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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. 370 G. K R E S Z E U N D H. G O E T Z gang zu anderen Verbindungstypen. Allgemein be- obachten wir bei den C = S-Frequenzen stärkere Schwankungen. Eine Sonderstellung scheinen die Derivate des Thioharnstoffs und der Thioamide einzunehmen, wo bei der Thio-Peptidgruppe —N—C— infolge einer H S Verfestigung der CS-Bindung (Frequenzerhöhung) v das Frequenzverhältnis wesentlich niedriger ist ( v cs ~ 1,25). Tab. 2 bringt einige Beispiele, bei denen die Zuordnung gesichert sein dürfte. Eine Deutung und Diskussion dieser Ergebnisse soll aber einer späteren Mitteilung vorbehalten sein, bis umfassenderes Ma- terial vorliegt. Die Stoffe wurden meist in kristalliner Form, ein- gebettet in KBr, aufgenommen, in vielen Fällen zur weiteren Identifizierung der Banden auch in CC14 und CS 2 . Insgesamt wurden etwa 70 Stoffe unter- sucht. Als Spektralapparat kam ein Perkin Elmer- Doppelstrahlgerät Modell 21 zur Anwendung. Dem Fonds der Chemie danken wir für Unter- stützung, der BASF (Prof. Dr. Dr. W. R e p p e), den Farbenfabriken Bayer (Prof. Dr. Dr. O. B a y e r ) und den Farbwerken Hoechst (Dr. A. Sieglitz) für Bereitstellung von Ausgangs-Substanzen. Zur Kinetik der Bildung Schiffscher Basen 2. Mitt.: Wechselwirkung von Benzaldehyden mit Anilinen in unpolaren Lösungsmitteln Von GÜNTER KRESZE und HORST GOETZ Aus dem Organisch-Chemischen Institut der Technischen Universität Berlin-Charlottenburg (Z. Naturforsdig. 10 b, 370—374 [1955]; eingegangen am 23. März 1955) Eine Wechselwirkung zwischen N-Methyl- bzw. N,N-Dimethylanilin und Anisaldehyd in Lösung ist durch DK-Messungen nicht nachweisbar; dies spricht dafür, daß die Bildungs- wahrscheinlichkeit und die Stabilität des Aldols und anderer hypothetischer Zwischenstoffe bei der Bildung Schiffscher Basen in ähnlichen Fällen sehr gering ist. — Die Kondensation von Anilin mit m-Nitrobenzaldehyd wurde in Dioxan dielektrisch verfolgt, ein einfacher Mechanis- mus — ähnlich dem der Umsetzung in Methanol — ist hier nicht anzunehmen. I n der 1. Mitt. 1 dieser Reihe war die kinetische Un- tersuchung der Kondensation von p-Nitrobenzal- dehyd mit N,N-Dimethyl-p-phenylendiamin in Me- thanol bei Verwendung von Acetatpuffer geschildert worden. Bei dieser praktisch vollständig verlaufen- den Reaktion tritt neben einer durch Oxoniumion katalysierten Umsetzung (Mechanismus I, geschwin- digkeits-bestimmend 1/2) R C H = 0 + HA ^ [RCH—OH] + + A , (1/1) [RCH—OH] + + H 2 NR' RCH—NHÜR'L + A RCH—NH,R' (1/2) OH OH RCH—NHR'+ HA, (1/3) RCH—NHR' -HO, OH RCH=NR'. (1/4) OH eine „unkatalysierte" Reaktion auf. In Methanol als Lösungsmittel ist es nicht möglich, zu entscheiden, ob diese letzte Reaktion wirklidi unkatalysiert ist, 1 G. K r e s z e u. H. M a n t h e y , Z. Elektrochem., Ber. Bunsenges. physik. Chem. 58, 118 [1954], also einem Mechanismus II (geschwindigkeits-bestim- mend II/l) folgt _ © R C H = 0 + HoNR' RCH—NH,R', (II/l) lOl e © RCH—NHoR' —* RCH—NHR'. (II/2) 1 o 1 IOl e OH (die Dehydratation erfolgt dann analog 1/4), oder ob Lösungsmittelkatalyse vorliegt und ein I-analoger Mechanismus gilt. Daher untersuchten wir jetzt die Wechselwirkung zwischen Anilinen und Benzaldehy- den in den aprotischen Lösungsmitteln Benzol und Dioxan. Speziell sollten zwei Fragen behandelt wer- den: R' RCH—N—R" 1. Sind die bei Mechanismus II postulierten Zwischenprodukte „Zwitterion" A in II/l und „Aldol" B in II/2 — nachweis- bar? und 2. gilt in aprotisdien Lösungs- mitteln die einfache Reaktions- folge II/l - II/2 - 1/4? lOl e R'" RCH—N< OH S R'

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

3 7 0 G. K R E S Z E U N D H. G O E T Z

gang zu anderen Verbindungstypen. Allgemein be-obachten wir bei den C = S-Frequenzen stärkere Schwankungen.

Eine Sonderstellung scheinen die Derivate des Thioharnstoffs und der Thioamide einzunehmen, wo bei der Thio-Peptidgruppe — N — C — infolge einer

H S Verfestigung der CS-Bindung (Frequenzerhöhung)

v das Frequenzverhältnis wesentlich niedriger ist (

vcs ~ 1,25). Tab. 2 bringt einige Beispiele, bei denen die Zuordnung gesichert sein dürfte. Eine Deutung und Diskussion dieser Ergebnisse soll aber einer späteren

Mitteilung vorbehalten sein, bis umfassenderes Ma-terial vorliegt.

Die Stoffe wurden meist in kristalliner Form, ein-gebettet in KBr, aufgenommen, in vielen Fällen zur weiteren Identifizierung der Banden auch in CC14

und CS2. Insgesamt wurden etwa 70 Stoffe unter-sucht. Als Spektralapparat kam ein Perkin Elmer-Doppelstrahlgerät Modell 21 zur Anwendung.

Dem Fonds der Chemie danken wir für Unter-stützung, der BASF (Prof. Dr. Dr. W. R e p p e), den Farbenfabriken Bayer (Prof. Dr. Dr. O. B a y e r ) und den Farbwerken Hoechst (Dr. A. S i e g l i t z ) für Bereitstellung von Ausgangs-Substanzen.

Zur Kinetik der Bildung Schiffscher Basen 2. Mitt.: Wechselwirkung von Benzaldehyden mit Anilinen in unpolaren Lösungsmitteln

V o n G Ü N T E R K R E S Z E u n d H O R S T G O E T Z

Aus dem Organisch-Chemischen Institut der Technischen Universität Berlin-Charlottenburg (Z. Naturforsdig. 10 b, 370—374 [1955]; eingegangen am 23. März 1955)

Eine Wechselwirkung zwischen N-Methyl- bzw. N,N-Dimethylanilin und Anisaldehyd in Lösung ist durch DK-Messungen nicht nachweisbar; dies spricht dafür, daß die Bildungs-wahrscheinlichkeit und die Stabilität des Aldols und anderer hypothetischer Zwischenstoffe bei der Bildung Schiffscher Basen in ähnlichen Fällen sehr gering ist. — Die Kondensation von Anilin mit m-Nitrobenzaldehyd wurde in Dioxan dielektrisch verfolgt, ein einfacher Mechanis-mus — ähnlich dem der Umsetzung in Methanol — ist hier nicht anzunehmen.

In der 1. Mitt .1 dieser Reihe war die kinetische Un-tersuchung der Kondensation von p-Nitrobenzal-

dehyd mit N,N-Dimethyl-p-phenylendiamin in Me-thanol bei Verwendung von Acetatpuffer geschildert worden. Bei dieser praktisch vollständig verlaufen-den Reaktion tritt neben einer durch Oxoniumion katalysierten Umsetzung (Mechanismus I, geschwin-digkeits-bestimmend 1/2)

R C H = 0 + HA ^ [RCH—OH]+ + A—, (1/1)

[RCH—OH]+ + H2NR'

RCH—NHÜR'L + A

RCH—NH,R' ( 1 / 2 )

OH

OH

RCH—NHR'+ HA, (1/3)

RCH—NHR' - H O ,

OH

RCH=NR'. (1/4)

OH

eine „unkatalysierte" Reaktion auf. In Methanol als Lösungsmittel ist es nicht möglich, zu entscheiden, ob diese letzte Reaktion wirklidi unkatalysiert ist,

1 G. K r e s z e u. H. M a n t h e y , Z. Elektrochem., Ber. Bunsenges. physik. Chem. 58, 118 [1954],

also einem Mechanismus II (geschwindigkeits-bestim-mend II/l) folgt

_ © R C H = 0 + HoNR' RCH—NH,R', (II/l)

lOle ©

RCH—NHoR' —* RCH—NHR'. (II/2) 1 o 1

IOle OH

(die Dehydratation erfolgt dann analog 1/4), oder ob Lösungsmittelkatalyse vorliegt und ein I-analoger Mechanismus gilt. Daher untersuchten wir jetzt die Wechselwirkung zwischen Anilinen und Benzaldehy-den in den aprotischen Lösungsmitteln Benzol und Dioxan. Speziell sollten zwei Fragen behandelt wer-den:

R' I©

RCH—N—R" 1. Sind die bei Mechanismus II postulierten Zwischenprodukte — „Zwitterion" A in II/l und „Aldol" B in II/2 — nachweis-bar? und

2. gilt in aprotisdien Lösungs-mitteln die einfache Reaktions-folge II/l - II/2 - 1/4?

l O l e R'"

RCH—N<

OH SR'

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K I N E T I K D E R B I L D U N G S C H I F F S C H E R B A S E N 3 7 1

Die Anwendung chemischer Nachweismethoden bei der Lösung dieser Fragen erwies sich als sehr schwie-rig, am günstigsten erschien uns eine dielektrische Untersuchung der Reaktionssysteme. Alle Messungen wurden mit dem Dekameter der Fa. Slevogt unter reinem N2 ausgeführt.

Nur bei der Umsetzung von primären Aminen mit Aldehyden ist die Bildung von Azomethinen RCH = NR' möglich, bei sekundären Aminen muß die Reaktion auf der Stufe des Aldols B, bei tertiären Aminen auf der Stufe des Zwitterions A stehen bleiben2. Statt nun A-und B-Verbindungen als Zwischenstoffe bei der Umset-zung von Anilin mit Benzaldehyden aufzusuchen, ver-suchten wir im speziellen Fall, sie als Produkte der Wechselwirkung von Monomethylanilin bzw. Dimethvl-anilin mit Anisaldehyd nachzuweisen. Gemessen wurden dazu bei 30° die Dielektrizitätskonstanten E, die Bre-chungsindices nD und im ersten Fall die Dichten d von Amin (ca) — Aldehyd (c^) — Mischlösungen in Benzol der Gesamtkonzentration (ca + cb) 0,01 . . . . 0,1 molar, Mol Verhältnis für die Komponenten ca : ch — 1 : 0 ; 3 : 1 ; 1 : 1 ; 1 : 3 ; 0 : 1 . Analog J o r g e s und N i k u r a d s e 3

wurde aus den Meßwerten das mittlere Dipolmoment-quadrat [Ar berechnet. In der zitierten Arbeit ist eine Gleichung angegeben für die Momente zweier polarer Sub-stanzen a und b, die in einem unpolaren Lösungsmittel gelöst sind (Lösungsmittelindex c, Lösungsindex L, par-tielle Molvolumina V;, Molenbruch der Komponenten x):

Ca cb ß m u

[Mol/l] [Mol//] [D] [D]

0,1 — 0,01 0 1,43 0,09 0,075 — 0,0075 0,025 — 0,0025 2,33 0,09 0,05 —0,005 0,05 —0,005 2,99 0,03 0,025 — 0,0025 0,075 — 0,0075 3,32 0,03 0 0,1 — 0,01 3,87 0,05

Tab. 1 a. Dipolmomente des Systems Dimethylanilin-Anisaldehyd.

Ca cb [A mu

[Mol/I] [Mol/I] [D] [D]

0,1 — 0,01 0 1,53 0,2 0,075 — 0,0075 0,025 — 0,0025 2,55 0,1 0,05 —0,005 0,05 —0,005 3,05 0,09 0,025 — 0,0025 0,075 — 0,0075 3,56 0,05 0 0,1 — 0,001 3,97 0,03

Tab. Ib . Dipolmomente des Systems Monomethylanilin-Anisaldehyd.

Die Molverhältnisse ca : cb verhalten sich stets innerhalb einer Meßreihe wie 1 : 0 ; 3 : 1 ; 1 : 1 ; 1 : 3 ; 0 : 1 .

*a V 4 a + = 9 kT

4 xNt X a 7 a V a n l + 2 (Gl. 1) + - /« ; c a+^b c b

= ( c a + c b )

(Gl. 3)

+ xb"'bVb "b + 2

+ ni + 2

Hierbei ergibt sich bei der Auswertung nach der Theorie von Debye, d. h. bei der Annahme

Sr + 2 "/b = 7C =

und bei Benutzung eines Berechnungsverfahrens für das Dipolmoment von G u g g e n h e i m 4 :

4tcNt j = A + - - [ / * ; ca + ^ c b 1

9kT

mit A = 3 (EL — nV (eL+2)(n2L+2)

und A = 3( f c

(Gl. 2)

nc) (ec + 2) (nj + 2)

Falls überhaupt keine Wechselwirkung zwischen den Komponenten eintritt, ist fx- definiert durdi

2 Angenommen wurde die Bildung von A- bzw. B-Verbindungen auch z. B. von E . M ü l l e r , Neuere An-schauungen der Organischen Chemie S. 137, 1940.

Die Abhängigkeit der J - W e r t e von der Konzentra-tion geht dann aus

4 .iNr d = A + L fA*(c&+ch) (Gl. 4)

9kT

hervor. Falls Wechselwirkung auftritt, gilt Gl. 3 — und damit auch Gl. 4 — nicht mehr. Bei unspezifischer Wechselwirkung kann dann eine Gesetzmäßigkeit gefunden werden, falls Auswertung nach Gl. 1 bei Einsetzen der Innere-Feld-Faktoren y\ nach Onsager erfolgt. Bei spezifischer Wechselwirkung, in unserem Fall bei Bildung der Produkte A oder B, sollten auch dabei Abweichungen im Gang der //2(ca, (^-Abhän-gigkeit auftreten; Berücksichtigung der vorliegenden Gleichgewichte dagegen sollte dann Formeln liefern, aus denen die Konzentrationsabhängigkeit der ju2

richtig hervorgeht.

Die gefundenen Werte für /j, (nach Debye) sind in Tab. 1, die Abhängigkeit A = f (ca/(ca + Cb)) in

3 N. J o r g e s u. A. N i k u r a d s e , Z. Naturforschg. 59, 259 [1950].

4 E. A. G u g g e n h e i m , Trans. Faraday Soc. 45, 714 [1949].

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Abb. 1 für das System Dimethylanilin-Anisaldehvd dargestellt; für das System Monomethvlanilin-Anisal-dehyd gilt Analoges.

Die Linearität der A = f (ca/(ca + Cb))-Kurven zeigt, daß bei den betrachteten Systemen weder spe-zifische nodi unspezifisdie Wechselwirkung beob-achtet werden kann. Grundsätzlidi kann das Ergeb-nis herrühren: 1. von mangelnder Genauigkeit der Meßmethode, 2. von einer nur sehr langsamen

Abb. 1. A-Werte im System Dimethylanilin—Anisaldehyd.

Gleichgewichtseinstellung in den Systemen und 3. von einer ungünstigen Gleichgewichtslage. Die mittleren Fehler in den /^-Werten sind in Tab. 1 mitaufgeführt; ein Überschlag zeigt, daß mit der Meßmethode das Auftreten zumindest des Zwitter-ions A nachweisbar sein müßte, falls seine Konzen-tration 2 % der Amin- oder Aldehydkonzentration überstiege. Eine Prüfung, ob langsame Gleich-gewichtseinstellung vorliegt, wurde bei Monomethyl-anilin-Anisaldehyd-Mischlösungen durchgeführt; der £-Wert dieser Lösungen änderte sich während meh-rerer Tage nicht.

Im übrigen bestätigen bei diesen Systemen auch die Messungen der Dichten die bei der dielektrischen Untersuchung gewonnenen Ergebnisse: Es tritt zwar in allen Lösungen eine Kontraktion auf; der Effekt ist jedoch sehr klein und nicht regelmäßig von der Zusammensetzung der Mischlösungen abhängig; er wird audi mit der gleichen Größenordnung in den Lösungen der reinen Komponenten beobachtet. Ein

solcher Volumeneffekt läßt sich zwanglos durch Sob vatation der polaren Moleküle deuten.

In den untersuditen verdünnten Mischlösungen aus Mono- bzw. Dimethylanilin und Anisaldehyd scheinen also die Gleichgewichte mit den B- bzw. A-Verbindungen nach II/l und II/2 weitgehend auf der Seite der Komponenten zu liegen. Nach den Gleidiungen für die Gleichgewichtskonstanten

^ kx ch Af"-E± K = . = • e RT

k—i «-i

kann dies einmal verursacht sein durch einen sehr kleinen Wert der Aktionskonstanten der Hinreak-tion, at, in Vergleich zu dem der entsprechenden Rück-reaktion, o.—iJ zum anderen durch eine vergleichs-weise große Aktivierungsenergie Ex — oder auch durch beide Gründe zusammen. Ein niedriger «-Wert war auch für die säure-katalysierte Kondensation ge-funden worden (Aktivierungsentropie — 1 8 , 8 cal • M o l - 1 • G r a d - 1 ) , hier war der schnelle Verlauf durch eine niedrige Aktivierungsenergie (5,7 kcal/Mol nach Arrhenius) bedingt worden. Falls man ähnliche Verhältnisse auch bei der unkatalysierten Umsetzung annimmt, müssen die Kondensationsprodukte eine große Zerfallswahrscheinlichkeit und geringe Akti-vierungsenergie zum Zerfall besitzen, was mit ihrer Auffassung als „labile Zwischenprodukte" in Über-einstimmung steht. Der eindeutige Verlauf der Kon-densation primärer Aniline mit Benzaldehyden wäre dann durch die Möglichkeit der Stabilisierung des Systems bei der Wasserabspaltung zur Schiffschen Base zu erklären. Im anderen Falle kann man als Postulate aufstellen: Die A- und B-Verbindungen sind zwar beständig, es ist jedoch wegen der Ab-schirmung des Reaktionszentrums in der Aminokom-ponente bei den geprüften alkylierten Anilinen der ö j -Wert außerordentlich klein, oder aber die Akti-vierungsenergie der unkatalysierten Kondensation ist als Folge des unterschiedlichen Reaktionsmechanis-mus sehr viel höher als die der katalysierten Um-setzung.

Zur Prüfung dieser letzten Möglichkeiten wurde die Kinetik der Kondensation des entsprechenden primären Amins, Anilin, mit Benzaldehyden dielektrisch untersucht. Als Lösungsmittel wurde hierbei Dioxan verwendet, das ein Arbeiten in homogener Phase audi bei Gegenwart von Wasser ermöglichte, außerdem durch Assoziation des Amins bedingte Störungen des Ganges in den Meßwerten infolge seiner entassoziierenden Wirkung verhinderte und schließlich die Anwendung höherer Temperaturen er-laubte; Vorversudie bei der Reaktion von Anilin mit Anisaldehyd zeigten nämlich, daß auch bei höheren Tem-

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K I N E T I K D E R B I L D U N G S C H I F F S C H E R B A S E N 3 7 3

peraturen nur sehr langsame Änderung der Dielektri-zitätskonstanten auftrat. Daher wurden die Umsetzungen mit dem schneller reagierenden m-Nitrobenzaldehyd bei 80° im Konzentrationsbereich 0,1—0,6 molar (Amin) und 0,1—0,2 molar (Aldehyd) durchgeführt. Bei den Ansätzen wurden 20 Einzelmessungen gemacht; typische f(£)-Werte der einzelnen Meßreihen sind in Tab. 2 zusammen-gestellt; eine f(f)-Kurve zeigt Abb. 2. Die Messungen waren gut reproduzierbar, falls man Säurespuren im Reaktionsgemisch sorgfältig ausschloß. Anderenfalls lief die Reaktion schon bei 15° schnell ab.

Allgemein ergibt sich aus den Messungen Folgen-des: Die Reaktion führt zu einem Gleichgewicht (f-Wert %i), das sowohl von der Seite Amin + Al-dehyd als auch von Seite Anil + Wasser erreicht wird.

2,51

f 2ß2 £

2,50

2,18

2,16

p im • 0 80 160 210 320 100 t [Minj **

Abb. 2. t(+) für die Reaktion von Anilin mit m-Nitro-benzaldehyd.

1 1 .Rückreaktion"

- —"x x ><—X-

„Hinreak —X H—i tion"

i 1 i i

,,Hinreaktion" „Rückreaktion"

t ca = 0,2 ca = 0,15 Cc = °>2 c c = 0,15

t c b = 0 , 2 ch = 0,15 c d = 0,2 cd = 0,15 [Min.] [Mol/Z] [Mol /I] [Mol II] [Mol//]

7 2,450 2,366 2,530 2,429 22 2,455 2,370 2,525 2,423 37 2,463 2,372 2,521 2,416 52 2,468 2,373 2,519 —

67 2,477 2,375 2,517 2,414 82 2,484 2,378 2,517 —

97 2,489 — — 2,414 112 — 2,382 — —

127 2,494 — — 2,414 142 — 2,387 — —

157 2,497 — — —

172 — 2,389 — —

187 2,500 — — —

202 — 2,394 — —

217 2,506 — — —

232 — 2,395 — —

247 2,511 — — —

262 — 2,395 — —

277 2,513 — — —

292 — 2,400 — —

307 2,513 — — —

337 2,513 — — —

367 2,513 — — —

CX) — 2,417 2,517 —

Der £-Wert, der das Mittel der £-Werte reiner Lö-sungen von Amin und Aldehyd (e/=0) und von Anil und Wasser (foc) darstellt, wird in einer Zeit („t50o/o") erreicht, die invers von den Konzentrationen der bei-den Reaktionspartner abhängig ist. Auch die Zeit bis zum Erreichen des Gleichgewichtszustandes ist mit den Konzentrationen verknüpft.

Eine Auswertung der Messungen ist möglich, falls man für die Dielektrizitätskonstante der Reaktions-lösungen einen linearen Ansatz macht, wie ihn z. B. auch L e F e v r e und N o r t h c o t t 5 vorschlagen. In unserem Fall (Anfangskonzentration an Aldehyd a, an Amin n-a; Konzentration an Anil bzw. Was-ser x; a, ß, y und Ö spezifische Konstanten für die einzelnen Reaktanten) gilt dann:

e = e0 + a (a — x) + ß(na — x) + yx + dx . (Gl. 5)

Eine Prüfung, ob diese Gleidrung anwendbar ist, schien uns für den Zeitpunkt t = 0 (x = 0) sowie für den Anfang der Rückreaktion (x = a) möglich; nach

£t=0 = «o + + n- ß) a bzw.

£co = fi0 + [7 + ö + ß(n — 1)] a

sollte hier et=0 bzw. linear abhängig von a oder n sein. Diese Beziehung war bei den untersuchten Lö-

Tab. 2. 6'-Werte für die Hin- und Rückreaktion. Anfangskonzentration an Amin: ca , an Aldehyd: an

Anil: cc, an Wasser: c<j.

sungen in allen Fällen sehr gut erfüllt. Vorausset-zung für die Anwendbarkeit von Gl. 5 ist weiterhin, daß außer Aldehyd, Amin, Schiffscher Base und Wasser keine Substanz Einfluß auf den £-Wert be-sitzt. Unter dieser Voraussetzung errechnet sich für die Gleichgewichtskonstante der Bruttoreaktion

RCHO + R'NH, ^ R C H = N R ' + H.O, (Gl. 6)

2 K = ^ (Gl. 7)

(•a — xgl) (na — xgl) (Sgl - ^ o ) 2

(£oo— fgl) ( " £ o o — et = o ( " — D — £gl} '

Die nach dieser Gleichung errechneten K-Werte sind in Tab. 3 zusammengestellt. Sie zeigen zwar Kon-stanz innerhalb der Versuchsreihen mit n = const., für die verschiedenen Reihen zeigt sich jedoch ein starker Gang: Erhöhung der relativen Aminkonzen-tration erniedrigt K. Die nach der Reaktionsgeschwin-digkeitsgleichung

5 R. W. J. L e F e v r e u. J. N o r t h c o 11, J. chem. Soc. [London] 1949, 944.

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3 7 4 K I N E T I K D E R B I L D U N G S C H I F F S C H E R B A S E N 374

a [Mol/Z]

n K Ci [Mol/!]

c2

0,2 16,0 0,6 4,0 0,15 1 13,5 0,4 3,7 0,1 17,2 0,4 4,3

0,2 4,5 1,0 6,0 0,15 2 5,3 0,9 6,7 0,1 2,1 0,3 3,3

0,2 2,2 1,0 5,6 0,15 3 2,4 0,8 6,0 0,1 1,7 0,4 4,4

Tab. 3. Nacli Gl. 3 errechnete K-Werte Anfangskonzentra-tion an Aldehyd: a, an Amin: n • a. K nach Gl. 7.

dx — - = k-,(a — x) (na — x) — /c_2 x~ dt

berechneten spezifischen Reaktionsgeschwindigkeiten sind ebenfalls nicht konstant.

Das bedeutet, daß die Voraussetzungen, unter denen Gl. 7 abgeleitet wurde, nicht zutreffen. Nun bleibt zwar für das Gleichgewicht nach Gl. 6 die Form der Gleichgewichtskonstanten ungeändert, die Abhängigkeit x(e) und damit auch K(e) ändert sich jedoch mit der speziellen Annahme über den Aufbau des Reaktionsgemisches und die Form von Gl. 5. Da-her rufen hier spezielle Annahmen über den Mecha-nismus der Kondensation — unbeschadet der Gül-tigkeit von Gl. 6 — Änderungen des Wertes von K(s) hervor.

Zwei Hypothesen können hier grundsätzlich be-handelt werden: Einmal Gültigkeit des Mechanis-mus II, jedoch mit speziellen Postulaten über Aus-maß und Reversibilität der einzelnen Schritte, zum anderen Auftreten eines andersartigen Mechanismus in Lösungsmitteln niedriger DK, wobei Assoziate komplexer Zusammensetzung aus Reaktanten und Produkten gebildet werden (zum Auftreten solcher Komplexe vgl. die Arbeiten von B e l l 6 ) .

Berechnungen unter Zugrundelegung von Mecha-nismus II, speziell unter Annahme reversibler oder irreversibler Bildung des Aldols als Zwischenprodukt ergeben entweder ebenfalls nicht-konstante K(e)-Werte oder führen zu nicht lösbaren Gleichungen, vor allem für die Reaktionsgeschwindigkeiten. Soweit prüfbar, können Spezialfälle des Mechanismus II die Ergebnisse bei der Kondensation von Anilin mit m-Nitrobenzaldehyd in Dioxan nicht erklären. Em-pirisch wurde gefunden, daß die Ausdrücke

r et=o)2

Ci = a ( £ o o - £ t = 0) ( £ o o - £ g l )

und C2 = (egi~~ £t = o)

( % o - e g l )

eine leidliche Konstanz aufweisen. C,- und C2-Werte sind in Tab. 3 mitvermerkt.

Zusammenfassend kann man sagen, daß für die unkatalysierte Bildung der Schiffschen Basen aus Anilin und Benzaldehyden in Lösungsmitteln niedri-ger Dielektrizitätskonstante wahrscheinlich nicht der anfangs skizzierte Mechanismus, wenigstens nicht in vereinfachter Form, gültig ist, sondern ein komplexer Reaktionsablauf angenommen werden muß. Die zur Umsetzung meßbarer Geschwindigkeit erforderliche hohe Reaktionstemperatur läßt auf eine — im Ver-gleich zur säure-katalysierten Reaktion — stark er-höhte Aktivierungsenergie der Kondensation schlie-ßen. Neben der sterischen Abschirmung wirkt eine analoge Vergrößerung der Aktivierungsenergie der Hirnreaktion auch ungünstig auf das Ausmaß der Wechselwirkung zwischen Anisaldehyd und Mono-bzw. Dimethylanilin.

Welcher Mechanismus der Anilkondensation in Dioxan zugrunde liegt, konnte noch nicht geklärt werden.

e R. P. B e l l , O. M. L i d w e l l u. J. W r i g h t , J. diem. Soc. [London] 1938, 1861 und früher.