Joural r eurologie eurochirurgie und schiatrie - kup.at · triad of miosis, ptosis, and...

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Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS P.b.b. 02Z031117M, Verlagsort: 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A/21 Preis: EUR 10,– Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Journal für www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Homepage: www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche Horner-Syndrom: Neuroanatomie pathophysiologische Grundlagen und diagnostische Verfahren Sawires M, Berek K Journal für Neurologie Neurochirurgie und Psychiatrie 2012; 13 (3), 126-133

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Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS

P.b.b. 02Z031117M, Verlagsort : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A/21 Preis: EUR 10,–

Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz

Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie

Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems

Journal für

www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr

Homepage:

www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr

Online-Datenbank mit Autoren-

und Stichwortsuche

Horner-Syndrom: Neuroanatomie

pathophysiologische Grundlagen und

diagnostische Verfahren

Sawires M, Berek K

Journal für Neurologie

Neurochirurgie und Psychiatrie

2012; 13 (3), 126-133

126 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2012; 13 (3)

Horner-Syndrom

Horner-Syndrom: Neuroanatomie,pathophysiologische Grundlagen und

diagnostische VerfahrenM. Sawires, K. Berek

Einleitung

Eingelangt am 11. Februar 2011; angenommen nach Revision am 20. April 2011;Pre-Publishing Online am 4. Juli 2011Aus der Abteilung für Neurologie, BKH KufsteinKorrespondenzadresse: Dr. med. Martin Sawires, Abteilung für Neurologie, BKHKufstein, A-6330 Kufstein, Endach 27; E-Mail: [email protected]

Die erste Beschreibung der heute unter dem Namen „Horner-Syndrom“ bekannten Trias geht wahrscheinlich auf Pourfourdu Petit (1664–1741) aus dem Jahre 1727 zurück, in der erBeeinträchtigungen der sympathischen Innervation ex-perimentell an Hunden auslöste und diese auch richtig deutete[1]. Der französische Namensgeber Claude Bernard (1813–1878) im Jahre 1852 und der Schweizer Friedrich Horner(1831–1886) im Jahre 1869 prägten jedoch seine Bedeutung(Horner-Syndrom bzw. Claude-Bernard-Horner-Syndrom)[2].

Das Horner-Syndrom wird durch eine zentrale oder peripheresympathische Denervierung des Auges verursacht, welche zueiner ipsilateralen Ptose, Miosis und Enopthalmus führt (Abb.1) [2]. Ursache der Miosis ist ein Überwiegen des parasympa-thisch innervierten M. sphincter pupillae bei Ausfall des sym-pathisch innervierten M. dilatator pupillae. Durch De-nervation des sympathisch innervierten Müller-Muskels (M.tarsalis superior) kommt es zu einer Ptose. Während imDurchschnitt die Anisokorie 0,92 mm beträgt und 2,4 mmnicht übersteigt, beträgt das Ausmaß der Ptose meist um2,3 mm – in ca. 10–15 % der Fälle fehlt diese überhaupt [3].Ein Enopthalmus wird nur aufgrund einer engeren Lidspaltevorgetäuscht, da es durch sympathische Denervation des im

unteren Augenlid befindlichen M. tarsalis inferior zu einerHebung des Unterlids kommt [4]. Dieses Phänomen wirdauch als „upside-down ptosis“ bezeichnet. Zusätzlich findetman in Abhängigkeit von der Lokalisation der Schädigungsudomotorischer Fasern eine Störung der Schweißsekretionunterschiedlichen Ausmaßes. Somit ist zu der Trias desHorner-Syndroms eigentlich nicht der Enophthalmus, son-dern vielmehr die Hypohydrosis zu zählen.

Vasodilatatorische Fasern verlaufen mit den sudomotorischenFasern und sind für die Thermoregulation zuständig. Dieskann beim kongenitalen Horner-Syndrom zu einem Fehlender emotionalen und thermoregulatorischen Gesichtsrötungauf der betroffenen Seite führen. Beim Erwachsenen kommtes nach sportlicher Aktivität, emotionalen Reizen undWärmeexposition zu einer asymmetrischen Flush-Sympto-matik mit einseitigem Schwitzen und Gesichtsrötung auf dernicht betroffenen Seite. Diese Erscheinung wird auch als Har-lekin-Syndrom bezeichnet und ist Folge der Störung der sym-pathischen Innervation. Geprägt wurde das Syndrom vonLance und Drummond, welche 5 Fälle von einseitigemSchwitzen und einer begleitenden Flush-Symptomatik be-

Kurzfassung: Die Namensgebung des Horner-Syndroms erfolgte durch Friedrich Horner imJahre 1869; es stellt eine charakteristische Triasaus Miosis, Ptosis und Enopthalmus dar. In unter-schiedlichem Ausmaß kommt es hierbei auch zueiner Störung der Schweißsekretion, abhängigvon der Lokalisation der Schädigung. Grundsätz-lich handelt es sich um eine sympathische De-nervierung des Auges, wobei eine zentrale voneiner peripheren Ursache unterschieden werdenmuss. Das Syndrom als solches ist zwar bekannt,es wird aber in der lokalisationsdiagnostischenAussagekraft oft nicht differenziert genug beur-teilt. Die klinische Bedeutung kann sehr unter-schiedlich sein, ihr akutes Auftreten stelltzumeist einen neurologischen Notfall dar. DieKenntnis der genauen anatomischen Bahnen istdaher für das weitere diagnostische Procedereentscheidend. Ursachen, die eine unmittelbareIntervention erfordern, stellen in erster Linie die

Karotisdissektion, Hirnstammischämie (Wallen-berg-Syndrom) oder auch entzündliche Erkran-kungen (Abszess, Myelitis) dar. Der vorliegendeÜbersichtsartikel soll die Kenntnis über das klini-sche Bild, die genauen anatomischen Verhältnis-se, Differenzierung unterschiedlicher Ursachensowie diagnostische Maßnahmen vermitteln.

Schlüsselwörter: Horner-Syndrom, Harlekin-Syndrom, Pourfour-du-Petit-Syndrom, Anhidro-sis, Heterochromie, Ptose, Miose

Abstract: Horner Syndrome: Neuroana-tomy, Pathophysiology, and Diagnosis. TheHorner syndrome was named after FriedrichHorner in 1869. He described the classic clinicaltriad of miosis, ptosis, and enopthalmus.Besides, a variable unilateral anhidrosis canoccur depending on the site of the lesion. Basi-

cally, it is caused by a sympathetic denervationwhich can be either central or peripheral. Thesyndrome itself is widely known but itsevaluation regarding the site of the lesion hasnot been given sufficient consideration. An acuteoccurrence could be life-threatening, thereforeknowledge of the anatomical structure isimportant to initiate an immediate diagnosticprocedure. Causes that require immediatetreatment are dissection of the internal carotidartery, ischemia of the medulla oblongata, or aninflammatory disease (abscess, myelitis). Thisarticle focuses on clinical features, anatomicalstructures, possible causes, and diagnosticprocedures. J Neurol Neurochir Psychiatr2012; 13 (3): 126–33.

Key words: Horner syndrome, Harlequin sign,Pourfour du Petit syndrome, anhidrosis, hetero-chromia, ptosis, miosis

Abbildung 1: Horner-Syndrom links im Rahmen eines Wallenberg-Syndroms.

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Horner-Syndrom

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schrieben [5] und diese Erscheinung nach einer alten italieni-schen Theaterfigur benannten („arleccino“ = Harlekin) [6].

Das akut auftretende Horner-Syndrom stellt zumeist einelebensbedrohliche neurologische Situation dar. Da eine beste-hende Anisokorie oder Ptose selbst von vielen nicht wahrge-nommen wird und sich Patienten zumeist aufgrund andererzusätzlicher Symptome ärztlich vorstellen, soll eine Befra-gung der Angehörigen oder auch ein Vergleich mit Fotos er-folgen, um diese von einer physiologischen Anisokorie odereiner senilen Ptose abzugrenzen. Klinischer Hinweis auf eineneu aufgetretene Symptomatik ist die Rötung des betroffenenAuges, welche gelegentlich als Konjunktivitis fehlinter-pretiert werden kann. Sie kommt durch eine Hyperämie derKonjunktiven aufgrund des plötzlichen Überwiegens der pa-rasympathischen Innervation zustande [7].

Zeichen einer länger bestehenden sympathischen De-nervation ist die Irisheterochromie. Hierbei ist das betroffeneAuge durch eine fehlende Pigmentation zumeist abgeblasst.Sie ist Ausdruck einer kongenitalen bzw. seit der frühen Kind-heit bestehenden Symptomatik mit Störung der Melanin-pigmentation der Melanozyten in der Iris [8, 9].

Neuroanatomie

Beim Horner-Syndrom handelt es sich um eine Störung dersympathischen Innervation des Auges, die sowohl Ausdruckeiner Läsion von zentralen als auch von prä- sowie post-ganglionären Neuronen sein kann. Der okulosympathischeWeg nimmt dabei seinen Ausgang vom Hypothalamus undendet am Auge.

Zentrale präganglionäre FasernDie zentralen präganglionären Fasern ziehen vom postero-lateralen Hypothalamus in den Hirnstamm, wo sie lateral desNucleus n. trochlearis verlaufen [10, 11]. Nagy et al. konntennachweisen, dass auch der insuläre Kortex ein Bestandteil derzentralen Bahn sein muss, nachdem eine isolierte ipsilateraleLäsion ein Horner-Syndrom auslöste [12]. Dies konnte expe-rimentell bestätigt werden, als durch Stimulation des insu-lären Kortex eine Pupillenerweiterung infolge einessympathikotonen Effekts auftrat [12]. Am Übergang der Ponsin die Medulla oblongata ziehen die Fasern weiter nach vent-ral, wo sie vor dem Locus coeruleus und dem Nucleus olivarisinferior gelegen sind [12]. Das gehäufte Auftreten bei Patien-ten mit einem Wallenberg-Syndrom (ischämische Hirn-stammläsion) spricht auch für eine Beteiligung der dorso-lateralen Medulla oblongata an der zentralen sympathischenBahn [12]. Im Rückenmark verlaufen die Fasern im Funiculuslateralis und enden im Nucleus intermediolateralis in Höhevon C8–Th2, dem so genannten Centrum ciliospinale.

Präganglionäre Neurone zweiter OrdnungPräganglionäre Neurone zweiter Ordnung, die vermutlichüber adrenerge und glutaminerge sympathische Fasern stimu-liert werden, treten auf Höhe C8–Th2 aus dem Rückenmarkaus und verlaufen mit den ventralen Anteilen der Nerven-wurzeln. In den Rami communicantes albi steigen sie zumsympathischen Grenzstrang auf und enden am Ganglion

cervicale superius. Hier erfolgt die Umschaltung auf diepostganglionären Neurone [13].

Zellkörper der postganglionären Neurone drit-

ter OrdnungDie Zellkörper der postganglionären Neurone dritter Ord-nung liegen im Ganglion cervicale superius auf Höhe deszweiten und dritten Halswirbelkörpers zwischen der A.carotis interna und dem M. longus capitis mit einer Längen-ausdehnung von ca. 2,5 cm. Während die sudo- und vasomo-torischen Fasern des Gesichts mit der A. carotis externa ver-laufen, bilden weitere Axone den Plexus caroticus und verlau-fen in der Adventitia mit der A. carotis interna. Diese Fasernerreichen über den Canalis caroticus die Schädelbasis undgelangen mit der Arterie in den Sinus cavernosus. Medial desGanglion trigeminale angekommen zweigen pupillodila-torische Fasern ab, passieren den N. abducens und verlaufenmit dem N. trigeminus, um als Nn. ciliares longi die Iris zuerreichen [13]. Im Sinus cavernosus zweigen auch Fasernzum N. oculomotorius, N. trochlearis, N. ophthalmicus undN. abducens ab, unter anderem zur Innervation desM. tarsalis.

Je nach Lokalisation der Schädigung kommt es zu einem un-terschiedlichen Ausmaß der Störung der Schweißsekretion.Sind die zentralen Bahnen betroffen, führt dies zu eineripsilateralen Hypohidrosis mit begleitender Störung derVasomotorik. Findet sich hingegen eine Läsion der prä-ganglionären Neurone, so zeigt sich eine Schweißsekretions-störung des Gesichts und Halses, bei weiter proximal gelege-ner Läsion bis zum Ganglion cervicale inferius reichend auchOberkörper, Arme und Hände betreffend (Quadranten-hypohydrosis). Eine direkte Schädigung des Ganglion cer-vicale superius führt zu einer Hypohidrose des Gesichts,wohingegen es zu keiner wesentlichen Beeinträchtigungkommt (ausgenommen der medialen Stirn), wenn die Läsiondistal der Karotisbifurkation gelegen ist [13].

Eine Störung der Schweißsekretion und Thermoregulation alsAusdruck einer sympathischen Schädigung kann aber auchohne begleitendes Horner-Syndrom auftreten. In diesem Fallmuss nach einer prä- oder postganglionären Läsion der sym-pathischen Fasern der 2. und 3. thorakalen Nervenwurzel vordem Ganglion cervicale inferius gesucht werden, da die sym-pathischen Fasern des Auges vom ersten thorakalen Segmentabgehen [14]. Diese Störung der autonomen Innervationwird, wie eingangs erwähnt, als Harlekin-Syndrom bezeich-net. Es findet sich in bis zu 46 % der Fälle auch ein begleiten-des Horner-Syndrom [15].

Differenzialdiagnose

Die Ursachen eines Horner-Syndroms sind zahlreich, eineechte Differenzialdiagnose stellt jedoch nur die physiologi-sche Anisokorie dar. Sehr selten kann aber auch eine einseiti-ge Mydriasis, Hyperhidrosis und Anhebung des Augenlids alsHorner-Syndrom des anderen, vermeintlich gesunden Augesfehlinterpretiert werden. In diesem Fall spricht man vomPourfour-du-Petit-Syndrom, dem Spiegelbild des Horner-Syndroms [1, 16]. Ursache ist eine Irritation sympathischer

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Horner-Syndrom

Tabelle 1: Ätiologie des Horner-Syndroms nach topographischer Einteilung

Zentrales Horner-Syndrom Präganglionäres Horner- Postganglionäres Horner-Syndrom Syndrom

Fasern unterschiedlichster Ätiologie, z. B. intrakranielle An-eurysmen, Schilddrüsenkarzinom, posttraumatische Syringo-myelie und andere.

Ätiologie

Neben der Differenzierung akuter von chronischen sowieerworbenen und angeborenen Ursachen muss auch eineätiologische Zuordnung zu zentralen, prä- sowie post-ganglionären Läsionen getroffen werden (Tab. 1). In einerFallstudie von Maloney et al. fand sich in 13 % eine Schädi-gung des zentralen Neurons, während 44 % präganglionärund 43 % postganglionär lokalisiert waren [10]. In 40 % der450 Patienten war eine Lokalisation der Schädigung nichtmöglich.

Läsionen des zentralen Neurons führen nur selten zum isolier-ten Horner-Syndrom aufgrund der engen anatomischen Ge-gebenheiten des sympathischen Trakts zur Pyramidenbahnund zu den Hirnnerven im Hirnstamm. Zu den häufigsten Ur-sachen zählt der laterale Medulla-oblongata-Infarkt, besserbekannt unter dem Namen Wallenberg-Syndrom (Abb. 2)[17]. Hierbei kommt es durch Verschluss der Arteria cerebelliinferior posterior oder der distalen A. vertebralis zu einer be-gleitenden kontralateralen dissoziierten Gefühlsstörung, ei-

ner ipsilateralen Hemiataxie, Schwindel, Nystagmus sowieeiner Dysphagie und Dysarthrie. Nicht selten kann es dabeidurch kleine perforierende Äste auch zu Läsionen in der Ponsund im Zerebellum kommen (Abb. 2). Zudem können auchInfarkte im Bereich des Hypothalamus [11], der Inselregion[12], intrazerebrale Hämatome, Tumoren sowie auchdemyelinisierende Erkrankungen ursächlich sein. Eine be-gleitende kontralaterale Lähmung des Musculus obliquussuperior infolge einer Läsion des Nervus trochlearis wurdeunter anderem bei einer arteriovenösen Malformation beob-achtet [18]. Da die Fasern des zentralen Neurons weiter imzervikalen Myelon verlaufen, können sich bei Läsionen be-gleitende Zeichen einer Myelopathie mit gesteigerten Mus-keleigenreflexen, Paresen, Mastdarm- bzw. Blasenfunk-tionsstörungen oder auch positive Pyramidenbahnzeichenzeigen. Unter anderem fand sich ein ipsilaterales Horner-Syn-drom als Folge von Tumoren, einer Syringomyelie [19], einerarteriovenösen Malformation, von Traumata und demyeli-nisierenden Erkrankungen, aber auch im Rahmen einesBrown-Sequard-Syndrom [20, 21].

Eine Schädigung präganglionärer Fasern kann infolge vonTumoren oder auch operativen Eingriffen im Bereich vonHals und Thorax an Schilddrüse und Gefäßen auftreten [10].Klinisch kann sich ein Tumor der Lungenspitze mit Schmer-

Hypothalamus/Inselregion– Ischämien– Neoplasien– Blutungen

Hirnstamm (hauptsächlich Medullaoblongata und Pons)– Wallenberg-Syndrom– Neoplasien– Entzündliche Erkrankungen– AVM– Syringobulbie

Rückenmark– Neoplasien– Diskusprolaps– Traumata– Syringomyelie– Entzündliche Erkrankungen– Spinale Ischämie

Rückenmark (Übergang Nucleusintermediolateralis – Radixanterior)– Entzündliche Erkrankungen– Spinale Ischämie– Traumata– Neoplasien– Syringomyelie– Epiduralanästhesie– Diskusprolaps

Plexus brachialis– Pancoast-Tumor– Pancoast-Syndrom– Infektionen– Traumata (Geburtstrauma

[Klumpke-Lähmung])

Pleuraspitze– Pancoast-Tumor, neurogene

Tumoren– Metastasen– Fisteln/Zysten der oberen Thoraxapertur– Iatrogen: Eingriffe an

Schilddrüse und Karotiden,„neck dissection“, Bypass-

operation, Sympathektomie– Infektionen (apikale Tbc)

Mediastinum / Grenzstrang– Paravertebrale

Tumorinfiltration, mediastinaleTumoren, Lymphadenopathie

– Halsrippe– Halstraumata– Aortenaneurysma

Ganglion cervicalesuperior/Halsweichteile– Neoplasien (Lymphom,

Epipharynxkarzinom)– Vena-jugularis-Ektasie– Iatrogen: Tonsillektomie

Arteria carotis interna– Dissektion/Aneurysma– Lymphom– Tumoren der Schädelbasis– Iatrogen: CEA/Stent– Agenesie/Thrombose– Cluster-Kopfschmerz (u. a.

auch bei symptomatischenFormen im Verlauf des Canaliscaroticus)

Sinus cavernosus– Sinusvenenthrombose– Kavernöses Angiom– Neoplasien/Metastasen– Infektionen– Raeder-Syndrom– Karotis-/Sinus-cavernosus-

Fistel– Aneurysma

Orbita– Orbitatumor– Mukozele– Iatrogen: Schiel- und Katarakt-

OP– Traumata

AVM: arteriovenöse Malformation; CEA: Karotisendarteriektomie

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Horner-Syndrom

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zen im Schulter-Arm-Bereich manifestieren und wird dannals Pancoast-Tumor bezeichnet [22]. Iatrogen fand sich einHorner-Syndrom nach einer Epiduralanästhesie [23], Punk-tion der V. subclavia und jugularis [24, 25], koronarer By-passoperation [26] und Sympathektomie [27].

Postganglionäre Störungen haben ein weites Spektrum an un-terschiedlichen Ursachen, deren bedeutendste und häufigstedie Dissektion der A. carotis interna darstellt (Abb. 3). Sie istzumeist Folge von Traumata und kann spontan beim Ehlers-Danlos- oder Marfan-Syndrom, bei der fibromuskulären Dys-plasie sowie einer Syphilis im Rahmen einer Mesaortitis luicaauftreten. Kennzeichen einer Dissektion können neben Kopf-und Nackenschmerzen auch eine Amaurosis fugax, derZentralarterienverschluss, die ischämische Optikusneuro-pathie, Hirnnervenlähmungen und in 50 % der Fälle eben einHorner-Syndrom sein [28]. Die Thrombose der A. carotiscommunis kann ebenfalls zu einem ipsilateralen Horner-Syn-drom führen, da Äste der A. carotis externa für die Versor-gung des Ganglion cervicale superior und Äste der A. carotisinterna für die des Plexus caroticus zuständig sind. Geht dieseThrombosierung mit einer zerebralen Ischämie einher, findetsich zudem eine kontralaterale Hemiparese [29]. Schmerz-syndrome mit begleitendem Horner-Syndrom zeigen sichnicht nur bei der Dissektion, sondern treten auch beimRaeder-Syndrom und in 2/3 aller Fälle beim Cluster-Kopf-schmerz auf [30, 31]. Ursächlich wird eine Läsion sympathi-scher Nervenfasern im Canalis caroticus angenommen. EineMitbeteiligung der Hirnnerven III, IV, V und VI lässt auf eineLäsion im Bereich des Sinus cavernosus oder der Fis-sura supraorbitalis schließen [32]. Bei begleitender Ab-ducensparese muss eine Raumforderung im posterioren Ab-

schnitt des Sinus cavernosus ausgeschlossen werden [33, 34].Kommt es zusätzlich zu einem isolierten Sehverlust, istdifferenzialdiagnostisch an einen Prozess in der Orbitaspitzezu denken.

Bei Kindern werden erworbene von angeborenen Ursachenabgegrenzt. In einer pädiatrischen Population fand sich in

Abbildung 3: Wandhämatom der A. carotis interna links im zerebralen MRT in fett-gesättigter T2-Gewichtung. Mit freundlicher Genehmigung von Primar Univ.-Doz.Dr. R. Knapp, Radiologie, BKH Kufstein.

Abbildung 2: Wallenberg-Syndrom rechts mit begleitendem Kleinhirninfarkt (DWI und Flair-Sequenz) bei Verschluss der Arteria vertebralis rechts und ihrer perforierendenÄste. Mit freundlicher Genehmigung von Primar Univ.-Doz. Dr. R. Knapp, Radiologie, BKH Kufstein.

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Horner-Syndrom

42 % eine kongenitale Ursache, während weitere 42 % nacheiner operativen Intervention und 15 % ohne Operation auf-traten [35]. Am häufigsten sind die präganglionären Neuronebetroffen [36]. Insgesamt scheint der Anteil kongenitaler For-men beim Horner-Syndrom 5 % zu betragen [37].

Kongenitale Formen finden sich hauptsächlich bei derKlumpke-Lähmung (untere Armplexuslähmung), welche imRahmen eines Geburtstraumas des Plexus brachialis auftritt[9]. Darüber hinaus sind das Neuroblastom [38, 39], kongeni-tale Varizellen [40], Agenesie [41] und Thrombosen derArteria carotis, Aneurysmen der A. subclavia sowie naso-pharyngeale Tumoren anzuführen [42]. Zu den erworbenenUrsachen zählen neben operativen Eingriffen [35, 37] undTraumata [35, 39] auch vaskuläre Malformationen [43],Tumoren [35, 43] und Mittelohrentzündungen [44]. In bis zu75 % der Fälle sind keine Läsionen nachweisbar [39, 45], eswerden hierbei unter anderem mikrovaskuläre Malforma-tionen sowie unentdeckte oder zurückgebildete Neuroblasto-me vermutet [39].

Gelegentlich kann es auch zu einem Auftreten eines beidseiti-gen Horner-Syndroms kommen. Ursächlich besteht zumeisteine ausgeprägte autonome Neuropathie im Rahmen eines Dia-betes mellitus, einer Amyloidose oder einer isolierten autono-men Insuffizienz [46]. Zudem wurden auch ein Mangel anDopamin-Beta-Hydroxylase, die hereditäre sensorische undautonome Neuropathie (HSAN), die familiäre Dysautonomie,Multisystematrophie (MSA), das Anderson-Fabry-Syndrom,eine Thrombose der Arteria spinalis anterior sowie die bilatera-le zervikale Sympathektomie angeführt [46].

Das isolierte Auftreten eines Harlekin-Syndroms kann zumeinen durch einen Verschluss der Arteria radicularis anteriordes dritten thorakalen Segments nach starker körperlicher

Aktivität, wie durch Drehung des Thorax (z. B. beimSquashspielen), verursacht werden [5]. Andererseits wurde esbeim mediastinalen Neurinom auf Höhe des dritten thoraka-len Wirbelkörpersegments, nach Katheterisierung der V.jugularis interna beim Erwachsenen und nach Sym-pathektomie aufgrund einer Hyperhidrose des Gesichts be-schrieben [6]. Findet sich keine strukturelle Läsion, istdifferenzialdiagnostisch auch an eine autonome Neuropathiezu denken [6, 47].

Diagnostik

Das Erkennen eines Horner-Syndroms fällt dem neurologischgeschulten Auge meist nicht schwer. Bei bestehendem Zwei-fel soll die Untersuchung der Pupillenweite am besten 4 Sek.nach Aufenthalt im Dunkeln erfolgen, da hier die Dilatationder miotischen Pupille geringer ausfällt als beim nicht betrof-fenen Auge und somit die Anisokorie am größten ist [48].Diese Erscheinung wird als Dilatationsverzögerung („dilationlag“) bezeichnet (Abb. 4). Im Licht bzw. nach längerem Auf-enthalt im Dunkeln (bereits nach 10–12 Sek.) ist der Unter-schied der Anisokorie wieder geringer. Diese Untersuchungs-methode dient auch der Unterscheidung der einfachenAnisokorie. Allerdings findet sich nach einmaliger Testung innicht einmal 50 % der Patienten mit einem Horner-Syndromeine Dilatationsverzögerung, während nach 4-maliger Durch-führung 83 % positiv auf diesen Test ansprachen [50]. Da die-ser Effekt bei der physiologischen Anisokorie nie auftritt,weist der Test eine hohe Spezifität bei jedoch niedriger Sensi-tivität auf [50]. Die weiteren Schwierigkeiten ergeben sichaus der Lokalisation der Schädigung, wenn Begleitsymptomefehlen bzw. die Anamnese keine weiteren Informationen lie-fert. Hierfür stehen unterstützend sowohl pharmakologischeals auch bildgebende Untersuchungen sowie der Schweißtestzur Verfügung.

Abbildung 4: Diagnostische Unterschiede zwischen dem Horner-Syndrom und einer physiologischen Anisokorie rechtsseitig: Das Eintropfen einer Kokainlösung führt im gesun-den Auge zu einer Mydriasis, während dieser Effekt bei einer Läsion der sympathischen Bahn ausbleibt. Ein weiterer Bestätigungstest für das Vorliegen eines Horner-Syndromsist das Ausmaß der Pupillenweite nach 4 Sek. im Dunkeln. Beim miotischen Auge ist die Erweiterung geringer ausgeprägt als beim gesunden und wird daher als „dilation lag“bezeichnet. Nach längerem Aufenthalt im Dunkeln bzw. im Licht geht dieser Effekt verloren und der Unterschied der Pupillenweite ist wieder geringer. DerHydroxyamphetamintest kann weiters zwischen einer postganglionären und einer präganglionären/zentralen Ursache unterscheiden, da aufgrund der fehlenden Freisetzung vonNoradrenalin bei einer postganglionären Läsion eine Mydriasis ausbleibt. Mod. nach [49].

Abbildung siehe Printversion!

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Horner-Syndrom

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Pharmakologische Pupillentestung

Ob es sich bei dem klinischen Bild einer Miosis auch wirklichum ein Horner-Syndrom handelt und wo die Läsion im Be-reich der sympathischen Bahn lokalisiert ist, lässt sich mithilfevon pharmakologischen Tests objektivieren. Hierbei kann dieDiagnose eines Horner-Syndroms durch den Kokaintest erfol-gen, während die Zuordnung zum Ort der Läsion durch denHydroxyamphetaminhydrochlorid- oder Pholedrintest erfolgt(Abb. 4). Weitere pharmakologische Testverfahren haben kei-nen Eingang in die klinische Routinediagnostik gefunden.

Durch Eintropfen einer 4–10%igen Kokain-Lösung (1–2Tropfen) in den Konjunktivalsack kommt es zu einer Hem-mung der Wiederaufnahme von Noradrenalin im synaptischenSpalt. Dies führt im gesunden Auge zu einer Mydriasis. Liegteine Läsion der sympathischen Bahnen vor, insbesondere derprä- und postganglionären Neurone, bleibt dieser Effektaus. Eine diskrete Pupillenerweiterung findet sich bei zen-tralen Läsionen, da nicht alle sympathischen Fasern imVerlauf geschädigt sind. Zu beachten ist, dass Kokain-Metabolite bis zu 2 Tage nach dem Test im Urin nachweisbarsind [51].

Hydroxyamphetaminhydrochlorid (1-%-Lösung) oderPholedrin (5-%-Lösung) führen beim Gesunden zu einerFreisetzung von Noradrenalin. Liegt eine postganglionäre Lä-sion vor, bleibt aufgrund der fehlenden Transmitterfreisetzungeine Dilatation aus. Bei Schädigung der zentralen sowiepräganglionären Fasern findet sich hingegen eine Mydriasis,da die postganglionären Fasern weiterhin in der Lage sind,Noradrenalin zu produzieren. Beim akuten Horner-Syndromkann es zu falsch-negativen Resultaten kommen, da dieNoradrenalinspeicher in den postganglionären Neuronen nochnicht gänzlich entleert sind [52, 53]. Zu beachten ist, dasKokain die Aufnahme von Hydroxyamphetamin hemmt unddieser Test daher nicht am selben Tag durchgeführt werdendarf.

SchweißtestsDie topographische Zuordnung zum Ort der Läsion ist durchdas Verteilungsmuster des hypohidrotischen Areals möglich.Verschiedene Testanordnungen dienen dem Nachweis derSchweißsekretionsstörung und erleichtern damit die genaueEinordnung in zentrale, prä- oder postganglionäre Schädi-gung.

Bei der Jod-Stärke-Reaktion nach Minor wird die Haut mit ei-ner Jodlösung bestrichen. Nach Auftragen des Stärkepuderskommt es zu einer schwarzblauen Verfärbung, wohingegensich Areale mit ausbleibender Schweißproduktion nicht an-färben [54]. Die Testung mittels Indikatorpulver führt zu einerorangen Färbung der trockenen Haut [55]. Der Ninhydrintestberuht auf der Fähigkeit des Nachweises von im Schweiß ab-gesonderten Aminosäuren mit dadurch bedingter bläulicherVerfärbung [56].

Radiologische Untersuchung: NeuroimagingDie Indikation zur umfassenden bildgebenden Diagnostiksollte großzügig gestellt werden, um lebensbedrohlichebehandelbare Ursachen rasch zu erkennen. Untersuchungs-

techniken umfassen primär das zerebrale CT und MRT,gegebenenfalls auch mit Kontrastmittel, sowie die Gefäß-darstellung mittels CTA und MRA.

Ist eine zentrale Läsion anzunehmen, muss mittels zerebra-lem CT z. B. eine Blutung, Infarkt oder Tumor ausgeschlos-sen werden. Bei fehlendem Nachweis einer Ursache sollte er-gänzend ein zerebrales MRT veranlasst werden, um kleinereInfarkte, z. B. Hirnstammischämien (Wallenberg-Syndrom),demyelinisierende Erkrankungen oder auch Tumoren nach-zuweisen. Bestehen zusätzlich Zeichen einer Myelopathie,ist ein MRT der Halswirbelsäule und der oberen Brustwirbel-säule notwendig.

Bei Hinweisen auf eine Läsion präganglionärer Fasern sollteein CT mit Kontrastmittel des Thorax erfolgen, uminsbesondere die Lungenspitze (Pancoast-Tumor) sowie dieparavertebrale Region zu untersuchen [57]. Ein MRT desPlexus brachialis ist bei gleichzeitigem Verdacht auf eineLäsion des unteren Armplexus mit Parese der langen Fin-gerbeuger sowie der kleinen Handmuskeln angezeigt,da die präganglionären Fasern zusammen mit den Nerven-wurzeln C8 und Th1 das Foramen intervertebrale ver-lassen.

Postganglionäre Läsionen werden häufig durch Pathologiender A. carotis interna, der Schädelbasis, des Sinus cavernosusund der Orbitaspitze verursacht. Aufgrund der fehlendenInvasivität und zügigen Untersuchungstechnik ist die Ultra-schalldiagnostik der hirnversorgenden Gefäße zum Aus-schluss einer Dissektion initial zu empfehlen. LimitierendeFaktoren sind neben der untersucherabhängigen Beurteilungauch Gefäßanomalien sowie die fehlende direkte Darstell-barkeit des distalen Gefäßabschnitts. In diesem Zusammen-hang konnte gezeigt werden, dass sich bei isoliertem Auftre-ten eines Horner-Syndroms im Rahmen einer Dissektion derA. carotis interna in 31 % ein unauffälliger Ultraschallbefundzeigte, was einer Sensitivität von 69 % entspricht [58]. Dies-bezügliche Angaben sind in der Literatur jedoch heterogenund auch abhängig von Zusatzsymptomen und der Erfahrungdes Untersuchers, sodass im Zweifelsfall eine bildgebendeAbklärung sinnvoll ist in Relation zu möglichen gesundheit-lichen Konsequenzen. Früher war die Angiographie die Stan-darduntersuchung zum Nachweis der Karotisdissektion.Aufgrund der technischen Weiterentwicklung mit zuneh-mend besserer Auflösung sowie möglicher neurologischerKomplikationen der Angiographie (in ca. 4,0 % TIA oderzerebrale Ischämien) [59] wurde sie durch das MRT und dieMRA abgelöst. Ein ergänzendes T1-gewichtetes axialesMRT des Nackens mit fettsupprimierten Schichtungen kanndas Wandhämatom gut darstellen (Abb. 3) [60]. Alternativ istauch die Durchführung einer CT-Angiographie möglich, dieden Vorteil der weiten Verfügbarkeit sowie der schnellerenUntersuchungszeit bei allerdings bestehender Strahlen-exposition bietet. Hinsichtlich der Wahl der bildgebendenUntersuchungstechnik sind individuelle Faktoren ausschlag-gebend (Erfahrung des Untersuchers, Verfügbarkeit, Strah-lenexposition), da sich Sensitivität und Spezifität nicht signi-fikant zwischen der CTA und der kombinierten MRA mitMRT unterscheiden und in der Literatur mit bis zu jeweils100 % angegeben werden [61].

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Horner-Syndrom

Besondere AspekteDie Diagnosestellung des beidseitigen Horner-Syndroms ge-staltet sich erschwert, zumal keine wesentliche Anisokorie zuerwarten ist und auch die pharmakologische Testung mittelsKokaintropfen uneinheitlich erscheint [46]. Andererseitskann die Symptomatik auch seitendifferent ausgeprägt sein.Hier soll der so genannte „Redilation-lag“-Test Abhilfe schaf-fen, indem die Pupillenweite im Dunkeln gemessen und dasAuge anschließend einer Lichtquelle ausgesetzt wird. NachEntfernen der Lichtquelle wird die Zeit bis zum Erreichen von¾ der ursprünglichen Pupillenweite im Dunkeln abgewartet.Diese ist beim beidseitigen Horner-Syndrom verlängert [46].Dieser Test beruht auf dem Wissen, dass die Dilatation derPupille in der Erholungsphase des Lichtreflexes durch dasperiphere sympathische System bedingt ist [62].

Beim angeborenen Horner-Syndrom scheint die Lokalisationder Läsion mittels pharmakologischer Testung schwierig undweniger verlässlich [10, 37, 63]. Klinische Kennzeichen einerkongenitalen Form sind die Irisheterochromie [9] und dasHarlekin-Zeichen. Bestrebungen hinsichtlich der Entwick-lung eines standardisierten Protokolls zur diagnostischen Ab-klärung wurden bereits von mehreren Autoren unternommen.Empfehlungen zufolge sollte ein MRT des Kopfes, Halsesund Thorax inklusive Kontrastmittelgabe durchgeführt wer-den [39]. Ergänzend sollte der Harn auf die Katecholamin-metabolite Homovanillinsäure und Vanillinmandelsäure un-tersucht werden, welche von einem Neuroblastom produziertwerden können [64].

Schlussfolgerung

In einer retrospektiven Kohortenstudie zeigte sich, das nahezu2/3 aller Fälle mit einem Horner-Syndrom nach erstmaligerVorstellung in einer neuro-ophthalmologischen Klinik kon-kret zugeordnet werden konnten [65]. Klinische Informatio-nen ließen in weiteren 21 % eine gezielte bildgebende Diag-nostik zu, während bei fehlenden zusätzlichen Symptomen in17 % eine ausgedehnte Abklärung erfolgte, die allerdings nurselten eine ätiologische Zuteilung erlaubte. Daher ist bei be-stehender okulosympathischer Denervation nach begleiten-den Symptomen wie Sehstörungen, Hirnnervenausfällen, Pa-resen, Myelopathiezeichen, Chemosis oder auch Kopf-schmerzen zu suchen bzw. fragen, um eine rasche Diagnosezu erhalten bzw. eine gezielte Abklärung in die Wege leiten zukönnen. Bei Auftreten eines isolierten Horner-Syndromsohne begleitende klinische Auffälligkeiten ist in den meistenFällen von einer postganglionären Läsion auszugehen [57].Hinsichtlich der möglichen klinischen Relevanz sollte eineumfassende Abklärung erfolgen. Neurologische Ursachen,die einer unmittelbaren Intervention bedürfen, stellen in ers-ter Linie die Dissektionen der A. carotis interna oder auch derA. vertebralis dar, sowie der Schlaganfall und entzündlicheErkrankungen. In seltenen Fällen ist aufgrund der in unserenBreitengraden endemisch vorkommenden Borreliose aucheine Lumbalpunktion in Erwägung zu ziehen, wenn nebeneinem neu diagnostizierten Horner-Syndrom auch beglei-tend eine Hautrötung, Müdigkeit oder Fieber während derSommermonate auftritt, um eine Radikulitis auszuschließen[66–68].

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Relevanz für die Praxis

Neben einer neurologischen und ophthalmologischen kli-nischen Beurteilung sowie Durchführung von pharmako-logischen Funktionstests und einer Ultraschallunter-suchung sollte je nach Verfügbarkeit eine bildgebendeAbklärung mittels zerebralem CT und CT-Angiographiesowie zerebraler MRT und MR-Angiographie erfolgen.Bei weiterhin unklarer Ursache ist auch ein MRT derHalswirbelsäule und der oberen Brustwirbelsäule, des Ple-xus brachialis sowie ein CT des Thorax durchzuführen.Bei Kindern sollte zusätzlich die Bestimmung der Kate-cholaminmetaboliten Homovanillinsäure und Vanillin-mandelsäure erfolgen.

Interessenkonflikt

Die Autoren verneinen einen Interessenkonflikt.

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Horner-Syndrom

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OA Dr. med. Martin SawiresMedizinstudium und Promotion an derUniversität Innsbruck. NeurologischeAusbildung an der UniversitätsklinikInnsbruck, BKH Günzburg (Deutschland)und BKH Kufstein. Seit 2009 Facharzt fürNeurologie am BKH Kufstein; neurolo-gischer Konsiliararzt im BKH St. Johann.Klinischer Schwerpunkt: Parkinson-Syndrome und Bewegungsstörungen,Schmerztherapie.

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