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Research Collection Doctoral Thesis Vergleichende Untersuchungen an Extractum Belladonnae unter Berücksichtigung des Gehaltes an Hyoszyamin, Atropin und Skopolamin Author(s): Märki, Willi Publication Date: 1945 Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000113900 Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection . For more information please consult the Terms of use . ETH Library

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  • Research Collection

    Doctoral Thesis

    Vergleichende Untersuchungen an Extractum Belladonnae unterBerücksichtigung des Gehaltes an Hyoszyamin, Atropin undSkopolamin

    Author(s): Märki, Willi

    Publication Date: 1945

    Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000113900

    Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted

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  • Vergleichende Untersuchungen anExtractum Belladonnae

    unter Berücksichtigung des Gehaltes anHyoszyamin, Atropin und Skopolamin

    von der

    Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürichzur Erlangung der Würde eines Doktors der Naturwissenschaften

    genehmigte

    Promotionsarbeit

    vorgelegt von

    Willi Märki, dipl. Apothekeraus Villiijen

    Referent: Herr Prof. Dr. J. ßüchi

    Korreferent: Herr Prof. Dr. R. Eder

    Lachen — Buchdruckerei und Verlag A. Kessler — 1945

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  • Meiner lieben Frau

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  • — 5 —

    Herrn Prof. Dr. R. Eder, der kurz vor seinem Tode das Kor¬referat der vorliegenden Arbeit übernommen hatte, möchte ich andieser Stelle ehrend gedenken.

    Herrn Prof. Dr. J. Büchi, unter dessen Leitung ich die Arbeitausführte, danke ich besonders für die vielen Anregungen und dieFörderung, die er der Arbeit ständig angedeihen ließ.

    Herrn Dr. H. A. Spengler danke ich speziell dafür, daß ich mitseiner Bewilligung einen größeren Teil der experimentellen Arbeitenin der Kantansapotheke durchführen konnte.

    Herrn Prof. Dr. H. Flück möchte ich für verschiedene Anre¬

    gungen, wie auch für die Ueberlassung einer größeren Menge Unter¬

    suchungsmaterial bestens danken.

    Danken möchte ich auch Herrn R. Schwegler, Verwalter, fürviele Ratschläge und für manches freundliche Entgegenkommen.

    Ferner möchte ich danken: Den Firmen Sandoz A. G. in Basel

    und Zyma S. A. in Nyon für die Ueberlassung von wertvollem Un¬

    tersuchungsmaterial und von Literatur; den Firmen Gesellschaft fürChemische Industrie, F. Hoffmann-La Roche A. G. in Basel und

    Treupha A. G. in Baden, die mir bereitwillig Photokopien und Origi¬nalliteratur zur Verfügung stellten.

  • — 6 —

    INHALTSÜBERSICHT

    Seite

    / Einleitung 9

    II Allgemeiner Teil

    1. Die Solanazeendrogen 10

    a) Vorkommen 12

    b) Kultur 12

    c) Ernte, Trocknung 14

    2 Inhaltsstoffe der Solanazeendrogen, Chemie und physiologischeWirkung der Belladonnaalkaloide

    A Chemie

    a) Alkaloide

    I Hauptalkaloide1. Hyoszyamin, Atropin 16

    2 Skopolamin 21

    II. Nebenalkaloide

    1 Bclladonnm 23

    2. Atropamin (Apoatropin) 23

    3. Bellaradin 24

    b) Amine Fluchtige Basen 24

    c) Uebrige Inhaltsstoffe 25

    B. Physiologische Wirkung Pharmakologie, Toxikologie der

    Belladonnaalkaloide, Verwendung m der Therapie

    a) Physiologische Wirkung, Pharmakologie Toxikologie 29

    1 1-Hyoszyamin und Atropin 29

    2. Skopolamin 30

    3 Nebenalkaloide 31

    4. Spaltprodukte 32

    b) Therapeutische Anwendung 32

    3 Die Belladonnapraparatea) Die Belladonnapraparate der Arzneibucher 33

    b) Darstellung von Arzneidrogenpraparaten aus Belladonna 34

    1 Ausgangsmatenal, Stabilisierung der Frischpflanze 34

    2 Extraktion

    aa) Methoden36

    bb) Wahl des Menstruums, Zerkleincrungsgrad der Droge Quellung 37

    cc) Reinigung der Extraktflussigkeiten, Hygroskopizität derTrockenextrakte Haltbarkeit der Präparate 38

    dd) Spezialverfahren 41

  • c) Belladonna Spezialpraparate 42d) Hyoszyamin , Atropin- und Skopolamin Anteile des Alkaloid

    gemisches von Solanazeenpraparaten 44

    4 Die Encephalitis epidemica, die bulgarische Kur und ihre Präparate

    a) Beschreibung des Krankheitsbildes Ursache 44

    b) Therapie 46

    c) Präparate der bulgarischen Kur1. Ausgangsmaterial 502 Menstrua und Darstellungsvorschriften 543. Spezialpraparate 59

    d) Chemismus pharmakologische und klinische Wirkung der bulgar Kur 61

    /// Spezieller Teil

    1 Aufgabestellung 65

    2 Methoden der Wertbestimmung 66

    a) Allgemeine Bestimmungsmethoden, Methoden der Arzneibucher,Titration der Alkaloide 67

    b) Die chromatographische Adsorptionsanalyse 69

    c) Aminometne 69

    d) Kolonmetrische Wertbestimmung 70

    e) Diverse Methoden 70

    f) Biologische Methoden 70

    g) Getrennte Bestimmung der einzelnen Alkaloide 72

    3 Getrennte Bestimmung von Hyoszyamin Atropin und Skopolamin 74

    a) Methode nach A Kuhn und G Schafer, Kritik der Methode 74

    b) Bestimmung m Frischpflanzenmatenal 851 Wahl der Droge Zerkleinerungsgrad 85

    2 Direkte Bestimmung der frischen Droge 88

    3 Bestimmungsverfahren unter Trocknung mit Natriumsulfat 904 Razemisierungsverhaltnisse bei Lagerung von Frischdroge

    im Eisschrank bei 2—4» 93

    c) Bestimmung in getrockneter und getrockneter stabilisierter Wurzelund Handelsdrogen 93

    1 Bestimmungsmethode 93

    2 Trocknung der Droge 95

    3 Stabilisierung der Droge 95

    4 Resultate der getrockneten und getrockneten stabilisierten Wurzeln 97

    5 Hyoszyamingehalt von Handelsdrogenaa) Radix Belladonnae 100

    bb) Folium Belladonnae 101

    cc) Herba Hyoscyami102

    dd) Semen Stramonu 102

    ee) Beurteilung der in getrockneten Drogen bestimmten Hyos-

    zyammanteile der Gesamtalkaloidgehalte 103

    d) Bestimmung von Hyoszyamin und Atropin in Ph H V

    Präparaten Handelspraparaten103

    e) Bestimmung in Spezialpraparaten104

    4. Die Drogenextraktion

    a) Vorversuchc109

    b) Extraktionsversuche111

    1 Extraktion aus Frischpflanzen 111

    2 Extraktion aus getrockneten Drogen112

    3 Gesamtalkaloidpraparat aus Belladonnawurzel 114

  • 5. Aufarbeitung und Beurteilung der gewonnenen Trockenextrakte

    a) Herstellungsverfahren, Beurteilung der Aufarbeitung1. Extractum Belladonnae radicis 115

    2. Extractum Belladonnae foln 117

    3 Extractum Hyoscyami 117

    4. Beurteilung der Aufarbeitung 118

    b) Alkaloidausbeute und Hyoszyamin/Atropm-Verhältnis im Vergleichzum Ausgangsmatenal 1181. Extrakte aus Frischdrogen 118

    2. Extrakte aus getrockneten Drogen 120

    c) Loshchkeit 121

    d) Hygroskopizität 122

    e) Eignung zu Präparaten 127

    6 Razemisierung in einer aus Belladonnatrockenextrakt hergestelltenTinktur 127

    a) Versuqhsanordnung 128

    b) Bestimmung 128

    c) Resultate und Beurteilung 129

    7. Zusammenfassung 132

    IV Literaturverzeichnis 135

  • — 9 —

    I. Einleitung

    Die unverkennbare Abkehr von der ausschließlichen Verwendung

    von Reinpräparaten in der Medizin, die sich auch bei anderen Al-

    kaloiddrogen bemerkbar macht (1), ließ während der letzten Jahreauch die galenischen Präparate der Atropa Belladonna L. in den

    Vordergrund rücken. Das geht besonders daraus hervor, daß sich die

    pharmazeutisch-chemische Literatur stark mit diesen Arzneidrogen¬

    präparaten befaßt. Die Tatsache, daß vorwiegend Präparateder

    Wurzeldroge, dann auch Frischpflanzenpräparate derselben beschrie¬

    ben werden, ließen uns das Problem «Belladonna» vom Standpunktder galenischen Pharmazie aus eingehender behandeln, als dies bis

    heute geschehen ist. Ferner ist diese Bearbeitung auch angezeigt, da

    das Extractum Belladonna, der Ph. H. V., eine unvollkommene Zube¬

    reitung darstellt, die, hauptsächlich ihrer Hygroskopizität wegen, un¬

    bequem zu handhaben ist.

    In einem allgemeinen Teil bearbeiten wir demnach den heutigen

    Stand der Pharmakognosie und Pharmakochemie der arzneilich

    wichtigsten Solanazeendrogen im allgemeinen und der Belladonna im

    speziellen. Im Zusammenhang damit soll auch die Pharmakologieund die therapeutische Verwendung dieser Arzneidrogen und ihrer

    Präparate zusammenfassend besprochen werden.

    Die von uns zu bearbeitende Problemstellung erblicken wir da¬

    rin, an Hand einer chemisch-physikalischen Gehaltsbestim'mung die

    nach dem Stand der heutigen Forschung für die therapeutische Wirk¬

    samkeit der Droge und der Präparate verantwortlichen Alkaloide zu

    bestimmen. Damit wird es uns auch möglich, bei der Aufarbeitung

    von Frischpflanzen zu Drogen eine eventuelle Veränderung in den

    quantitativen Beziehungen der Alkaloide zueinander festzustellen

    und ihr durch geeignete Maßnahmen zu begegnen. Die gleichen Ge¬

    sichtspunkte versuchen wir auf die Extraktion des so bereitetenAus¬

    gangsmaterials und auf die Aufarbeitung zu einem Trockenextrakt

    aus der frischen resp. getrockneten Wurzel anzuwenden, für welche

    wir uns bestreben, eine den gewonnenen Erkentnissen entsprechendeVorschrift auszuarbeiten.

  • — 10 —

    II. Allgemeiner Teil

    1. DIE SOLANAZEENDROGEN.

    Als Produzent arzneilich wertvollster Drogen und Alkaloidekommt der Familie der Solanazeen (Tubiflorae) große Bedeutung zu.Es sind die in der Familie reichlich vertretenen Alkaloiddrogen, die,obwohl sie keine Großalkaloide liefern, im Arzneischatz unentbehr¬lich geworden sind. Die nachstehende Uebersicht nach E. Starken¬stein (2) und O. Moritz (3) enthält die bekanntesten Solanazeen¬

    arten, ihre Drogen, ihre Inhaltsstoffe und deren Menge:

    Name der Pflanze

    lateinisch und deutschTeil der

    Pflanze

    Menge derwirksamen

    Stoffe in °/o

    Inhaltsstoffe

    (Hauptalkaloide kursiv)

    Atropa BelladonnaTollkirsche

    Hyoscyamus nigerSchwarzes Bilsenkraut

    Datura Stramonium

    Stechapfel

    Datura arborea

    Datura metel

    Hyoscyamus muticus

    Aegyptiscihes Bilsenkraut

    Hyoscyamus reticulatus

    Gcsamt-

    pflanzeBlatterWurzeln

    Samen

    Fruchte

    Blatter

    Wurzeln

    Samen

    Blätter

    Wurzeln

    Samen

    Blatter

    Wurzeln

    Samen

    Blatter

    Samen

    gan/c

    Pflanze

    0,23—1,08

    ca 0,4ca 0,5ca 0,8

    0,19—0,21

    0,45—0,080,15—0.17

    0,06—0,10

    0,20—0,450,21—0,25

    0,20—0,48

    ca 0,45

    0,25—0,55

    0,10—0,22

    0.23—0,50

    0,9 —1,4

    0,87—1,35

    1,0

    l-Hyoszyamm, AtropinSkopolamin, Atropamin,Belladonnm, N-methyl-Pyrrolidin, N-methyl-Pyrrolin

    l-Hyos/yamm, AtropinSkopolamin (?)

    l-Hyoszyamm, in derWurzel auch Skopola-nrn, Atropin (?)

    Skopolamin,HyoszyaminSkopolamin, Hyoszya¬min Atropin, Nor-

    hyoszyamin

    l-Hyoszyamm, Tetra-methyldiarmnobutan,Skopolamin fehlend (')

    T'etramethyldiamm-obutan,wenig Hyoszyamin

  • Scopolia carniolica= ScopoliaartropoidesTollkraut oder

    Glockenbilsenkraut

    Rhizom 0.34—0.51 l-Hyoszyamin, AtropinSkopolamin

    Mandragora autumnalis Wurzeln ca 0,4 I-Hyoszyamin. Skopo¬lamin, Pseudohyoszy-amin und andere

    Alkaloide

    Duboisia myopy-roides

    Blätter 1,95—2,18 Skopolamin (?) 1-Hyos¬zyamin, Norhyos-zyamin

    Nicotiana Tabacum

    Tabak

    Blätter 0,2 —5,5 Nikotin

    Solanum Dulcamara

    BittersüßSprossen Dulcamarin

    Solanin

    Solanum tuberosum

    Kartoffel

    Knollen Solanin

    Solanum Lycopersi-Früchte Solanin

    cum

    Tomate

    Capsicum annuumSpanischer Pfeffer

    Paprika

    Früchte Capsaicin

    Als Solanazeen im engeren Sinne werden von den oben angeführ¬ten hauptsächlich die hyoscyamin-, resp. atropin-, resp. skopolamin-haltigen Arzneipflanzen verstanden; ihre Alkaloide sind chemisch

    durch den Bestandteil Tropin gekennzeichnet. Ihrer hervorstechend¬

    sten physiologischen "Wirkung wegen, Mydriasis hervorzurufen, wird

    die ganze Gruppe auch unter der Bezeichnung mydriatischeSolana¬

    zeen zusammengefaßt.A. Tschirch (4) kennt in seinem Handbuch folgende mydriati-

    schen Solanazeen:

    Stammpflanzen

    Atropa Belladonna

    Hyoscyamus niger

    Hyoscyamus muticusDatura Stramonium

    Datura arborea

    Datura KnightiiDatura alba

    Datura fastuosa

    Vorkommen

    Mitteleuropanördliche gemäßigte Zone bisSkandinavien

    Aegyptengemäßigte ZoneSüdamerika, bei uns Zierpflanze

  • — 12 —

    Datura metel Tropisches Amerika

    Mandragora officinarium MittelmeerScopolia carniolica Oesterreich, IstrienScopolia japonica OstasienScopolia luridaDuboisia myopyroides AustralienDuboisia Leichhardtii

    Duboisia HopwoodiiNicotiana Tabacum

    Solanum tuberosum

    Solanum nigrum enthalten Spuren mydriatischwirkender Alkaloide.

    Die wichtige Stellung der Solanazeenalkaloidpflanzen als Arz¬neipflanzen brachte es mit sich, daß sie häufig zum Gegenstand wis¬senschaftlicher Untersuchungen wurden. Soweit diese für uns Inter¬esse bieten und soweit sie als Grundlagen für gewisse ArbeitsphasenBedeutung haben, betrachten wir im nachstehenden an Hand derneueren Literatur auszugsweise einige pflanzenphysiologisch-pharma-kognostische Bearbeitungen:

    a) Vorkommen:

    Nach A. Tschirch (4) sind Vertreter der Familie auf der ganzenErde verbreitet zu finden, wobei in Europa selbst die wichtigstenArten gedeihen: Atropa Belladonna, Datura Stramonium, Hyoscya-mus niger; der wild in Aegypten beheimatete Hyoscyamus muticuswurde auch in Ungarn (5) und in Holland (6) mit Erfolg ange¬pflanzt.

    b) Kultur:

    Obschon die europäischen Solanazeen teilweise in größeren Be¬ständen wild vorkommen (7), genügt deren Produktion anscheinend

    nicht, um der Nachfrage gerecht zu werden. Deshalb werden die

    mydriatischen Solanazeen häufig kultiviert. Für Datura Stramoniumkommen als Produzenten hauptsächlich in Betracht: England, Frank¬reich, Thüringen, Ungarn, Oesterreich, Belgien; ferner Japan undAmerika (8). Atropa Belladonna wird vor allem in England undAmerika angebaut.

    Daß die Kultur gehaltsreichere Pflanzen und Drogen liefern

    kann, zeigt sich auch bei den Solanazeen. E. Bertonasco (9). der in

    Italien mit Belladonna entsprechende Versuche durchführte, hat da¬bei in den Blättern den relativ hohen Gehalt von 0,62 °/o Gesamt-

    alkaloiden erreicht. Kulturversuche, die in Deutschland durchgeführtwurden, zeitigten nach K. H. Bauer (10) während des heißen, trok-

    kenen Sommers 1934 bei Belladonnablättern bis 0,38 °/o, bei Hyos-cvamusblättern bis 0,65 % und bei Stramoniumblättern bis 0,75 °/o

  • _ 13 —

    Alkaloide. Die Kulturbedingungen sind noch nicht allseitig abge¬klärt; übereinstimmend wird jedoch festgestellt, daß Stickstoffzu¬fuhr den Gehalt an Alkaloiden bei den drei Solanazeen erhöht {11,12), da sowohl Atropa als auch Hyoscyamus und Datura anspruchs¬volle Pflanzen sind. 2. Klan (13) behandelt an Hand von Hyoscya¬mus niger die für die Kultur wesentlichen Punkte wie Selektion,Düngung, Licht, Schädlinge und Trocknung.

    Eine größere Anzahl Arbeiten beschäftigt sich mit der Abklärungder Schwankungen des Alkaloidgehaltes während verschiedenerJahreszeiten und Vegetationsperioden. Diese Untersuchungen er¬strecken sich auf alle drei genannten Solanazeen-Gattungen. NachO. Dafert und Mitarbeiter (14), nimmt der Gehalt von Hyoscyamusniger bis zum Ende der Ernte ständig ab; 2. Klan (15) hingegenstellt für die Wurzel derselben Pflanze fest, daß sie bei ein- und

    zweijährigen Pflanzen den höchsten Gehalt vor dem Abklingen derVegetationsperiode aufweist. Im weitern untersucht der Verfasserauch die übrigen Organe der Pflanze im Verlaufe einer Vegetations¬periode und gibt über gewisse Lokalisationen von Alkaloiden in ein¬zelnen Organen interessante Details. Wie O. Dafert und Mitarbeiter

    (14) bei Hyoscyamus niger, so konstatierten W. Hecht und Mitarbei¬ter (16) auch bei Stramonium-Blättern eine regelmäßige Abnahme des

    Alkaloidgehaltes gegen den Herbst zu; die beste Ausbeute wird er¬reicht bei 3—4 maliger Ernte während der Vegetationsperiode.P. Vande Vyvere (17) erhält bei Kultur von Hyoscyamus in Belgienbei 2jährigen Pflanzen ebenfalls 3 Ernten. Bei der Kultur von Bella¬donna in der Ukraine erhalten N. A. Waljaschko und S. W. Ssowa

    (18) im Juli/August ein Maximum an Alkaloiden, das bei jungenPflanzen besonders hoch ist. K. Boshart (19) kultivierte ebenfalls

    mit Erfolg Datura Stramonium und Atropa Belladonna und regi¬strierte sogar Schwankungen im Alkaloidgehalt je nach Tageszeit;E. Schratz (20) solche bei Datura innerhalb weniger Tage, worauf

    bei der Wahl der Erntezeit Rücksicht genommen werden muß.

    P. Runge (21) schlägt vor, Belladonna als ganze Pflanze nach

    Beendigung der Blütezeit im August/September zu ernten, da ein

    nicht verholzter Stengel denselben Gehalt wie die Blätter aufweise.H. Deluard (22) hat bei Belladonna sowohl einen höheren Alkaloid¬

    gehalt als auch eine größere Ernte durch den Einfluss der Besonnungfestgestellt, Schattenpflanzen sind weniger gehaltreich. Die schönstenüber dieses Gebiet bestehenden Arbeiten sind diejenigen von T. Pot-

    jewjid (6) und A. Kuhn und G. Schäfer (23). Der erstere untersuch¬

    te an Hyoscyamus muticus. den er in Holland kultivierte, die

    Schwankungen im Alkaloidgehalt während einer Vegetationsperiode,wobei er auch die Razemisierungsvorgänge berücksichtigt. Die beiden

    deutschen Autoren A. Kuhn und G. Schäfer (23) geben exakte Resul¬

    tate über den Verlauf der Alkaloidschwankungen an Atropa Bella-

  • — 14 —

    donna innerhalb einer Vegetationsperiode, wobei sie ebenfalls ge¬trennt den Hyoszyamin- und Atropin-Gehalt bestimmten und deren

    Schwankungen und Beziehungen zu einander innerhalb eines Jahresund bei verschiedenen Pflanzenorganen festhielten.

    Daß auch andere Faktoren auf den Alkaloidgehalt günstig ein¬

    wirken, zeigten P. Longo und C. Padri (24), die eine Beschleunigungder Entwicklung von Datura Stramonium beobachteten, sobald siemit arteigenen Alkaloiden behandelt (gedüngt?) worden war; dieVerfasser sprechen in diesem Falle von den Alkaloiden als Reiz¬

    körper, die in ähnlichem Sinne wie die menschlichen Hormone wir¬ken.

    Das Verhalten der Atropa Belladonna in gewissen Pflanzenge¬meinschaften ist ebenfalls erwähnenswert: Nach G. Madaus (25)wird die Pflanze in Verbindung mit Geissraute bedeutend statt¬licher als alleinstehend, außerdem giftiger. Als Begleitpflanzen für

    Atropa Belladonna werden ferner sowohl von A. Kosch (26) als auch

    von K. Siegfried (27) Artemisiaarten, besonders Artemisia vulgaris,empfohlen. In Gegenwart von Senf wird die Pflanze kleiner an

    Wuchs, aber noch giftiger als mit Geissraute (25).

    Als negativ wirkende Faktoren sind zu nennen: Insektenfraß,durch den selbstverständlich die Ernteausbeute der Blätter verringert

    wird, Fraß durch andere Tiere — Wiederkäuer sind z. B. gegenBelladonnaalkaloide immun (28) — und Befall durch Pilze. P. Au-

    gustin (29) zeigte bei Daturablättern, daß durch Pilzbefall der Ge¬

    halt an Alkaloiden auf ca. 7,s des ursprünglichen zurückgehen kann.

    c) Ernte, Trocknung:Die Erntezeit richtet sich nach dem jahreszeitlichen Maximum

    des Alkaloidgehaltes des zu erntenden Organes der betreffenden

    Pflanze, wofür aus den vorstehend angeführten Arbeiten für eineAnzahl Solanazeen Angaben entnommen werden können. Nach Re¬

    gen soll nach K. Mothes (30) die Ernte von Blättern unterlassen

    werden, da dieselben an die Regenflüssigkeit Alkaloide abgeben.Nach A. Kuhn und G. Schäfer (23) dürfte das Ende der Blütezeit

    der günstigste Zeitpunkt für die Blatternte der Belladonna sein,während für die Wurzel die Gewinnung Mitte März in Fragekommt; immerhin würde dabei die Blatternte des betreffenden Jahreshinfällig, weshalb vielleicht die Wurzel am vorteilhaftesten im Sept.

    geerntet wird, da sie in diesem Monat ein weiteres, etwas geringeresMaximum an Alkaloiden aufweist.

    H. Metsapa (31) stellte bei der Trocknung der Drogen fest, daß

    dabei der Alkaloidgehalt abnehme. B. Pater (32) sowie E. Kopp (33)bestimmten den Alkaloidgehalt von an der Sonne und im Schatten

    getrockneten Belladonnablättern, wobei sie keine Unterschiede im

    Gehalt feststellen konnten. Hyoscyamus zeigte keine Gehaltsab-

  • — 15 —

    nähme (33), während sich dieselbe auf ca 10% bezifferte, wenn imSchatten getrocknet wurde.

    Die Trocknungsverhältnisse bei den Blättern von Atropa Bella¬donna und Datura Stramonium haben ferner F. Wiesmann (34) undH, Flück (35) untersucht. Als wesentliches Resultat dürfte festge¬halten werden, daß besonders H. Flück (35) ein Optimum von 50—60° Trocknungstemparatur feststellte bei gleichzeitig maximal er¬haltenem Alkaloidgehalt. Eine Stabilisation vor der Trocknung der

    Droge verhindert den fermentativ bedingten hydrolytischen Abbauder Alkaloide. Die beiden Verfasser bestätigen im weitern die Beo¬

    bachtungen von B. Pater (32) und E. Kopp (33) für Belladonna- undDatura-Blätter.

    Im gleichen Sinn hat H. Fehr (36) die Verhältnisse bei der Wur¬zel der Belladonna untersucht, wobei er zugleich die Razemisierungs-vorgänge mit in seine Untersuchungen einbezog. Auch hier fand erfür die Trocknung ein Optimum von 50—60° mit einem Maximuman Gesamtalkaloiden und Hyoszyamin und einem Minimalwert von

    Atropin.M. M. Molodoshnikow und Je. N. Taran (37) fanden in drei

    Blattmustern von Belladonna, die bei 50—60° getrocknet und wäh¬rend 5 Jahren aufbewahrt worden waren keine Alkaloidverluste, wo¬mit sie mit H. Flück (35) einig gehen.

    Zusammenfassend kann über die Drogengewinnung bei den Sola¬

    nazeen gesagt werden:

    1. Kultivierte Pflanzen zeigen gegenüber den wildwachsendenkeinerlei Nachteile bezüglich Alkaloidgehalt, da derselbe relativhoch erhalten werden kann. Sie können somit ohne Einschränkungals Ausgangsmaterial für die Drogengewinnung Verwendung finden.

    2. Ernte:

    a) Blattdrogen: 3—4malige Ernte während der Vegetationspe¬riode ist möglich. Durch Mischen der Gesamternte eines Jahres sollen

    Gehaltsschwankungen, die von Ernte zu Ernte auftreten, ausge¬glichen werden.

    b) Belladonnawurzeln: März oder bei gleichzeitiger Gewinnungder Blätter noch vorteilhafter September.

    3. Die Konservierung der Drogen erfolgt entweder durch so¬

    fortige Trocknung bei 50—60° oder durch vorangehende Stabili¬

    sation, deren Methoden später besprochen werden sollen.

  • — 16 —

    2. INHALTSSTOFFE DER SOLANAZEENDROGEN;CHEMIE UND PHYSIOLOGISCHE WIRKUNG

    DER BELLADONNAALKALOIDE.

    A. Chemie.

    a) Alkaloide

    Aus der Tabelle nach E. Starkenstein (2) und O. Moritz (3)geht hervor, daß die Solanazeendrogen im engern Sinne durch ihreAlkaloide als Hauptinhaltsstoffe gekennzeichnet sind. Nach P. Kar¬ger (38) gehören sie chemisch zu den Alkaloiden mit kondensiertenPyrrolidin- und Piperidinringen und werden speziell als Atropin-gruppe zusammengefaßt. Die Gruppe der Tropasäureester, die nachA. Ladenburg (39) auch Tropeine genannt werden, umfaßt aus derFamilie der Solanazeen nachstehende Körper:/. Hauptalkaloide: Hyoszyamin

    AtropinSkopolamin

    //. Nebenalkaloide: Belladonnin

    Apoatropin (Atropamin)Die Konstitution von Bellaradin

    (40) ist noch unabgeklärt.Auf die verworrene Nomenklatur der Literatur, die u. a. auch

    noch Duboisin, Daturin, Stramonin als Alkaloide nennt, treten wirnicht ein; A. Tschirch (41) bringt einige Richtigstellungen, sodaßdiese mit Hyoszyamin, Atropin oder Gemischen derselben identischenAlkaloide nurmehr hie und da in die medizinische Literatur kritik¬

    los Eingang finden.

    Die nachstehenden Angaben entnehmen wir einer sehr umfang¬reichen Literatur, wie auch aus den Lehrbüchern und Nachschlage¬werken von P. Karrer (38), G. Klein (42), P. Lebeau und G. Curtnis

    (43) und E. Schmidt (44).

    I. Hauptalkaloide.

    1. Hyoszyamin, Atropin.

    CH» CH CH>

    NCHi CHO.CO

    .CH

    .CbHs

    CH* CH CH» CHsOH

  • — 17 —

    Das Alkaloid, d. h. Atropin, wurde 1831 von Apotheker Mein

    (45) und von Ph. L. Geiger und seinem Mitarbeiter Hesse (46) ausder Wurzel und aus den Blättern von Atropa Belladonna L. isoliert.

    Atropin ist als d,l-Tropasäure-Tropinester optisch inaktiv und ent¬steht durch Razemisierung aus der 1-Form, dem Hyoszyamin.

    Die Frage, welches dieser beiden Alkaloide primär in der

    Pflanze vorgebildet existiert, bildete häufig Gegenstand von

    Untersuchungen und Publikationen, wobei früher vor allem ange¬nommen wurde, dass Atropin das Hauptalkaloid in der Pflanzeselbst sei (47y Spätere Autoren wie W. Will (48) und A. Stoll (49)verneinten diese Ansicht vollständig und behaupteten sogar, daß

    überhaupt kein Atropin primär vorgebildet vorliege und daß Hyos¬zyamin das Alkaloid der lebenden Pflanze sei. Durch die Arbeiten

    von G. Klein und FL Sonnleitner (50) wurde die Existenz von Atro¬

    pin in der lebenden Pflanze im Mark des Rhizoms von Atropa Bella¬

    donna vor allem im Herbst sicher nachgewiesen. A. Kuhn und G.

    Schäfer (23, 51) stützen mit ihren Arbeiten diese Erkenntnis undfanden einen Atropingehalt des Alkaloidgemisches von 0—15 °/o.

    Darstellungsvorschriften für Atropin und Hyoszyamin findensich bei F. Chemnitius (52), Duilius (53) und E. Zalay (7), der die

    Methode von F. Chemnitius (52) etwas abänderte. Als Ausgangsma¬terialien dienen vor allem Hyoscyamus muticus als sehr alkaloid-

    reiche Droge (54) und Atropa Belladonna. Soll Hyoszyamin ge¬wonnen werden, so muß die Extraktion nach G. Klein (42) und

    W. Will (48) viel vorsichtiger vorgenommen werden, als wenn Atro¬

    pin erhalten werden soll, damit eine Razemisierung der nach Alkali¬

    zusatz aus den Drogen mit organischen Lösungsmitteln extrahierten

    ßase verhindert wird. Als wesentliche Faktoren werden genannt:

    Arbeiten bei niedriger Temperatur, Zersetzen der Salzlösungen der

    Alkaloide mit Soda und vorsichtige Extraktion mit Aether. Zur

    Trennung der beiden Alkaloide wird die verschiedene Löslichkeit

    ihrer schwefelsauren Salze in Alkohol oder diejenige der Basen in

    Benzin (55) herangezogen. Soll quantitativ Atropin erhalten werden,

    so wird das Basengemisch zwecks Razemisierung von Hyoszyaminzu Atropin auf 120° erhitzt.

    Die Erklärung dafür, daß früher vorwiegend Atropin in den

    Solanazeen gefunden wurde, ist heute darin zu suchen, daß durch

    allzu starke Alkalisierung bei der Extraktion eine beinahe voll¬

    ständige Razemisierung des ursprünglich vorhandenen Hyoszyaminsbewirkt wurde, während diese heute bei den schonendem Methoden

    unterbleibt.

    Die erste Synthese des Körpers aus seinen beiden Bestandteilen

    Tropin und Tropasäure gelang A. Ladenburg (56)durch Behandlung

    mit verdünnter Salzsäure unterhalb 100°; oberhalb 100° verläuft der

    Prozeß wieder in entgegengesetzter Richtung. Eine ältereTotal-

  • — 18 —

    synthèse stammt von R. Willstätter (38), eine einfachere Tropinsyn-these ausgehend von Bernsteinsäuredialdehyd, Azetondikarbonsäureund Methylamin von R. Robinson (38).

    Qualitativer Nachweis des Atropins und Hyoszyamins.Der bekannteste Nachweis, der auch in der Ph. H. V (57) aufge¬

    nommen wurde, ist derjenige nach dem italienischen ApothekerD. Vitali (58); die gleiche Nachweisreaktion geben auch Hyoszyarninund Skopolamin. Die Empfindlichkeitsgrenze der Reaktion wirddurch S. A. Celsi (59) mit 0,000 000 1 g angegeben; der Verfasserteilt mit, daß das Vorliegen eines Tropasäureesters Bedingung fürdie Reaktion sei; eine Verwechslung mit Strychnin, Veratrin usw.,wie dies Tb. Sabalitschka (60) angibt, hält der Autor bei dieser Re¬aktion nicht für möglich. Von /. Herzog und A. Hanner (61) wirdsie folgendermaßen angegeben:

    «Der aetherische Rückstand der Alkaloide mit 5 Tropfenrauchender Salpetersäure versetzt, muß nach dem Erkaltenmit weingeistiger Kalilauge eine violette Färbung anneh¬men.»

    Die Morinsche Reaktion (62) stellt eine Modifikation der Re¬aktion nach D. Vitali (58) dar. Von R. Wasicky (63) stammt eben¬falls eine sehr empfindliche und bekannte Reaktion:

    «Beim vorsichtigen Erwärmen einer Spur Alkaloid mit 1

    Tropfen Wasickys Reagens tritt eine intensive Rotfärbungauf, die beim Stehen in Kirschrot bis Rotviolett übergeht.(Wasickys Reagens: 2 g p-Dimethylaminobenzaldehyd wer¬den in 6 g konzentrierter Schwefelsäure gelöst und 0,4 g"Wasser hinzugefügt).»

    R. Wasicky (63) selbst gibt an, daß das Reagens für alle dreiSolanazeenalkaloide diene, während L. Ekkert (64) die Alkaloidj

    Atropin, Hyoszyarnin und Skopolamin durch die dabei auftretendenFarbtöne differenziert.

    Eine spektrographische Nachweismethode wird von H. Fischer

    {65) angegeben, die auf der Gegenwart der Tropasäure beruht undbei genügender Konzentration der Alkaloide ohne vorherige zeit¬raubende Ausschüttelung den Nachweis in biologischen Lösungen,z. B. Urin, ermöglicht.

    Mikroreaktionen auf die Alkaloide werden von R. Edcr (66) und

    von G. Klein und H. Sonnleitner (50) angegeben; sie beruhen auf

    Fällungsreaktionen entsprechend gewählter Reagentien; G. Klein undH. Sonnleitner (50) nennen als empfindlichstes Reagens Jodwasser¬stoffsäure Spez. Gew. 1,7.

    Für weitere Nachweismethoden sei auch noch auf /. de DiosFernandez (67) und W. Autenrieth (68) hingewiesen.

  • — 19 —

    Die chemischen Eigenschaften der beiden Alkaloide Hyoszyaminund Atropin decken sich gegenseitig, während ihr chemisch-physi¬kalisches Verhalten sie unterscheidet. Ein weiteres wesentliches

    Unterscheidungsmerkmal ist die auffallend größere physiologischeWirksamkeit der 1-Verbindung, des Hyoszyamins. Die Betrachtungund Kenntnis der Verhältnisse der Haltbarkeit resp. Zersetzlichkeit

    der beiden Alkaloide sind insofern von Bedeutung, als die Beurtei¬

    lung eines Solanazeenpräparates identisch ist mit einer solchen derArt und Menge der darin enthaltenen Alkaloide.

    Razemisiemng des Hyoszyamins und Hydrolyse

    von Hyoszyamin und Atropin.

    Als prinzipielle Möglichkeiten der Veränderung von Hyoszyaminund Atropin sind zu nennen:

    a) Razemisierung des Hyoszyamins zu Atropin,

    b) Hydrolyse beider Alkaloide in Tropasäure und Tropin.

    c) Deydrierung zu Atropamin und Belladonnin.

    Uebereinstimmende Literaturangaben zeigen, daß wässerige und

    alkoholische Lösungen der Basen von Hyoszyamin und Atropin nicht

    stabil sind, sondern daß sich mit zunehmender Erwärmung und pro¬

    portional der zeitlichen Dauer der Einwirkung eines basischen Kör¬

    pers eine bis zur Vollständigkeit gehende Hydrolyse in Tropasäurein Tropin vollzieht. /. Gadamer (69) gibt an, daß neben Wasser

    auch Weingeist die Hydrolyse begünstige. Andere Autoren wie

    G. Hidvegi (70), S. A. Schou und P. B. Bjerregaard (71) und S. F'al¬

    kin und H. R. Watkins (72) stimmen darin überein, daß die freie

    Base der Alkaloide in organischen, wasserfreien Lösungsmitteln ei¬

    nigermaßen stabil sei, während Wasserzutritt zu Hydrolyse führe.

    Die Salze der beiden Alkaloide dagegen sind in wässerigen Lösungenstabil. Atropinsalzlösungen können bei einem pH kleiner als 6,0 wäh¬

    rend 20 Minuten auf 120° erhitzt werden, ohne daß Hydrolyse ein¬

    tritt. (71).Zu gleichen Resultaten gelangen B. A. Kljatschkina und Mit¬

    arbeiter (73); sie betonen dabei die Wichtigkeit der Wasserstoffionen¬

    konzentration der Lösung, die 6,0 nicht übersteigen soll, da sonst

    Zersetzung rasch eintrete. R. Dietzel und Mitarbeiter (74) hingegenstellten nach der Sterilisation von Hyoszyamin und Atropin spektro-

    graphisch eine Zersetzung fest, ohne daß sie aus den Lichtabsorptions¬kurven auf den Prozentsatz derselben Rückschlüsse ziehen können.

    G. Kühl (75) untersuchte Atropin- und Skopolaminlösungen in

    Puffergemischen von pH 3,2 bis 9,2 nach der Sterilisation im frei¬

    strömenden Wasserdampf während 30 Minuten mittels einer pharma¬

    kologischen Bestimmungsmethode, ohne daß er Wirksamkeitsverluste

    konstatieren konnte.

  • — 20 —

    E. Vincke und H. A. Oelkers (76) geben bekannt, daß die Bella-donna-Alkaloide auch bei neutraler oder schwach saurer Reaktionbei der Aufbewahrung einer merklichen Zersetzung unterliegen. Diemit Atropin durchgeführten Versuche legen ferner dar, daß Atropin-sulfat, in Boratpuffer (pH 7,4) aufbewahrt, nach 18 Monaten nichtmehr nachzuweisen ist. Besser haltbar scheint das Atropinmethyl-bromid zu sein, das bei demselben pH von 7,4 in 0,5 mgü/oiger Lö¬

    sung noch zu 66 % gefunden werden konnte. Bei Ampullenpräpa¬raten traten die gleichen Beobachtungen zutage. Interessant sind auchUntersuchungen der gleichen Autoren über die Haltbarkeit vonSpezialpräparaten, von denen auszugsweise 3 Resultate genannt wer¬den sollen:

    Präparat:

    Belladonna-Dispcrt

    Bellafolin

    pH

    Belladonnysatumliquidum

    4,7

    5—6.5

    6,0

    6,9 nach

    Aufbewah¬

    rung

    Deklarierter

    Alkaloidgehalt

    Alkaloidgchaltbestimmt nach

    Aufbewahrung

    0.5 mg pro cem

    0.5 mg pro cem

    0.5 mg pro cem

    0 52—0,59 mg. also höher

    Haltbarkeit gut

    0,14—0,26 mgNach Jahresfrist:pH 6 9—7,1 Gehalt

    0,15—0mg

    0,36: o,40 mgNach 4 Monaten:

    0,26 mg

    Nachteilig auf den Alkaloidgehalt wirken sich ebenfalls die nochrecht häufig zusammen mit Belladonnaalkaloiden oder Präparatenverordneten alkalisch wirkenden Substanzen wie Magnesiumoxyd,Natriumbikarbonat aus, da auch hier eine Verseifung der Alkaloids

    eintritt, wie dies die gleichen Verfasser in einer früheren Publi¬kation mitteilten. (77) Die gleichen Beobachtungen stammen vonR. Eckert (78) und P. Pulewka (79). Von G. Schloß (80) wurdenüber die Verhältnisse der Verseifung und Adsorption des Atropinsin Gegenwart von Bolus und Magnesium oxydatum Untersuchungendurchgeführt, die ergaben, daß bei Bolus alba zuerst eine Adsorptiondes Alkaloids an die Oberfläche stattfindet und nachher eine teil¬

    weise Zerstörung während Magnesium oxydatum dank der etwasstärkeren Alkalität und d.'r viel geringeren Adsorptionswirkungden Atropingehalt einer Lösung bereits in einer Stunde durch Ver¬

    seifung auf die Hälfte reduzierte.Wie bereits C. A. Rojabn und H. Herzog (81) Gehaltsverminde¬

    rungen durch Bestrahlung mit Sonnen- und U. V.-Licht bei Alka-

    loidsalzlösungen beobachteten, so haben /. Büchi und H. Welti (82)durch Bestrahlung von Atropinlösung im Quarzglas Gehaltsabnahme

  • — 21 —

    von 15,8 %, Zunahme der Wasserstoffionenkonzentration von 4,5auf 3,2 wie auch eine bedeutende Gelbfärbung der Lösung herbeige¬führt, was auf eine zersetzende Wirkung des U.V.-Lichtes schließenläßt.

    Zum bereits besprochenen chemischen Verhalten des Hyoszya-mins tritt hinzu, daß dieses Alkaloid unter bestimmten Bedingungenseine optischen Eigenschaften verliert und ins Razemat übergeht.Diese Razemisierungsvorgänge sind in der Literatur verschiedentlichbeschrieben. So haben A. Goris und P. Costy (55) Hyoszyamin in

    Bezug auf Temperatureinfluß untersucht und festgestellt, daß von100° an der Gehalt von Stunde zu Stunde abnimmt. Bei zweistündi¬

    gem Erhitzen auf 118" war kein Hyoszyamin mehr nachzuweisen.Auch bei der Sterilisation der alkoholischen Lösung erfolgt eine

    merkliche GehaltsVerminderung; noch erheblicher ist diese, bei einer

    wässerigen Lösung der Base; etwas geringer diejenige des Sulfates.

    Von A. Kuhn und G. Schäfer (51) wurden die Razemisierungsvor¬

    gänge des Hyoszyamins ebenfalls geprüft, wobei festgestellt wurde,daß Alkoholkonzentration und Alkali die Geschwindigkeit derselben

    beeinflussen. G. Klein und H. Sonnleitner (50) legten hingegen dar,daß Chloroformlösungen von Hyoszyamin selbst in Gegenwart von

    Ammoniak ohne Gefahr der Razemisierung abgedampft werden kön¬

    nen, was für die quantitative Analyse von außerordentlicher Bedeu¬

    tung ist. /. Büchi (83) stellte fest, daß in einer 10 °/oigen wässerigen

    Hyoszyaminsulfatlösung bei Aufbewahrung in alkaliarmem Glas,keine Umsetzung zu Atropin stattfand.

    2. Skopolamin.

    'CH CH CHs

    O NCH:, CHO . CO . CH . CbHö

    CH CH —CH» ŒLOH

    Skopolamin ist das dritte Hauptalkaloid der Solanazeenalka-

    loide. Es ist optisch aktiv, linksdrehend und ist chemisch der Tropa-

    säure-Scopinester. Synonyma: Hyoscin (hauptsächlich im englischen

    Sprachgebiet), Atroscin.

    Seine Darstellung erfolgt entweder aus den Mutterlaugen der

    Hyoszyamindarstcllung oder unter Verwendung der typischen Sko-

    polaminpflanzen Datura metel und Datura arboreaals Ausgangs¬

    material. Die Trennung von Atropin und Hyoszyamin erfolgt durch

    Aufnahme des Alkaloids in Chloroform aus der bikarbonatalkalisch

    gemachten Lösung, welche Eigenschaft auch A. Kuhn undG. Schäfer

    (51) in ihrer Bestimmungsmethode verwerten.

  • — 22 —

    Skopolamin ist wasserfrei ein in den meisten Lösungsmittelnleicht löslicher Sirup (42). Seine Reaktionen gleichen denjenigen derbeiden Alkaloide Hyoszyamin und Atropin. Von G. Klein und H.Sonnleitner (50) wird als bestes Reagens für den Mikronachweisneben Jodwasserstoffsäure Spez. Gew. 1,7 eine 5 °/oige Lösung vonGoldchlorid angegeben. Skopolamin gibt ebenfalls die Reaktion nachD. Vitali (58), die auch von der Ph. H. V zur Identifizierung be¬nutzt wird. (84).

    Die Verseifung des Skopolamins müßte Tropasäure und Skopin,die alkoholischen Komponente, liefern. Skopin kann jedoch seiner

    großen Empfindlichkeit wegen nur unter ganz besondern Bedingun¬gen gewonnen werden (85). Unter gewöhnlichen Reaktionsbedingun¬gen isomerisiert es sich sofort zu Skopolin.

    Da Skopolamin arzneilich vielfach Verwendung findet, wurdeseine Haltbarkeit mehrfach in Lösung, hauptsächlich als Injektions¬flüssigkeit, studiert. Straub (86), stellt geringe Haltbarkeit der wäs¬

    serigen Skopolaminsalzlösung fest. Durch Zusatz höhermolekularerAlkohole wie Arabit, Mannit, Dulcit (10 %) soll die Zersetzung ver¬mieden werden. Das Verfahren wurde sogar patentiert.

    Auch das D. A. B. 6 geht von der Voraussetzung aus, daß wäs¬

    serige Skopolaminlösungen nicht haltbar seien, da es vorschreibt,daß solche nicht erhitzt werden dürften (87).

    Im Gegensatz dazu kommt S. A. Schou (88) durch eigene Ver¬suche zum Schluß, daß reine wässerige Lösungen von Skopolamin-hydrobromid in Jenaerglasampullen so beständig sind, daß sie wäh¬rend 20 Minuten bei 120° sterilisiert werden können. MehrwertigeAlkohole sind nach seinen Untersuchungen ohne Einfluß auf die Hy¬drolyse.

    Die gleichen Resultate melden W. Lühr und H. G. Rietschel (89).Sie arbeiteten mit einer Lösung, die durch Zusatz von 0,001 n-Brom-wasserstoffsäure auf ein pH von ca 3,0 gebracht worden war; Man-nitzusatz verhinderte eine Wirkungseinbuße. Die beiden Verfassermessen ferner der Tatsache, daß die Luft aus den Ampullen vor demZuschmelzen durch Kohlensäure zu verdrängen sei, große Bedeu¬

    tung zu.

    Bei wässerigen Lösungen beobachtete C. Stieb (90) allmählicheinen zarten Niederschlag. Die mit Glyzerin konservierten Lösungenzeigten diese Erscheinung nicht. Glas könne nicht die Ursache sein.

    Zur qualitativen Unterscheidung der drei Hauptalkaloide der

    Solanazeendrogen werden neben der mikrochemischen Identifizierungder iodwasserstoffsauren Salze (50) vor allem die Schmelzpunkte der

    Golddoppelsalze herangezogen, die nach Th. Sabalitschka (91) an¬

    gegeben seien:

  • — 23 —

    Atropinchloraurat Smp. 135—137°

    Hyoszyaminchloraurat Smp. 160—162"

    Skopolaminchloraurat Smp. 210—214°

    II. Nebenalkaloide.

    1. Belladonnin.

    CH» CH CH?

    NCR, CHO . CO . C . C«H.-,

    I I,CHä CH CH. CH-.

    Es wurde 1858 von Fr. Hübschmann (92) aus rohem Atropin ab¬

    geschieden, ohne daß die Kristallisation gelang. Es wird in der Lite¬

    ratur deshalb meist als «farbloser Firnis» oder als «amorphe Rest-

    alkaloide» bezeichnet; seine Einheitlichkeit wird von H. Kreitmair

    und O. Wolfes (93) als zweifelhaft angesprochen, trotzdem es viel¬

    fach beobachtet worden war. Es ist das Stereoisomere, nach W. Küß-

    ner (95) ein Polymères, des Atropamins (Apoatropin), aus welchem

    es durch längeres Erhitzen entsteht. W. Küssner (92) gelang 1938 die

    Kristallisation aus Essigsäureester in würfelförmigen Kristallen. Es

    gibt nach dem Verfasser wie die andern Alkaloide der Solanazeen die

    Vitalische Reaktion. In alkalischer Lösung wird es gespalten in Beta-

    Isatropasäure und Tropin.

    2. Atropamin (Apoatropin).Atropamin entsteht, wie die Apoalkaloide im allgemeinen, durch

    Wasserabspaltung aus dem Atropin. Zur Herstellung wird Atropin

    in konzentrierter Schwefelsäure gelöst und die Lösung sofort in Was¬

    ser gegossen oder es wird Atropin während zweiStunden mit der

    fünffachen Menge Essigsäureanhydrid gekocht (44). Es stellt den

    Atropasäureester (Phenylakrylsäureester) des Tropins dar. Atropa¬

    min besitzt die gleiche Formel wie Belladonnin. Es wird in den Mut¬

    terlaugen der Atropindarstellung gefunden. O. Hesse (94)entdeckte

    es in geringer Menge in den Solanazeen; ob es jedoch als primäres

    Produkt in den Pflanzen und Drogen vorkommt oder ob es erst bei

    der Verarbeitung entsteht, ist noch unabgeklärt. Es ist in Wasserund

    Petrolaether wenig, in den übrigen Lösungsmitteln leicht löslich. Auf

    der geringen Löslichkeit in Wasser beruht auch die Prüfungsvor¬

    schrift der Ph. H. V bei Atropinum sulfuricum (57), während ander¬

    seits auch die Doppelbindung der Atropasäure mittels Kaliumper¬

    manganat zum Nachweis herangezogen wird,der jedoch nach H.

    Kreitmair und O. Wolfes (93) durch sehr geringe Verunreinigungen

    beeinträchtigt wird. Auf der Anwesenheit der Doppelbindungberuht

  • - 24 —

    die bromometrische Titration, die von W. Küssner und H. Kreitmair

    (95) angegeben wird, die auch H. Kreitmair und O. Wolfes (93) nachR. Willstätter und E. Hug (96) zitieren.

    Das Alkaloid bildet aus Aether kristallisierend farblose bei 60—

    62° schmelzende Prismen; durch Kochen mit Barytwasser zerfälltes in seine Bestandteile; seine halogenwasserstoffsauren Salze sind inWasser ebenfalls schwer löslich und kristallisieren gut.

    3. Bellaradin.

    In der bulgarischen Belladonnawurzel fanden H. King und L. L.Ware (40) in einer Ausbeute von 0,75 g aus 9,9 kg Droge ein bis da¬hin nicht beschriebenes Alkaloid, das Bellaradin, CtHihON, eine ter¬tiäre Base. Diese enthält einen Pyrrolkern und die Autoren vermu¬ten ein niedrigeres Homologes von Hygrin vor sich zu haben. WieH. King (97) in einer anschließenden Publikation feststellt, handeltes sich beim Bellaradin nicht um das 2-Azetyl-2-methylpyrrolidin,wie die beiden Autoren anfänglich angenommen hatten (40).

    Der Vollständigkeit halber seien noch nachstehende, teils syn¬thetische Solanazeenalkaloide angeführt:

    Homatropin : Mandelsäure-TropinesterGenatropin (98): am Stickstoff des Tropinkerns oxydiertes AtropinAtropinschwefelsäure, AtropinmethylbromidEumydrin: Atropinmethylnitrat.

    Ferner existieren gemischte Alkaloide der Solanazeen mit mehr¬basischen Säuren, die von W. Schöller und H. Schotte (99) darge¬stellt wurden.

    Schlußendlich verdient auch noch die Uebersicht von R. Seka

    (100) in Kleins Handbuch (42) über das Vorkommen von in ihrer

    Konstitution noch nicht erforschter Solanazeenalkaloide Beachtung.

    b) Amine, flüchtige Basen.Neben den Alkaloiden finden sich in den Solanazeen weitere

    stickstoffhaltige Körper, die in der Literatur unter dem Sammelbe¬

    griff Amine oder flüchtige Basen bekannt sind. F. Beausite (101) hatvor allem durch die Tatsache, daß er bei der Durchführung von

    Gchaltsbestimmungen nach verschiedenen Methoden abweichendeWerte fand, die Anwesenheit flüchtiger basischer Körper vermutetund nachgewiesen. A. Goris und A. Larsonneau (102) haben dannbei der Aufarbeitung der basischen Körper aus 500 kg Belladonna¬blättern nachstehende flüchtige Basen gefunden:

    1. Pyridin, das sie in einer Menge von ca 2 °/o der Alkaloide an¬

    geben. Die Verfasser haben zur Identifizierung eine Methode

    ausgearbeitet, mit der sie noch einen Tropfen Pyridin auf 10

  • — 25 —

    Liter Wasser (also eine Verdünnung von ca 1 : 400 000) nach¬

    wiesen.

    2. N-Methyl-pyrrolidin,3. N-Methyl-pyrrolin,4. Wahrscheinlich ein Diarnin der Fettreihe, das jedoch nicht

    sicher nachgewiesen werden konnte.

    T. Potjewijd (6) und auch andere Autoren (3, 44, 103) geben

    an, daß es sich bei dieser leicht wasserdampfflüchtigen, farblosen

    Flüssigkeit um Tetramethyldiaminobutan handelt, das stark alka¬

    lisch reagiert, (CH:j)2N.CHäCH2CH2CH?.N(CH:!),. Es ist in be¬

    trächtlichen Dosen pharmakologisch ungiftig. (103).H. Kunz (104) nennt als weitern basischen Körper Cholin, das

    er aus Belladonnaextrakten verschiedener Herkunft isoliert und durch

    Bildung des Platindoppelsalzes identifiziert hat. Er fand es in Men¬

    gen von 0,72—1,03 °/o in Belladonna, wie auch zu ca 0,3% im Hy-

    oscyamus-Extrakt. A. Tschirch (4) gibt für Hyoscyamus niger eben¬

    falls Cholin als Inhaltsstoff an. Von T.Potjewijd (6) wird auch Tro¬

    pin als Inhaltsstoff angeführt.

    c) Uebrige Inhaltsstoffe.Im Laufe des 19. Jahrhunderts sind, wie wir der Belladonna-

    Monographie von F. B. Kilmer (105) entnehmen, als Inhaltsstoffe

    von Atropa Belladonna L. bekannt geworden:

    1. Stärke, Zucker (Saccharose bei L. Rosenthaler (106), «Honig»

    (?), Saccharate, Zellulose, Gummi, Wachse, Harze, «Mucilago»

    (?), Asparagin, Albumin.

    2. Färbende Substanzen: Chlorophyll, Anthocyan rot, Xanthophyll

    gelb, Atrosin (?).3. Alkaloide: Atropin, Hyoszyamin, Belladonnin, Atropamin, Apo-

    atropin.

    4. Säuren: Essig-, Aepfel-, Bernstein-, Chrysatropa-, Pseudatorin-,

    Phyteumscolla-Säure.5. Salze: Kaliumsulfat, Natriumchlorid, Natriumphosphat, Kalzi-

    ummalat, Kalziumoxalat, AmmoniuMsalze.

    6. Geruch- und aromatische Substanzen.

    Zu dieser Liste bemerkt der Verfasser, daß vielleicht nichtalle

    angeführten Körper ursprünglich in der Pflanzevorhanden seien,

    sondern sich erst während der Analyse ergäben.

    In Ergänzung dieser Zusammenstellung seiennach andern Li¬

    teraturangaben einige weitere Stoffe genannt oder etwasausführlicher

    behandelt.

    H. Kunz (107) nennt als Bestandteil der Belladonnaeinen in

    alkalischen Extraktlösungen blau fluoreszierenden Stoff Chrysa-

  • — 26 —

    tropasäure, dessen Bruttoformel er zu C12H10O5 angibt. Weiter gibter einen Bestandteil Leukatropasäure an, die in einer Menge von0,03 % vorhanden ist und Beziehungen zu den Fettsäuren aufweist(C17H32O5). Im Kraut der Pflanze soll ferner Bernsteinsäure zu ca0,6 % vorhanden sein.

    A. Kosch (108) führt als Bestandteile von Hyoscyamus nigeretwas aetherisches Oel und den glykosidischen Bitterstoff Hyoscy-pikrin an.

    Vor allem interessiert uns noch der oben genannte Stoff Chry-satropasäure, der sich durch seine in konzentrierter alkalischer Lö¬sung smaragdgrüne, in verdünnter Lösung chininblaue Fluoreszenzauszeichnet. Sie bildet das Aglukon des Glykosids Methylaeskuletin,das auch den Namen Scopolin (109) führt, also gleich wie das Hy¬drolysenprodukt des Skopolamins. Das Aglukon selbst, das Bet.i-Methylaeskuletin, Chrysatropasäure, wird nach /. F. Eijkmann(110) auch Scopoletin genannt. Es ist Bestandteil einer Anzahl So¬lanazeen und wird vor allem auch für Scopoliaarten (109, 110, 111),ferner für Datura (112) und Mandragora (113) angeben. Hingegenfehlt es in Folium Hyoscyami Ph. Nederl. (110), was auch /. Haimai(114)) durch eigene Versuche bei Hyoscyamus niger bestätigt. DieFluoreszenzreaktion wird von der Ph. Nederl. V (110) zum Nach¬weis von Verfälschungen von Extractum Hyoscyami durch andereSolanazeenextrakte, vor allem Belladonnaextract, benützt, wobeinach ]. Hollmann (109) noch 1 % Extractum Belladonnae nach¬gewiesen werden kann. Eine auf der Anwesenheit dieses Körpers be¬ruhende Identitätsreaktion für Tinctura Belladonnae wird von F.Wischo und L. Zechner (115), angegeben. Sowohl im Kommentar derNederl. Ph. V (110), wie auch bei R. Wasicky (116) und P. Karrer(117) findet sich folgende Formel des Skopoletins:

    C — CH=CH - C=0

    HC C O

    !CHi — O — C CH

  • — 27 —

    Als Bestandteile der narkotischen Solanazeen werden von C.

    Webtner und M. Hadders (118) nachstehende Fermente genannt:

    Ferment: Vorkommen in Pflanzen: Pflanzenteil:

    Chlorophyllase in allen chlorophyllhaltige

    Emulsin (Synaptase) Atropa Belladonna Kraut

    Linamarase

    (Linase)Hyoscyamus nigerDatura Stramonium

    Samen

    Samen

    Chymase (119)(= Labenzym)

    Atropa Belladonna

    Datura Stramonium

    Wurzel

    in unreifen Samen

    Oxydase(Peroxydase (36)

    Atropa Belladonna Wurzel, neben

    Labenzym

    Endlich sei noch daran erinnert, daß Semen Stramonii wesent¬

    liche Mengen fettes Oel enthält.

    Zum Schluß interessiert uns noch die quantitative Zusammen¬

    setzung des in den verschiedenen Solanazeendrogen vorliegenden

    Alkaloidgemisches; an Hand von Literaturangaben haben wir Ta¬belle No. I zusammengestellt.

    Gehalte an Hyoszyamin wie auch solche der übrigen Solanazeen-

    alkaloide finden sich nur für die beiden Belladonnadrogen angegeben,während sie für Hyoscyamus und Datura fehlen. Eine Angabe über

    Scopoliawurzel und einige weitere Zahlen der Literatur, die sich auf

    Präparate beziehen, folgen in anderm Zusammenhang später.

    Die Gehaltsbestimmungen wurden von den einzelnen Autoren

    nach verschiedenen Methoden durchgeführt; einzig A. Kuhn und

    G. Schäfer (23, 51, 121), H. Fehr (36) und R. Eder und O. Ruck¬

    stuhl (123) benutzten die von den ersten beiden Autoren angegebene,

    getrennte Bestimmungsmethode. Dabei haben wir selbst, die von

    A. Kuhn und G. Schäfer (23, 51, 121) und von H. Fehr (36) zu

    hoch berechneten Hyoszyamingehalte korrigiert, indem wir ihre

    Werte mit einem von uns aus 10 Einzelbestimmungen ermittelten

    durchschnittlichen Faktor von 0,8221, der der von ihnen fälschlicher¬

    weise bei der Berechnung verwendeten Dichte entspricht, multipli¬zierten, (siehe S. 85). Die Angaben von R. Eder und O. Ruckstuhl

    (123) entsprechen richtigen Werten.

  • — 28 —

    TABELLE NO. I

    Hyoszyamin-, Atropin-, und Skopolamin-Anteile des Alkaloid-gemisches von Atropa Belladonna L. nach Literaturangaben

    zusammengestellt.

    DrogeHyos¬

    zyamin %

    Gehalt an

    Atropin%

    Skopo-lamin %

    Autor

    Radix Belladonnae

    je nach Herkunft66—77—

    83—90

    10—14 0—ca 1,3 W. Küßner

    (95)

    Radix Belladonnae

    holländische Wurzel

    bulgarische Wurzel

    71

    52

    29

    48

    nicht be¬

    stimmt

    P. Kuiper u.P van derWielen (120)

    Radix Belladonnae

    kultiviert und

    Handelsdrogen versch.Herkunft

    (82—95)Korrig'crt:68—78

    (5-18)

    22—32

    0—2,6

    0—2,6

    A. Kuhn u.

    G. S'.häfer

    (23, 51, 121)

    Radix Belladonnae

    je nach Behandlung,Trocknung

    (79—92)Korrigiert:65—79

    (8-21)

    21—35

    ? H. Fehr(36)

    Radix Belladonnae

    italienische Wurzel

    bulgarische Wurzel

    72

    80

    28

    20

    0

    0

    P. Sillani

    (122)

    Folium Belladonnae.kultiviert

    (90 6)_

    Korrigiert:74,5

    (9.4)

    25,5

    ? A Kuhn u.

    G. Schäfer

    (51, 121)

    Folium Belladonnae,kultiviert, je nach

    Jahreszeit

    (32 8—97.7)Korrigiert:27—80,3

    (2.7—67.8)

    19 7—73

    ? A. Kuhn u.G. Schäfer

    (23)

    Folium Belladonnae,

    Handelsdroge88.2 11.8 0 R. Eder u.

    O. Ruck¬

    stuhl (123)

    Die Uebersicht zeigt, daß Hyoszyamin als Hauptalkaloid in den

    Drogen vorliegt, wobei jedoch dessen Anteil am Gemisch der Alka-loide je nach Herkunft, Behandlung etc. erheblichen Schwankungenunterworfen ist. Wir dürfen jedoch auf Grund der neuesten Resul¬tate (123) in einer Belladonnadroge 85 und mehr °/o Hyoszyamin-Anteil erwarten.

  • — 29 —

    B. Physiologische Wirkung, Pharmakologie, Toxikologie derBelladonnaalkaloide. Verwendung in der Therapie.

    a) Physiologische Wirkung, Pharmakologie, Toxikologie.

    1. Hyoszyamin und Atropin.

    Qualitative Unterschiede bestehen in der physiologischen Wir¬

    kung der beiden isomeren Alkaloide kaum; der Unterschied ist ein

    quantitativer. Da bei den Drogen und Arzneidrogenpräparaten der

    Alkaloidgehalt ihre Wirkung bestimmt, ist auch die Drogenwirkungwie auch diejenige eines daraus hergestellten Präparates eine solcheihrer Alkaloide, weshalb wir sie in gleichem Zusammenhang be¬

    sprechen.Die erste wahrnehmbare Wirkung des Atropins resp. Hyoszy-

    amins ist bei allen Tierarten die Lähmung des Vagus und anderer

    parasympathischer Nerven, die sich dem Alkaloid gegenüber als die

    empfindlichsten Teile des gesamten Nervensystems erweisen. Bei den

    meisten Säugetieren kommt es dann, auch bei höheren Dosen, zu kei¬

    nen weiteren Symptomen und erst nach sehr großen Dosen zu Läh¬

    mungserscheinungen. Eine genauere Analyse zeigt, daß nicht einedirekte Erregung sondern eine durch Lähmung von Hemmungen ver¬

    ursachte Erregung zustande kommt. Dieses eigenartige Vergiftungs¬

    bild, das der Tollkirsche ihren Namen gegeben hat, kommt dadurch

    zustande, daß das Zentralnervensystem in seiner Gesamtheit dem

    Atropin gegenüber nicht besonders empfindlich ist.

    Zu den peripher auftretenden Wirkungen gehört die für die

    beiden Alkaloide charakteristische Erscheinung der Pupil]enerw:i-

    terung, der Mydriasis, durch welche die Akkomodation für die Nähe

    aufgehoben wird. Ferner wird die Sekretion aller Drüsen unter¬

    drückt oder wenigstens stark herabgesetzt; bekannt sind die Hem¬

    mung der Speichel-, der Schweiß- und Schleim-Sekretion.

    Bei Ueberdosierungen treten die erwähnten Symptome verstärkt

    auf: Trockenheit im Munde und im Schlünde und im Zusammen¬

    hang damit Durstgefühl, Heiserkeit und Schluckbeschwerden; Be¬

    schleunigung des Pulses, verstärkte Sehstörungen; Kopfschmerz,

    Schwindel, Halluzinationen, Delieren und Raserei. Die zuletzt er¬

    wähnten Erscheinungen haben, historisch betrachtet, größten Anteil

    an Hexensabbaten, Walpurgisnacht, Erscheinungen, die heute als

    Vergiftung durch Tollkirsche angesehen werden. E. Hesse (124)

    reiht deshalb Atropin und Belladonna unter die historischen Rausch¬

    gifte. Weitere Aeusserungen einer derart fortgeschrittenen Vergiftungsind Tanzen, unsinnig Sprechen, Lachen und Umsichschlagen. Bei

    der Vergiftung durch atropinfreies Hyoszyamin fehlt das Erregungs¬stadium fast vollständig (68).

  • — 30 —

    Die letale Dosis scheint beim Menschen nach M. Cloetta (125)o,l g zu sein, doch wurden auch Erholungen bei höheren Dosen be¬obachtet. Die Ausscheidung der Alkaloide erfolgt rasch durch denUrin.

    Solanazeendrogcn bilden häufig die Ursachen von Vergiftungen.Aus den Literaturangaben der letzten Jahre seien angeführt: O. Wie¬

    gelnd (126) berichtet über einen Fall, wonach ein Patient nach demGenuß von schätzungsweise 750 g Tollkirschen nach 18 Stunden adexitum kam. /. Haimai (114) erwähnt eine Vergiftung mit Radix

    Hyoscyami, die zu Suppe gekocht worden war. Radix Belladonnaewird nicht selten auch als Verunreinigung von Radix Bardanae undsomit in Blutreinigungstee gefunden (127). Auch Belladonna-Blatt¬stücke und vereinzeinte Früchte wurden in einem Kräutertee von

    R. Zeynik und Zd. Stary (128) festgestellt. Semen Stramonii wirdebenfalls als Ursache von Vergiftungen angegeben (129).

    Ueber die quantitativen Beziehungen in der Wirkung der Sola-nazeenalkaloide existieren verschiedene Arbeiten. So wirkt nach P.

    Pulewka (79) Skopolamin 5—10 mal stärker, Hyoszyamin doppeltso stark wie Atropin, wenn als Wertbestimmungsmethode die pupil¬lenerweiternde "Wirkung am Auge der weißen Maus verwendet wird.Bei der Betrachtung der antagonistischen Wirkung auf Azetylcholinam isolierten Meerschweinchendünndarm fand H. Kreitmair (95)nachstehende Verhältnisse:

    1-Hyoszyamin — 2

    Atropin 1

    Apoatropin == 1/50Belladonna - 1/30 000

    während hingegen die Krampfwirkung, die der Toxizität parallel ge¬setzt werden kann, anderslautige Ergebnisse zeigte:

    1-Hyoszyamin - 1

    Atropin - 1

    Apoatropin 5

    2. Skopolamin.

    Obschon dieses Alkaloid nur vereinzelt in den Drogen der

    Atropa Belladonna vorgefunden wird (51), so seien dennoch kurz

    seine pharmakologischen Wirkungen aufgeführt: Skopolamin bewirktebenso wie Hyoszyamin oder Atropin periphere Lähmung des para¬sympathischen Nervensystems, daneben aber schon in kleinsten Do¬

    sen auch allgemeine Lähmung des Zentralnervensystems.

    Charakteristisch für dieses Alkaloid ist die große Wirkungs¬breite. Dezimilligramme rufen meist schon die ersten Erscheinungen

    hervor; die letale Dosis beträgt jedoch ein mehrfaches der minimal

    toxischen. Sie wird von M. Cloetta (125) für den Menschen zu ca.

  • — 31 —

    1 eg angegeben. Der gleiche Verfasser regt an, nur Skopolamin vonbestimmter optischer Aktivität zu verwenden, dem z. B. die Ph. H.V (84) mit der Forderung eines Skopolamins mit spezifischerDrehung Rechnung trägt.

    3. Nebenalkaloide.

    Zur Kenntnis der Wirkung der Arzneidrogenpräparate aus Sola¬

    nazeen gehört auch die Pharmakologie ihrer Nebenalkaloide, derenEinfluß in der Zusammenwirkung mit den Hauptalkaloiden noch

    strittig und deren Rolle noch keineswegs abgeklärt ist.

    a) Apoatropin.

    Wie H. Kreitmair (95) pharmakologisch, hat F. Duensing (130)die Wirkung des Apoatropins beim Menschen studiert. H. Kreitmair

    (95) beobachtete, daß Apoatropin eine 5mal stärkere spasmolytischeWirkung aufwies als Atropin. Auf die Parasympathicus-Nervenendigungen wirkt es hingegen ca. 50 mal schwächer. Toxikologisch

    ergibt sich für Apoatropin, daß es stark erregend auf das Zentral¬

    nervensystem wirkt und ein zentrales Krampfgift darstellt. Die röt¬

    liche Dosis beträgt beim Hund wie auch bei der Maus ca Vioo der¬

    jenigen des Atropins; wirksame und tötliche Dosis liegen nahe bei¬

    einander. Auf Grund dieser Erfahrungen wird Apoatropin als recht

    gefährliche Verunreinigung der Belladonna-Alkaloide angesehen;wie F. Duensing (130) jedoch nachweist zu Unrecht, da beim Men¬

    schen Dosen von 20—30 mg ohne Beschwerden ertragen werden.

    H.Kreitmair und O. Wolfes (93) haben die physiologischenWirkungen des Apoatropins am Hunde eingehend untersucht und

    fanden eine äußerst geringe mydriatische Wirkung. Am isolierten

    Dünndarm hat Apoatropin eine 5 mal stärkere Wirkung als Atropin

    (95), wobei es sich nicht um eine nervöse Wirkung wie beim Atropinoder Hyoszyamin, sondern um eine direkte Muskelwirkung handelt.

    Die Hemmung der Speichelsekretion fällt ebenfalls weg. Die Er¬

    regungszustände sind weit schwerer als beim Atropin.

    b) Belladonnin.

    Die Angaben über die Wirkung dieses zweiten Nebenalkaloides

    stammen ebenfalls von H. Kreitmair (95) u. von F. Duensing (131).

    Die parasympathicuslähmende Wirkung des Belladonnins beträgtnach H. Kreitmair (95) nur noch '/:!0 (l°" derjenigen des Atropins.

    Auf die Darmmuskulatur wirkt Belladonnin erregend; eine Mydri¬

    asis läßt sich damit nicht mehr erzeugen. Bei der zentralen Wirkung

    überwiegen Lähmungserscheinungen. Die Spanne zwischenwirk¬

    samer und tötlicher Dosis ist hier noch kleiner als beim Apoatropin.Belladonnin wird nach F. Duensing (131) vom Menschen in noch

    höheren Dosen vertragen als Apoatropin.

  • — 32 —

    4. Spaltprodukte.Die Spaltprodukte des Atropins, Tropasäure und Tropin weisen

    keine hervorstechenden physiologischen Eigenschaften mehr auf.

    Recht interessante Zusammenhänge stellten hingegen A. XV. Forst

    und Z. Kanda (132) fest. Sie untersuchten die physiologische Wir¬

    kung der Solanazeenalkaloide, ihrer optisch aktiven Isomeren, sowie

    die Spaltprodukte derselben. Es wurde gefunden, daß die Razemisie-

    rung als Zersetzungsvorgang optisch aktiver Alkaloide einer Hydro¬

    lyse derselben vorangeht. Bei Versuchen an alkalotischen und azi-

    dotischen Tieren zeigte sich keine Verschiedenheit im Abbau der

    Solanazeenalkaloide; hingegen wurde die Wirkung bei alkalotischen

    Tieren erheblich verstärkt, sobald ihnen die Spaltprodukte, die anund für sich geringe physiologische Wirkung besitzen, injiziert wur¬

    den, was auf eine Esterbildung, also auf eine Synthese von Atropinhinweist.

    Die Literaturangaben bestätigen, daß die Wirkung der Solana¬

    zeendrogen hauptsächlich eine solche des Hyoszyamins darstellt. So¬

    fern der in der Erischwurzel höhere (36, 51, 121) Hyoszyaminge-halt erhalten werden kann, trifft diese Feststellung auch auf die

    Präparate zu. Eine Wirkung des Skopolamins fällt außer Betracht,da Skopolamin meist gar nicht vorkommt oder durch seinen geringenAnteil die Gesamtwirkung kaum beeinflußt; das gleiche gilt für die

    Nebenalkaloidc. Immerhin steht die durch Einzelsubstanzen erzeug¬

    te Wirkungsvariation auch bei der Belladonna, besonders der bul¬

    garischen Kur, noch zur Diskussion (133).Durch eine Razemisierung zu Atropin erhalten wir wohl eine

    qualitativ gleich gerichtete Wirkung, deren Intensität jedoch bei glei¬cher Dosis um die Hälfte verringert ist. Tritt gar eine Verseifung

    der Alkaloide bei der Gewinnung der Drogen oder deren Aufarbei¬

    tung ein, so gehen damit die physiologischen Wirkungen im wesent¬

    lichen verloren.

    b) Therapeutische Anwendung,

    Von den Solanazcen-Reinalkaloiden finden hauptsächlich Atro¬

    pin und Skopolamin arzneiliche Verwendung, während Hyoszyamin

    bis jetzt nur wenig gebraucht wird. Ihre physiologischen Eigenschaf¬ten bedingen auch ihre therapeutische Verwendung.

    Atropin gilt als souveränes Mittel in der Ophthalmologie, woes

    ausgedehnt als Mydriatikum Verwendung findet; hiezuwird Sko¬

    polamin, wenn auch weniger häufig, ebenfalls gebraucht.Dabei hat

    sich nach / Régnier und A. Quevauviller (134) gezeigt, daßdie

    anionische Komponente die Wirkung des Atropins nicht unwesent¬

    lich modifiziert. Die Verfasser erhielten mit dem Sulfat die stärkste

    Wirkung. Der starken sekretionsbeschränkenden Wirkungverdankt

    das Atropin die vielseitige Verwendung in der innernMedizin. Als

  • — 33 —

    Indikationen seien genannt: Magen- und Duodenal- Ulkus, profuseSchweißausbrüche der Phthisiker, Pertussis. Ferner beruhen auf denspasmolytischen Eigenschaften des Alkaloids Indikationen wie Asth¬ma, Tenesmus des Darmes und der Blase, Kardiospasmen. Die Be¬hebung spastischer Zustände dürfte sowohl bei Herz- wie Magen¬krankheiten das Hauptanwendungsgebiet darstellen (135).

    Bei Skopolamin steht die zentrale Wirkung bei der Anwendungim Vordergrund: Neben Atropin findet es weitgehend meist inKombination mit Morphium Verwendung in der Psychiatrie, wieauch zur Einleitung von Narkosen. Es ist Bestandteil gewisser See¬krankheitsmittel (3, 136).

    Neben den Reinalkaloiden der Solanazeendrogen werden heuteausgedehnt auch Präparate mit gereinigter Alkaloidgruppe und ga-lenische Präparate therapeutisch angewandt, die wir später bespre¬chen werden; ebenso soll in einem speziellen Kapitel ihre Verwen¬dung beim postencephalitischen Parkinsonisms erörtert werden.

    Mit Ausnahme von Cholin (137), das als vaguserregendes Mittel

    Antagonist des Atropins und Apoatropins ist (130), und der oben

    genannten Alkaloide, werden keine weiteren Inhaltsstoffe der Sola¬

    nazeendrogen als Arzneimittel in der Literatur angegeben.

    3. DIE BELLADONNAPRÄPARATE.

    a) Die Belladonnapräparate der Arzneibücher.In den uns zugänglichen Arzneibüchern haben wir die Solana¬

    zeendrogen und die daraus hergestellten Präparate durchgesehen undkonstatiert, daß Folium Belladonna in allen diesen Arzneibüchernoffizinell ist; ferner sind auch Folium Stramonii und Folium Hyos-cyami recht verbreitet. Die übrigen Drogen Radix Belladonnae,Semen Stramonii, Semen Hyoscyami und Herba Hyoscyami, findensich recht selten vor. Herba Hyoscyami, das Kraut von Hyoscyamusmuticus, das technisch für die Atropin- und Hyoszyamin-Herstellungverwendet wird, hat einzig in die Ph. H. V. Aufnahme gefunden.Sie läßt daraus das Extractum Hyoscyami bereiten.

    Aus der Verbreitung der Solanazeendrogen in den Arzneibüchernerhellt auch eindeutig, daß der Atropa Belladonna als Stammpflanzegegenüber den übrigen Vertretern der Familie die größte Bedeutungzukommt.

    Als Ausgangsmaterial für die Extraktdarstellung verwenden dieArzneibücher einheitlich Folium Belladonnae; in drei Fällen wird

    Radix Belladonnae zudem zur Herstellung des Extractum fluidum

    gebraucht. Einheitlich wird auch Spiritus dilutus als Extraktions¬mittel herangezogen. Als neuere Arzneiform steht das Trockenextrakt

  • — 34 —

    im Vordergrund; als moderneres Extraktionsverfahren erweist sich

    auf Grund ihrer häufigen Verwendung die Perkolation.

    Die größte Uneinheitlichkeit läßt sich beim wichtigsten Kriterium

    eines Arzneibuchpräparates, beim Wirkstoffgehalt des Extraktes fest¬

    stellen. Die von den Arzneibüchern verlangten Alkaloidgehaltcschwanken von 0,405 °/o bis zu 2,5 °/o. Im Mittel herrschen solche

    von 1,3 °/o bis 1,6 °/o vor, während diejenigen mit 0,405 % und

    0,5 °/o (Extractum Radicis Bclladonnae fluid. U. S. P. XI und Ex-

    tractum Belladonnae Ph. H. V.) wie auch das Extrakt mit 2,5 % Ge¬

    halt (Codex Gallicus) Extreme darstellen. Als Normen der Prae-

    scriptiones internationales (138) gelten: Chlorophyllfreies Extrakt

    mit einem provisorischen Alkaloidgehalt von 1,3 °/o; Extraktions¬mittel: 70 °/o iger Weingeist. Die in verschiedenen Bearbeitungen an¬

    gestrebte Normierung des Alkaloidgehaltes (139, 140, 141) dürfte

    sich bei diesem stark wirkenden Präparat günstig auswirken.

    Berücksichtigt wird ferner bei den meisten Darstellungsvor¬schriften, daß einer Zersetzung oder einer Schädigung der Inhalts¬

    stoffe durch schonendes Eindampfen unterhalb 80°, in den meisten

    Fällen unterhalb 60° oder 50°, vorgebeugt werden muß. Als Verdün¬

    nungsmittel für die Extrakte werden die verschiedensten Substanzenin Anwendung gebracht, wobei Dextrin vorgezogen wird; als ein¬

    ziges Arzneibuch verwendet Ph. H. V. hiezu Rohrzucker.

    b) Darstellung von Arzneidrogenpräparaten aus Belladonna.

    1. Ausgangsmaterial, Stabilisierung der Frischpflanze.

    Hauptsächlich durch die Homöopathie beeinflußt, besteht heute

    die Tendenz, die Frischpflanze an Stelle der getrockneten Droge zur

    Herstellung von Arzneidrogenpräparaten heran zu ziehen. Soweit

    dies durch die Veränderung von Wirkstoffen, die sich beim

    Trocknungsprozeß einstellen kann, begründet ist, wird ihr durch

    Spezialmethoden, die die Pflanze in ihrer ursprünglichen Zusammen¬

    setzung zu konservieren suchen, vorgebeugt. In 'verschiedenen Pa¬

    tenten (142) und bei der Herstellung verschiedener Spezialpräpa-rate wird diese Frischpflanzenkonservierung in den Vordergrund ge¬stellt. H. Neugebauer (143) nennt als Grundsatz bei der Verarbeitungder Frischpflanzen die schonende und die schnelle Verarbeitung resp.

    Stabilisierung, wobei eine Veränderung der Inhaltsstoffe solange hin¬

    tan gehalten werden muß, bis das erste stabile Zwischenprodukt er¬reicht ist. Als Methoden derselben gibt er an:

    1. Schonender Wasserentzug aus der Pflanze durch Zusatz stabili¬

    sierender Stoffe, hauptsächlich Milchzucker, analog dem Ver¬

    fahren der Homöopathie. Trocknung im Vakuumtrockenschrank.

    2. Verarbeitung des Saftes durch Stabilisierung, die ebenfalls mit

    Milchzucker durchgeführt wird.

  • — 35 —

    3. Entzug der Wirkstoffe aus dem Frischpflanzenmaterial durchgeeignete Lösungsmittel, die zugleich als Stabilisator dienen. Hie-zu wird häufig Alkohol verwendet, der sich zur Inaktivierungder Fermente als geeignet erwiesen hat.

    Die Inaktivierung der Fermente stellt überhaupt die wesent¬lichste Aufgabe der Stabilisierung dar, da, abgesehen vielleicht voneinem oxydativen Abbau, der zwar wiederum enzymatisch bedingtsein kann, einem fermentativen Abbau während der Trocknung vor¬gebeugt werden soll.

    Als weitere Methoden der Stabilisierung sind diejenigen mit Al¬kohol zu nennen, die in den einschlägigen Arbeiten von E. ]. Bour-quelot (144), E. Perrot und A. Goris (145), P. van der Wielen (146),H. Golaz (147) und C. Bührer (148) beschrieben oder referiert wer¬den.

    Die Alkoholkonservierung, die durchwegs bei erhöhter Tempe¬ratur durchgeführt wird, stellt nun keineswegs eine Stabilisierung indem Sinne dar, daß die stabilisierte Droge der frischen Pflanze inihrem ursprünglichen Zustand und ihrer nativen Zusammensetzungentspricht; vielmehr ist anzunehmen, daß durch den Einfluß des Al¬kohols wie auch der Temperatur wesentliche Veränderungen im kol¬loiden Gefüge der Pflanze entstehen müssen. Der Forderung der Er¬

    haltung des kolloiden Zustandes trägt eher die von M.Winkel (149)genannte Ausfriermethode Rechnung, der eine Stabilisierung durchchemische Agenzien und durch erhöhte Temperatur ablehnt. Auchdie in verschiedenen Patenten (150), wie auch von A. Stoll (49) an¬

    gegebene Stabilisierung von Alkaloiddrogen durch Zusatz von sau¬ren Körpern, stellt eine recht schonende Methode dar.

    Was die speziellen Verhältnisse bei der Belladonna anbetrifft, soist von vorneherein kein großer Einfluß auf ihre Wirkstoffe durchdie vorhandenen Enzyme Chlorophyllase, Emulsin, Chymase (Lab¬ferment) und Oxydase zu erwarten. Die von B. Samdahl und B. Hei-bek (151) gemachte Feststellung, daß peroxydhaltiger Aether durchdie Bildung von Aminooxyden der Alkaloide (Genalkaloide) zueiner Gehaltsverminderung führe, könnte auch einen Einfluß der

    Oxydase auf die Alkaloide begründen; wir fanden jedoch nirgendseine Bestätigung der Oxydationsempfindlichkeit der Solanazeenal-kaloide. Es scheint uns vielmehr eine Stabilisierung im weitern Sinne

    bei der Gewinnung der Solanazeen nur dann angebracht, wenn da¬

    durch bei der immerhin einige Tage dauernden Trocknung der Dro¬

    gen z. B. eine Schimmelbildung hintan gehalten werden kann, dienach Literaturangaben (34, 35) zu einem Wirkstoffverlust führt.

    /. P. Todd (152) zieht eine sorgfältige Trocknung der Belladonna¬blätter einer Stabilisierung mit Alkoholdämpfen auf Grund eigenerVersuche vor, da letztere kaum Vorteile bietet. Nur bei einer über¬

    langen Trocknungszeit entsteht durch Enzymtätigkeit Verlust. Im

  • — 36 —

    Gegensatz dazu gelangt H. Flück (35) dazu, eine Stabilisierung vonBelladonnablättern bei 100° und anschließende Trocknung bei 35°

    zu empfehlen, womit er gegenüber der gewöhnlichen Trocknungeinen deutlich höheren Alkaloidgehalt erhält; er führt den Verlustauf die Tätigkeit hydrolysierender Fermente zurück. H. Fehr (36)fand, daß eine Stabilisierung von Belladonnawurzeln in siedendem

    Wasser während 3 Minuten bei einem ungefähr gleichbleibenden Al¬

    kaloidgehalt einen etwas höheren Hyoszyamingehalt ergab, der unterUmständen diese Maßnahme rechtfertigen würde; die Umständlich¬

    keit derselben läßt jedoch eine Trocknung bei 50—60° vorziehen, dadiese Vereinfachung eine nur unwesentliche Einbuße an Alkaloidenmit sich" bringt.

    2. Extraktion.

    aa) Methoden: Perkolation, Mazeration, Reperkolation, Evako-

    lation, Diakolation.

    Ueber die Verhältnisse bei der Perkolation von Belladonnawur¬

    zel haben W. ]. Husa und S. B. Yates (153) Untersuchungen durch¬

    geführt: Eine schnellere Extraktion wird nach ihren Angaben durch

    Vormazeration vor oder nach dem Einfüllen der Droge in den Per¬

    kolator nicht erreicht; bei einer Vergrößerung der Menge der Quell¬

    flüssigkeit wird zudem die Geschwindigkeit der Extraktion verlang¬samt. Eine Vakuummazeration, wie auch eine Vorbefeuchtung durch

    "Wasser vor der Extraktion mit Alkohol, bietet ebenfalls keine Vor¬

    teile. A. W. Bull (154) schlägt zur Perkolation der Belladonnawur¬

    zel Sieb 22/60 vor, das unserm Sieb III—IVa (155) entspricht. Ererreicht damit in den ersten drei Fraktionen mit 90 °/o igem Wein¬

    geist fast die gesamte Alkaloidmenge der Droge, während die üb¬

    rigen Inhaltsstoffe weniger gut löslich sind. /. W. Husa und C. L.

    lluyck (156) geben für die Perkolation an, daß die Droge nur lose

    in den Perkolator gebracht und zuletzt etwas gepreßt werden soll,wie auch /. Büchi und K. Fernstem (157) ein Zusammenpressen der

    Chinarinde während des Einfüllens unvorteilhaft fanden. In einigenweitern Publikationen befassen sich die beiden amerikanischen Auto¬

    ren mit der Herstellung eines Fluidextraktes nach zwei verschiedenen

    Methoden (158) und der Herstellung eines Extraktes nach dem Re-

    perkolationsverfahren (159), das sich als vorteilhaft erwies. W. ].Husa und G. R. Jones (160) ziehen bei der Extraktion der Wurzel

    ebenfalls die Perkolationsmethode einer Mazeration unter Vakuum

    vor. Nach W. Brandrup (161) konnte mit dem Evakolationsverfah-

    ren eine Alkaloidausbeute von über 90 °/o erzielt werden; bei einer

    spätem Extraktion gewann er ca. 89 °/o; demgegenüber erweist sich

    nach L. Rosenthalcr (162) eine Extraktion der Wurzel durch Re¬

    perkolation als unwirtschaftlich, da er nur 44% der Drogenalkaloide

    gewonnen haben will. Für Hyoscyamus-Trockenextrakt zieht W.

  • — 37 —

    Brandrup (161) hingegen das Perkolationsverfahren einer Evakola-tion vor. Die Diakolation erwies sich nach /. Szentgalli (164) derPerkolation gegenüber im Nachteil.

    Bei der Herstellung der Belladonnatinktur, die A. Jermstad undO. Ocsby (165) mit dem Perkolations-, dem Mazerations- und demDigestionsverfahren durchführten, zeigen sich für die einzelnen derangewandten Methoden keine erheblichen Differenzen; sie extra¬hierten 89,8 bis 93,8 % der vorhandenen Alkaloide. Durch die sog,Schüttelmazeration erhält L. Rosenthaler (166) nach 2 Stunden nichtden gleich hohen Gehalt, wie er durch Mazeration gewinnt; wurdejedoch Säure zugesetzt, so war er schon nach viertelstündigem Schüt¬teln überschritten.

    bb) Wahl des Menstruums, Zerkleinerungsgrad der Droge,Quellung.

    Schon E. H. Farr und R. Wright (167) empfehlen für die Her¬

    stellung des Belladonnawurzelextraktes die Verwendung von 70 °/o-igem Weingeist als Menstruum, das in den Arzneibüchern Englandsund der Vereinigten Staaten hiezu verwendet wird. Eine stärkereAlkoholkonzentration gestattet keine wirtschaftliche Ausbeute (168),erst mehr wässerige, also vielleicht der Konzentration eines ver¬dünnten Weingeistes entsprechende, Lösungsmittel ergeben nachW'. J. Husa und L. Magid (169) gute Resultate. Nach den gleichenAutoren erwiesen sich ferner saure Menstrua als vorteilhaft. Durch

    Zusatz von Glyzerin zu alkoholischen Menstrua wird die Alkaloid-extraktion verzögert. (170)

    Ein höherer Alkoholgehalt des Menstruums führt nach W. Brand¬

    rup (171) zu einem höheren Alkaloidgehalt im Fertigextrakt, wäh¬rend ein niedrigerer Alkoholgehalt zu einer höheren Extraktaus¬beute führt. Der Verfasser unterließ es leider, das bei dieser Be¬

    trachtung vorliegende Optimum Wirkstoffe/Extraktivstoffe mitzu¬teilen. In einer spätem Publikation (172) befürwortet er bei der Per¬kolation für das Belladonnaextrakt die Verdrängung des Menstruumsmit Wasser. Durch Verwendung von Isopropanal als Extraktions¬mittel erzielt derselbe Verfasser (173) gegenüber der Extraktion mit

    Aethylalkohol eine geringe Erhöhung der Ausbeute.

    Für die Darstellung eines Stramoniumtrockenextraktes empfiehltA. T. Moorhouse (174) die Verwendung von 95 °/o igem Weingeist,der zwar ein öliges Extrakt liefere, während sich nach R. C. Kayeund A. T. Moorhouse (171) 70 °/o iger Weingeist für die Darstellungnicht eignet.

    A. W. Bull (176) erzielt mit einem Pulver 22/60 das beste Ver¬

    hältnis Alkaloide/Trockenextrakt und stellt fest, daß die Extraktiv¬

    stoffe mit abnehmender Pulvergröße zunehmen. W, ]. Husa und

    C. L. Ihtyck (177) nennen Sieb No. 20—80 als optimalen Feinheits-

  • — 38 —

    grid fur die Wurzel. Die gleichen Autoren stellen eine Abhängigkeilder Quellung vom Alter der verwendeten Droge und dem Trock¬

    nungsgrad fest. Diese ist nach Untersuchungen von W. J. Husa undG. R. Jones (178) beim Belladonnablatt bei Verwendung von Wasserals Menscri'um am größten und beansprucht bis zu ihrem Maximumnicht mehr als 40 Minuu-n.

    Bei de Herstellung von Oleum Belladonnae erreichte L. de Pra¬

    do (179) durch alkoholische Extraktion im Soxhlet und anschließen¬

    den Zusatz von Oelsäure eine Ausbeute von 75 % der Totalalka-

    loide. A. Goris und P. Costy (180) ziehen ein alkoholisches, mit

    70 % igem Weingeist hergestelltes Extrakt aus Belladonnablättern

    andern Extrakten vor, da sie nach Bestimmung der optischen Dre¬

    hung in den Extrakten erkannten, daß sie damit den höchsten Hyos-

    zyamingehalt erreicht hatten. Ferner stellen sie bei der Extraktbe¬

    reitung fest, daß der Hyoszyamingehalt umso höher ausfalle, je we¬

    niger lang und hoch erhitzt wurde.

    cc) Reinigung der Extraktflüssigkeiten, Hygroskopizität der

    Trockenextrakte, Haltbarkeit der Präparate.

    Die Herstellung der Belladonnablattextrakte, wie auch diejenigeaus Folium oder Herba Hyoscyami bietet des Chlorophyllgehaltesder Drogen wegen etwelche Schwierigkeiten. K. Siegfried (181) sucht

    der Tatsache, daß bei der Extraktion mit Weingeist eine größere

    Menge des unerwünschten Chlorophylls mitextrahiert wird, dadurch

    zu begegnen, daß er die Droge zuerst mit Salzsäure ansäuert und eine

    Vorextraktion mit Petrolaether durchführt, womit er die Haupt¬

    menge des Chlorophylls entfernt. Er folgt dabei dem Prinzip der

    Patente Sandoz (150). Anschließend wird mit 30 % igem Weingeist

    extrahiert, wobei sich das chlorophyllfreie Extrakt leicht zur Trok-

    kene bringen läßt. H. Golaz und K. Siegfried (182) weisen auf die

    gleichen Schwierigkeiten hin und betonen die Notwendigkeit eines

    schonenden Eindampfens, das nicht über 35° erfolgen soll. Den glei¬

    chen Schwierigkeiten begegnet H. Eschenbrenner (183) damit, daß er

    durch ein- bis mehrmaligen Zusatz von Wasser nach vorangegange¬nem Eindampfen bis fast zur Trockene die Harz- und Chlorophyll¬bestandteile der Droge fällt. Auch H. Kaiser und E. Eggensperger

    (184) machen darauf aufmerksam, daß diese unangenehmen Begleit¬

    erscheinungen bei der Belladonna- und Hyoscyamus-Extraktbereitungstörend wirken. Die beiden Verfasser sind jedoch nicht davon über¬

    zeugt, daß eine restlose Entfernung der Ballaststoffe notwendig sei;

    sie fragen sich, ob nicht außer dem Hyoszyamingehalt auch noch die

    Begleitstoffe vielleicht in homöopatischer Dosierung für die Wirkungverantwortlich seien. Zur Entfernung der Ballaststoffe hat Oefele

    (185) mit Erfolg bei Digitalis-Präparaten Magnesiumkarbonat ver¬

    wendet, das die Eigenschaft besitzen soll, Pektine, lösliches Pflanzen-

  • — 39 —

    eiweiß, Chlorophyll und Phosphate zu fällen und eine weitgehendeReinigung herbeizuführen. Das Verfahren ist nach Angaben des Ver¬fassers auch auf die Herstellung narkotischer Extrakte anwendbar.

    Die Extrakte aus dem Belladonnablatt sind als ausgesprochenhygroskopisch zu bezeichnen. Die Ursache dieser gegenüber andern

    Drogenextrakten ausgeprägten Eigenschaften kann an Hand der vor¬handenen Literatur nicht eindeutig bestimmt werden. Es scheint fest¬zustehen, daß es pflanzeneigene Bestandteile sind, die für diese Er¬

    scheinung verantwortlich zu machen sind. Von diesen werden ange¬führt: Cholin (104), (186), zuckerartige Stoffe (167), ferner Magne¬sium- und Kalziumsalze (187). Anderseits werden auch Spuren vonAlkohol als hygroskopische Anteile der Trockenextrakte genannt(167, 183), die hartnäckig festgehalten werden; ein Beweis für dieseeher gesuchte Annahme liegt jedoch nicht vor.

    Wir vermuten, daß die Hygroskopizität der Belladonnaextraktewesentlich durch ihren Cholingehalt bedingt ist und stützen uns da¬bei auf folgende Betrachtung:

    Cholin ist eine starke Base und stellt eine sirupöse, hygrosko¬pische Masse dar (186). Sie liegt bis gegen 1 °/o in der Droge vor(104). Sie ist sowohl in Wasser wie in Weingeist in jedem Verhält¬nis löslich, während sie anderseits in Aether, Schwefelkohlenstoff,Benzol und Petrolaether unlöslich ist. Daraus kann erklärt werden,warum /. G. Andersen (188) bei der Extraktion von Belladonna¬blatt mit Aether ein vollkommen unhygroskopisches Extrakt erhielt.

    Gleichzeitig unterblieb bei diesem Verfahren natürlich auch die Ex¬traktion der in der Literatur als für die Hygroskopizität ebenfallsverantwortlich bezeichneten Mineralsalze und Zucker.

    Durch verschiedene Zusätze wurde versucht, dieser ErscheinungHerr zu werden. W. Brandrup (189) empfiehlt statt Rohrzucker die

    Verwendung von Dextrin, womit er eine geringere Hygroskopizitäterreicht. Ch. Béguin (190) konstatiert, daß die Wasseraufnahme¬

    fähigkeit von Extrakt zu Extrakt stark variiert, wobei auch der phy¬sikalische Zustand ungleich rasch verändert wird; er bestimmte fürExtractum Belladonnae durch Aufbewahrung an der Luft während

    einiger Tage eine Wasseraufnahmefähigkeit von 5,91 %>. F. Ducom-miun (191) erhält mit Milchzucker als Verdünnungsmittel relativ

    günstige Resultate; erlangt jedoch nicht die vom Extractum Bella¬donnae Lüdy (192) erreichte geringe Hygroskopizität. K. Seiler (193)hat vergleichende Versuche mit dem Belladonnaextrakt der Ph. H. V.und dem Extractum Lüdy angestellt und festgestellt, daß letzteresdank geringer Hygroskopizität nicht über Kalk aufbewahrt zu wer¬den brauche. J. Büchi (194) ermittelte an Hand von China-Trocken-

    cxtrakten der Ph. H. V, daß mit einem Verdünnungsmittel verrie¬

    bene Trockenextrakte hygroskopischer seien, als solche, bei denendas Verdünnungsmittel in der Extraktbrühe vorher gelöst worden

  • — 40 —

    war. Die kleinere Oberfläche der Trockenform gegenüber derjenigender Pulverform des Extraktes erweist sich vom gleichen Gesichts¬

    punkt aus betrachtet als vorteilhaft. Von den verwandten Verdün¬nungsmitteln kann jedoch schlußendlich keines als ideal bezeichnetwerden.

    Die Wahl des verwandten Menstruums scheint auf die hygrosko¬pischen Eigenschaften eines Trockenextraktes nach Angaben vonE. H. Farr und R. Wright(168) einen Einfluß auszuüben; die mitverschiedenen Extrakten durchgeführten Bestimmungen der Feuch¬

    tigkeitsaufnahme ergeben, daß die mit Weingeist von 60 % und70 % hergestellten Trockenextrakte die größte Menge Feuchtigkeitaufnahmen. Die im Zellverband der Pflanze noch nicht hygrosko¬pisch vorliegenden Stoffe scheinen bei diesem Alkoholgehalt ambesten löslich zu sein.

    ]. Büchi (195) stellte durch Bestimmung der Hygroskopizitätvon mit "Weingeist verschiedener Konzentration hergestellten Bella¬donnatrockenextrakten fest, daß mit steigendem Weingeistgehalt desExtraktionsmittels auch die Hygroskopizität des daraus gewonnenenExtraktes zunimmt.

    R. C. Kayc und A. T. Moorhouse (175) fanden bei Handels¬

    extrakten, die mit 70 °/o igem Weingeist aus Semen Stramonii her¬

    gestellt worden waren, daß dieselben weder ölig noch hygroskopischetien, während sämtliche von ihnen selbst mit diesem Menstruum her¬

    gestellten Extrakte, die unterhalb 80 ° zur Trockene gebracht worden

    waren, diese günstigen Eigenschaften nicht aufwiesen. Erst durch Er¬hitzen der Trockenextrakte auf Temperaturen von 120"—150° (!)wurden Präparate erhalten, die in Bezug auf ihre hygroskopischenEigenschaften den Handelspräparaten entsprachen.

    Von H. Colaz urd K. Siegfried (182) wird Zusatz von Natrium

    phosphoricum bibasicum zum Trockenextrakt empfohlen, das neu¬tral reagiere und die Feuchtigkeit adsorbiere.

    Auf die Notwendigkeit einer vollständigen Entfernung des

    Chlorophylls bei der Extraktherstellung macht D. Weber (196) auf¬

    merksam; er verhindert damit die Bildung eines klebrigen Extraktes;außerdem empfiehlt der Verfasser, schonendes Eindampfen der Ex¬

    traktbrühen, um eine Razemisierung des Hyoszyamins zu verhindern.

    /. Orient (197) bemerkt, daß gehaltsreiche Extrakte wenig, alkaloid-ärmere hingegen viel «Protein» enthielten, das die Haltbarkeit be¬

    einträchtige; über den Charakter dieses «Proteins» äußert er sichnicht weiter. R. Kleinen und E. Zimmermann (198) betonen bei der

    Herstellung von Tinctura Stramonii seminis die Wichtigkeit der Ent¬

    fettung, die durch die Untersuchung von A. Relier (199) eingehendbegründet und sachgemäß und erfolgreich durchgeführt wird.

    Der geringen Haltbarkeit des flüssigen Belladonnaextraktes we¬

    gen, soll von seiner Herstellung auf Vorrat, wie dies für die Rezeptur

  • — 41 —

    üblich sei, nach Aye (200) abgesehen werden. Bei der Ueberprüfungder Haltbarkeit von Tinctura Belladonnae zeigt sich, daß bei Ein¬

    wirkung direkten Sonnenlichtes eine Gehaltsabnahme an Alkaloidenzu konstatieren ist, während gleichzeitig der Alkoholgehalt ver¬mindert wird (201); die erstere Beobachtung findet auch in den

    Untersuchungen von /. Büchi und H, Welti (82) ihre Bestätigung.Demgegenüber fand /. Ragettli (202) bei der Tinktur wie auch beimInfus keine Wertverminderung, sofern dieselben in kleinen, alkali¬

    armen Gläsern aufbewahrt wurden.

    dd) Spezialverfahren.

    Ueber einige spezielle Gewinnungsverfahren für Belladonna¬

    präparate, finden sich nachstehende Angaben:L. A. Braccio (203) hat mit Belladonna- und Hyoscyamus-Ex-

    trakten eingehende Versuche unternommen und durch ein Ultra¬

    filtrationsverfahren, dessen Arbeitsweise der einer Dialyse entspricht,

    gelang es ihm, die Kolloide der Pflanze von den Kristalloiden, denAlkaloiden zu trennen. Er verwendet zu diesem Zwecke eine Kol¬

    lodiumfiltermasse, durch die er mittels einer Wasserstrahlpumpe dis

    Flüssigkeit saugt. Die Wirkstoffe passieren nach Angaben des Ver¬fassers das Filter quantitativ. Mit diesem Verfahren sollen Frisch¬

    pflanzensäfte, sofort verarbeitet in ihrer ursprünglichen Zusammen¬

    setzung erhalten werden können. Die Filtrate sind von großer Rein¬

    heit, die sogar eine Verwendung zur Injektion zulassen würde.

    Verschiedene Arbeiten befassen sich mit der Extrakt- resp. Wirk¬

    stoff-Gewinnung vermittels eines Gärungsverfah