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Philosophie: Abschied aus der Wissenschaft?
Archäologie: Minos‘ Flotte segelt wieder
Geowissenschaft: Wie der Klimawandel das Gesicht der Erde verändert
R u p R e C h t - K a R l s-
univ e Rsitäth e i de lbeRg
Forschungsmagazin
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GeowissensChaft
Öde Wüsten, versalzene SeenWie der Klimawandel das Gesicht der Erde verändertvon Karsten Kotte und Heinz Friedrich Schöler
Rund um den Globus dehnen sich die Wüsten aus. Schuld daran sind Überweidung, Wasserverschwendung, Umweltverschmutzung und Veränderungen des Klimas. Heidelberger Geowissenschaftler untersuchen eine neue, bislang unterschätzte Einflussgröße, die zur zunehmenden „Verwüstung“ der Erde beiträgt: Salzseen und Salzböden produzieren flüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe. Wenn sie in die Atmosphäre gelangen, bauen sie die Ozonschicht ab, verstärken den Treibhauseffekt und lassen weitere Salzökosysteme entstehen.
W üsten breiten sich weltweit aus. Dieses Phänomen hat häufig anthropogene Ursachen und wird auf die Überweidung, die Verschmut
zung der Umwelt und das Verschwenden von Wasser zurückgeführt. Auch der natürliche oder von Menschen gemachte Klimawandel spielt bei der global beobachtbaren Ausbreitung von Wüsten und Halbwüsten eine bedeutende Rolle: Wenn die Temperaturen steigen und die Niederschlagsmengen sinken, zieht sich die Vegetation zurück und Böden wie Frischwasserressourcen versalzen. Jüngst ist ein weiterer Aspekt in den Fokus der Umweltforschung gerückt: Es mehren sich die Hinweise, dass Salzböden und Salzseen eine bedeutende natürliche Quelle für flüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe (kurz VOX, von englisch „volatile organohalogens“) sind und zur weiteren Ausdehnung der Salzökosysteme beitragen.
Bekannte VOXVertreter sind die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKWs); weniger bekannt sind halogenierte Methanderivate (Chlormethan, Brommethan, Di und Trichlormethan) sowie Ethenderivate (Chlorethen, Tri und Tetrachlorethen). Für die Umweltwissenschaft sind Halogenkohlenwasserstoffe von besonderer Bedeutung, weil sie das weltweite Klima erheblich beeinflussen. Aufgrund ihrer chemischen Stabilität gelangen sie bis in die Stratosphäre; dort wirken sie am Abbau der Ozonschicht mit. Aufgrund ihrer molekularen Struktur sind sie zudem imstande, Wärmestrah
len zu absorbieren und machen Halogenkohlenwasserstoffe zu effektiven Treibhausgasen. Bezogen auf das einzelne Molekül kann ihr Treibhauspotenzial deutlich größer sein als das von Kohlendioxid oder sogar von Methan. Schon in geringen Konzentrationen tragen Halogenkohlenwasserstoffe deshalb merklich zur Erderwärmung bei.
Ende der 1920er Jahre entwickelte der amerikanische MaschinenbauIn
genieur Thomas Midgley in den Laboratorien von „General Motors“
Fluorchlorkohlenwasserstoffe als Kälte und Kühlmittel. Dass es
auch natürliche VOXQuellen geben könnte, ahnte
damals niemand. Bis vor wenigen Jahrzehnten
nahm man an, dass vor allem Industrieanlagen mit
Der Heidelberger Geowissenschaftler Karsten Kotte entnimmt Proben in der Salzwüste des trockengefallenen Aralsees in Usbekistan.
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VOXProduktionsmengen von mehreren Hunderttausend Tonnen pro Jahr die Hauptemittenten sind. Erst seit Mitte der 1980er Jahre zeichnete sich eine Wende ab: Die Bilanzierung der bekannten Quellen konnte einfach nicht mit den tatsächlich in der Atmosphäre gemessenen Konzentrationen in Übereinstimmung gebracht werden.
Die Wissenschaftler begannen daraufhin, nach natürlichen Quellen zu suchen. Neben den Ozeanen, die schon allein aufgrund ihrer großen Fläche eine wichtige Quelle sind, sind mittlerweile auch natürliche Halogenierungsreaktionen in der terrestrischen Umwelt immer bedeutender geworden. Unsere Arbeitsgruppe im Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg geht derzeit der Frage nach, inwieweit natürliche Prozesse speziell in Salzböden und Salzseen umweltrelevante VOX entstehen lassen. Dazu testen wir verschiedene Hypothesen zunächst im Labor und überprüfen sie anschließend „vor Ort“ in den Salzökosystemen Zentralasiens sowie im nördlichen und südlichen Afrika.
Wie entstehen Salzseen und Salzböden? Um diese Frage zu beantworten, muss man betrachten, wie aquatische Ressourcen, beispielsweise Grundwasser, Flüsse und Seen, mit Wasserverbrauchern, etwa Pflanzen oder Menschen, interagieren und wie klimatische Bedingungen, also Niederschlag oder Verdunstung, die regionale und überregionale Wasserbilanz beeinflussen. Zu Engpässen im Wasserangebot kommt es häufig nur temporär, dennoch resultiert daraus eine negative Wasserbilanz: Es verdunstet oder fließt mehr Wasser ab als durch Niederschlag, Grundwasser oder Fließgewässer zugeführt werden kann.
Während weite Teile Nord und Mitteleuropas nicht unter mangelnden Niederschlägen leiden und über große FrischwasserRessourcen verfügen, ist das Lebensmittel und Wirtschaftsgut „Wasser“ in vielen Regionen der Erde kaum verfügbar. Halbwüsten und Wüsten, der Wissenschaftler spricht von „semiariden“ und „ariden“ Gebieten, finden sich vor allem auf der Südhalbkugel unserer Erde, beispielsweise im südlichen Afrika, in
Wüste, wo früher Wasser war: Der Aralsee in Zentralasien, einst mit 70 000 Quadratkilometern so groß wie Bayern, schrumpft seit den 1960er Jahren rapide. Inzwischen ist der ehemals viertgrößte See der Erde bis auf wenige Pfützen zur salzigen Sandwüste geworden – eine der schlimmsten von Menschen verursachten ökologischen Katastrophen.
KoluMnentitel
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Australien oder Südamerika. Auch im Innern großer Kontinente, etwa in Mittelasien und Nordamerika, gibt es Halbwüsten und Wüsten.
In den Einzugsgebieten von Flüssen und Seen werden infolge natürlicher Verwitterungsprozesse und menschlicher Aktivitäten in der Landwirtschaft oder im Bergbau große Mengen an Salzen mobilisiert. Dessen Konzentration steigt aufgrund der Verdunstung des abfließenden Wassers stetig an. Im Falle von Seen, die keinen Abfluss haben, oder auch in flachen Lagunen werden rasch hohe Salzkonzentrationen erreicht. Schließlich fallen die Salze je nach Löslichkeit aus („sequenzielle Ausscheidung“) und sinken nacheinander zu Boden, wo sie in den Sedimenten als einzelne Phasen nachweisbar sind.
Bleibt das System von SalzAusfällung und SalzNachschub über geologische Zeiträume hinweg stabil, können Salzlagerstätten entstehen, die mehrere hundert Meter dick sind. Ein eindrucksvolles Beispiel sind die großen Salzlagerstätten in Mitteldeutschland oder in Sibirien. Sie gehen auf das „Zechsteinmeer“ zurück, wo sich vor 250 Millionen Jahren im Bereich des heutigen
Mitteleuropa eine MeerwasserLagune von der Größe Frankreichs bildete. Sie verdunstete kontinuierlich Salzwasser und hinterließ schließlich einen riesigen Salzsee.
Je nach Ursprung der speisenden Wässer kann zwischen thalassischen und athalassischen Evaporiten unterschieden werden. „Evaporite“ sind Verdampfungs und Eindunstungsgesteine, die sich durch fortschreitende Wasserverdunstung (Evaporation) bilden. Thalassische Evaporite sind in ihrer Salzzusammensetzung dem Meerwasser ähnlich und daher meist marinen Ursprungs. Ein Beispiel sind Meerwasserlagunen. Sie weisen hohe Gehalte an Halogeniden (Chlorid, Bromid, Iodid) auf. Thalassische Salzseen finden sich häufig entlang von Küstenzonen, beispielsweise in Marokko und Namibia. Die „KaraBogazGolLagune“ im Nordwesten Turkmenistans fungiert als Evaporationsbecken für Salzwasser aus dem Kaspischen Meer. Sie hat derzeit eine Fläche von 18 000 Quadratkilometern, was in etwa dem Freistaat Sachsen entspricht.
Athalassische oder kontinentale Evaporite hingegen enthalten oft hohe Frachten an Verwitterungssalzen wie Carbonat und Sulfat, während Chlorid und Bromid nur
Forscheralltag: Zwei Tagesmärsche vom nächsten Dorf entfernt, bleibt der Jeep bei Lufttemperaturen um die 40 Grad Celsius im tiefen Sand des einstigen Aralsees stecken.
Gruppenfoto mit russischen Kollegen im Ort El‘ton kurz vor der Grenze zu Kasachstan
Bild unten: der Hafen der Stad Muniak, ehemals ein Badeort am Aralsee
Physiker, Mikrobiologen und Geowissenschaftler arbeiten gemeinsam im Salzsee Elton im Süden Russlands (Bild links).
Salzeinschlüsse in geschichteten
Tonmineralen von Aralseeböden
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im geringeren Umfang auftreten. Athalassische Salzseen finden sich beispielsweise in Bolivien („Salar de Uyuni“), in den Vereinigten Staaten von Amerika („Great Salt Lake“), in Mittelasien („Aralsee“) und in Botswana („Makgadikgadi Pan“).
Das Zusammenspiel von Niederschlägen und Verdunstung – und damit das Klima – ist die wichtigste Einflussgröße für das Entstehen von Salzböden. Klimaänderungen, insbesondere zunehmende Trockenheit, sind daher potenziell in der Lage, sowohl neue Salzböden wie Salzseen zu erzeugen und tragen zur Ausdehnung bereits bestehender Salzökosysteme bei. Hierbei ist folgendes wichtig zu wissen: Der prognostizierte Klimawandel wird zwar vielen Regionen der Erde leicht erhöhte jährliche Niederschlagsmengen bescheren, sie werden jedoch kompensiert aufgrund der deutlich höheren Temperaturen und der entsprechend größeren Verdunstungsrate. Saisonale Trockenphasen werden dadurch verstärkt, bereits bestehende Salzlandschaften werden sich entsprechend ausweiten. Besonders in Flussdeltas und Küstenregionen reicht salzhaltiges Grundwasser oft bis nahe an die Bodenoberfläche. Erhöhte Temperaturen lassen die Verduns
tung ansteigen Die Folge ist, dass Grundwasser fortwährend an die Oberfläche gezogen wird und der Boden aufgrund des Ausfallens von Salzen salin wird.
Die Prozesse, die Salzökosysteme entstehen lassen, können sehr unterschiedlich sein, was sich am Beispiel des Aralsees und der Kaspischen Senke, beide in Zentralasien, zeigen lässt. Der Aralsee – mit 70 000 Quadratkilometern einst so groß wie Bayern und viertgrößter See der Erde – schrumpft seit den 1960er Jahren rapide. Der extensiven Nutzung der beiden Zuflüsse AmurDarya und SyrDarya – der natürlichen Wasserressource der gesamten Region – folgte eine der schlimmsten, anthropogen verursachten ökologischen Katastrophen: Aus dem prosperierenden aquatischen Ökosystem entstand bis auf zwei kleine Seen von weniger als 8 000 km2 eine neue Salzwüste, die „AralKum“. Heftige Stürme verfrachten jährlich bis zu 100 000 Tonnen Salzstaub, der hauptsächlich in den fruchtbaren Niederungen südlich der AralKum niedergeht. In unverant
im geringeren Umfang auftreten. Athalassische Salzseen tung ansteigen Die Folge ist, dass Grundwasser fortwährend an die Oberfläche gezogen wird und der Boden aufgrund des Ausfallens von
Probenentnahme in der Makgadikgadi-Salzpfanne in Botswana (Bild oben).
Für ausgedehnte Trockenlandschaften ist es typisch, dass der Wind jeweils vormittags und nachmittags
für rund eine Stunde stark auffrischt. Der Windfang bietet den Forschern nur mäßig Schutz.
Auch in sogenannten Salzwerken, in denen durch die Kraft der Sonne Salzlauge verdampft wird, um reines Kochsalz (Bild links) zu gewinnen, werden Proben entnommen (Bild unten).
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wortlicher Weise werden zudem seit Jahrzehnten riesige Wassermengen des AmurDarya verwendet, um große, in Wüstenregionen errichtete Ländereien zu bewässern, wobei erhebliche Salzfrachten auf den Böden verbleiben. Eines der größten Probleme der Anrainerstaaten des Aralsees ist heute die zunehmende Versalzung von wertvollem Acker und Weideland – in bis zu 500 Kilometer entfernt gelegenen Regionen.
Ein anderes Bild zeigt sich in Kalmückien nordwestlich des Kaspischen Meeres zwischen Wolgograd (ehemals Stalingrad) und dem Kaukasus. Im Bereich von kalmückischer Senke und ManytschNiederung haben sich in geologischen Zeiträumen zahlreiche natürliche Salzseen und Salzsenken gebildet. Sie sind umgeben von karger Artemesia (Wermut)steppe. Die Region, etwa 1000 Kilometer westlich vom Aralsee, ist zudem bekannt für ihre zahlreichen Salzdome. Sie entstehen, wenn unterirdische permische Salzlagerstätten durch eindringendes Grundwasser aufquellen. Die Spitzen der Salzdome sind als Hügel in der sonst ebenen Landschaft zu sehen. Starke Verwitterung setzt den Erhebungen zu, und sobald die oberen Erdschichten erodiert sind, werden die Salzdome zu mehr oder weniger großen Salzseen ausgewaschen. In der kaspischen Senke gibt es etwa 1200 solcher Salzdome;
sie können in Tiefen von mehreren Kilometern gründen und mehrere 1000 Quadratkilometer überspannen.
Auch wenn die Genese und Ausprägung der kalmückischen Salzlandschaften nur bedingt mit denen der AralRegion vergleichbar ist, ist auch die südrussische Region seit den 1960erJahren stark von der fortschreitenden Wüstenbildung (Desertifikation) betroffen. Wie in der AralRegion wird sie verursacht und verstärkt durch Bodenversalzung aufgrund wenig nachhaltiger Bewässerungsprojekte. Aber auch der hohe Weidedruck und Flächenbrände tragen dazu bei, dass Teile Kalmükkiens heute die „ersten Wüsten Europas“ genannt werden.
Welche Rolle spielen die Salzseen und Salzböden im VOXBudget? Bereits seit längerem ist bekannt, dass Böden imstande sind, halogenorganische Verbindungen zu bilden. Unsere Heidelberger Arbeitsgruppe konnte kürzlich zeigen, wie groß die Bedeutung von Salzökosystemen als natürliche Flächenemittenten von VOX ist. Wir untersuchten dazu Salzlandschaften in Mittelasien. Es ging uns dabei vor allem um die Frage, welche geochemischen, biochemischen und klimatischen Parameter in Usbekistan (Aralsee) und Südrussland (Kalmückien) deutlich zur natürlichen VOXBildung beitragen.
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Es ist beispielsweise entscheidend wichtig, welche Salze vorhanden sind. Für die von uns untersuchte Bildung chlorid und bromidhaltiger VOX sind speziell die Halogenide (Chlorid, Bromid) von Interesse. Getreu dem Motto „je mehr, desto besser“ können schon durch den Eintrag von Salzstaub gering angereicherte Halogenide die VOXBildungsraten erheblich steigern.
Die Aralsenke wird von Carbonat und Sulfatablagerungen dominiert; die Halogenide (Bromid und Chlorid) sind hier nur in geringem Umfang im Boden vergesellschaftet. Aufgrund ihrer guten Löslichkeit werden die Halogenide zuletzt abgeschieden; sie finden sich deshalb insbesondere im Bereich der trockengefallenen Restsümpfe des Aralsees. Je weiter man sich von der AralRegion in Richtung Westen bewegt, desto stärker wird der Einfluss von Halogeniden bei gleichzeitig sinkendem Carbonat und Sulfatgehalt. Westlich der Wolga, im Südwesten Kalmückiens, finden sich dann Böden und Salzkrusten, welche von Chlorid und Bromid dominiert werden.
Entsprechend unterschiedlich sind die VOXBildungsraten dieser Böden: Die HalogenidGehalte der Salzlandschaften in Kalmückien korrelieren mit hohen VOXEmissionen, während die von Sulfat und Carbonat dominierten Böden der AralSenke deutlich weniger VOX bilden. Ausgenommen sind hierbei die Chloridsedimente im Bereich der beiden Restseen des AralGebietes.
Ein wichtiger Grund für die verringerte VOXProduktion in der AralSenke ist wahrscheinlich auch der pHWert des Bodens, weil die zugrunde liegenden geochemischen Prozesse umso effektiver ablaufen, je niedri
ger (also saurer) der pHWert ist. Vor allem Carbonat puffert die pHWerte der Böden auf ein alkalisches Niveau (pH 9 bis 10). Die für die VOXBildung vorteilhaften pHWerte unterhalb pH 7 bis 8 werden nur im Bereich von zersetztem organischen Material erreicht.
Ein hoher Gehalt an organischem Material und verschiedene redoxfähige Minerale (Eisen, Mangan) begünstigen die VOXBildung ebenfalls. Speziell für Salzseen, die nicht oder nur vorübergehend trockenfallen, sind auch biochemische Bildungsprozesse nachweisbar. Salz liebende (halophile) Algen oder Archaeen (früher auch Urbakterien genannt) sind an der Bildung von VOX zumindest beteiligt oder emittieren VOX. Während für die rein geochemische VOXBildung einige mögliche Reaktionspfade bekannt sind, ist es bislang nicht gelungen, die zugrunde liegenden Bildungsmechanismen bei Archaeen zu identifizieren.
VOX sind indes nicht nur aufgrund der Einflüsse auf das Klima und die Ozonschicht bedeutend: Einige VOX sind auch Pflanzengifte. Sie sind lipophil, also „fettliebend“ und werden von den Pflanzen gleichsam zwangsweise über Wurzeln oder Blätter aufgenommen. In der Pflanze reichern sich VOX um das bis zu 2000Fache an. Vielfach als organische Lösungsmittel eingesetzt, schädigen einige der Substanzen (beispielsweise TriTerachlorethen) Wurzeln, Zweige und Blätter unmittelbar.
Es ist mittlerweile jedoch noch ein weiterer, wesentlich bedeutenderer Schadmechanismus bekannt: Die Pflanzen versuchen, Tetrachlorethen zu verstoffwechseln und dadurch unschädlich zu machen. Dabei entsteht Trichloressigsäure (TCA) – ein Herbizid, das seit den
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1940er Jahren häufig in der Land und Forstwirtschaft eingesetzt wurde, aufgrund seiner erheblichen negativen Auswirkungen auf Kulturpflanzen jedoch seit Jahren verboten ist.
Trichloressigsäure, die für Pflanzen sehr viel giftiger ist als Tetrachlorethen, entsteht also erst in der Pflanze selbst. Leidet die Pflanze zusätzlich unter Trockenstress, was in semiariden Gebieten nicht ungewöhnlich ist, erhöht sich automatisch die Zahl reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) in den pflanzlichen Zellen, was dazu führt, dass sich noch mehr Tetrachlorethen direkt und ohne weiteres Zutun der Pflanze in Trichloressigsäure umwandelt. Die Pflanze wächst nur noch wenig und ist anfällig für Schädlinge, etwa Pilze und Blattläuse. Aufgrund des permanenten chemischen Stresses und der zusätzlichen
Schädigung durch anthropogene Übernutzung (Weidewirtschaft, Industrie) kann die betroffene Wüsten und Steppenvegetation ihre natürliche Funktion als Barriere, die vor Sand und Salzstäuben schützt, nicht mehr erfüllen. Ohne diese natürlichen Sicherungssysteme schreitet die Desertifikation und Landdegradation immer schneller voran. Die Salzökosysteme breiten sich aus und bilden ihrerseits klima und umweltrelevante VOX in deutlich größerem Umfang.
Die unheilvolle Spirale dreht sich weiter, sobald VOX in die Atmosphäre gelangen, dort ihr Treibhauspotenzial entfalten und/oder die Ozonschicht abbauen. Der Treibhauseffekt wiederum wird mit den damit einhergehenden steigenden Temperaturen und zunehmenden Trockenheiten die Desertifikation und
Das circa 120 x 120 km große Arbeitsgebiet der Heidelberger Forscher in Usbekistan (rot umrandet) liegt im Bereich des ehemaligen Aralsees. Seit dem Jahr 1960 wandelt sich der See von einem aquatischen zu einem neuen terrestrischen Ökosystem. Die Bilder zeigen den See in den Jahren 1987 (links), 2000 (Mitte) und 2009 (rechts). (Quelle: Fabian Löw).
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das Ausbreiten von Salzlandschaften weiter beschleunigen. Ist die Ozonschicht erheblich geschädigt, muss die Vegetation an den Wüstenrändern noch zusätzlich zu den bestehenden Stressoren wie Trockenheit, VOX und Überweidung noch die intensivere UVStrahlung ertragen.
Alles in allem ist festzuhalten, dass die prognostizierte Änderung des globalen Klimas regional zu verstärkten Trockenphasen, zunehmender Wüstenbildung und Bodendegradation führen wird. Vielerorts auf der Erde werden ausgedehnte Salzökosysteme entstehen, was am Beispiel Mittelasiens bereits gegenwärtig zu beobachten ist. Die Salzökosysteme wiederum werden ihrerseits den Klimawandel vorantreiben. Wenn man unterschiedlich stark versalzte Böden im Umfeld der mittelasiatischen Salzseen miteinander vergleicht, lassen sich möglicherweise Rückkopplungseffekte zwischen dem Klimawandel und den sich ausbreitenden Salzlandschaften erkennen. Im Idealfall könnten diese Informationen Eingang in Klimamodelle finden und dazu beitragen, Klimaprognosen zu verbessern.
Dr. Karsten Kotte arbeitet seit dem Jahr 2008 im Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg. Zuvor erforschte er im „Helmholtzzentrum für Umweltforschung“, Leipzig, die pflanzentoxische Wirkung von Halogenkohlenwasserstoffen. Anschließend arbeitete er zwei Jahre in Südafrika, um die Auswirkungen von Klimawandel
und Luftverschmutzung auf Mensch und Umwelt zu untersuchen.
Prof. Dr. Heinz Friedrich Schöler arbeitet seit dem Jahr 1992 im Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg und fungiert seit 2008 als dessen Direktor und ist Dekan der Fakultät für Chemie und Geowissenschaften. Seit vielen Jahren erforscht er Mechanismen der Bildung, der Ausbreitung und des Abbaus halogenierter Koh
lenwasserstoffe in der terrestrischen Umwelt und ist Sprecher der durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschergruppe 763 „HALOPROC“. Sie untersucht die Potenziale natürlicher Halogenierungsreaktionen und deren Effekte auf Atmosphäre und Klimawandel in einem interdisziplinären Ansatz.
Kontakt: [email protected]heidelberg.deIm Internet: www.rzuser.uniheidelberg.de/~h05/haloproc/fg763/
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