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RUPERTO CAROLA 2/10 Philosophie: Abschied aus der Wissenschaft? Archäologie: Minos‘ Flotte segelt wieder Geowissenschaft: Wie der Klimawandel das Gesicht der Erde verändert RUPRECHT-KARLS- UNIVERSITäT HEIDELBERG Forschungsmagazin

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Philosophie: Abschied aus der Wissenschaft?

Archäologie: Minos‘ Flotte segelt wieder

Geowissenschaft: Wie der Klimawandel das Gesicht der Erde verändert

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Forschungsmagazin

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GeowissensChaft

Öde Wüsten,  versalzene SeenWie der Klimawandel das Gesicht der Erde verändertvon Karsten Kotte und Heinz Friedrich Schöler

Rund um den Globus dehnen sich die Wüsten aus. Schuld daran sind Über­weidung, Wasserverschwendung, Umweltverschmutzung und Veränderungen des Klimas. Heidelberger Geowissenschaftler untersuchen eine neue, bislang unter­schätzte Einflussgröße, die zur zunehmenden „Verwüstung“ der Erde beiträgt: Salzseen und Salzböden produzieren flüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe. Wenn sie in die Atmosphäre gelangen, bauen sie die Ozonschicht ab, verstärken den Treibhauseffekt und lassen weitere Salzökosysteme entstehen.

W    üsten breiten sich weltweit aus. Dieses Phäno­men hat häufig anthropogene Ursachen und wird  auf  die  Überweidung,  die  Verschmut­

zung der Umwelt und das Verschwenden von Wasser zurückgeführt. Auch der natürliche oder von Menschen gemachte Klimawandel spielt bei der global beobacht­baren Ausbreitung von Wüsten und Halbwüsten eine bedeutende Rolle: Wenn die Temperaturen steigen und die Niederschlagsmengen sinken, zieht sich die Vegeta­tion zurück und Böden wie Frischwasserressourcen ver­salzen. Jüngst ist ein weiterer Aspekt in den Fokus der Umweltforschung gerückt: Es mehren sich die Hinweise, dass Salzböden und Salzseen eine bedeutende natür­liche  Quelle  für  flüchtige  halogenierte  Kohlenwasser­stoffe (kurz VOX, von englisch „volatile organohalogens“) sind und zur weiteren Ausdehnung der Salzökosysteme beitragen.

Bekannte VOX­Vertreter sind die Fluorchlorkohlen­wasserstoffe  (FCKWs);  weniger  bekannt  sind  haloge­nierte  Methanderivate  (Chlormethan,  Brommethan, Di­  und  Trichlormethan)  sowie  Ethenderivate (Chlorethen,  Tri­  und  Tetrachlorethen).  Für  die Umweltwissenschaft sind Halogenkohlenwasser­stoffe  von besonderer Bedeutung, weil  sie  das weltweite  Klima  erheblich  beeinflussen.  Auf­grund ihrer chemischen Stabilität gelangen sie bis in die Stratosphäre; dort wirken sie am Abbau der Ozonschicht  mit.  Aufgrund  ihrer  molekularen Struktur  sind  sie  zudem  imstande, Wärmestrah­

len zu absorbieren und machen Halogenkohlenwasser­stoffe  zu  effektiven  Treibhausgasen.  Bezogen  auf  das einzelne Molekül kann ihr Treibhauspotenzial deutlich größer  sein  als  das  von Kohlendioxid  oder  sogar  von Methan.  Schon  in  geringen  Konzentrationen  tragen  Halogenkohlenwasserstoffe deshalb merklich zur Erder­wärmung bei.

Ende  der  1920er  Jahre  entwickelte der  amerikanische  Maschinenbau­In­

genieur Thomas Midgley in den La­boratorien  von  „General Motors“ 

Fluorchlorkohlenwasserstoffe als Kälte­ und Kühlmittel. Dass es 

auch  natürliche  VOX­Quel­len  geben  könnte,  ahnte 

damals niemand. Bis vor wenigen  Jahrzehnten 

nahm man an, dass vor  allem  Indus­trieanlagen  mit 

Der Heidelberger Geowissenschaftler Karsten Kotte entnimmt Proben in der Salzwüste des trockengefallenen Aralsees in Usbekistan.

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VOX­Produktionsmengen  von  mehreren  Hunderttau­send Tonnen pro  Jahr die Hauptemittenten sind. Erst seit Mitte der 1980er Jahre zeichnete sich eine Wende ab:  Die  Bilanzierung  der  bekannten  Quellen  konnte einfach  nicht  mit  den  tatsächlich  in  der  Atmosphäre gemessenen Konzentrationen in Übereinstimmung ge­bracht werden.

Die Wissenschaftler begannen daraufhin, nach na­türlichen Quellen zu suchen. Neben den Ozeanen, die schon allein aufgrund ihrer großen Fläche eine wichtige Quelle sind, sind mittlerweile auch natürliche Haloge­nierungsreaktionen in der terrestrischen Umwelt immer bedeutender geworden. Unsere Arbeitsgruppe im Insti­tut  für  Geowissenschaften  der  Universität  Heidelberg geht derzeit der Frage nach, inwieweit natürliche Prozes­se speziell in Salzböden und Salzseen umweltrelevante VOX  entstehen  lassen.  Dazu  testen  wir  verschiedene Hypothesen  zunächst  im  Labor  und  überprüfen  sie  anschließend  „vor  Ort“  in  den  Salzökosystemen  Zen­tralasiens sowie im nördlichen und südlichen Afrika.

Wie entstehen Salzseen und Salzböden? Um diese Frage zu beantworten, muss man betrachten, wie aqua­tische  Ressourcen,  beispielsweise  Grundwasser,  Flüsse und Seen, mit Wasserverbrauchern, etwa Pflanzen oder Menschen, interagieren und wie klimatische Bedingun­gen, also Niederschlag oder Verdunstung, die regionale und überregionale Wasserbilanz beeinflussen. Zu Eng­pässen im Wasserangebot kommt es häufig nur tempo­rär,  dennoch  resultiert  daraus  eine  negative  Wasser­bilanz:  Es  verdunstet  oder  fließt  mehr  Wasser  ab  als durch  Niederschlag,  Grundwasser  oder  Fließgewässer zugeführt werden kann.

Während weite Teile Nord­ und Mitteleuropas nicht unter  mangelnden  Niederschlägen  leiden  und  über  große Frischwasser­Ressourcen verfügen, ist das Lebens­mittel und Wirtschaftsgut  „Wasser“  in vielen Regionen der Erde kaum verfügbar. Halbwüsten und Wüsten, der Wissenschaftler  spricht  von  „semiariden“  und  „ariden“ Gebieten,  finden sich vor allem auf der Südhalbkugel unserer  Erde,  beispielsweise  im  südlichen  Afrika,  in  

Wüste, wo früher Wasser war: Der Aralsee in Zentralasien, einst mit 70 000 Quadratkilometern so groß wie Bayern, schrumpft seit den 1960er Jahren rapide. Inzwischen ist der ehemals viertgrößte See der Erde bis auf wenige Pfützen zur salzigen Sandwüste geworden – eine der schlimmsten von Menschen verursachten ökologischen Katastrophen.

KoluMnentitel

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Australien  oder  Südamerika.  Auch  im  Innern  großer Kontinente, etwa in Mittelasien und Nordamerika, gibt es  Halbwüsten und Wüsten.

In den Einzugsgebieten von Flüssen und Seen wer­den  infolge  natürlicher  Verwitterungsprozesse  und menschlicher Aktivitäten in der Landwirtschaft oder im Bergbau  große  Mengen  an  Salzen  mobilisiert.  Dessen Konzentration  steigt  aufgrund  der  Verdunstung  des abfließenden Wassers stetig an. Im Falle von Seen, die keinen Abfluss  haben,  oder  auch  in  flachen  Lagunen werden  rasch  hohe  Salzkonzentrationen  erreicht. Schließlich  fallen  die  Salze  je  nach  Löslichkeit  aus („sequenzielle Ausscheidung“) und sinken nacheinander zu  Boden,  wo  sie  in  den  Sedimenten  als  einzelne Phasen nachweisbar sind.

Bleibt  das  System  von  Salz­Ausfällung  und  Salz­Nachschub  über  geologische  Zeiträume  hinweg  stabil, können Salzlagerstätten entstehen, die mehrere hundert Meter  dick  sind.  Ein  eindrucksvolles Beispiel  sind die großen  Salzlagerstätten  in  Mitteldeutschland  oder  in Sibirien. Sie gehen auf das „Zechsteinmeer“ zurück, wo sich vor 250 Millionen Jahren im Bereich des heutigen 

Mitteleuropa  eine  Meerwasser­Lagune  von  der  Größe Frankreichs bildete. Sie verdunstete kontinuierlich Salz­wasser und hinterließ schließlich einen riesigen Salzsee. 

Je nach Ursprung der speisenden Wässer kann zwi­schen  thalassischen  und  athalassischen  Evaporiten unterschieden werden. „Evaporite“  sind  Verdamp­fungs­ und Eindunstungsgesteine, die  sich durch  fort­schreitende  Wasserverdunstung  (Evaporation)  bilden. Thalassische Evaporite sind in  ihrer Salzzusammenset­zung dem Meerwasser ähnlich und daher meist marinen Ursprungs.  Ein  Beispiel  sind  Meerwasserlagunen.  Sie weisen hohe Gehalte an Halogeniden (Chlorid, Bromid, Iodid) auf. Thalassische Salzseen finden sich häufig ent­lang von Küstenzonen, beispielsweise in Marokko und Namibia. Die „Kara­Bogaz­Gol­Lagune“ im Nordwesten Turkmenistans fungiert als Evaporationsbecken für Salz­wasser aus dem Kaspischen Meer. Sie hat derzeit eine Fläche  von  18  000  Quadratkilometern,  was  in  etwa dem Freistaat Sachsen entspricht. 

Athalassische oder kontinentale Evaporite hingegen enthalten oft hohe Frachten an Verwitterungssalzen wie Carbonat und Sulfat, während Chlorid und Bromid nur 

Forscheralltag: Zwei Tagesmärsche vom nächsten Dorf entfernt, bleibt der Jeep bei Lufttemperaturen um die 40 Grad Celsius im tiefen Sand des einstigen Aralsees stecken.

Gruppenfoto mit russischen Kollegen im Ort El‘ton kurz vor der Grenze zu Kasachstan

Bild unten: der Hafen der Stad Muniak, ehemals ein Badeort am Aralsee

Physiker, Mikrobiologen und Geowissenschaftler arbeiten gemeinsam im Salzsee Elton im Süden Russlands (Bild links).

Salzeinschlüsse in geschichteten

Tonmineralen von Aralseeböden

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im geringeren Umfang auftreten. Athalassische Salzseen finden sich beispielsweise in Bolivien („Salar de Uyuni“), in  den  Vereinigten  Staaten  von  Amerika  („Great Salt  Lake“),  in Mittelasien  („Aralsee“)  und  in Botswana („Makgadikgadi Pan“). 

Das Zusammenspiel  von Niederschlägen und Ver­dunstung – und damit das Klima –  ist die wichtigste Einflussgröße  für  das  Entstehen  von  Salzböden.  Kli­maänderungen,  insbesondere  zunehmende  Trocken­heit,  sind  daher  potenziell  in  der  Lage,  sowohl  neue Salzböden  wie  Salzseen  zu  erzeugen  und  tragen  zur Ausdehnung  bereits  bestehender  Salzökosysteme  bei. Hierbei ist folgendes wichtig zu wissen: Der prognosti­zierte Klimawandel wird zwar vielen Regionen der Erde leicht  erhöhte  jährliche  Niederschlagsmengen  besche­ren, sie werden jedoch kompensiert aufgrund der deut­lich  höheren  Temperaturen  und  der  entsprechend größeren  Verdunstungsrate.  Saisonale  Trockenphasen werden dadurch verstärkt, bereits bestehende Salzland­schaften  werden  sich  entsprechend  ausweiten.  Be­sonders  in  Flussdeltas  und  Küstenregionen  reicht salzhaltiges  Grundwasser  oft  bis  nahe  an  die  Boden­oberfläche. Erhöhte Temperaturen lassen die Verduns­

tung  ansteigen Die Folge ist, dass Grundwasser  fort­während  an  die Oberfläche  gezo­gen wird und der Boden aufgrund des Ausfallens von Salzen salin wird.

Die  Prozesse,  die Salzökosysteme  entstehen  lassen, können sehr unterschiedlich sein, was sich am Beispiel des Aralsees und der Kaspischen Senke, beide in Zen­tralasien,  zeigen  lässt. Der Aralsee – mit 70 000 Qua­dratkilometern einst so groß wie Bayern und viertgrößter See der Erde – schrumpft seit den 1960er Jahren rapide. Der  extensiven  Nutzung  der  beiden  Zuflüsse  Amur­Darya und Syr­Darya – der natürlichen Wasserressource der gesamten Region – folgte eine der schlimmsten, an­thropogen  verursachten  ökologischen  Katastrophen: Aus dem prosperierenden aquatischen Ökosystem ent­stand bis  auf  zwei  kleine Seen von weniger  als 8 000 km2  eine  neue  Salzwüste,  die  „Aral­Kum“.  Heftige Stürme  verfrachten  jährlich  bis  zu  100 000  Tonnen Salzstaub, der hauptsächlich in den fruchtbaren Niede­rungen südlich der Aral­Kum niedergeht.  In unverant­

im geringeren Umfang auftreten. Athalassische Salzseen  tung  ansteigen Die Folge ist, dass Grundwasser  fort­während  an  die Oberfläche  gezo­gen wird und der Boden aufgrund des Ausfallens von 

Probenentnahme in der Makgadikgadi-Salzpfanne in Botswana (Bild oben).

Für ausgedehnte Trockenlandschaften ist es typisch, dass der Wind jeweils vormittags und nachmittags

für rund eine Stunde stark auffrischt. Der Windfang bietet den Forschern nur mäßig Schutz.

Auch in sogenannten Salzwerken, in denen durch die Kraft der Sonne Salzlauge verdampft wird, um reines Kochsalz (Bild links) zu gewinnen, werden Proben entnommen (Bild unten).

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wortlicher Weise werden zudem seit Jahrzehnten riesige Wassermengen des Amur­Darya verwendet, um große, in Wüstenregionen errichtete Ländereien zu bewässern, wobei  erhebliche Salzfrachten  auf  den Böden  verblei­ben.  Eines  der  größten  Probleme  der  Anrainerstaaten des Aralsees ist heute die zunehmende Versalzung von wertvollem Acker­ und Weideland – in bis zu 500 Ki­lometer entfernt gelegenen Regionen.

Ein  anderes  Bild  zeigt  sich  in  Kalmückien  nord­westlich  des  Kaspischen  Meeres  zwischen  Wolgograd (ehemals  Stalingrad)  und  dem  Kaukasus.  Im  Bereich  von  kalmückischer  Senke  und  Manytsch­Niederung  haben  sich  in  geologischen  Zeiträumen  zahlreiche  natürliche  Salzseen  und  Salzsenken  gebildet.  Sie  sind umgeben  von  karger  Artemesia­  (Wermut­)steppe.  Die Region, etwa 1000 Kilometer westlich vom Aralsee, ist  zudem  bekannt  für  ihre  zahlreichen  Salzdome.  Sie entstehen, wenn unterirdische permische Salzlager­stätten  durch  eindringendes  Grundwasser  aufquellen. Die Spitzen der Salzdome sind als Hügel in der sonst ebenen  Landschaft  zu  sehen.  Starke  Verwitterung  setzt den Erhebungen zu, und sobald die oberen Erd­schichten erodiert sind, werden die Salzdome zu mehr oder  weniger  großen  Salzseen  ausgewaschen.  In  der  kaspischen Senke gibt es etwa 1200 solcher Salzdome; 

sie können  in Tiefen von mehreren Kilometern grün­den  und  mehrere  1000  Quadratkilometer  überspan­nen.

Auch wenn die Genese und Ausprägung der  kal­mückischen  Salzlandschaften  nur  bedingt  mit  denen der Aral­Region vergleichbar  ist,  ist  auch die  südrussi­sche Region seit den 1960er­Jahren stark von der fort­schreitenden Wüstenbildung (Desertifikation) betroffen. Wie in der Aral­Region wird sie verursacht und verstärkt durch  Bodenversalzung  aufgrund  wenig  nachhaltiger Bewässerungsprojekte. Aber auch der hohe Weidedruck und Flächenbrände tragen dazu bei, dass Teile Kalmük­kiens heute die „ersten Wüsten Europas“ genannt wer­den. 

Welche Rolle  spielen die Salzseen und Salzböden im VOX­Budget? Bereits seit längerem ist bekannt, dass Böden imstande sind, halogenorganische Verbindungen zu  bilden.  Unsere  Heidelberger  Arbeitsgruppe  konnte kürzlich zeigen, wie groß die Bedeutung von Salzökosys­temen  als  natürliche  Flächenemittenten  von VOX  ist. Wir untersuchten dazu Salzlandschaften in Mittelasien. Es ging uns dabei vor allem um die Frage, welche geo­chemischen, biochemischen und klimatischen Parame­ter  in  Usbekistan  (Aralsee)  und  Südrussland  (Kalmü­ckien) deutlich zur natürlichen VOX­Bildung beitragen.

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Es  ist  beispielsweise  entscheidend  wichtig,  welche Salze  vorhanden  sind.  Für  die  von  uns  untersuchte  Bildung chlorid­ und bromidhaltiger VOX sind speziell die Halogenide (Chlorid, Bromid) von Interesse. Getreu dem Motto „je mehr, desto besser“ können schon durch den Eintrag von Salzstaub gering angereicherte Haloge­nide die VOX­Bildungsraten erheblich steigern.

Die Aralsenke wird von Carbonat­ und Sulfatabla­gerungen dominiert; die Halogenide (Bromid und Chlo­rid) sind hier nur in geringem Umfang im Boden verge­sellschaftet. Aufgrund ihrer guten Löslichkeit werden die Halogenide  zuletzt  abgeschieden;  sie  finden  sich  des­halb  insbesondere  im  Bereich  der  trockengefallenen Restsümpfe  des  Aralsees.  Je  weiter  man  sich  von  der Aral­Region  in Richtung Westen bewegt, desto  stärker wird der Einfluss von Halogeniden bei gleichzeitig sin­kendem Carbonat­ und Sulfatgehalt. Westlich der Wol­ga, im Südwesten Kalmückiens, finden sich dann Böden und Salzkrusten, welche von Chlorid und Bromid do­miniert werden.

Entsprechend  unterschiedlich  sind  die  VOX­Bil­dungsraten  dieser  Böden:  Die  Halogenid­Gehalte  der Salzlandschaften in Kalmückien korrelieren mit hohen VOX­Emissionen, während die von Sulfat und Carbo­nat dominierten Böden der Aral­Senke deutlich weniger VOX bilden. Ausgenommen sind hierbei die Chloridse­dimente im Bereich der beiden Restseen des Aral­Ge­bietes.

Ein wichtiger Grund  für  die  verringerte  VOX­Pro­duktion in der Aral­Senke ist wahrscheinlich auch der pH­Wert des Bodens, weil die zugrunde liegenden geo­chemischen Prozesse umso effektiver ablaufen, je niedri­

ger  (also  saurer)  der  pH­Wert  ist.  Vor  allem Carbonat puffert  die  pH­Werte  der  Böden  auf  ein  alkalisches  Niveau (pH 9 bis 10). Die für die VOX­Bildung vorteil­haften pH­Werte unterhalb pH 7 bis 8 werden nur im Bereich von zersetztem organischen Material erreicht. 

Ein hoher Gehalt an organischem Material und ver­schiedene redoxfähige Minerale (Eisen, Mangan) begüns­tigen die VOX­Bildung ebenfalls. Speziell für Salzseen, die  nicht  oder  nur  vorübergehend  trockenfallen,  sind auch biochemische Bildungsprozesse nachweisbar. Salz liebende (halophile) Algen oder Archaeen (früher auch Urbakterien genannt) sind an der Bildung von VOX zu­mindest beteiligt oder emittieren VOX. Während für die rein geochemische VOX­Bildung einige mögliche Reak­tionspfade bekannt sind,  ist es bislang nicht gelungen, die zugrunde liegenden Bildungsmechanismen bei Ar­chaeen zu identifizieren.

VOX  sind  indes nicht nur  aufgrund der Einflüsse auf das Klima und die Ozonschicht bedeutend: Einige VOX  sind  auch  Pflanzengifte.  Sie  sind  lipophil,  also „fettliebend“  und werden  von den  Pflanzen  gleichsam zwangsweise über Wurzeln oder Blätter aufgenommen. In  der  Pflanze  reichern  sich  VOX  um  das  bis  zu 2000­Fache  an.  Vielfach  als  organische  Lösungsmittel eingesetzt,  schädigen  einige  der  Substanzen  (beispiels­weise Tri­Terachlorethen) Wurzeln, Zweige und Blätter unmittelbar.

Es ist mittlerweile jedoch noch ein weiterer, wesent­lich  bedeutenderer  Schadmechanismus  bekannt:  Die Pflanzen versuchen, Tetrachlorethen zu verstoffwechseln und  dadurch  unschädlich  zu machen. Dabei  entsteht Trichloressigsäure  (TCA)  –  ein  Herbizid,  das  seit  den 

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1940er Jahren häufig in der Land­ und Forstwirtschaft eingesetzt wurde, aufgrund seiner erheblichen negativen Auswirkungen  auf  Kulturpflanzen  jedoch  seit  Jahren verboten ist.

Trichloressigsäure, die für Pflanzen sehr viel giftiger ist als Tetrachlorethen, entsteht also erst in der Pflanze selbst. Leidet die Pflanze zusätzlich unter Trockenstress, was in semiariden Gebieten nicht ungewöhnlich ist, er­höht sich automatisch die Zahl reaktiver Sauerstoffspe­zies  (ROS)  in den pflanzlichen Zellen, was dazu  führt, dass sich noch mehr Tetrachlorethen direkt und ohne weiteres Zutun der Pflanze in Trichloressigsäure umwan­delt. Die Pflanze wächst nur noch wenig und ist anfällig für Schädlinge, etwa Pilze und Blattläuse. Aufgrund des permanenten chemischen Stresses und der zusätzlichen 

Schädigung durch anthropogene Übernutzung (Weide­wirtschaft, Industrie) kann die betroffene Wüsten­ und Steppenvegetation ihre natürliche Funktion als Barriere, die vor Sand­ und Salzstäuben schützt, nicht mehr er­füllen.  Ohne  diese  natürlichen  Sicherungssysteme schreitet  die Desertifikation und Landdegradation  im­mer  schneller  voran.  Die  Salzökosysteme  breiten  sich aus  und bilden  ihrerseits  klima­  und umweltrelevante VOX in deutlich größerem Umfang.

Die  unheilvolle  Spirale  dreht  sich  weiter,  sobald VOX  in  die  Atmosphäre  gelangen,  dort  ihr  Treib­hauspotenzial entfalten und/oder die Ozonschicht ab­bauen. Der Treibhauseffekt wiederum wird mit den da­mit  einhergehenden  steigenden  Temperaturen  und zunehmenden  Trockenheiten  die  Desertifikation  und 

Das circa 120 x 120 km große Arbeitsgebiet der Heidelberger Forscher in Usbekistan (rot umrandet) liegt im Bereich des ehemaligen Aralsees. Seit dem Jahr 1960 wandelt sich der See von einem aquatischen zu einem neuen terrestrischen Ökosystem. Die Bilder zeigen den See in den Jahren 1987 (links), 2000 (Mitte) und 2009 (rechts). (Quelle: Fabian Löw).

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das Ausbreiten von Salzlandschaften weiter beschleuni­gen. Ist die Ozonschicht erheblich geschädigt, muss die Vegetation an den Wüstenrändern noch zusätzlich zu den bestehenden Stressoren wie Trockenheit, VOX und Überweidung noch die intensivere UV­Strahlung ertra­gen.

Alles in allem ist festzuhalten, dass die prognostizier­te Änderung des globalen Klimas regional zu verstärkten Trockenphasen, zunehmender Wüstenbildung und Bo­dendegradation führen wird. Vielerorts auf der Erde wer­den  ausgedehnte  Salzökosysteme  entstehen,  was  am Beispiel Mittelasiens bereits gegenwärtig zu beobachten ist. Die Salzökosysteme wiederum werden ihrerseits den Klimawandel vorantreiben. Wenn man unterschiedlich stark  versalzte Böden  im Umfeld der mittelasiatischen Salzseen miteinander vergleicht,  lassen sich möglicher­weise  Rückkopplungseffekte  zwischen  dem  Klimawan­del und den sich ausbreitenden Salzlandschaften erken­nen. Im Idealfall könnten diese Informationen Eingang in  Klimamodelle  finden  und  dazu  beitragen,  Klima­prognosen zu verbessern.

Dr. Karsten Kotte  arbeitet  seit dem  Jahr  2008  im  Institut  für Geowissenschaften  der  Univer­sität Heidelberg.  Zuvor  erforsch­te  er  im  „Helmholtzzentrum  für Umweltforschung“,  Leipzig,  die pflanzentoxische  Wirkung  von Halogenkohlenwasserstoffen. Anschließend  arbeitete  er  zwei Jahre  in Südafrika, um die Aus­wirkungen  von  Klimawandel 

und Luftverschmutzung auf Mensch und Umwelt  zu unter­suchen.

Prof. Dr. Heinz Friedrich Schöler arbeitet  seit  dem  Jahr  1992  im Institut  für  Geowissenschaften der  Universität  Heidelberg  und fungiert  seit  2008  als  dessen Direktor  und  ist Dekan der  Fa­kultät  für Chemie und Geowis­senschaften.  Seit  vielen  Jahren erforscht  er  Mechanismen  der Bildung,  der  Ausbreitung  und des  Abbaus  halogenierter  Koh­

lenwasserstoffe in der terrestrischen Umwelt und ist Sprecher der durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geför­derten Forschergruppe 763 „HALOPROC“. Sie untersucht die Potenziale  natürlicher  Halogenierungsreaktionen  und  deren Effekte auf Atmosphäre und Klimawandel in einem interdis­ziplinären Ansatz.

Kontakt: [email protected]­heidelberg.deIm Internet: www.rzuser.uni­heidelberg.de/~h05/haloproc/fg763/

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