Aus Dem Leben Eines Taugenichts Novelle - Joseph Von Eichendorff

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    Title: Aus dem Leben einesTaugenichtsNovelle

  • Author: Joseph von Eichendorff

    Release Date: February 18, 2011[EBook #35312]

    Language: German

    *** START OF THIS PROJECTGUTENBERG EBOOK AUS DEM LEBENEINES TAUGENICHTS ***

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  • Anmerkungen zurTranskription:

    Schreibweise und Interpunktiondes Originaltextes wurdenbernommen; lediglichoffensichtliche Druckfehlerwurden korrigiert. Eine Liste dervorgenommenen nderungenfindet sich am Ende des Textes.

  • JOSEPHVON

    EICHENDORFFAUS DEM LEBEN

    EINESTAUGENICHTS

    NOVELLEIM

    INSEL VERLAGZU

    LEIPZIG

  • Erstes Kapitel

    Das Rad an meines VatersMhle brauste und rauschte schonwieder recht lustig, der Schneetrpfelte emsig vom Dache, dieSperlinge zwitscherten undtummelten sich dazwischen; ichsa auf der Trschwelle undwischte mir den Schlaf aus denAugen; mir war so recht wohl indem warmen Sonnenscheine. Da

  • trat der Vater aus dem Hause; erhatte schon seit Tagesanbruch inder Mhle rumort und dieSchlafmtze schief auf demKopfe, der sagte zu mir: DuTaugenichts! da sonnst du dichschon wieder und dehnst undreckst dir die Knochen mde undlt mich alle Arbeit allein tun.Ich kann dich hier nicht lngerfttern. Der Frhling ist vor derTr, geh auch einmal hinaus in dieWelt und erwirb dir selber deinBrot. Nun, sagte ich, wennich ein Taugenichts bin, so ists

  • gut, so will ich in die Welt gehnund mein Glck machen. Undeigentlich war mir das recht lieb,denn es war mir kurz vorherselber eingefallen, auf Reisen zugehn, da ich die Goldammer,welche im Herbst und Winterimmer betrbt an unserm Fenstersang: Bauer, miet mich, Bauer,miet mich! nun in der schnenFrhlingszeit wieder ganz stolzund lustig vom Baume rufen hrte:Bauer, behalt deinen Dienst! Ichging also in das Haus hinein undholte meine Geige, die ich recht

  • artig spielte, von der Wand, meinVater gab mir noch einigeGroschen Geld mit auf den Weg,und so schlenderte ich durch daslange Dorf hinaus. Ich hatte rechtmeine heimliche Freude, als ichda alle meine alten Bekannten undKameraden rechts und links, wiegestern und vorgestern undimmerdar, zur Arbeithinausziehen, graben und pflgensah, whrend ich so in die freieWelt hinausstrich. Ich rief denarmen Leuten nach allen Seitenrecht stolz und zufrieden Adjes

  • zu, aber es kmmerte sich ebenkeiner sehr darum. Mir war eswie ein ewiger Sonntag imGemte. Und als ich endlich insfreie Feld hinauskam, da nahm ichmeine liebe Geige vor und spielteund sang, auf der Landstraefortgehend:

    Wem Gott will rechte Gunsterweisen,

    Den schickt er in die weiteWelt,

    Dem will er seine Wunderweisen

  • In Berg und Wald und Stromund Feld.

    Die Trgen, die zu Hauseliegen,

    Erquicket nicht das Morgenrot,Sie wissen nur vom

    Kinderwiegen,Von Sorgen, Last und Not um

    Brot.

    Die Bchlein von den Bergenspringen,

    Die Lerchen schwirren hoch vorLust,

  • Was sollt ich nicht mit ihnensingen

    Aus voller Kehl und frischerBrust?

    Den lieben Gott la ich nurwalten;

    Der Bchlein, Lerchen, Waldund Feld

    Und Erd und Himmel willerhalten,

    Hat auch mein Sach aufs bestbestellt!

    Indem, wie ich mich so

  • umsehe, kommt ein kstlicherReisewagen ganz nahe an michheran, der mochte wohl schoneinige Zeit hinter mit dreingefahren sein, ohne da ich esmerkte, weil mein Herz so vollerKlang war, denn es ging ganzlangsam, und zwei vornehmeDamen steckten die Kpfe ausdem Wagen und hrten mir zu.Die eine war besonders schnund jnger als die andere, abereigentlich gefielen sie mir allebeide. Als ich nun aufhrte zusingen, lie die ltere stillhalten

  • und redete mich holdselig an: Ei,lustiger Gesell, Er wei ja rechthbsche Lieder zu singen. Ichnicht zu faul dagegen: Ew.Gnaden aufzuwarten, wt ichnoch viel schnere. Darauffragte sie mich wieder: Wohinwandert Er denn schon so amfrhen Morgen? Da schmte ichmich, da ich das selber nichtwute, und sagte dreist: NachWien; nun sprachen beidemiteinander in einer fremdenSprache, die ich nicht verstand.Die jngere schttelte einigemal

  • mit dem Kopfe, die andere lachteaber in einem fort und rief mirendlich zu: Spring Er nur hintenmit auf, wir fahren auch nachWien. Wer war froher als ich!Ich machte eine Reverenz und warmit einem Sprunge hinter demWagen, der Kutscher knallte, undwir flogen ber die glnzendeStrae fort, da mir der Wind amHute pfiff.

    Hinter mir gingen nun Dorf,Grten und Kirchtrme unter, vormir neue Drfer, Schlsser undBerge auf; unter mir Saaten,

  • Bsche und Wiesen buntvorberfliegend, ber mirunzhlige Lerchen in der klarenblauen Luft ich schmte mich,laut zu schreien, aber innerlichstjauchzte ich und strampelte undtanzte auf dem Wagentritt herum,da ich bald meine Geigeverloren htte, die ich untermArme hielt. Wie aber dann dieSonne immer hher stieg, ringsam Horizont schwere weieMittagswolken aufstiegen undalles in der Luft und aus derweiten Flche so leer und schwl

  • und still wurde ber den leisewogenden Kornfeldern, da fielmir erst wieder mein Dorf ein undmein Vater und unsere Mhle,wie es da so heimlich khl war andem schattigen Weiher und danun alles so weit, weit hinter mirlag. Mir war dabei so kurioszumute, als mt ich wiederumkehren; ich steckte meineGeige zwischen Rock und Weste,setzte mich voller Gedanken aufden Wagentritt hin und schlief ein.

    Als ich die Augen aufschlug,stand der Wagen still unter hohen

  • Lindenbumen, hinter denen einebreite Treppe zwischen Sulen inein prchtiges Schlo fhrte.Seitwrts durch die Bume sahich die Trme von Wien. DieDamen waren, wie es schien,lngst ausgestiegen, die Pferdeabgespannt. Ich erschrak sehr, daich auf einmal so allein sa, undsprang geschwind in das Schlohinein, da hrte ich von oben ausdem Fenster lachen.

    In diesem Schlosse ging esmir wunderlich. Zuerst, wie ichmich in der weiten khlen

  • Vorhalle umschaue, klopft mirjemand mit dem Stocke auf dieSchulter. Ich kehre mich schnellum, da steht ein groer Herr inStaatskleidern, ein breitesBandelier von Gold und Seide bisan die Hften bergehngt, miteinem oben versilberten Stabe inder Hand und einerauerordentlich langen gebogenenkurfrstlichen Nase im Gesicht,breit und prchtig wie einaufgeblasener Puter, der michfragt, was ich hier will. Ich warganz verblfft und konnte vor

  • Schreck und Erstaunen nichtshervorbringen. Darauf kamenmehrere Bediente die Treppeherauf und herunter gerannt, diesagten gar nichts, sondern sahenmich nur von oben bis unten an.Sodann kam eine Kammerjungfer(wie ich nachher hrte) geradeauf mich los und sagte: ich wreein scharmanter Junge, und diegndigste Herrschaft liee michfragen, ob ich hier alsGrtnerbursche dienen wollte. Ich griff nach der Weste; meinepaar Groschen, wei Gott, sie

  • mssen beim Herumtanzen aufdem Wagen aus der Taschegesprungen sein, waren weg, ichhatte nichts als mein Geigenspiel,fr das mir berdies auch derHerr mit dem Stabe, wie er mirim Vorbeigehn sagte, nicht einenHeller geben wollte. Ich sagtedaher in meiner Herzensangst zuder Kammerjungfer: Ja, nochimmer die Augen von der Seiteauf die unheimliche Gestaltgerichtet, die immerfort wie derPerpendikel einer Turmuhr in derHalle auf und ab wandelte und

  • eben wieder majesttisch undschauerlich aus dem Hintergrundeheraufgezogen kam. Zuletzt kamendlich der Grtner, brummte wasvon Gesindel und Bauerlmmelunterm Bart und fhrte mich nachdem Garten, whrend er mirunterwegs noch eine lange Predigthielt: wie ich nur fein nchternund arbeitsam sein, nicht in derWelt herumvagieren, keinebrotlosen Knste und unntzesZeug treiben solle, da knnt ich esmit der Zeit auch einmal zu wasRechtem bringen. Es waren

  • noch mehr sehr hbsche,gutgesetzte, ntzliche Lehren, ichhabe nur seitdem fast alles wiedervergessen. berhaupt wei icheigentlich gar nicht recht, wiedoch alles so gekommen war, ichsagte nur immerfort zu allem: Ja, denn mir war wie einem Vogel,dem die Flgel begossen wordensind. So war ich denn, Gott seiDank, im Brote.

    In dem Garten war schnleben, ich hatte tglich meinwarmes Essen vollauf und mehrGeld, als ich zum Weine brauchte,

  • nur hatte ich leider ziemlich vielzu tun. Auch die Tempel, Laubenund schnen grnen Gnge, dasgefiel mir alles recht gut, wennich nur htte ruhig drinherumspazieren knnen undvernnftig diskurieren wie dieHerren und Damen, die alle Tagedahin kamen. Sooft der Grtnerfort und ich allein war, zog ichsogleich mein kurzesTabakspfeifchen heraus, setztemich hin und sann auf schnehfliche Redensarten, wie ich dieeine junge schne Dame, die mich

  • in das Schlo mitbrachte,unterhalten wollte, wenn ich einKavalier wre und mit ihr hierherumginge. Oder ich legte michan schwlen Nachmittagen aufden Rcken hin, wenn alles sostill war, da man nur die Bienensumsen hrte, und sah zu, wieber mir die Wolken nachmeinem Dorfe zuflogen und dieGrser und Blumen sich hin undher bewegten, und gedachte an dieDame, und da geschah es denn oft,da die schne Frau mit derGitarre oder einem Buche in der

  • Ferne wirklich durch den Gartenzog, so still, gro und freundlichwie ein Engelsbild, so da ichnicht recht wute, ob ich trumteoder wachte.

    So sang ich auch einmal, wieich eben bei einem Lusthause zurArbeit vorbeiging, fr mich hin:

    Wohin ich geh und schaue,In Feld und Wald und Tal,Vom Berg ins Himmelsblaue,Vielschne gndge Fraue,Gr ich dich tausendmal.

  • Da seh ich aus demdunkelkhlen Lusthause zwischenden halbgeffneten Jalousien undBlumen, die dort standen, zweischne, junge, frische Augenhervorfunkeln. Ich war ganzerschrocken, ich sang das Liednicht aus, sondern ging, ohne michumzusehen, fort an die Arbeit.

    Abends, es war gerade aneinem Sonnabend, und ich standeben in der Vorfreudekommenden Sonntags mit derGeige im Gartenhause am Fensterund dachte noch an die funkelnden

  • Augen, da kommt auf einmal dieKammerjungfer durch dieDmmerung dahergestrichen. Daschickt Euch die vielschnegndige Frau was, das sollt Ihrauf ihre Gesundheit trinken. Einegute Nacht auch! Damit setzte siemir fix eine Flasche Wein aufsFenster und war sogleich wiederzwischen den Blumen und Heckenverschwunden wie eine Eidechse.

    Ich aber stand noch lange vorder wundersamen Flasche undwute nicht, wie mir geschehenwar. Und hatte ich vorher lustig

  • die Geige gestrichen, so spieltund sang ich jetzt erst recht undsang das Lied von der schnenFrau ganz aus und alle meineLieder, die ich nur wute, bis alleNachtigallen drauen erwachtenund Mond und Sterne schon langeber dem Garten standen. Ja, daswar einmal eine gute schneNacht!

    Es wird keinem an der Wiegegesungen, was knftig aus ihmwird, eine blinde Henne findetmanchmal auch ein Korn, werzuletzt lacht, lacht am besten,

  • unverhofft kommt oft, der Menschdenkt und Gott lenkt, so meditiertich, als ich am folgenden Tagewieder mit meiner Pfeife imGarten sa und es mir dabei, daich so aufmerksam an mirheruntersah, fast vorkommenwollte, als wre ich docheigentlich ein rechter Lump. Ichstand nunmehr, ganz wider meinesonstige Gewohnheit, alle Tagesehr zeitig auf, eh sich noch derGrtner und die andern Arbeiterrhrten. Da war es sowunderschn drauen im Garten.

  • Die Blumen, die Springbrunnen,die Rosenbsche und der ganzeGarten funkelten von derMorgensonne wie lauter Gold undEdelstein. Und in den hohenBuchenalleen, da war es noch sostill, khl und andchtig, wie ineiner Kirche, nur die Vgelflatterten und pickten auf demSande. Gleich vor dem Schlosse,gerade unter den Fenstern, wo dieschne Frau wohnte, war einblhender Strauch. Dorthin gingich dann immer am frhestenMorgen und duckte mich hinter

  • die ste, um so nach den Fensternzu sehen, denn mich im Freien zuproduzieren hatt ich keineCourage. Da sah ich nun allemaldie allerschnste Dame noch heiund halb verschlafen imschneeweien Kleid an das offeneFenster hervortreten. Bald flochtsie sich die dunkelbraunen Haareund lie dabei die anmutigspielenden Augen ber Busch undGarten ergehen, bald bog undband sie die Blumen, die vorihrem Fenster standen, oder sienahm auch die Gitarre in den

  • weien Arm und sang dazu sowundersam ber den Gartenhinaus, da sich mir noch dasHerz umwenden will vorWehmut, wenn mir eins von denLiedern bisweilen einfllt undach, das alles ist schon lange her!

    So dauerte das wohl ber eineWoche. Aber das eine Mal, siestand gerade wieder am Fenster,und alles war stille ringsumher,fliegt mir eine fatale Fliege in dieNase, und ich gebe mich an einerschreckliches Niesen, das garnicht enden will. Sie legt sich

  • weit zum Fenster hinaus und siehtmich rmsten hinter dem Strauchelauschen. Nun schmte ich michund kam viele Tage nicht hin.

    Endlich wagte ich es wieder,aber das Fenster blieb diesmal zu,ich sa vier, fnf, sechs Morgenhinter dem Strauche, aber sie kamnicht wieder ans Fenster. Dawurde mir die Zeit lang, ich fatemir ein Herz und ging nun alleMorgen frank und frei lngs demSchlosse unter allen Fenstern hin.Aber die liebe schne Frau bliebimmer und immer aus. Eine

  • Strecke weiter sah ich dannimmer die andere Dame amFenster stehen. Ich hatte sie sonstso genau noch niemals gesehen.Sie war wahrhaftig recht schnrot und dick und gar prchtig undhoffrtig anzusehn wie eineTulipane. Ich machte ihr immerein tiefes Kompliment, und, ichkann nicht anders sagen, siedankte mir jedesmal und nickteund blinzelte mit den Augen dazuganz auerordentlich hflich. Nur ein einziges Mal glaub ichgesehn zu haben, da auch die

  • Schne an ihrem Fenster hinterder Gardine stand und versteckthervorguckte.

    Viele Tage gingen jedoch insLand, ohne da ich sie sah. Siekam nicht mehr in den Garten, siekam nicht mehr ans Fenster. DerGrtner schalt mich einen faulenBengel, ich war verdrlich,meine eigene Nasenspitze warmir im Wege, wenn ich in Gottesfreie Welt hinaussah.

    So lag ich eines Sonntagsnachmittag im Garten und rgertemich, wie ich so in die blauen

  • Wolken meiner Tabakspfeifehinaussah, da ich mich nicht aufein anderes Handwerk gelegt undmich also morgen nicht auchwenigstens auf einen blauenMontag zu freuen htte. Dieandern Burschen waren indes allewohlausstaffiert nach denTanzbden in der nahen Vorstadthinausgezogen. Da wallte undwogte alles im Sonntagsputze inder warmen Luft zwischen denlichten Husern und wanderndenLeierksten schwrmend hin undzurck. Ich aber sa wie eine

  • Rohrdommel im Schilfe eineseinsamen Weihers im Garten undschaukelte mich auf dem Kahne,der dort angebunden war,whrend die Vesperglocken ausder Stadt ber den Gartenherberschallten und die Schwneauf dem Wasser langsam nebenmir hin und her zogen. Mir warzum Sterben bange.

    Whrenddes hrte ich vonweitem allerlei Stimmen, lustigesDurcheinandersprechen undLachen, immer nher und nher,dann schimmerten rot und weie

  • Tcher, Hte und Federn durchsGrne, auf einmal kommt einheller lichter Haufen von jungenHerren und Damen vom Schlosseber die Wiese auf mich los,meine beiden Damen mitten unterihnen. Ich stand auf und wollteweggehen, da erblickte mich dieltere von den schnen Damen.Ei, das ist ja wie gerufen, riefsie mir mit lachendem Munde zu,fahr Er uns doch an dasjenseitige Ufer ber den Teich!Die Damen stiegen nun eine nachder andern vorsichtig und

  • furchtsam in den Kahn, die Herrenhalfen ihnen dabei und machtensich ein wenig gro mit ihrerKhnheit auf dem Wasser. Alssich darauf die Frauen alle auf dieSeitenbnke gelagert hatten, stieich vom Ufer. Einer von denjungen Herren, der ganz vornstand, fing unmerklich an zuschaukeln. Da wandten sich dieDamen furchtsam hin und her,einige schrien gar. Die schneFrau, welche eine Lilie in derHand hielt, sa dicht am Bord desSchiffleins und sah so still

  • lchelnd in die klaren Wellenhinunter, die sie mit der Lilieberhrte, so da ihr ganzes Bildzwischen den widerscheinendenWolken und Bumen im Wassernoch einmal zu sehen war, wieein Engel, der leise durch dentiefen blauen Himmelsgrund zieht.

    Wie ich noch so auf siehinsehe, fllts auf einmal derandern lustigen Dicken vonmeinen zwei Damen ein, ichsollte ihr whrend der Fahrt einssingen. Geschwind dreht sich einsehr zierlicher junger Herr mit

  • einer Brille auf der Nase, derneben ihr sa, zu ihr herum, ktihr sanft die Hand und sagt: Ichdanke Ihnen fr den sinnigenEinfall! ein Volkslied, gesungenvom Volk in freiem Feld undWald, ist ein Alpenrslein auf derAlpe selbst, die Wunderhrnersind nur Herbarien, ist dieSeele der Nationalseele. Ichaber sagte, ich wisse nichts zusingen, was fr solcheHerrschaften schn genug wre.Da sagte die schnippischeKammerjungfer, die mit einem

  • Korbe voll Tassen und Flaschenhart neben mir stand und die ichbis jetzt noch gar nicht bemerkthatte: Wei Er doch ein rechthbsches Liedchen von einervielschnen Fraue. Ja, ja, dassing Er nur recht dreist weg, riefdarauf sogleich die Dame wieder.Ich wurde ber und ber rot. Indem blickte auch die schneFrau auf einmal vom Wasser aufund sah mich an, da es mir durchLeib und Seele ging. Da besannich mich nicht lange, fat ein Herzund sang so recht aus voller Brust

  • und Lust:

    Wohin ich geh und schaue,In Feld und Wald und Tal,Vom Berg hinab in die Aue:Vielschne, hohe Fraue,Gr ich dich tausendmal.

    In meinem Garten find ichViel Blumen, schn und fein,Viel Krnze wohl draus wind

    ich,Und tausend Gedanken bind ichUnd Gre mit darein.

  • Ihr darf ich keinen reichen,Sie ist zu hoch und schn,Die mssen alle verbleichen,Die Liebe nur ohnegleichenBleibt ewig im Herzen stehn.

    Ich schein wohl froher DingeUnd schaffe auf und ab,Und ob das Herz zerspringe,Ich grabe fort und singeUnd grab mir bald mein Grab.

    Wir stieen ans Land, dieHerrschaften stiegen alle aus,viele von den jungen Herren

  • hatten mich, ich bemerkt es wohl,whrend ich sang, mit listigenMienen und Flstern verspottetvor den Damen. Der Herr mit derBrille fate mich im Weggehenbei der Hand und sagte mir, ichwei selbst nicht mehr was, dieltere von meinen Damen sahmich sehr freundlich an. Dieschne Frau hatte whrend meinesganzen Liedes die Augenniedergeschlagen und ging nunauch fort und sagte gar nichts. Mir aber standen die Trnen inden Augen schon wie ich noch

  • sang, das Herz wollte mirzerspringen von dem Liede vorScham und vor Schmerz, es fielmir jetzt auf einmal alles rechtein, wie sie so schn ist und ichso arm bin und verspottet undverlassen von der Welt, und alssie alle hinter den Bschenverschwunden waren, da konntich mich nicht lnger halten, ichwarf mich in das Gras hin undweinte bitterlich.

  • Zweites Kapitel

    Dicht am herrschaftlichenGarten ging die Landstraevorber, nur durch eine hoheMauer von derselben geschieden.Ein gar sauberes Zollhuschen mitrotem Ziegeldache war da erbaut,und hinter demselben ein kleines,buntumzuntes Blumengrtchen,das durch eine Lcke in derMauer des Schlogartens

  • hindurch an den schattigsten undverborgensten Teil des letzterenstie. Dort war eben derZolleinnehmer gestorben, der dasalles sonst bewohnte. Da kameines Morgens frhzeitig, da ichnoch im tiefsten Schlafe lag, derSchreiber vom Schlosse zu mirund rief mich schleunigst zumHerrn Amtmann. Ich zog michgeschwind an und schlendertehinter dem lustigen Schreiber her,der unterwegs bald da bald dorteine Blume abbrach und vorn anden Rock steckte, bald mit seinem

  • Spazierstckchen knstlich in derLuft herumfocht und allerlei zumir in den Wind hineinparlierte,wovon ich aber nichts verstand,weil mir die Augen und Ohrennoch voller Schlaf lagen. Als ichin die Kanzlei trat, wo es nochgar nicht recht Tag war, sah derAmtmann hinter einem ungeheurenTintenfasse und Sten vonPapier und Bchern und eineransehnlichen Percke, wie dieEule aus ihrem Nest, auf mich undhob an: Wie heit Er? Woher istEr? Kann Er schreiben, lesen und

  • rechnen? Da ich das bejahte,versetzte er: Na, die gndigeHerrschaft hat Ihm, in BetrachtungSeiner guten Auffhrung undbesonderen Meriten, die ledigeEinnehmerstelle zugedacht. Ichberdachte in derGeschwindigkeit fr mich meinebisherige Auffhrung undManieren, und ich mutegestehen, ich fand am Endeselber, da der Amtmann rechthatte. Und so war ich dennwirklich Zolleinnehmer, ehe ichmichs versah.

  • Ich bezog nun sogleich meineneue Wohnung und war in kurzerZeit eingerichtet. Ich hatte nochmehrere Gertschaften gefunden,die der selige Einnehmer seinemNachfolger hinterlassen, unterandern einen prchtigen rotenSchlafrock mit gelben Punkten,grne Pantoffeln, eineSchlafmtze und einige Pfeifenmit langen Rhren. Das alles hatteich mir schon einmal gewnscht,als ich noch zu Hause war, wo ichimmer unsern Pfarrer so bequemherumgehen sah. Den ganzen Tag

  • (zu tun hatte ich weiter nichts) saich daher auf dem Bnkchen vormeinem Hause in Schlafrock undSchlafmtze, rauchte Tabak ausdem lngsten Rohre, das ich vondem seligen Einnehmervorgefunden hatte, und sah zu, wiedie Leute auf der Landstrae hinund her gingen, fuhren und ritten.Ich wnschte nur immer, da aucheinmal ein paar Leute aus meinemDorfe, die immer sagten, aus mirwrde mein Lebtag nichts, hiervorberkommen und mich sosehen mchten. Der Schlafrock

  • stand mir schn zu Gesichte, undberhaupt das alles behagte mirsehr gut. So sa ich denn da unddachte mir mancherlei hin undher, wie aller Anfang schwer ist,wie das vornehmere Leben docheigentlich recht bequem sei, undfate heimlich den Entschlu,nunmehr alles Reisen zu lassen,auch Geld zu sparen wie dieandern und es mit der Zeit gewizu etwas Groem in der Welt zubringen. Inzwischen verga ichber meinen Entschlssen, Sorgenund Geschften die allerschnste

  • Frau keineswegs.Die Kartoffeln und anderes

    Gemse, das ich in meinemkleinen Grtchen fand, warf ichhinaus und bebaute es ganz mitden auserlesensten Blumen,worber mich der Portier vomSchlosse mit der groenkurfrstlichen Nase, der, seitdemich hier wohnte, oft zu mir kamund mein intimer Freundgeworden war, bedenklich vonder Seite ansah und mich freinen hielt, den sein pltzlichesGlck verrckt gemacht htte. Ich

  • aber lie mich das nichtanfechten. Denn nicht weit vonmir im herrschaftlichen Gartenhrte ich feine Stimmen sprechen,unter denen ich die meinerschnen Frau zu erkennen meinte,obgleich ich wegen des dichtenGebsches niemand sehen konnte.Da band ich denn alle Tage einenStrau von den schnsten Blumen,die ich hatte, stieg jeden Abend,wenn es dunkel wurde, ber dieMauer und legte ihn auf einensteinernen Tisch hin, der dortinmitten einer Laube stand; und

  • jeden Abend, wenn ich den neuenStrau brachte, war der alte vondem Tische fort.

    Eines Abends war dieHerrschaft auf die Jagd geritten;die Sonne ging eben unter undbedeckte das ganze Land mitGlanz und Schimmer, die Donauschlngelte sich prchtig wie vonlauter Gold und Feuer in dieweite Ferne, von allen Bergen bistief ins Land hinein sangen undjauchzten die Winzer. Ich sa mitdem Portier auf dem Bnkchenvor meinem Hause und freute

  • mich in der lauen Luft, wie derlustige Tag so langsam vor unsverdunkelte und verhallte. Dalieen sich auf einmal die Hrnerder zurckkehrenden Jger vonferne vernehmen, die von denBergen gegenber einander vonZeit zu Zeit lieblich Antwortgaben. Ich war recht im innerstenHerzen vergngt und sprang aufund rief wie bezaubert undverzckt vor Lust: Nein, das istmir doch ein Metier, die edleJgerei! Der Portier aber klopftesich ruhig die Pfeife aus und

  • sagte: Das denkt Ihr Euch justso. Ich habe es auch mitgemacht,man verdient sich kaum dieSohlen, die man sich abluft; undHusten und Schnupfen wird manerst gar nicht los, das kommt vonden ewig nassen Fen. Ichwei nicht, mich packte da einnrrischer Zorn, da ichordentlich am ganzen Leibezitterte. Mir war auf einmal derganze Kerl mit seinemlangweiligen Mantel, die ewigenFe, sein Tabaksschnupfen, diegroe Nase und alles abscheulich.

  • Ich fate ihn, wie auer mir, beider Brust und sagte: Portier, jetztschert Ihr Euch nach Hause, oderich prgle Euch hier sogleichdurch! Den Portier berfiel beidiesen Worten seine alteMeinung, ich wre verrcktgeworden. Er sah michbedenklich und mit heimlicherFurcht an, machte sich, ohne einWort zu sprechen, von mir los undging, immer noch unheimlich nachmir zurckblickend, mit langenSchritten nach dem Schlosse, woer atemlos aussagte, ich sei nun

  • wirklich rasend geworden.Ich aber mute am Ende laut

    auflachen und war herzlich froh,den superklugen Gesellen los zusein, denn es war gerade die Zeit,wo ich den Blumenstrau immerin die Laube zu legen pflegte. Ichsprang auch heute schnell berdie Mauer und ging eben auf dassteinerne Tischchen los, als ich ineiniger Entfernung Pferdetrittevernahm. Entspringen konnt ichnicht mehr, denn schon kam meineschne gndige Frau selber, ineinem grnen Jagdhabit und mit

  • nickenden Federn auf dem Hute,langsam und, wie es schien, intiefen Gedanken die Alleeherabgeritten. Es war mir nichtanders zumute, als da ich sonst inden alten Bchern bei meinemVater von der schnen Magelonegelesen, wie sie so zwischen denimmer nher schallendenWaldhornsklngen undwechselnden Abendlichtern unterden hohen Bumen hervorkam, ich konnte nicht vom Fleck. Sieaber erschrak heftig, als sie michauf einmal gewahr wurde, und

  • hielt fast unwillkrlich still. Ichwar wie betrunken vor Angst,Herzklopfen und groer Freude,und da ich bemerkte, da siewirklich meinen Blumenstrauvon gestern an der Brust hatte,konnte ich mich nicht lngerhalten, sondern sagte ganzverwirrt: Schnste gndige Frau,nehmt auch noch diesenBlumenstrau von mir und alleBlumen aus meinem Garten undalles, was ich habe. Ach, knntich nur fr Euch ins Feuerspringen! Sie hatte mich gleich

  • anfangs so ernsthaft und fast bseangeblickt, da es mir durch Markund Bein ging, dann aber hielt sie,solange ich redete, die Augen tiefniedergeschlagen. Soeben lieensich einige Reiter und Stimmen imGebsch hren. Da ergriff sieschnell den Strau aus meinerHand und war bald, ohne einWort zu sagen, am andern Endedes Bogenganges verschwunden.

    Seit diesem Abend hatte ichweder Ruh noch Rast mehr. Eswar mir bestndig zumute wiesonst immer, wenn der Frhling

  • anfangen sollte, so unruhig undfrhlich, ohne da ich wute,warum, als stnde mir ein groesGlck oder sonst etwasAuerordentliches bevor.Besonders das fatale Rechnenwollte mir nun erst gar nicht mehrvon der Hand, und ich hatte, wennder Sonnenschein durch denKastanienbaum vor dem Fenstergrngolden auf die Ziffern fiel,und so fix vom Transport bis zumLatus und wieder hinauf und hinabaddierte, gar seltsame Gedankendabei, so da ich manchmal ganz

  • verwirrt wurde und wahrhaftignicht bis drei zhlen konnte. Denndie Acht kam mir immer vor wiemeine dicke enggeschnrte Damemit dem breiten Kopfputz, diebse Sieben war gar wie ein ewigrckwrtszeigender Wegweiseroder Galgen. Am meisten Spamachte mir noch die Neun, diesich mir so oft, eh ich michsversah, lustig als Sechs auf denKopf stellte, whrend die Zweiwie ein Fragezeichen so pfiffigdreinsah, als wollte sie michfragen: Wo soll das am Ende noch

  • hinaus mit dir, du arme Null?Ohne sie, diese schlanke Eins undalles, bleibst du doch ewig nichts!

    Auch das Sitzen drauen vorder Tr wollte mir nicht mehrbehagen. Ich nahm mir, um esbequemer zu haben, einenSchemel mit heraus und strecktedie Fe darauf, ich flickte einaltes Parasol vom Einnehmer undsteckte es gegen die Sonne wieein chinesisches Lusthaus bermich. Aber es half nichts. Esschien mir, wie ich so sa undrauchte und spekulierte, als

  • wrden mir allmhlich die Beineimmer lnger vor Langeweile unddie Nase wchse mir vomNichtstun, wenn ich sostundenlang an ihr heruntersah. Und wenn dann manchmal nochvor Tagesanbruch eine Extrapostvorbeikam, und ich trat halbverschlafen in die khle Lufthinaus, und ein niedlichesGesichtchen, von dem man in derDmmerung nur die funkelndenAugen sah, bog sich neugierigzum Wagen hervor und bot mirfreundlich einen guten Morgen, in

  • den Drfern aber ringsumherkrhten die Hhne so frisch berdie leise wogenden Kornfelderherber, und zwischen denMorgenstreifen hoch am Himmelschweiften schon einzelne zu frherwachte Lerchen, und derPostillion nahm dann seinPosthorn und fuhr weiter undblies und blies da stand ichlange und sah dem Wagen nach,und es war mir nicht anders, alsmt ich nur sogleich mit fort,weit, weit in die Welt.

    Meine Blumenstrue legte

  • ich indes immer noch, sobald dieSonne unterging, auf densteinernen Tisch in der dunklenLaube. Aber das war es eben:damit war es nun aus seit jenemAbend. Kein Mensch kmmertesich darum: sooft ich desMorgens frhzeitig nachsah, lagendie Blumen noch immer da wiegestern und sahen mich mit ihrenverwelkten niederhngendenKpfchen und daraufstehendenTautropfen ordentlich betrbt an,als ob sie weinten. Das verdromich sehr. Ich band gar keinen

  • Strau mehr. In meinem Gartenmochte nun auch das Unkrauttreiben wie es wollte, und dieBlumen lie ich ruhig stehn undwachsen, bis der Wind die Bltterverwehte. War mirs doch ebensowild und bunt und verstrt imHerzen.

    In diesen kritischenZeitluften geschah es denn, daeinmal, als ich eben zu Hause imFenster liege und verdrlich indie leere Luft hinaussehe, dieKammerjungfer vom Schlosseber die Strae dahergetrippelt

  • kommt. Sie lenkte, da sie micherblickte, schnell zu mir ein undblieb am Fenster stehen. Dergndige Herr ist gestern vonseiner Reise zurckgekommen,sagte sie eilfertig. So?entgegnete ich verwundert dennich hatte mich schon seit einigenWochen um nichts bekmmert undwute nicht einmal, da der Herrauf Reisen war , da wird seineTochter, die junge gndige Frau,auch groe Freude gehabt haben. Die Kammerjungfer sah michkurios von oben bis unten an, so

  • da ich mich ordentlich selberbesinnen mute, ob ich wasDummes gesagt htte. Er weiaber auch gar nichts, sagte sieendlich und rmpfte das kleineNschen. Nun, fuhr sie fort, essoll heute abend dem Herrn zuEhren Tanz im Schlosse sein undMaskerade. Meine gndige Frauwird auch maskiert sein, alsGrtnerin versteht Er auch recht als Grtnerin. Nun hat diegndige Frau gesehen, da Erbesonders schne Blumen hat inSeinem Garten. Das ist

  • seltsam, dachte ich bei mir selbst,man sieht doch jetzt fast keineBlume mehr vor Unkraut. Sieaber fuhr fort: Da nun diegndige Frau schne Blumen zuihrem Anzuge braucht, aber ganzfrische, die eben vom Beetekommen, so soll Er ihr welchebringen und damit heute abend,wenns dunkel geworden ist, unterdem groen Birnbaum imSchlogarten warten, da wird siedann kommen und die Blumenabholen.

    Ich war ganz verblfft vor

  • Freude ber diese Nachricht undlief in meiner Entzckung vomFenster zu der Kammerjungferhinaus.

    Pfui, der garstigeSchlafrock! rief diese aus, da siemich auf einmal so in meinemAufzuge im Freien sah. Dasrgerte mich, ich wollte auchnicht dahinterbleiben in derGalanterie und machte einigeartige Kapriolen, um sie zuerhaschen und zu kssen. Aberunglcklicherweise verwickeltesich mir dabei der Schlafrock, der

  • mir viel zu lang war, unter denFen, und ich fiel der Lngenach auf die Erde. Als ich michwieder zusammenraffte, war dieKammerjungfer schon weit fort,und ich hrte sie noch von fernlachen, da sie sich die Seitenhalten mute.

    Nun aber hatt ich was zusinnen und mich zu freuen. Siedachte ja noch immer an mich undmeine Blumen! Ich ging in meinGrtchen und ri hastig allesUnkraut von den Beeten und warfes hoch ber meinen Kopf weg in

  • die schimmernde Luft, als zg ichalle bel und Melancholie mitder Wurzel heraus. Die Rosenwaren nun wieder wie ihr Mund,die himmelblauen Winden wieihre Augen, die schneeweieLilie mit ihrem schwermtiggesenkten Kpfchen sah ganz auswie sie. Ich legte alle sorgfltig inein Krbchen zusammen. Es warein schner stiller Abend und keinWlkchen am Himmel. EinzelneSterne traten schon amFirmamente hervor, von weitemrauschte die Donau ber die

  • Felder herber, in den hohenBumen im herrschaftlichenGarten neben mir sangenunzhlige Vgel lustigdurcheinander. Ach, ich war soglcklich!

    Als endlich die Nachthereinbrach, nahm ich meinKrbchen an den Arm und machtemich auf den Weg nach demgroen Garten. In dem Krbchenlag alles so bunt und anmutigdurcheinander, wei, rot, blauund duftig, da mir ordentlich dasHerz lachte, wenn ich hineinsah.

  • Ich ging voller frhlicherGedanken bei dem schnenMondschein durch die stillen,reinlich mit Sand bestreutenGnge ber die kleinen weienBrcken, unter denen dieSchwne eingeschlafen auf demWasser saen, an den zierlichenLauben und Lusthusern vorber.Den groen Birnbaum hatte ichgar bald aufgefunden, denn es warderselbe, unter dem ich sonst, alsich noch Grtnerbursche war, anschwlen Nachmittagen gelegen.

    Hier war es so einsam dunkel.

  • Nur eine hohe Espe zitterte undflsterte mit ihren silbernenBlttern in einem fort. VomSchlosse schallte manchmal dieTanzmusik herber. AuchMenschenstimmen hrte ichzuweilen im Garten, die kamen oftganz nahe an mich heran, dannwurde es auf einmal wieder ganzstill.

    Mir klopfte das Herz. Es warmir schauerlich und seltsamzumute, als wenn ich jemandbestehlen wollte. Ich stand langeZeit stockstill an den Baum

  • gelehnt und lauschte nach allenSeiten, da aber immer niemandkam, konnt ich es nicht lngeraushalten. Ich hing mein Krbchenan den Arm und kletterte schnellauf den Birnbaum hinauf, umwieder im Freien Luft zuschpfen.

    Da droben schallte mir dieTanzmusik erst recht ber dieWipfel entgegen. Ich bersah denganzen Garten und gerade in diehellerleuchteten Fenster desSchlosses hinein. Dort drehtensich die Kronleuchter langsam

  • wie Krnze von Sternen,unzhlige geputzte Herren undDamen, wie in einemSchattenspiele, wogten undwalzten und wirrten da bunt undunkenntlich durcheinander,manchmal legten sich welche insFenster und sahen hinunter in denGarten. Drauen vor demSchlosse aber waren der Rasen,die Strucher und die Bume vonden vielen Lichtern aus dem Saalewie vergoldet, so da ordentlichdie Blumen und die Vgelaufzuwachen schienen. Weiterhin

  • um mich herum und hinter mir lagder Garten so schwarz und still.

    Da tanzt sie nun, dacht ich indem Baume droben bei mirselber, und hat gewi lange dichund deine Blumen wiedervergessen. Alles ist so frhlich,um dich kmmert sich keinMensch. Und so geht es mirberall und immer. Jeder hat seinPltzchen auf der Erdeausgesteckt, hat seinen warmenOfen, seine Tasse Kaffee, seineFrau, sein Glas Wein zu Abendund ist so recht zufrieden; selbst

  • dem Portier ist ganz wohl inseiner langen Haut. Mir istsnirgends recht. Es ist, als wreich berall eben zu sptgekommen, als htte die ganzeWelt gar nicht auf michgerechnet.

    Wie ich eben sophilosophiere, hre ich auf einmalunten im Grase etwaseinherrascheln. Zwei feineStimmen sprachen ganz nahe undleise miteinander. Bald daraufbogen sich die Zweige in demGestruche auseinander, und die

  • Kammerjungfer steckte ihr kleinesGesichtchen, sich nach allenSeiten umsehend, zwischen derLaube hindurch. Der Mondscheinfunkelte recht auf ihren pfiffigenAugen, wie sie hervorguckten. Ichhielt den Atem an mich undblickte unverwandt hinunter. Esdauerte auch nicht lange, so tratwirklich die Grtnerin, ganz sowie mir sie die Kammerjungfergestern beschrieben hatte,zwischen den Bumen heraus.Mein Herz klopfte mir zumZerspringen. Sie aber hatte eine

  • Larve vor und sah sich, wie mirschien, verwundert auf dem Platzeum. Da wollts mir vorkommen,als wre sie gar nicht rechtschlank und niedlich. Endlichtrat sie ganz nahe an den Baumund nahm die Larve ab. Es warwahrhaftig die andere lteregndige Frau!

    Wie froh war ich nun, als ichmich vom ersten Schreck erholthatte, da ich mich hier oben inSicherheit befand. Wie in allerWelt, dachte ich, kommt die nurjetzt hierher? wenn nun die liebe

  • schne gndige Frau die Blumenabholt, das wird eine schneGeschichte werden! Ich htte amEnde weinen mgen vor rgerber den ganzen Spektakel.

    Indem hub die verkappteGrtnerin unten an: Es ist sostickend hei droben im Saale,ich mute gehen, mich ein wenigabzukhlen in der freien schnenNatur. Dabei fchelte sie sichmit der Larve in einem fort undblies die Luft von sich. Bei demhellen Mondschein konnt ichdeutlich erkennen, wie ihr die

  • Flechsen am Halse ordentlichaufgeschwollen waren; sie sahganz erbost aus und ziegelrot imGesicht. Die Kammerjungfersuchte unterdes hinter allenHecken herum, als htte sie eineStecknadel verloren.

    Ich brauche so notwendignoch frische Blumen zu meinerMaske, fuhr die Grtnerin vonneuem fort, wo er auch steckenmag! Die Kammerjungfersuchte und kicherte dabeiimmerfort heimlich in sich selbsthinein. Sagtest du was,

  • Rosette? fragte die Grtnerinspitzig. Ich sage, was ichimmer gesagt habe, erwidertedie Kammerjungfer und machteein ganz ernsthaftes treuherzigesGesicht, der ganze Einnehmer istund bleibt ein Lmmel, er liegtgewi irgendwo hinter einemStrauche und schlft.

    Mir zuckte es in allen meinenGliedern, herunterzuspringen undmeine Reputation zu retten dahrte man auf einmal ein groesPauken und Musizieren undLrmen vom Schlosse her.

  • Nun hielt sich die Grtnerinnicht lnger. Da bringen dieMenschen, fuhr sie verdrlichfort, dem Herrn das Vivat.Komm, man wird uns vermissen! Und hiermit steckte sie dieLarve schnell vor und gingwtend mit der Kammerjungfernach dem Schlosse zu fort. DieBume und Strucher wiesenkurios, wie mit langen Nasen undFingern, hinter ihr drein, derMondschein tanzte noch fix, wieber eine Klaviatur, ber ihrebreite Taille auf und nieder, und

  • so nahm sie, so recht wie ich aufdem Theater manchmal dieSngerinnen gesehn, unterTrompeten und Pauken schnellihren Abzug.

    Ich aber wute in meinemBaume droben eigentlich gar nichtrecht, wie mir geschehen, undrichtete nunmehr meine Augenunverwandt auf das Schlo hin;denn ein Kreis hoher Windlichterunten an den Stufen des Eingangeswarf dort einen seltsamen Scheinber die blitzenden Fenster undweit in den Garten hinein. Es war

  • die Dienerschaft, die soeben ihrerjungen Herrschaft ein Stndchenbrachte. Mitten unter ihnen standder prchtig aufgeputzte Portier,wie ein Staatsminister, vor einemNotenpulte und arbeitete sichemsig an einem Fagotte ab.

    Wie ich mich soebenzurechtsetzte, um der schnenSerenade zuzuhren, gingen aufeinmal oben auf dem Balkon desSchlosses die Flgeltren auf. Einhoher Herr, schn und stattlich inUniform und mit vielenfunkelnden Sternen, trat auf den

  • Balkon heraus, und an seinerHand die schne junge gndigeFrau, in ganz weiem Kleide, wieeine Lilie in der Nacht, oder wiewenn der Mond ber das klareFirmament zge.

    Ich konnte keinen Blick vondem Platze verwenden, undGarten, Bume und Felder gingenunter vor meinen Sinnen, wie sieso wundersam beleuchtet von denFackeln hoch und schlank dastandund bald anmutig mit dem schnenOffizier sprach, bald wiederfreundlich zu den Musikanten

  • herunternickte. Die Leute untenwaren auer sich vor Freude, undich hielt mich am Ende auch nichtmehr und schrie immer ausLeibeskrften Vivat mit.

    Als sie aber bald daraufwieder von dem Balkonverschwand, unten eine Fackelnach der andern verlschte unddie Notenpulte weggerumtwurden und nun der Gartenringsumher auch wieder finsterwurde und rauschte wie vorher da merkt ich erst alles da fiel esmir auf einmal aufs Herz, da

  • mich wohl eigentlich nur dieTante mit den Blumen bestellthatte, da die Schne gar nicht anmich dachte und lange verheiratetist und da ich selber ein groerNarr war.

    Alles das versenkte michrecht in einen Abgrund vonNachsinnen. Ich wickelte mich,gleich einem Igel, in die Stachelnmeiner eigenen Gedankenzusammen; vom Schlosse schalltedie Tanzmusik nur noch seltenerherber, die Wolken wanderteneinsam ber den dunklen Garten

  • weg. Und so sa ich auf demBaume droben, wie dieNachteule, in den Ruinen meinesGlcks die ganze Nacht hindurch.

    Die khle Morgenluft wecktemich endlich aus meinenTrumereien. Ich erstaunteordentlich, wie ich so auf einmalum mich herblickte. Musik undTanz war lange vorbei, imSchlosse und rings um das Schloherum auf dem Rasenplatze undden steinernen Stufen und Sulensah alles so still, khl undfeierlich aus; nur der

  • Springbrunnen vor dem Eingangepltscherte einsam in einem fort.Hin und her in den Zweigen nebenmir erwachten schon die Vgel,schttelten ihre bunten Federn undsahen, die kleinen Flgeldehnend, neugierig undverwundert ihren seltsamenSchlafkameraden an. Frhlichschweifende Morgenstrahlenfunkelten ber den Garten weg aufmeine Brust.

    Da richtete ich mich inmeinem Baume auf und sah seitl a nge r Zeit zum ersten Male

  • wieder einmal so recht weit indas Land hinaus, wie da schoneinzelne Schiffe auf der Donauzwischen den Weinbergenherabfuhren und die noch leerenLandstraen wie Brcken berdas schimmernde Land sich fernber die Berge und Tlerhinausschwangen.

    Ich wei nicht, wie es kam aber mich packte da auf einmalwieder meine ehemaligeReiselust: alle die alte Wehmutund Freude und groe Erwartung.Mir fiel dabei zugleich ein, wie

  • nun die schne Frau droben aufdem Schlosse zwischen Blumenund unter seidnen Deckenschlummerte und ein Engel bei ihrauf dem Bette se in derMorgenstille. Nein, rief ichaus, fort mu ich von hier undimmer fort, so weit als derHimmel blau ist!

    Und hiermit nahm ich meinKrbchen und warf es hoch in dieLuft, so da es recht lieblichanzusehen war, wie die Blumenzwischen den Zweigen und aufdem grnen Rasen unten bunt

  • umherlagen. Dann stieg ich selberschnell herunter und ging durchden stillen Garten auf meineWohnung zu. Gar oft blieb ich danoch stehen auf manchemPltzchen, wo ich sie sonst wohleinmal gesehen oder im Schattenliegend an sie gedacht hatte.

    In und um mein Huschen sahalles noch so aus, wie ich esgestern verlassen hatte. DasGrtchen war geplndert undwst, im Zimmer drin lag nochdas groe Rechnungsbuchaufgeschlagen, meine Geige, die

  • ich schon fast ganz vergessenhatte, hing verstaubt an der Wand.Ein Morgenstrahl aber aus demgegenberstehenden Fenster fuhrgerade blitzend ber die Saiten.Das gab einen rechten Klang inmeinem Herzen. Ja, sagt ich,komm nur her, du getreuesInstrument! Unser Reich ist nichtvon dieser Welt!

    Und so nahm ich die Geigevon der Wand, lieRechnungsbuch, Schlafrock,Pantoffeln, Pfeifen und Parasolliegen und wanderte, arm wie ich

  • gekommen war, aus meinemHuschen und auf der glnzendenLandstrae von dannen.

    Ich blickte noch oft zurck;mir war gar seltsam zumute, sotraurig und doch auch wieder soberaus frhlich, wie ein Vogel,der aus seinem Kfig ausreit.Und als ich schon eine weiteStrecke gegangen war, nahm ichdrauen im Freien meine Geigevor und sang:

  • Den lieben Gott la ich nurwalten;

    Der Bchlein, Lerchen, Waldund Feld

    Und Erd und Himmel tuterhalten,

    Hat auch mein Sach aufs bestbestellt!

    Das Schlo, der Garten unddie Trme von Wien waren schonhinter mir im Morgenduftversunken, ber mir jubiliertenunzhlige Lerchen hoch in derLuft; so zog ich zwischen den

  • grnen Bergen und an lustigenStdten und Drfern vorbei genItalien hinunter.

  • Drittes Kapitel

    Aber das war nun schlimm!Ich hatte noch gar nicht darangedacht, da ich eigentlich denrechten Weg nicht wute. Auchwar ringsumher kein Mensch zusehen in der stillen Morgenstunde,den ich htte fragen knnen, undnicht weit von mir teilte sich dieLandstrae in viele neueLandstraen, die gingen weit,

  • weit ber die hchsten Berge fort,als fhrten sie aus der Welthinaus, so da mir ordentlichschwindelte, wenn ich rechthinsah.

    Endlich kam ein Bauer desWeges daher, der, glaub ich, nachder Kirche ging, da es heut ebenSonntag war, in einemaltmodischen berrock mitgroen silbernen Knpfen undeinem langen spanischen Rohr miteinem sehr massiven silbernenStockknopf darauf, der schon vonweitem in der Sonne funkelte. Ich

  • frug ihn sogleich mit vielerHflichkeit: Knnen Sie mirnicht sagen, wo der Weg nachItalien geht? Der Bauer bliebstehen, sah mich an, besann sichdann mit weit vorgeschobenerUnterlippe und sah mich wiederan. Ich sagte noch einmal: NachItalien, wo die Pomeranzenwachsen. Ach, was gehnmich Seine Pomeranzen an!sagte der Bauer da und schrittwacker wieder weiter. Ich httedem Manne mehr Konduitezugetraut, denn er sah recht

  • stattlich aus.Was war nun zu machen?

    Wieder umkehren und in meinDorf zurckgehn? Da htten dieLeute mit den Fingern auf michgewiesen, und die Jungen wrenum mich herumgesprungen: Ei,tausend willkommen aus derWelt! wie sieht es denn aus in derWelt? hat Er uns nichtPfefferkuchen mitgebracht aus derWelt? Der Portier mit derkurfrstlichen Nase, welcherberhaupt viele Kenntnisse vonder Weltgeschichte hatte, sagte oft

  • zu mir: Wertgeschtzter HerrEinnehmer! Italien ist ein schnesLand, da sorgt der liebe Gott fralles, da kann man sich imSonnenschein auf den Rckenlegen, so wachsen einem dieRosinen ins Maul, und wenn einendie Tarantel beit, so tanzt manmit ungemeiner Gelenkigkeit,wenn man auch sonst nicht tanzengelernt hat. Nein, nachItalien, nach Italien! rief ichvoller Vergngen aus und rannte,ohne an die verschiedenen Wegezu denken, auf der Strae fort, die

  • mir eben vor die Fe kam.Als ich eine Strecke so

    fortgewandert war, sah ich rechtsvon der Strae einen sehr schnenBaumgarten, wo die Morgensonneso lustig zwischen den Stmmenund Wipfeln hindurchschimmerte,da es aussah, als wre der Rasenmit goldenen Teppichen belegt.Da ich keinen Menschenerblickte, stieg ich ber denniedrigen Gartenzaun und legtemich recht behaglich unter einenApfelbaum ins Gras, denn vondem gestrigen Nachtlager auf dem

  • Baume taten mir noch alleGlieder weh. Da konnte man weitins Land hinaussehen, und da esSonntag war, so kamen bis ausder weitesten FerneGlockenklnge ber die stillenFelder herber, und geputzteLandleute zogen berall zwischenWiesen und Bschen nach derKirche. Ich war recht frhlich imHerzen, die Vgel sangen bermir im Baume, ich dachte anmeine Mhle und an den Gartender schnen gndigen Frau, undwie das alles nun so weit, weit

  • lag bis ich zuletzteinschlummerte. Da trumte mir,als kme diese schne Frau ausder prchtigen Gegend unten zumir gegangen oder eigentlichlangsam geflogen zwischen denGlockenklngen, mit langenweien Schleiern, die imMorgenrote wehten. Dann war eswieder, als wren wir gar nicht inder Fremde, sondern bei meinemDorfe an der Mhle in den tiefenSchatten. Aber da war alles stillund leer, wie wenn die LeuteSonntags in der Kirche sind und

  • nur der Orgelklang durch dieBume herberkommt, da es mirrecht im Herzen weh tat. Dieschne Frau aber war sehr gut undfreundlich, sie hielt mich an derHand und ging mit mir und sang ineinem fort in dieser Einsamkeitdas schne Lied, das sie damalsimmer frhmorgens am offenenFenster zur Gitarre gesungen hat,und ich sah dabei ihr Bild in demstillen Weiher, noch vieltausendmal schner, aber mitsonderbaren groen Augen, diemich so starr ansahen, da ich

  • mich beinah gefrchtet htte. Dafing auf einmal die Mhle, erst ineinzelnen langsamen Schlgen,dann immer schneller und heftigeran zu gehen und zu brausen, derWeiher wurde dunkel undkruselte sich, die schne Frauwurde ganz bleich, und ihreSchleier wurden immer lngerund lnger und flattertenentsetzlich in langen Spitzen, wieNebelstreifen, hoch am Himmelempor; das Sausen nahm immermehr zu, oft war es, als bliese derPortier auf seinem Fagotte

  • dazwischen, bis ich endlich mitheftigem Herzklopfen aufwachte.

    Es hatte sich wirklich einWind erhoben, der leise ber mirdurch den Apfelbaum ging; aberwas so brauste und rumorte, warweder die Mhle noch derPortier, sondern derselbe Bauer,der mir vorhin den Weg nachItalien nicht zeigen wollte. Erhatte aber seinen Sonntagsstaatausgezogen und stand in einemweien Kamisol vor mir. Na,sagte er, da ich mir noch denSchlaf aus den Augen wischte,

  • will Er etwa hier Poperenzenklauben, da er mir das schneGras so zertrampelt, anstatt in dieKirche zu gehen, Er Faulenzer! Mich rgerte es nur, da mich derGrobian aufgeweckt hatte. Ichsprang ganz erbost auf undversetzte geschwind: Was, Erwill mich hier ausschimpfen? Ichbin Grtner gewesen, eh Er darandachte, und Einnehmer, und wenner zur Stadt gefahren wre, htteEr die schmierige Schlafmtzevor mir abnehmen mssen, undhatte mein Haus und meinen roten

  • Schlafrock mit gelben Punkten.Aber der Knollfink scherte sichgar nichts darum, sondernstemmte beide Arme in die Seitenund sagte blo: Was will erdenn? he! he! Dabei sah ich, daes eigentlich ein kurzer,stmmiger, krummbeiniger Kerlwar, und vorstehende glotzendeAugen und eine rote, etwasschiefe Nase hatte. Und wie erimmerfort nichts weiter sagte als:He! he! und dabei jedesmaleinen Schritt nher auf michzukam, da berfiel mich auf

  • einmal eine so kuriose grauslicheAngst, da ich mich schnellaufmachte, ber den Zaun sprangund, ohne mich umzusehen,immerfort querfeldein lief, damir die Geige in der Tascheklang.

    Als ich endlich wiederstillhielt, um Atem zu schpfen,war der Garten und das ganze Talnicht mehr zu sehen, und ich standin einem schnen Walde. Aberich gab nicht viel darauf acht,denn jetzt rgerte mich dasSpektakel erst recht, und da der

  • Kerl mich immer Er nannte, undich schimpfte noch lange imstillen fr mich. In solchenGedanken ging ich rasch fort undkam immer mehr von derLandstrae ab, mitten in dasGebirge hinein. Der Holzweg, aufdem ich fortgelaufen war, hrteauf, und ich hatte nur noch einenkleinen, wenig betretenenFusteig vor mir. Ringsum warniemand zu sehen und kein Laut zuvernehmen. Sonst aber war esrecht anmutig zu gehen, dieWipfel der Bume rauschten, und

  • die Vgel sangen sehr schn. Ichbefahl mich daher GottesFhrung, zog meine Violinehervor und spielte alle meineliebsten Stcke durch, da esrecht frhlich in dem einsamenWalde erklang.

    Mit dem Spielen ging es aberauch nicht lange, denn ichstolperte dabei jeden Augenblickber die fatalen Baumwurzeln,auch fing mich zuletzt an zuhungern, und der Wald wolltenoch immer gar kein Endenehmen. So irrte ich den ganzen

  • Tag herum, und die Sonne schienschon schief zwischen denBaumstmmen hindurch, als ichendlich in ein kleines Wiesentalhinauskam, das rings von Bergeneingeschlossen und voller roterund gelber Blumen war, berdenen unzhlige Schmetterlingeim Abendgolde herumflatterten.Hier war es so einsam, als lgedie Welt wohl hundert Meilenweit weg. Nur die Heimchenzirpten, und ein Hirt lag drbenim hohen Grase und blies somelancholisch auf seiner

  • Schalmei, da einem das Herzvor Wehmut htte zerspringenmgen. Ja, dachte ich bei mir,wer es so gut htte wie so einFaulenzer! unsereiner mu sich inder Fremde herumschlagen undimmer attent sein. Da einschnes, klares Flchenzwischen uns lag, ber das ichnicht herber konnte, so rief ichihm von weitem zu: wo hier dasnchste Dorf lge? Er lie sichaber nicht stren, sondern strecktenur den Kopf ein wenig aus demGrase hervor, wies mit seiner

  • Schalmei auf den andern Wald hinund blies ruhig wieder weiter.

    Unterdes marschierte ichfleiig fort, denn es fing schon anzu dmmern. Die Vgel, die allenoch ein groes Geschrei gemachthatten, als die letztenSonnenstrahlen durch den Waldschimmerten, wurden auf einmalstill, und mir fing beinah an angstzu werden in dem ewigeneinsamen Rauschen der Wlder.Endlich hrte ich von ferne Hundebellen. Ich schritt rascher fort, derWald wurde immer lichter und

  • lichter, und bald darauf sah ichzwischen den letzten Bumenhindurch einen schnen grnenPlatz, auf dem viele Kinderlrmten und sich um eine groeLinde herumtummelten, die rechtin der Mitte stand. Weiterhin andem Platze war ein Wirtshaus,vor dem einige Bauern um einenTisch saen und Karten spieltenund Tabak rauchten. Von derandern Seite saen junge Burscheund Mdchen vor der Tr, die dieArme in ihre Schrzen gewickelthatten und in der Khle

  • miteinander plauderten.Ich besann mich nicht lange,

    zog meine Geige aus der Tascheund spielte schnell einen lustigenLndler auf, whrend ich aus demWalde hervortrat. Die Mdchenverwunderten sich, die Altenlachten, da es weit in den Waldhineinschallte. Als ich aber so biszu der Linde gekommen war undmich mit dem Rcken dran lehnteund immerfort spielte, da ging einheimliches Rumoren undGewisper unter den jungen Leutenrechts und links, die Burschen

  • legten endlich ihreSonntagspfeifen weg, jeder nahmdie Seine, und eh ichs mir versah,schwenkte sich das jungeBauernvolk tchtig um michherum, die Hunde bellten, dieKittel flogen, und die Kinderstanden um mich im Kreise undsahen mir neugierig ins Gesichtund auf die Finger, wie ich so fixdamit hantierte.

    Wie der erste Schleifervorbei war, konnte ich erst rechtsehen, wie eine gute Musik in dieGliedmaen fhrt. Die

  • Bauernburschen, die sich vorher,die Pfeifen im Munde, auf denBnken reckten und die steifenBeine von sich streckten, warennun auf einmal wie umgetauscht,lieen ihre bunten Schnupftchervorn am Knopfloch langherunterhngen und kapriolten soartig um die Mdchen herum, daes eine rechte Lust anzuschauenwar. Einer von ihnen, der sichschon fr was Rechtes hielt,haspelte lange in seinerWestentasche, damit es dieandern sehen sollten, und brachte

  • endlich ein kleines Silberstckheraus, das er mir in die Handdrcken wollte. Mich rgerte das,wenn ich gleich dazumal keinGeld in der Tasche hatte. Ichsagte ihm, er sollte nur seinePfennige behalten, ich spielte nurso aus Freude, weil ich wiederbei Menschen wre. Bald daraufaber kam ein schmuckes Mdchenmit einer groen Stampe Wein zumir. Musikanten trinken gern,sagte sie und lachte michfreundlich an, und ihreperlweien Zhne schimmerten

  • recht scharmant zwischen denroten Lippen hindurch, so da ichsie wohl htte darauf kssenmgen. Sie tunkte ihrSchnbelchen in den Wein, wobeiihre Augen ber das Glas weg aufmich herberfunkelten, undreichte mir darauf die Stampe hin.Da trank ich das Glas bis auf denGrund aus und spielte dannwieder von frischem, da sichalles lustig um mich herumdrehte.

    Die Alten waren unterdes vonihrem Spiel aufgebrochen, diejungen Leute fingen auch an mde

  • zu werden und zerstreuten sich,und so wurde es nach und nachganz still und leer vor demWirtshause. Auch das Mdchen,das mir den Wein gereicht hatte,ging nun nach dem Dorfe zu, abersie ging sehr langsam und sah sichzuweilen um, als ob sie wasvergessen htte. Endlich blieb siestehen und suchte etwas auf derErde, aber ich sah wohl, da sie,wenn sie sich bckte, unter demArme hindurch nach mirzurckblickte. Ich hatte auf demSchlosse Lebensart gelernt, ich

  • sprang also geschwind herzu undsagte: Haben Sie etwasverloren, schnste Mamsell? Ach nein, sagte sie und wurdeber und ber rot, es war nureine Rose will Er sie haben? Ich dankte und steckte die Roseins Knopfloch. Sie sah mich sehrfreundlich an und sagte: Er spieltrecht schn. Ja, versetzteich, das ist so eine GabeGottes. Die Musikanten sindhier in der Gegend sehr rar, hubdas Mdchen dann wieder an undstockte und hatte die Augen

  • bestndig niedergeschlagen. Erknnte sich hier ein gutes StckGeld verdienen auch mein Vaterspielt etwas die Geige und hrtgern von der Fremde erzhlen und mein Vater ist sehr reich. Dann lachte sie auf und sagte:Wenn Er nur nicht immer solcheGrimassen machen mchte mitdem Kopfe, beim Geigen! Teuerste Jungfer, erwiderteich, erstlich: nennen Sie michnur nicht immer Er; sodann mitden Kopftremulenzen, das isteinmal nicht anders, das haben

  • wir Virtuosen alle so an uns. Ach so! entgegnete dasMdchen. Sie wollte noch etwasmehr sagen, aber da entstand aufeinmal ein entsetzliches Gepolterim Wirtshause, die Haustr gingmit groem Gekrache auf, und eindnner Kerl kam wie einausgeschoner Ladestockherausgeflogen, worauf die Trsogleich wieder hinter ihmzugeschlagen wurde.

    Das Mdchen war bei demersten Gerusch wie ein Rehdavongesprungen und im Dunkel

  • verschwunden. Die Figur vor derTr aber raffte sich hurtig wiedervom Boden auf und fing nun anmit solcher Geschwindigkeitgegen das Haus loszuschimpfen,da es ordentlich zum Erstaunenwar. Was! schrie er, ichbesoffen? ich die Kreidestrichean der verrucherten Tr nichtbezahlen? Lscht sie aus, lschtsie aus! Hab ich euch nicht erstgestern bern Kochlffel barbiertund in die Nase geschnitten, daihr mir den Lffel morschentzweigebissen habt? Barbieren

  • macht einen Strich Kochlffel,wieder ein Strich Pflaster aufdie Nase, noch ein Strich wieviel solche hundsfttischeStriche wollt ihr denn nochbezahlt haben? Aber gut, schongut, ich lasse das ganze Dorf, dieganze Welt ungeschoren. Lauftmeinetwegen mit euren Brten,da der liebe Gott am JngstenTage nicht wei, ob ihr Judenseid oder Christen! Ja, hngt euchan euren eigenen Brten auf, ihrzottigen Landbren! Hier bracher auf einmal in ein jmmerliches

  • Weinen aus und fuhr ganzerbrmlich durch die Fistel fort:Wasser soll ich saufen wie einelender Fisch? Ist dasNchstenliebe? Bin ich nicht einMensch und ein ausgelernterFeldscher? Ach, ich bin heute soin der Rage! Mein Herz ist vollerRhrung und Menschenliebe!Bei diesen Worten zog er sichnach und nach zurck, da imHause alles still blieb. Als ermich erblickte, kam er mitausgebreiteten Armen auf michlos, ich glaubte, der tolle Kerl

  • wollte mich embrassieren. Ichsprang aber auf die Seite, und sostolperte er weiter, und ich hrteihn noch lange, bald grob, baldfein, durch die Finsternis mit sichdiskurieren.

    Mir aber ging mancherlei imKopfe herum. Die Jungfer, die mirvorhin die Rose geschenkt hatte,war jung, schn und reich ichkonnte da mein Glck machen, ehman die Hand umkehrte. UndHammel und Schweine, Puter undfette Gnse mit pfeln gestopft ja, es war mir nicht anders, als

  • sh ich den Portier auf michzukommen: Greif zu, Einnehmer,greif zu! jung gefreit hat niemandgereut, wers Glck hat, fhrt dieBraut heim, bleibe im Lande undnhre dich tchtig. In solchenphilosophischen Gedanken setzteich mich auf dem Platze, der nunganz einsam war, auf einen Steinnieder, denn an das Wirtshausanzuklopfen traute ich mich nicht,weil ich kein Geld bei mir hatte.Der Mond schien prchtig, vonden Bergen rauschten die Wlderdurch die stille Nacht herber,

  • manchmal schlugen im Dorfe dieHunde an, das weiter im Taleunter Bumen und Mondscheinwie begraben lag. Ich betrachtetedas Firmament, wie da einzelneWolken langsam durch denMondschein zogen und manchmalein Stern weit in der Ferneherunterfiel. So, dachte ich,scheint der Mond auch bermeines Vaters Mhle und auf dasweie grfliche Schlo. Dort istnun auch schon alles lange still,die gndige Frau schlft, und dieWasserknste und Bume im

  • Garten rauschen noch immerfortwie damals, und allen ists gleich,ob ich noch da bin oder in derFremde oder gestorben. Da kammir die Welt auf einmal soentsetzlich weit und gro vor, undich so ganz allein darin, da ichaus Herzensgrunde htte weinenmgen.

    Wie ich noch immer sodasitze, hre ich auf einmal ausder Ferne Hufschlag im Walde.Ich hielt den Atem an undlauschte, da kam es immer nherund nher, und ich konnte schon

  • die Pferde schnauben hren. Balddarauf kamen auch wirklich zweiReiter unter den Bumen hervor,hielten aber am Saume desWaldes an und sprachen heimlichsehr eifrig miteinander, wie ichan den Schatten sehen konnte, diepltzlich ber denmondbeglnzten Platzvorschossen und mit langendunklen Armen bald dahin balddorthin wiesen. Wie oft, wennmir zu Hause meine verstorbeneMutter von wilden Wldern undmartialischen Rubern erzhlte,

  • hatte ich mir sonst immerheimlich gewnscht, eine solcheGeschichte selbst zu erleben. Dahatt ichs nun auf einmal fr meinedummen, frevelmtigenGedanken! Ich streckte mich nunan dem Lindenbaum, unter demich gesessen, ganz unmerklich solang aus, als ich nur konnte, bisich den ersten Ast erreicht hatteund mich geschwindehinaufschwang. Aber ichbaumelte noch mit halbem Leibeber dem Aste und wollte soebenauch meine Beine nachholen, als

  • der eine von den Reitern raschhinter mir ber den Platzdahertrabte. Ich drckte nun dieAugen fest zu in dem dunklenLaube und rhrte und regte michnicht. Wer ist da? rief es aufeinmal dicht hinter mir.Niemand! schrie ich ausLeibeskrften vor Schreck, da ermich doch noch erwischt hatte.Insgeheim mute ich aber dochbei mir lachen, wie die Kerls sichschneiden wrden, wenn sie mirdie leeren Taschen umdrehten. Ei, ei, sagte der Ruber

  • wieder, wem gehren denn aberdie zwei Beine, die daherunterhngen? Da half nichtsmehr. Nichts weiter, versetzteich, als ein paar arme, verirrteMusikantenbeine, und lie michrasch wieder auf den Bodenherab, denn ich schmte michauch, lnger wie eine zerbrocheneGabel da ber dem Aste zuhngen.

    Das Pferd des Reitersscheute, als ich so pltzlich vomBaume herunterfuhr. Er klopfteihm den Hals und sagte lachend:

  • Nun, wir sind auch verirrt, dasind wir rechte Kameraden; ichdchte also, du helfest uns einwenig den Weg nach B.aufsuchen. Es soll dein Schadenicht sein. Ich hatte nun gutbeteuern, da ich gar nicht wte,wo B. lge, da ich lieber hier imWirtshause fragen oder sie in dasDorf hinunterfhren wollte. DerKerl nahm gar keine Rson an. Erzog ganz ruhig eine Pistole ausdem Gurt, die recht hbsch imMondschein funkelte. MeinLiebster, sagte er dabei sehr

  • freundschaftlich zu mir, whrender bald den Lauf der Pistoleabwischte, bald wieder prfendan die Augen hielt, meinLiebster, du wirst wohl so gutsein, selber nach B.vorauszugehen.

    Da war ich nun recht beldaran. Traf ich den Weg, so kamich gewi zu der Ruberbandeund bekam Prgel, da ich keinGeld bei mir hatte, traf ich ihnnicht so bekam ich auch Prgel.Ich besann mich also nicht langeund schlug den ersten besten Weg

  • ein, der an dem Wirtshausevorber vom Dorfe abfhrte. DerReiter sprengte schnell zu seinemBegleiter zurck, und beidefolgten mir dann in einigerEntfernung langsam nach. Sozogen wir eigentlich rechtnrrisch auf gut Glck in diemondhelle Nacht hinein. Der Weglief immerfort im Walde an einemBergeshange fort. Zuweilenkonnte man ber dieTannenwipfel, die von untenherauflangten und sich dunkelrhrten, weit in die tiefen, stillen

  • Tler hinaussehen, hin und herschlug eine Nachtigall, Hundebellten in der Ferne in denDrfern. Ein Flu rauschtebestndig aus der Tiefe undblitzte zuweilen im Mondscheinauf. Dabei das einfrmigePferdegetrappel und das Wirrenund Schwirren der Reiter hintermir, die unaufhrlich in einerfremden Sprache miteinanderplauderten, und das helleMondlicht und die langenSchatten der Baumstmme, diewechselnd ber die beiden Reiter

  • wegflogen, da sie mir baldschwarz, bald hell, bald klein,bald wieder riesengrovorkamen. Mir verwirrten sichordentlich die Gedanken, als lgeich in einem Traum und knntegar nicht aufwachen. Ich schrittimmer stramm vor mich hin. Wirmssen, dachte ich, doch am Endeaus dem Walde und aus der Nachtherauskommen.

    Endlich flogen hin und wiederschon lange rtliche Scheine berden Himmel, ganz leise, wiewenn man ber einen Spiegel

  • haucht, auch eine Lerche sangschon hoch ber dem stillen Tale.Da wurde mir auf einmal ganzklar im Herzen bei demMorgengrue, und alle Furcht warvorber. Die beiden Reiter aberstreckten sich und sahen sich nachallen Seiten um und schienen nunerst gewahr zu werden, da wirdoch wohl nicht auf dem rechtenWege sein mochten. Sieplauderten wieder viel, und ichmerkte wohl, da sie von mirsprachen, ja es kam mir vor, alsfinge der eine sich vor mir zu

  • frchten an, als knnt ich wohlgar so ein heimlicherSchnapphahn sein, der sie imWalde irrefhren wollte. Dasmachte mir Spa, denn je lichteres ringsum wurde, je mehrCourage kriegt ich, zumal da wirsoeben auf einen schnen freienWaldplatz herauskamen. Ich sahmich daher nach allen Seiten ganzwild um und pfiff dann einpaarmal auf den Fingern, wie dieSpitzbuben tun, wenn sie sicheinander Signale geben wollen.

    Halt! rief auf einmal der

  • eine von den Reitern, da ichordentlich zusammenfuhr. Wie ichmich umsehe, sind sie beideabgestiegen und haben ihre Pferdean einen Baum angebunden. Dereine kommt aber rasch auf michlos, sieht mir ganz starr insGesicht und fngt auf einmal ganzunmig an zu lachen. Ich mugestehen, mich rgerte dasunvernnftige Gelchter. Er abersagte: Wahrhaftig, das ist derGrtner, wollt sagen: Einnehmervom Schlo!

    Ich sah ihn gro an, wute

  • mich aber seiner nicht zuerinnern, htt auch viel zu tungehabt, wenn ich mir alle diejungen Herren htte ansehenwollen, die auf dem Schlosse abund zu ritten. Er aber fuhr mitewigem Gelchter fort: Das istprchtig! Du vazierst, wie ichsehe, wir brauchen eben einenBedienten, bleib bei uns, da hastdu ewige Vakanz. Ich war ganzverblfft und sagte endlich, daich soeben auf einer Reise nachItalien begriffen wre. NachItalien?! entgegnete der Fremde;

  • ebendahin wollen auch wir! Nun, wenn das ist! rief ich ausund zog voller Freude meineGeige aus der Tasche und strich,da die Vgel im Waldeaufwachten. Der Herr abererwischte geschwind den andernHerrn und walzte mit ihm wieverrckt auf dem Rasen herum.

    Dann standen sie pltzlichstill. Bei Gott, rief der eine,da seh ich schon den Kirchturmvon B.! Nun, da wollen wir baldunten sein. Er zog seine Uhrheraus und lie sie repitieren,

  • schttelte mit dem Kopfe und lienoch einmal schlagen. Nein,sagte er, das geht nicht, wirkommen so zu frh hin, das knnteschlimm werden!

    Darauf holten sie von ihrenPferden Kuchen, Braten undWeinflaschen, breiteten eineschne bunte Decke auf demgrnen Rasen aus, streckten sichdarber hin und schmausten sehrvergnglich, teilten auch mir vonallem sehr reichlich mit, was mirgar wohl bekam, da ich seiteinigen Tagen schon nicht mehr

  • vernnftig gespeist hatte. Undda du's weit, sagte der eine zumir, aber du kennst uns dochnicht? Ich schttelte mit demKopfe. Also, da du's weit:ich bin der Maler Leonhard, unddas dort ist wieder ein Maler Guido geheien.

    Ich besah mir nun die beidenMaler genauer bei derMorgendmmerung. Der eine,Herr Leonhard, war gro,schlank, braun, mit lustigen,feurigen Augen. Der andere warviel jnger, kleiner und feiner, auf

  • altdeutsche Mode gekleidet, wiees der Portier nannte, mit weiemKragen und bloem Hals, um dendie dunkelbraunen Lockenherabhingen, die er oft aus demhbschen Gesichte wegschttelnmute. Als dieser genuggefrhstckt hatte, griff er nachmeiner Geige, die ich neben mirauf den Boden gelegt hatte, setztesich damit auf einen umgehauenenBaumast und klimperte darauf mitden Fingern. Dann sang er dazu sohell wie ein Waldvglein, da esmir recht durchs ganze Herz

  • klang:

    Fliegt der erste MorgenstrahlDurch das stille Nebeltal,Rauscht erwachend Wald und

    Hgel:Wer da fliegen kann, nimmt

    Flgel!

    Und sein Htlein in die LuftWirft der Mensch vor Lust und

    ruft:Hat Gesang doch auch noch

    Schwingen,Nun so will ich frhlich

  • singen!

    Dabei spielten die rtlichenMorgenscheine recht anmutigber sein etwas blasses Gesichtund die schwarzen verliebtenAugen. Ich aber war so mde, dasich mir die Worte und Noten,whrend er so sang, immer mehrverwirrten, bis ich zuletzt festeinschlief.

    Als ich nach und nach wiederzu mir selber kam, hrte ich wieim Traume die beiden Maler nochimmer neben mir sprechen und

  • die Vgel ber mir singen, unddie Morgenstrahlen schimmertenmir durch die geschlossenenAugen, da mirs innerlich sodunkelhell war, wie wenn dieSonne durch rotseidene Gardinenscheint. Come bello! hrt ichda dicht neben mir ausrufen. Ichschlug die Augen auf underblickte den jungen Maler, derim funkelnden Morgenlicht bermich hergebeugt stand, so dabeinah nur die groen schwarzenAugen zwischen denherabhngenden Locken zu sehen

  • waren.Ich sprang geschwind auf,

    denn es war schon heller Taggeworden. Der Herr Leonhardschien verdrlich zu sein, erhatte zwei zornige Falten auf derStirn und trieb hastig zumAufbruch. Der andere Maler aberschttelte seine Locken aus demGesicht und trllerte, whrend ersein Pferd aufzumte, ruhig einLiedchen vor sich hin, bisLeonhard zuletzt pltzlich lautauflachte, schnell eine Flascheergriff, die noch auf dem Rasen

  • stand, und den Rest in die Glsereinschenkte. Auf eine glcklicheAnkunft! rief er aus, sie stieenmit den Glsern zusammen, es gabeinen schnen Klang. Daraufschleuderte Leonhard die leereFlasche hoch ins Morgenrot, daes lustig in der Luft funkelte.

    Endlich setzten sie sich aufihre Pferde, und ich marschiertefrisch wieder nebenher. Geradevor uns lag ein unbersehbaresTal, in das wir nun hinunterzogen.Da war ein Blitzen und Rauschenund Schimmern und Jubilieren!

  • Mir war so khl und frhlichzumute, als sollt ich von demBerge in die prchtige Gegendhinausfliegen.

  • Viertes Kapitel

    Nun ade, Mhle und Schlound Portier! Nun gings, da mirder Wind am Hute pfiff. Rechtsund links flogen Drfer, Stdteund Weingrten vorbei, da eseinem vor den Augen flimmerte;hinter mir die beiden Maler imWagen, vor mir vier Pferde miteinem prchtigen Postillion, ichhoch oben auf dem Kutschbock,

  • da ich oft ellenhoch in die Hheflog.

    Das war so zugegangen: Alswir vor B. ankamen, kommt schonam Dorfe ein langer, drrer,grmlicher Herr im grnenFlauschrock uns entgegen, machtviele Bcklinge vor den HerrenMalern und fhrt uns in das Dorfhinein. Da stand unter den hohenLinden vor dem Posthause schonein prchtiger Wagen mit vierPostpferden bespannt. HerrLeonhard meinte unterwegs, ichhtte meine Kleider

  • ausgewachsen. Er holte dahergeschwind andere aus seinemMantelsack hervor, und ich muteeinen ganz neuen schnen Frackund Weste anziehn, die mir sehrvornehm zu Gesicht standen, nurda mir alles zu lang und weitwar und ordentlich um michherumschlotterte. Auch einen ganzneuen Hut bekam ich, der funkeltein der Sonne, als wr er mitfrischer Butter berschmiert.Dann nahm der fremde grmlicheHerr die beiden Pferde der Maleram Zgel, die Maler sprangen in

  • den Wagen, ich auf den Bock, undso flogen wir schon fort, als ebender Postmeister mit derSchlafmtze aus dem Fensterguckte. Der Postillion blies lustigauf dem Horne, und so ging esfrisch nach Italien hinein.

    Ich hatte eigentlich da drobenein prchtiges Leben, wie derVogel in der Luft, und brauchtedoch dabei nicht selbst zu fliegen.Zu tun hatte ich auch weiternichts, als Tag und Nacht auf demBocke zu sitzen und bei denWirtshusern manchmal Essen

  • und Trinken an den Wagenherauszubringen, denn die Malersprachen nirgends ein, und beiTage zogen sie die Fenster amWagen so fest zu, als wenn dieSonne sie erstechen wollte. Nurzuweilen steckte der Herr Guidosein hbsches Kpfchen zumWagenfenster heraus unddiskurierte freundlich mit mir undlachte dann den Herrn Leonhardaus, der das nicht leiden wollteund jedesmal ber die langenDiskurse bse wurde. Einpaarmal htte ich bald Verdru

  • bekommen mit meinem Herrn.Das eine Mal, wie ich beischner, sternklarer Nacht drobenauf dem Bock die Geige zuspielen anfing, und sodannspterhin wegen des Schlafes.Das war aber auch ganz zumErstaunen! Ich wollte mir dochItalien recht genau besehen undri die Augen alle Viertelstundenweit auf. Aber kaum hatte ich einWeilchen so vor mich hingesehen,so verschwirrten undverwickelten sich mir diesechzehn Pferdefe vor mir wie

  • ein Filet so hin und her und bersKreuz, da mir die Augen gleichwieder bergingen, und zuletztgeriet ich in ein solchesentsetzliches und unaufhaltsamesSchlafen, da gar kein Rat mehrwar. Da mocht es Tag oder Nacht,Regen oder Sonnenschein, Tiroloder Italien sein, ich hing baldrechts, bald links, bald rcklingsber den Bock herunter, jamanchmal tunkte ich mit solcherVehemenz mit dem Kopfe nachdem Boden zu, da mir der Hutweit vom Kopfe flog und der Herr

  • Guido im Wagen laut aufschrie.So war ich, ich wei selbst

    nicht wie, durch halb Welschland,das sie dort Lombardei nennen,durchgekommen, als wir an einemschnen Abend vor einemWirtshause auf dem Landestillhielten. Die Postpferde warenin dem daranstoendenStationsdorfe erst nach ein paarStunden bestellt, die HerrenMaler stiegen daher aus undlieen sich in ein besonderesZimmer fhren, um hier ein wenigzu rasten und einige Briefe zu

  • schreiben. Ich aber war sehrvergngt darber und verfgtemich sogleich in die Gaststube,um endlich wieder einmal sorecht mit Ruhe und Kommodittzu essen und zu trinken. Da sah esziemlich liederlich aus. DieMgde gingen mit zerzotteltenHaaren herum und hatten dieoffenen Halstcher unordentlichum das gelbe Fell hngen. Umeinen runden Tisch saen dieKnechte vom Hause in blauenberziehhemden beimAbendessen und glotzten mich

  • zuweilen von der Seite an. Diehatten alle kurze, dicke Haarzpfeund sahen so recht vornehm wiedie jungen Herrlein aus. Da bistdu nun, dachte ich bei mir und afleiig fort, da bist du nun endlichin dem Lande, woher immer diekuriosen Leute zu unserm HerrnPfarrer kamen, mit Mausefallenund Barometern und Bildern. Wasder Mensch doch nicht alleserfhrt, wenn er sich einmalhinterm Ofen hervormacht!

    Wie ich noch eben so esseund meditiere, wuscht ein

  • Mnnlein, das bis jetzt in einerdunklen Ecke der Stube beiseinem Glase Wein gesessenhatte, auf einmal aus seinemWinkel wie eine Spinne auf michlos. Er war ganz kurz undbucklicht, hatte aber einen groengrauslichen Kopf mit einer langenrmischen Adlernase undsparsamen roten Backenbart, unddie gepuderten Haare standen ihmvon allen Seiten zu Berge, alswenn der Sturmwinddurchgefahren wre. Dabei trug ereinen altmodischen,

  • verschossenen Frack, kurzeplschene Beinkleider und ganzvergelbte seidene Strmpfe. Erwar einmal in Deutschlandgewesen und dachte wunder wiegut er Deutsch verstnde. Ersetzte sich zu mir und frug balddas, bald jenes, whrend erimmerfort Tabak schnupfte: obich der Servitore sei? wenn wirarriware? ob wir nach Romakehn? Aber das wute ich allesselber nicht und konnte auch seinKauderwelsch gar nicht verstehn.Parlez-vous franais? sagte

  • ich endlich in meiner Angst zuihm. Er schttelte mit dem groenKopfe, und das war mir sehr lieb,denn ich konnte ja auch nichtFranzsisch. Aber das half allesnichts. Er hatte mich einmal rechtaufs Korn genommen, er frug undfrug immer wieder; je mehr wirparlierten, je weniger verstandeiner den andern, zuletzt wurdenwir beide schon hitzig, so damirs manchmal vorkam, alswollte der Signor mit seinerAdlernase nach mir hacken, bisendlich die Mgde, die den

  • babylonischen Diskurs mitangehrt hatten, uns beide tchtigauslachten. Ich aber legte schnellMesser und Gabel hin und gingvor die Haustr hinaus. Denn mirwar in dem fremden Lande nichtanders, als wre ich mit meinerdeutschen Zunge tausend Klaftertief ins Meer versenkt und allerleiunbekanntes Gewrm ringeltesich und rauschte da in derEinsamkeit um mich her undglotzte und schnappte nach mir.

    Drauen war eine warmeSommernacht, so recht um

  • gassatim zu gehen. Weit von denWeinbergen herber hrte mannoch zuweilen einen Winzersingen, dazwischen blitzte esmanchmal von ferne, und dieganze Gegend zitterte und suselteim Mondschein. Ja, manchmalkam es mir vor, als schlpfte einelange dunkle Gestalt hinter denHaselnustruchern vor demHause vorber und guckte durchdie Zweige, dann war alles aufeinmal wieder still. Da trat derHerr Guido eben auf den Balkondes Wirtshauses heraus. Er

  • bemerkte mich nicht und spieltesehr geschickt auf einer Zither,die er im Hause gefunden habenmute, und sang dann dazu wieeine Nachtigall:

    Schweigt der Menschen lauteLust:

    Rauscht die Erde wie inTrumen

    Wunderbar mit allen Bumen,Was dem Herzen kaum bewut,Alte Zeiten, linde Trauer,Und es schweifen leise SchauerWetterleuchtend durch die

  • Brust.

    Ich wei nicht, ob er nochmehr gesungen haben mag, dennich hatte mich auf die Bank vorder Haustr hingestreckt undschlief in der lauen Nacht vorgroer Ermdung fest ein.

    Es mochten wohl ein paarStunden ins Land gegangen sein,als mich ein Posthorn aufweckte,das lange Zeit lustig in meineTrume hereinblies, ehe ich michvllig besinnen konnte. Ich sprangendlich auf, der Tag dmmerte

  • schon an den Bergen, und dieMorgenkhle rieselte mir durchalle Glieder. Da fiel mir erst ein,da wir ja um diese Zeit schonwieder weit fort sein wollten.Aha, dachte ich, heut ist einmaldas Wecken und Auslachen anmir. Wie wird der Herr Guido mitdem verschlafenen Lockenkopfeherausfahren, wenn er michdrauen hrt! So ging ich denkleinen Garten am Hause dichtunter die Fenster, wo meineHerren wohnten, dehnte michnoch einmal recht ins Morgenrot

  • hinein und sang frhlichen Mutes:

    Wenn der Hoppevogel schreit,Ist der Tag nicht mehr weit,Wenn die Sonne sich auftut,Schmeckt der Schlaf noch so

    gut!

    Das Fenster war offen, aberes blieb alles still oben, nur derNachtwind ging noch durch dieWeinranken, die sich bis in dasFenster hineinstreckten. Nun,was soll denn das wiederbedeuten? rief ich voll Erstaunen

  • aus und lief in das Haus und durchdie stillen Gnge nach der Stubezu. Aber da gab es mir einenrechten Stich ins Herz. Denn wieich die Tr aufreie, ist alles leerdarin, kein Frack, kein Hut, keinStiefel. Nur die Zither, auf derHerr Guido gestern gespielt hatte,hing an der Wand, auf dem Tischemitten in der Stube lag einschner voller Geldbeutel,worauf ein Zettel geklebt war. Ichhielt ihn nher ans Fenster undtraute meinen Augen kaum, esstand wahrhaftig mit groen

  • Buchstaben darauf: Fr denHerrn Einnehmer!

    Was war mir aber das allesntze, wenn ich meine liebenlustigen Herren nicht wiederfand?Ich schob den Beutel in meinetiefe Rocktasche, das plumpte wiein einen tiefen Brunnen, da esmich ordentlich hintenberzog.Dann rannte ich hinaus, machteeinen groen Lrm und wecktealle Knechte und Mgde imHause. Die wuten gar nicht, wasich wollte, und meinten, ich wreverrckt geworden. Dann aber

  • verwunderten sie sich nichtwenig, als sie oben das leere Nestsahen. Niemand wute etwas vonmeinen Herren. Nur die eineMagd wie ich aus ihren Zeichenund Gestikulationenzusammenbringen konnte hattebemerkt, da der Herr Guido, alser gestern abends auf dem Balkonsang, auf einmal laut aufschrieund dann geschwind zu demandern Herrn ins Zimmerzurckstrzte. Als sie hernach inder Nacht einmal aufwachte, hrtesie drauen Pferdegetrappel. Sie

  • guckte durch das kleineKammerfenster und sah denbuckligen Signor, der gestern mitmir so viel gesprochen hatte, aufeinem Schimmel im Mondscheinquer bers Feld galoppieren, daer immer ellenhoch berm Sattelin die Hhe flog und die Magdsich bekreuzte, weil es aussahwie ein Gespenst, das auf einemdreibeinigen Pferde reitet. Dawut ich nun gar nicht, was ichmachen sollte.

    Unterdes aber stand unserWagen schon lange vor der Tr

  • angespannt, und der Postillionstie ungeduldig ins Horn, da erhtte bersten mgen, denn ermute zur bestimmten Stunde aufder nchsten Station sein, da allesdurch Laufzettel bis auf dieMinute vorausbestellt war. Ichrannte noch einmal um das ganzeHaus herum und rief die Maler,aber niemand gab Antwort, dieLeute aus dem Hause liefenzusammen und gafften mich an,der Postillion fluchte, die Pferdeschnaubten, ich, ganz verblfft,springe endlich geschwind in den

  • Wagen hinein, der Hausknechtschlgt die Tr hinter mir zu, derPostillion knallt, und so gings mitmir fort in die weite Welt hinein.

  • Fnftes Kapitel

    Wir fuhren nun ber Berg undTal Tag und Nacht immerfort. Ichhatte gar nicht Zeit, mich zubesinnen, denn wo wir hinkamen,standen die Pferde angeschirrt,ich konnte mit den Leuten nichtsprechen, mein Demonstrierenhalf also nichts; oft, wenn ich imWirtshause eben beim bestenEssen war, blies der Postillion,

  • ich mute Messer und Gabelwegwerfen und wieder in denWagen springen und wute docheigentlich gar nicht, wohin undweswegen ich just mit soausnehmender Geschwindigkeitfortreisen sollte.

    Sonst war die Lebensart garnicht so bel. Ich legte mich, wieauf einem Kanapee, bald in dieeine, bald in die andere Ecke desWagens und lernte Menschen undLnder kennen, und wenn wirdurch Stdte fuhren, lehnte ichmich auf beide Arme zum

  • Wagenfenster heraus und dankteden Leuten, die hflich vor mirden Hut abnahmen, oder ichgrte die Mdchen an denFenstern wie ein alter Bekannter,die sich dann immer sehrverwunderten und mir noch langeneugierig nachguckten.

    Aber zuletzt erschrak ich sehr.Ich hatte das Geld in demgefundenen Beutel niemalsgezhlt, den Postmeistern undGastwirten mute ich berall vielbezahlen, und ehe ich michsversah, war der Beutel leer.

  • Anfangs nahm ich mir vor, sobaldwir durch einen einsamen Waldfhren, schnell aus dem Wagen zuspringen und zu entlaufen. Dannaber tat es mir wieder leid, nunden schnen Wagen so allein zulassen, mit dem ich sonst wohlnoch bis ans Ende der Weltfortgefahren wre.

    Nun sa ich eben vollerGedanken und wute nicht ausnoch ein, als es auf einmalseitwrts von der Landstraeabging. Ich schrie zum Fensterheraus auf den Postillion: wohin

  • er denn fahre? Aber ich mochtesprechen, was ich wollte, derKerl sagte immer blo: Si, si,Signore! und fuhr immer berStock und Stein, da ich aus einerEcke des Wagens in die andereflog.

    Das wollte mir gar nicht inden Sinn, denn die Landstrae liefgerade durch eine prchtigeLandschaft auf die untergehendeSonne zu, wohl wie in ein Meervon Glanz und Funken. Von derSeite aber, wohin wir unsgewendet hatten, lag ein wstes

  • Gebirge vor uns mit grauenSchluchten, zwischen denen esschon lange dunkel gewordenwar. Je weiter wir fuhren, jewilder und einsamer wurde dieGegend. Endlich kam der Mondhinter den Wolken hervor undschien auf einmal so hellzwischen die Bume und Felsenherein, da es ordentlichgrauslich anzusehen war. Wirkonnten nur langsam fahren in denengen steinichten Schluchten, unddas einfrmige, ewige Gerasseldes Wagens schallte an den

  • Steinwnden weit in die stilleNacht, als fhren wir in eingroes Grabgewlbe hinein. Nurvon vielen Wasserfllen, die manaber nicht sehen konnte, war einunaufhrliches Rauschen tiefer imWalde, und die Kuzchen riefenaus der Ferne immer fort: Kommmit, komm mit! Dabei kam esmir vor, als wenn der Kutscher,der, wie ich jetzt erst sah, garkeine Uniform hatte und keinPostillion war, sich einigemalunruhig umshe und schneller zufahren anfing, und wie ich mich

  • recht zum Wagen herauslegte, kampltzlich ein Reiter aus demGebsche hervor, sprengte dichtvor unsern Pferden quer ber denWeg und verlor sich sogleichwieder auf der anderen Seite imWalde. Ich war ganz verwirrt,denn, soviel ich bei dem hellenMondschein erkennen konnte, wares dasselbe bucklige Mnnleinauf seinem Schimmel, das in demWirtshause mit der Adlernasenach mir gehackt hatte. DerKutscher schttelte den Kopf undlachte laut auf ber die nrrische

  • Reiterei, wandte sich aber dannrasch zu mir um, sprach sehr vielund sehr eifrig, wovon ich leidernichts verstand, und fuhr dannnoch rascher fort.

    Ich aber war froh, als ich balddarauf von fern ein Lichtschimmern sah. Es fanden sichnach und nach noch mehrereLichter, sie wurden immer grerund heller, und endlich kamen wiran einigen verrucherten Httenvorber, die wieSchwalbennester auf dem Felsenhingen. Da die Nacht warm war,

  • so standen die Tren offen, undich konnte darin diehellerleuchteten Stuben undallerlei lumpiges Gesindel sehen,das wie dunkle Schatten um dasHerdfeuer herumhockte. Wir aberrasselten durch die stille Nachteinen Steinweg hinan, der sich aufeinen hohen Berg hinaufzog. Baldberdeckten hohe Bume undherabhngende Strucher denganzen Hohlweg, bald konnte manauf einmal wieder das ganzeFirmament und in der Tiefe dieweite stille Runde von Bergen,

  • Wldern und Tlern bersehen.Auf dem Gipfel des Berges standein groes altes Schlo mit vielenTrmen im hellsten Mondschein. Nun Gott befohlen! rief ichaus und war innerlich ganz muntergeworden vor Erwartung, wohinsie mich da am Ende noch bringenwrden.

    Es dauerte wohl noch einegute halbe Stunde, ehe wirendlich auf dem Berge amSchlotore ankamen. Das ging ineinen breiten, runden Turm hinein,der oben schon ganz verfallen

  • war. Der Kutscher knalltedreimal, da es weit in dem altenSchlosse widerhallte, wo einSchwarm von Dohlen ganzerschrocken pltzlich aus allenLuken und Ritzen herausfuhr undmit groem Geschrei die Luftdurchkreuzte. Darauf rollte derWagen in den langen, dunklenTorweg hinein. Die Pferde gabenmit ihren Hufeisen Feuer auf demSteinpflaster, ein groer Hundbellte, der Wagen donnertezwischen den gewlbten Wnden.Die Dohlen schrien noch immer

  • dazwischen so kamen wir miteinem entsetzlichen Spektakel inden engen gepflastertenSchlohof.

    Eine kuriose Station! dachteich bei mir, als nun der Wagenstillstand. Da wurde dieWagentr von drauenaufgemacht, und ein alter langerMann mit einer kleinen Laternesah mich unter seinen dickenAugenbrauen grmlich an. Erfate mich dann unter den Armund half mir, wie einem groenHerrn, aus dem Wagen heraus.

  • Drauen vor der Haustr standeine alte, sehr hliche Frau inschwarzem Kamisol und Rock,mit einer weien Schrze undschwarzen Haube, von der ihr einlanger Schnipper bis an die Naseherunterhing. Sie hatte an dereinen Hfte einen groen BundSchlssel hngen und hielt in derandern einen altmodischenArmleuchter mit zwei brennendenWachskerzen. Sobald sie micherblickte, fing sie an, tiefeKnickse zu machen, und sprachund frug sehr viel durcheinander.

  • Ich verstand aber nichts davonund machte immerfort Kratzfevor ihr, und es war mir eigentlichrecht unheimlich zumute.

    Der alte Mann hatte unterdesmit seiner Laterne den Wagen vonallen Seiten beleuchtet undbrummte und schttelte den Kopf,als er nirgend einen Koffer oderBagage fand. Der Kutscher fuhrdarauf, ohne Trinkgeld von mir zufordern, den Wagen in einen altenSchuppen, der auf der Seite desHofes schon offen stand. Die alteFrau aber bat mich sehr hflich

  • durch allerlei Zeichen, ihr zufolgen. Sie fhrte mich mit ihrenWachskerzen durch einen langenschmalen Gang, und dann einekleine steinerne Treppe herauf.Als wir an der Kchevorbeigingen, streckten ein paarjunge Mgde neugierig die Kpfedurch die halbgeffnete Tr undguckten mich so starr an undwinkten und nickten einanderheimlich zu, als wenn sie in ihremLeben noch kein Mannsbildgesehen htten. Die Alte machteendlich oben eine Tr auf, da

  • wurde ich anfangs ordentlich ganzverblfft. Denn es war ein groes,schnes, herrschaftliches Zimmermit goldenen Verzierungen an derDecke, und an den Wnden hingenprchtige Tapeten mit allerleiFiguren und groen Blumen. Inder Mitte stand ein gedeckterTisch mit Braten, Kuchen, Salat,Obst, Wein und Konfekt, daeinem recht das Herz im Leibelachte. Zwischen den beidenFenstern hing ein ungeheurerSpiegel, der vom Boden bis zurDecke reichte.

  • Ich mu sagen, das gefiel mirrecht wohl. Ich streckte mich einpaarmal und ging mit langenSchritten vornehm im Zimmer aufund ab. Dann konnt ich aber dochnicht widerstehen, mich einmal ineinem so groen Spiegel zubesehen. Das ist wahr, die neuenKleider vom Herrn Leonhardstanden mir recht schn, auchhatte ich in Italien so ein gewissesfeuriges Auge bekommen, sonstaber war ich gerade noch so einMilchbart, wie ich zu Hausegewesen war, nur auf der

  • Oberlippe zeigten sich erst einpaar Flaumfedern.

    Die alte Frau mahlte indes ineinem fort mit ihrem zahnlosenMunde, da es nicht andersaussah, als wenn sie an der langenherunterhngenden Nasenspitzekaute. Dann ntigte sie mich zumSitzen, streichelte mir mit ihrendrren Fingern das Kinn, nanntemich Poverina! wobei sie michaus den roten Augen so schelmichansah, da sich ihr der eineMundwinkel bis an die halbeWange in die Hhe zog, und ging

  • endlich mit einem tiefen Knickszur Tr hinaus.

    Ich aber setzte mich zu demgedeckten Tisch, whrend einejunge hbsche Magd hereintrat,um mich bei der Tafel zubedienen. Ich knpfte allerleigalanten Diskurs mit ihr an, sieverstand mich aber nicht, sondernsah mich immer ganz kurios vonder Seite an, weil mirs so gutschmeckte, denn das Essen wardelikat. Als ich satt war undwieder aufstand, nahm die Magdein Licht von der Tafel und fhrte

  • mich in ein anderes Zimmer. Dawar ein Sofa, ein kleiner Spiegelund ein prchtiges Bett mitgrnseidenen Vorhngen. Ich frugsie mit Zeichen, ob ich mich dahinein legen sollte? Sie nicktezwar: ja, aber das war denn dochnicht mglich, denn sie blieb wieangenagelt bei mir stehen. Endlichholte ich mir noch ein groesGlas Wein aus der Tafelstubeherein und rief ihr zu:Felicissima notte! denn so vielhatt ich schon Italienisch gelernt.Aber wie ich das Glas so auf

  • einmal ausstrzte, bricht siepltzlich in ein verhaltenesKichern aus, wird ber und berrot, geht in die Tafelstube undmacht die Tr hinter sich zu. Wasist da zu lachen? dachte ich ganzverwundert, ich glaube, die Leutein Italien sind alle verrckt.

    Ich hatte nun nur immer Angstvor dem Postillion, da der gleichwieder zu blasen anfangen wrde.Ich horchte am Fenster, aber eswar alles still drauen. La ihnblasen! dachte ich, zog mich