, Drähte, Quecksilberschalter. Sogar die Metallwäsche-

klammern lagen noch am Platz, wie er erleichtert feststellte.

Nein, dieses Waffenlager war unentdeckt und hier würde er in

den nächsten Tagen mit dem Aufräumen beginnen.

Er verließ den kleinen Unterstand, legte die Bodenklappe auf,

tarnte die Ränder mit Laub.

Losa wartete geduldig, doch ihr leises Winseln ließ ihn wie-

der aufmerken. Sie war ein erstklassiger Spürhund, selbst auf

ihre alten Tage. Eine Witterung von Nr. 4 hätte sie nicht anschla-

gen lassen.

Er nickte ihr zu. »Nun zeig mir den Weg!«

Sofort sprang sie auf, nahm die Spur durch das Unterholz des

Waldes auf.

Langsam folgte er ihr, bemerkte den Richtungswechsel nach

Westen. Auf diesem Weg würden sie den Wald bald wieder ver-

lassen, über die Wiesen nach Orscholz gelangen. Dort lag ein

weiteres Depot versteckt und noch nicht einmal Nr. 3 kannte sei-

ne Lage. Kein Mitglied seines Kommandos kannte alle Unter-

stände; eine Sicherungsmaßnahme für den Fall, dass der Feind

sie angreifen würde.

Losa hatte den Waldrand fast erreicht, als er einen weiteren

Lichtpunkt sah. Wer trieb sich hier mitten in der Nacht herum?

Er löschte seine Lampe sofort. Waren die Jäger schon so früh

unterwegs? Nein, die kamen zu dieser Jahreszeit nicht vor 5 Uhr

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am Morgen. Und das Leuchten schien ihm statisch, etwa einein-

halb Meter über dem Waldboden. Langsam und vorsichtig nä-

herte er sich, versuchte, zu Losa aufzuschließen.

Der Geruch stieg ihm plötzlich in die Nase; dieser Gestank,

den er nie wieder riechen wollte. Ätzend und unverwechselbar.

Sie mussten sofort hier weg!

Er pfiff nach Losa, nun jegliche Deckung aufgebend. Sah sie

im plötzlichen Lichtblitz auf ihn zu laufen, dachte an Marie, die

nicht schön träumen würde.

Dann traf ihn die Druckwelle der Explosion mit aller Wucht,

löschte seine Gedanken aus.

...

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Marlian Wall: Bombenleger

Kriminalroman

Ein Bombenanschlag tötet einen Spaziergänger am Kewels-

berg. Während die Polizei zunächst von einem zufälligen Opfer

in einem Krieg der Jäger gegen die Umweltschützer ausgeht,

verfolgt das Team um Theodora und Falk auch die Spur eines

Geheimkrieges, der vor vielen Jahren begann. Ein zweiter An-

schlag bringt den jungen Polizisten Tim 'Viggi' Feldmann bei

seinen Ermittlungen in höchste Gefahr.

Erscheinungsdatum: 15.1.2015

Auf Amazon und als Ebook

Marlian Wall hat in verschiedenen Bereichen gearbeitet, be-

vor das Schreiben zur Leidenschaft wurde. Bombenleger ist

nach ‚Schwesternmorde‘ der zweite Fall des Teams um Theodo-

ra und Falk, Gloria und Viggi.

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Es geschah an einem Dienstag im Mai. An diesem milden,

sonnigen Tag sollte mein Alltag mal wieder um eine Facette be-

reichert werden. Ich war dazu auserkoren, einem lieben weibli-

chen Mitmenschen…die Haare zu färben!

Nun war es ja schon länger mein Wunsch, ihr mal gründlich

den Kopf zu waschen, aber färben? Mit Männerhänden einem

weiblichen Wesen Farbe in die Haare massieren? Bei dem Ge-

danken lief mein Gehirn zur Höchstform auf. Was würde sie

später beim Blick in den Spiegel sehen. Würde sie sich noch er-

kennen? Hätte sie etwa danach farblich eine gewisse Ähnlich-

keit mit einer südamerikanischen Papageienart? Mit welcher Re-

aktion müsste ich rechnen? Reichte meine Sportlichkeit, um

mich geschickt wegzuducken, wenn sie mir eine ihrer schönen

Tonskulpturen nachwarf, die sie einst mit viel Liebe angefertigt

hatte? Wie weit ist es bis zur Haustür, um schnell verschwinden

zu können?

Eine Menge Fragen die sich mir in diesem Moment aufdräng-

ten. Na ja, ich hatte in ihrem Hause ja schon das eine oder ande-

re hingekriegt, aber jetzt stand die Reifeprüfung an. Eine neue

Herausforderung, die jetzt auf mich zukam. Und mutig ließ ich

mich auf das Wagnis ein.

Bei mildem Sonnenschein wurde im Garten auf einem Tisch

alles Nötige aufgestellt. Dann streifte ich mir Plastikhandschuhe

über und bereitetete mich auf das Experiment vor. Ihre etwas

misstrauischen Blicke galt es auszuhalten und dann ging man

zügig ans Werk. „Knie dich vor mich!“ lautete genüsslich meine

Ein Dienstag im Mai Werner Thöne

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erste Anweisung. Nein, nein, nein, nicht das, was ihr womöglich

denkt und ich mir vielleicht wünschte, sollte jetzt kommen, son-

dern ich musste ja bequem ihren Kopf in Händen halten, um für

sie und auch für mich in möglichst bequemer Position das Haar-

färbemittel einmassieren zu können. Erst zaghaft, dann immer

kräftiger knetete ich die Paste ein und achtetete natürlich darauf,

ihr nicht weh zu tun oder dass von dem Mittel etwas auf die üb-

rigen Hautflächen gelangte.

Während des ganzen Prozedere machte es mir immer mehr

Spaß, ihren kleinen zarten Kopf zu massieren und nach ihren

Anweisungen hier und da noch etwas Paste aufzutragen. Dabei

hatte ich das Gefühl als würde ihr Kopf permanent schrumpfen.

Nach getaner Arbeit zog ich schweißgebadet wie ein Chirurg

nach einer schwierigen Operation, die dünnen, mit Haarfarbe

bemusterten Latex-Handschuhe aus. Wenn die Haare nachher so

ausschauten wie die Handschuhe... ich wagte nicht weiterzuden-

ken.

Nach einer halben Stunde Einwirkzeit ging sie ins Bad um

sich die Haare gründlich auszuwaschen.

Mir wurde dann doch ein wenig mulmig. Sollte ich mich mor-

gen vorsichtshalber krank melden, den Tag im Bett verbringen,

das Handy ausschalten und keine Pressenachrichten hören? Am

anderen Tag dann der erlösende Anruf. Sie war mit dem Ergeb-

nis zufrieden. Die Floskel „Alles im grünen Bereich“ wäre an

dieser Stelle unpassend. Ihre Zufriedenheit ersparte mir glatt ei-

nen Migräneanfall. Ich musste den Tag nicht im Bett verbringen

und schmunzelnd schaute ich auf meine Hände.

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Das Bäumchen da, es war sehr schön,

tat geschmückt, in ‘ner Kapelle steh‘n.

Ich hab’s bewundernd angeseh‘n,

konnt‘ nicht grad‘ so vorüber geh‘n.

Drum geb‘ ich zu, ich hab’s geklaut,

damit auch ihr den Christbaum schaut.

Das Weihnachtsbäumchen Hans-Joachim Grötschel

Lanur, pixabay.com

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Ich denke grad‘, mein lieber Alter,

dir fehlt ein Nachttisch-Brillenhalter.

Ach, wär‘ so ein Brillenhalter fein,

denn ich schlaf‘ öfters mit der Brille ein;

Des Morgens ist sie dann verschmiert,

wenn ich durchschau, bin leicht irritiert.

Ob sich der Nebel lichten mag?

Hauptsache, es wird ein schöner Tag!

Selbstgespräch Hans-Joachim Grötschel

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Im Lied „Treu sein, das kann ich nicht!“

dabei man nicht die Wahrheit spricht.

Die Lieb‘, das Leben ist so wunderschön

und ihr wollt wissen wie ‘s tut gehen.

Mein liebstes Hobby sind die Frauen,

ich tu‘ so gern‘ nach ihnen schauen.

Und lächeln sie mir lieb zurück,

werd‘ ich zum Giacomo im Glück.

Ein Casanova bin ich dann,

die Frauen sind in meinem Bann.

Ich nehm‘ sie gerne in den Arm,

dann wird es mir ums Herz so warm.

Ihr glaubt mir nicht, wie ich mich freu‘,

bin einer Jeden, einzeln treu!

Ich bin treu Hans-Joachim Grötschel

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Oma Lotte, 78 wird angerufen:

»Hier ist der Glücksbote von MMS.

Halli, Hallo, ich habe eine freudige Nachricht für Sie, sie ha-

ben gewonnen und dazu darf ich sie erst einmal herzlich be-

glückwünschen und noch alles Gute zum Geburtstag und ein

langes Leben wünschen.«

»Guter Mann, ich danke für die guten Wünsche, aber für

mich ist das, da wir uns nicht kennen nur Larifari, wenn ich nun

schon mal gewonnen habe, will ich auch wissen was mein Preis

ist.«

»Liebe Frau, das wird erst am Wochenende ausgelost. Jeden-

falls sind sie bei den letzten fünf Gewinnern.«

»Toll, und was kann ich gewinnen?«

»Ja sehen sie, der 1. Preis ist ein Goldbarren oder 90.000 €.

Hätten sie lieber den Goldbarren oder das Geld?«

Oma Lotte pfiffig: »Natürlich den Goldbarren!«

»Nun, der 2. Preis ist ein Auto oder 45.000 €.«

Oma Lotte eifrig: »Natürlich das Auto!«

»Aber gnädige Frau, haben sie denn noch einen gültigen Füh-

rerschein?«

Oma Lotte leicht gereizt: »Das geht sie doch einen feuchten

Kehricht an!«

»Oh, Entschuldigung, natürlich haben sie recht, also der 3.

Preis wäre ein TV-Gerät oder 1.000 €.«

Hopp und Topp Hans-Joachim Grötschel

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»Dann das Fernsehgerät!«, sagte Oma Lotte schnell.

»Okay, der 4. Preis wäre ein ganz modernes Handy oder

500€«, sagte der Glücksbote in der Hoffnung, dass Oma Lotte

vor der modernen Technik zurückschrecke.

Doch Oma Lotte antwortete wie aus der Pistole geschossen:

»Dann wünsche ich mir das Handy um mit meiner Enkelin zu

telefonieren«

»Womit wir dann beim 5. Preis wären, es geht um einen

Geldpreis in Höhe von 200 €. Wohin dürfen wir Ihnen das Geld

überweisen?«

»Guter Mann, sie haben mich im Telefonbuch gefunden, dann

wissen sie auch meine Adresse. Jetzt dürfen sie wählen, entwe-

der schicken sie mir einen Verrechnungsscheck oder sie können

sich den Preis sonst wohin stecken!

Tschüss!«

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Susanna Bur

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Er liebte es ,wenn es nieselte.

Dieser feine Regen, der durch und durch ging.

Dann ging er hinaus und wurde eins mit der grauen Natur.

Grau war auch seine Lieblingsfarbe. Es war nicht schwarz, es war

nicht weiß.

Grau war immer richtig. Es war nicht JA, es war nicht NEIN.

Das passt immer, da legt man sich nicht fest.

Da schwimmt man mit, da eckt man nicht an.

Sie war ganz anders. Sie war blau, sie war gelb, sie war grün, sie war

rot.

Sie eckte an, sie vertrat ihre Meinung.

Sie hatte Blessuren, sie war ohne Kompromisse.

Es schüttelte ihn, so wollte er nicht sein.

Warum bist du nicht grau, fragte er sie.

Warum bist du nicht glücklich, fragte sie ihn kess.

Sein Grau war lau, es bot ihm Schutz.

Und das Leben gab ihm recht, denn er überlebte sie.

Das war schade, denn insgeheim hatte er sie bewundert.

Das Grau Barbara Wehlen-Leibrock

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Doch er traute sich nicht, etwas zu ändern.

So blieb er bei seinem Grau, bis es eines Tages im Grau der anderen

verlief.

Aber das fiel niemandem auf.

Cafepampas, pixabay.com

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Ja, das 'o' schreibt man wirklich ohne 'h', einfach nur 'o', es ist

das kürzeste Wort in der Deutschen Sprache.

Darüber machten wir uns damals keine Gedanken, an Heilig-

abend 1968. Wir Kinder aus der Nachbarschaft überlegten uns

vielmehr, wie wir es unseren Eltern beibiegen konnten, dass wir

uns unbedingt abends noch treffen wollten. War gar nicht so ein-

fach, in unserer Clique waren 12-16jährige, und die hatten an

Heiligabend gefälligst zu Hause zu sein.

Ein plausibler Grund musste her und war auch schnell gefun-

den: Wir mussten dringend zur Mitternachtsmette! Die Eltern

verstanden das und waren ja so stolz auf unser Vorhaben. Außer-

dem waren wir zu siebt, das war auch ganz und gar ungefährlich

für uns 'Kinder'. Meine jüngere Schwester durfte auch mitgehen.

Endlich war es halb zwölf, nichts wie raus aus dem Familien-

fest, denn draußen lag die schönste Weihnachtswelt im Schnee.

Wir hakten uns unter und stapften singend den Berg hinab Rich-

tung Dorfmitte.

Plötzlich kramte Klaus eine Flasche unter seinem Mantel her-

aus: »Jägermeister, habe ich mitgehen lassen, hat niemand ge-

merkt«.

Die Flasche - es war eine etwas größere - wurde von einem

zum anderen gereicht, wir wollten den Alkohol dringend probie-

ren.

Nach ein paar Schluck waren wir alle sehr 'o, du fröhliche …'.

Für die meisten war es der erste Kontakt mit Alkohol, er wirkte

allzu schnell.

O, du fröhliche … Susanna Bur

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Jetzt noch den Berg rauf bis zur Kirche, das Gegackere ein-

stellen und brav einen Platz in der ersten Reihe der Empore ein-

nehmen. In Kirchen wird nicht gelacht, schon gar nicht in pro-

testantischen! Aber das hielten wir nicht durch. Selbst die Texte

der Weihnachtslieder brachten uns zum Lachen.

Der ernste Pfarrer Gräber warf uns ab und zu einen bösen

Blick zu. Das ein oder andere spießig ernste Gemeindemitglied

gesellte sich dazu.

Die Noten und Buchstaben der Texte aus den Gesangbüchern

tanzten vor unseren Augen. Die sich ewig hinziehende Predigt

des Pfarrers wurde mit geflüsterten Kommentaren etwas lustiger

gestaltet, worüber wir wieder lachten.

Was konnte ein Besuch in der Kirche lustig sein!

Rausgeworfen hat uns niemand, aber all die bösen Blicke, als

Erwin Altmeier

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wir die Kirche verließen. War uns aber alles egal, wir gingen

wieder fröhlich singend durch den Schnee nach Hause.

Jedenfalls versuchten wir es. War gar nicht so einfach, denn

die Jägermeisterflasche musste dringend ganz geleert werden.

Der Heimweg wurde lang und länger, unterbrochen durch

Schneeballschlachten und immer wieder dem Gesang von Weih-

nachtsliedern, deren Texte wir nach Lust und Laune veränder-

ten.

Was hatten wir für einen Spaß!

„Advent, Advent, ein Lichtlein brennt.

Dann eins, dann zwei, dann drei, dann vier

Und wenn das fünfte Kerzlein brennt, dann hast du Weih-

nachten verpennt.“

Als meine Schwester und ich an unserer Haustür klingelten,

öffnete uns Oma - bereits im Nachthemd. Sie war leicht sauer

und schimpfte mit uns.

Ob das wohl morgen Ärger gibt?

Die Strafe ereilte mich am nächsten Tag von ganz alleine:

Was war mir übel!

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Der Orangenkrieg

wie aus einer Mücke ein Elefant wird

Satire

Susanna Bur

ISBN 978-3-944306-08-7

Seitenzahl: 96

€ 6,50

Auch als E-Book für 1€ erhältlich

Was passiert, wenn sich ein Ehepaar scheiden lassen will. Nur so, aus Spaß, weil es ihnen wie ein Abenteuer erscheint, eine Abwechslung in ihrem Ehealltag bedeutet.

Während Olivia und Lukas verliebt wie eh und je diesen Schritt geplant in Angriff neh-men und so gar keine Probleme damit haben, lösen sie in ihrem sozialen Umfeld, ja sogar in der halben Welt ein Chaos aus.

Der Grund dafür sind ihre 16 Orangenbäumchen, die sie selbst gezogen haben aus ei-ner wohl nicht ganz ungefährlichen Orange aus Málaga.

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[1] Nini

Im Wald, da sind die Schweine,

’s gibt große und ’s gibt kleine,

Als wir 1984 in das große, alte Haus mit den hohen Decken

zogen, war ich schon eine ganze Weile elf. Eigentlich war ich

also schon halb zwölf. Ich war eine ganze Menge halb, wenn ich

mir´s recht überlegte. Also war ich in dem Sinn eine ganze Men-

ge Halbes und noch nichts Ganzes. Zum Beispiel war ich halb

Türkin, halb Deutsche.

Das war die Schuld meines Vaters, der ganz Türke war. Gut,

genaugenommen war es auch die Schuld meiner Mutter, die ih-

res Zeichens ganz Deutsche war. Aber das fiel nicht so stark ins

Gewicht, da ich die Deutsche Hälfte an mir lieber mochte, weil

sie nicht so laut, gefühlvoll und einfach weniger auffällig war.

Meinen Bruder mochte ich nicht so.

Manchmal dachte ich, das wäre, weil er auch das Vorrecht

hatte, ein richtiger Deutscher zu sein. Er hieß Thomas, war

schlaksig, dreizehn und blond wie ein Engel und mein Papa war

nicht seiner. Meine Mutter sagte, ich solle nicht traurig sein dar-

über, dass ich türkisches Blut habe, denn auf so einen Papa, wie

Thomas ihn hat oder eigentlich niemals hatte, müsse man nicht

neidisch sein. Das Einzige, was er gut könne, sei sich vom

Acker machen, wenn es brenzlig würde. So einen könne sie echt

nicht mehr gebrauchen, da kriege sie Plaque, meinte sie immer,

Im Wald, da sind die Schweine Tina Krauss

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während sie mir einen Kuss auf die Stirn gab. Ich dachte, meine

Mutter wüsste, dass ich dann und wann unter meinem Halb-Sein

litt und ab und zu unter meinem Halb-Bruder ganz besonders.

»Na, wie geht´s denn unserem kleinen Äffchen heute?«, fragte

er oft am Frühstückstisch und zog mich an meinen schwarzen

Haaren. Nicht so doll zwar, aber fest genug, dass ich mich ärger-

te und meine Mutter ihm einen abschätzigen Blick zuwarf, der

ihn verstummen ließ. Trotzdem sah er mich dann immer so selt-

sam an. Meine Mutter jedenfalls machte außer mir normaler-

weise keine halben Sachen. So hatte sie meinen Vater Kerim ge-

heiratet und war bei dieser Gelegenheit gleich zum Islam über-

getreten, was man daran erkennen konnte, dass sie seitdem tat-

sächlich ein Kopftuch trug. Ich sagte es bereits, sie machte keine

halben Sachen.

Draußen auf dem großen Platz spielten ein paar Kinder. Zwei

Mädchen schlugen ein Seil und eines mit langen blonden Zöp-

fen sprang darüber. Das machte sie gar nicht so übel. Jedenfalls

war sie bisher nicht hängengeblieben. Die Fensterscheibe war

etwas blind vor Dreck, man konnte darauf schreiben. Mein Fin-

ger zogen ein N, I, N, I, V, schließlich ein E. Als meine Mutter

mit einem Umzugskarton ins Zimmer schneite, wischte ich

schnell mit dem Handrücken über die Buchstaben.

»Ach, die muss ich bald mal putzen! Aber nicht heute und so

wie es aussieht auch nicht morgen.«, sagte sie während sie einen

Karton auf die alten Holzdielen knallte.

»Würden wir nicht so oft umziehen, hättest du mehr Zeit zum

Putzen!«

»Mir ist klar, dass es für dich nicht leicht ist. Aber denk doch

mal, hier hat Papa einen guten Job. Und du weißt, seit dieser

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dummen Geschichte mit dem Führerschein, ist es wichtig, dass

er mit dem Bus dorthin kommt!«

»Ja, ja schon klar, es ist ja alles wichtig, nur ich nicht!«

»Ach, Nini!«, sagte sie nur und sie hatte dabei einen so trauri-

gen Klang in der Stimme und fuhr sich so müde über die Stirn,

dass mir das Gesagte gleich leid tat. Dennoch drehte ich mich

einfach um und hörte nur, wie sie die Tür zuzog.

Rebecca Brill

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[2] Lutz

’s gibt dicke und ’s gibt dünne.

Sie gründeln in der Rinne ...

Da saßen wir nun in der Herbstsonne und alles brummte und

summte. Alle wuselten um mich rum, nur ich, ich konnte nicht

und ich mochte nicht, denn mir tat auf Deutsch gesagt der Arsch

weh. Aber das war ja nix Neues.

Neulich hatte die Frau Hantel mich nach der Stunde gefragt:

»Sag mal Lutz, wo holst Du dir denn immer diese blauen Fle-

cke?« Da hatte ich gesagt: »Ach Frau Hantel. Das kommt vom

Ringen, da geh‘ ich doch immer mit meinem Cousin hin. Das

macht Spaß!« Und ich hatte dabei so toll gegrinst wie es nur

ging mit meiner geschwollenen Backe. »Na sieht aber so aus,

als ob du noch üben musst«, hatte sie gemeint und mir liebevoll

über den Kopf gestreichelt. »Versprochen!« In diesem Moment

hätte ich ihr am liebsten alles gesagt. Es tat so gut, wie sie mir

die Hand auflegte. Doch, was hätte sie getan? Und was, wenn

sie mich dann von Leon trennen würden? Nein, dann ertrag ich

das lieber weiter. Ich musste auch an Mama denken.

Sehnsüchtig beobachtete ich Leon. Ich war etwas neidisch auf

ihn. Wie er immer wieder den roten Eimer mit Sand füllte und

auskippte, als ob es nichts um ihn gäbe. Als sei dies sein Sand-

kastenuniversum und selbst ich käme dort nicht mehr hinein.

Niemand täte das, der älter als fünf ist. Es sei denn er stellte

Asyl und Grund genug hätte ich ja. Es war ihm gelungen eine

beachtliche Sandburg aufzutürmen.

»Toll gemacht!«, lobte ich ihn, und er strahlte über sein paus-

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bäckiges Kindergesicht. Leon bedeutet 'Löwe' und natürlich sind

Löwen auch gute Kämpfer. Mein Bruder machte seinem Namen

alle Ehre. Er kämpfte für sein Sandreich und strich mit Eifer die

Seitenwände seiner Burg glatt. Ich half ihm dabei, wie ein gro-

ßer Bruder hilft, was Leon nicht wusste: Am liebsten wäre ich in

seine Sandburg eingezogen, hätte eine Sandprinzessin geheiratet

und alles wäre gut. Leider wäre mein Asyl sicherlich abgelehnt

worden. Es gab keines für Kinder über fünf, denn dann fängt es

an. Oder konnte man sich dann nur daran erinnern.

Versonnen spielte ich das Spiel, das ich immer spielte, - ich

mache mich unsichtbar: »Ich bin die Strahlen der Sonne - fass

mich nicht an. Ich bin der Wind den niemand fangen kann. Ich

bin das Rascheln der Blätter, hab die Augen zu, flieg durch die

Welt und wer dagegen bist du?« Immer wieder sagte ich mir

diesen Zauberspruch, ich versuchte mich zu lösen aus meinem

Körper und rief: »Bitte lieber Gott, schicke mir jemanden, der

mich versteht!«

Aber ich war schlecht in meinem Spiel. Niemand beachtete

mich, niemand sah mich, außer mein Vater! »Aber ich übe wei-

ter Frau Hantel! Versprochen

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[3] Nini

Sie grunzen und sie schaben.

Sie wälzen sich im Graben.

Mittlerweile hatte ich ein Loch in den Staub der Scheibe ge-

kratzt. Es fühlte sich besonders angenehm an, die Außenwelt zu

beobachten und selbst absolut geschützt zu sein, selbst wenn es

nur von Staub war. Müßig spähte ich zu den Hüpfern hinaus, die

sich endlich abgewechselt hatten. Ein Mädchen von etwa acht

Jahren im mausgrauen Sommerkleid sprang. Nicht nur der Wind

machte ihr Unterfangen fast unmöglich, er blies das unpassende

Kleidungsstück, wohin es ihm gefiel. Auch ihre Beine schienen

ihr nicht wirklich zu gehorchen.

Da sah ich ihn unter der großen Eiche, deren Blätter schon

begannen sich herbstlich zu färben, obgleich die Sonne unbeein-

druckt brüllend heiß vom Himmel schien. Unscheinbar war er,

dunkelblondes, zipfeliges Haar auf denen die Sonne schimmerte

und der Wind spielte. Die Haare harmonierten gut mit seiner ge-

bräunten Haut und dem hellen, ärmellosen Hemd. Ich sah den

Jungen, der etwas älter als ich zu sein schien, nur von hinten.

Und doch; etwas in sagte mir, dass sich unser beider Schicksale

verflechten würden. Sei es für einen Sommer oder für ein gan-

zes Leben. Wer wusste das schon? In dem Moment, als ich mich

näher an die Scheibe drückte, beugte er sich vor und steckte ein

Zweiglein sehr sorgfältig in eine Sandburg. Das Kleinkind in

meinem Augenwinkel war nur schemenhaft zu erkennen und ich

beschloss meinen Beobachtungsposten zu verlassen.

...

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Im Wald, da sind die Schweine

Jugendroman

Tina Kraus

ISBN 978-3-944306-16-2

www.bur-verlag.de

Auch als E-Book Erscheinungstermin: 15. Januar 2015

Wenn es Lutz schlecht geht, spielt er sein Spiel, das ihn unsichtbar macht. Hätte er nicht seinen kleinen Bruder, wäre er schon längst abgehauen. Denn wenn sein Vater betrunken ist, dann schlägt er Lutz brutal. Das allerdings darf niemand erfahren, selbst Nini nicht, in die er sich Hals über Kopf verliebt. Und als ob Lutz nicht schon genug Probleme hätte, muss er bald herausfinden: Warum faselt der Gärtner ,Jupp ständig von gefährlichen Schweinen? Und was hat er zu verheimlichen?

http://imwalddasinddieschweine.wordpress.com/

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Barbara Würtz

Malerin, Grafikerin, Autorin,

Kalligrafin

[email protected]

Heike S. Rogg

Autorin

[email protected]

Robert Bruckart

Autor

[email protected]

Marlian Wall

Autor [email protected]

Hans-Joachim Grötschel

Dipl. Des. / Innen- / Architekt AKS

[email protected]

Werner Thöne

Verwaltungsangestellter, Autor

[email protected]

Erwin Altmeier

Fotograf, Autor

[email protected]

www.erwinaltmeier.com

Birgit Burkey

Autorin, Poetin

[email protected]

Susanna Bur

Redakteurin, Autorin, Layout

[email protected]

www.bur-verlag.de

Elin Bell

[email protected]

http://elinbell.wordpress.com

Heinz-Josef Scherer

Dipl.-Soziologe/Systemischer

Therapeut und Berater

Autor, Poet

[email protected]

Verzeichnis: Redaktion,

Autorinnen und Autoren

Stefan Weigand

Redaktion, Layout

[email protected],

www.bur-verlag.de

Barbara Wehlen-Leibrock

Rechtsanwältin, Autorin

[email protected]

Tina Krauss

Erzieherin, Autorin

[email protected]

www.imwalddasinddieschweine.

wordpress.com

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