Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2....

30

Transcript of Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2....

Page 1: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin
Page 2: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

Verkehrssicherheitskommunikation

Page 3: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

Christoph Klimmt • Marcus MaurerHardy Holte • Eva Baumann(Hrsg.)

Verkehrssicherheits­kommunikationBeiträge der empirischen Forschung zur strategischen Unfallprävention

Page 4: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

ISBN 978-3-658-01129-1 ISBN 978-3-658-01130-7 (eBook)DOI 10.1007/978-3-658-01130-7

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio-grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Springer VS© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikro-verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Mediawww.springer-vs.de

HerausgeberChristoph KlimmtHochschule für Musik, Theater und Medien HannoverDeutschland

Marcus MaurerUniversität JenaDeutschland

Hardy HolteBundesanstalt für StraßenwesenBergisch GladbachDeutschland

Eva BaumannUniversität BielefeldDeutschland

Page 5: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

V

Inhaltsverzeichnis

1 Verkehrssicherheitskommunikation: Definition und Herangehensweisen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 1

Christoph Klimmt, Marcus Maurer, Hardy Holte und Eva Baumann

Teil I Zielgruppen der Verkehrssicherheitskommunikation

2 Zielgruppe Kinder � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 11 Nicola Neumann-Opitz

3 Zielgruppe junge Fahrerinnen und Fahrer � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 35 Hardy Holte

4 Zielgruppe Seniorinnen und Senioren � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 53 Georg Rudinger

5 Zielgruppe Motorradfahrerinnen und -fahrer � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 81 Ariane von Below

Teil II Verkehrssicherheitskampagnen

6 Wirkungsmechanismen und Erfolgsfaktoren von Verkehrssicherheitskampagnen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 99

Hardy Holte und Ingo Pfafferott

7 Rezeption und Wirkung einer längerfristigen Kampagne: Runter vom Gas!, 2008 bis 2010 � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 117

Christoph Klimmt und Marcus Maurer

Page 6: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

VI Inhaltsverzeichnis

8 Rezeption und Wirkung der Kampagne Slow Down. Take it Easy 2009 bis 2012 � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 135

Thomas N� Friemel und Heinz Bonfadelli

9 Inszenierte Schlüsselereignisse: Die Medienresonanz der Verkehrssicherheitskampagne Runter vom Gas! � � � � � � � � � � � � � � � � � 159

Marcus Maurer und Richard Lemke

10 Rezeption und Wirkung der Kampagne Crash Kurs NRW � � � � � � � � � 175 Markus Hackenfort, André Bresges, Jeremias Weber und Uwe Hofmann

Teil III Verarbeitung von Botschaften der Verkehrssicherheitskommunikation

11 Persuasionsstrategien zur Alkoholprävention im Straßenverkehr � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 201

Eva Baumann, Constanze Rossmann und Matthias R� Hastall

12 Narrative Kommunikationsstrategien zur Förderung sicherheitsbewusster Einstellungen in der Verkehrserziehung � � � � � 221

Corinna Oschatz

13 Die Wirkungen von Computerspielen auf das Fahrverhalten � � � � � � 239 Christoph Klimmt, Lutz Jäncke und Peter Vorderer

14 Sicherheitskommunikation und Fahrerassistenzsysteme: Wie wirken sie zusammen? � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 255

Christhard Gelau

Teil IV Konzepte für die Unfallprävention der Zukunft

15 Kampagnenmanagement: Funktionsbereiche und Zeitbedarf für die Entwicklung von Verkehrssicherheitskampagnen � � � � � � � � � � � � � 269

Thomas N� Friemel und Karin Elbrecht

16 Targetingstrategien in der Verkehrssicherheitskommunikation zur Erreichbarkeit junger Risikogruppen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 287

Eva Baumann und Sarah Geber

Page 7: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

VIIInhaltsverzeichnis

17 Peer-Ansätze zur Prävention von Rauschmittelkonsum im Straßenverkehr bei jungen Fahrerinnen und Fahrern � � � � � � � � � � � � 309

Colette See

18 Innovationsperspektiven für die Wissenschaft und Praxis der Verkehrssicherheitskommunikation � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 331

Hardy Holte, Eva Baumann, Marcus Maurer und Christoph Klimmt

Page 8: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

IX

Über die Autoren

Dr. Eva Baumann ist Akademische Oberrätin auf Zeit an der Fakultät für Gesund-heitswissenschaften der Universität Bielefeld� E-Mail: eva�baumann@uni-bielefeld�de

Ariane von Below ist Diplompsychologin und arbeitet als wissenschaftliche Mit-arbeiterin bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)� E-Mail: vonbelow@bast�de

Dr. Heinz Bonfadelli ist Universitätsprofessor und Leiter der Abteilung Medien-realität und Medienwirkung am Institut für Publizistikwissenschaft und Medien-forschung der Universität Zürich� E-Mail: h�bonfadelli@ipmz�uzh�ch

Dr. André Bresges ist Universitätsprofessor für Physik und ihre Didaktik an der Universität zu Köln� E-Mail: andre�bresges@uni-koeln�de

Karin Elbrecht ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Universität Bremen�E-Mail: elbrecht@uni-bremen�de

Dr. Thomas N. Friemel ist Universitätsprofessor für Kommunikations- und Medienwissenschaft am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informa-tionsforschung (ZeMKI) der Universität Bremen und Leiter des Instituts für ange-wandte Kommunikationsforschung (IaKom) in Zürich�E-Mail: friemel@iakom�ch

Page 9: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

X Über die Autoren

Sarah Geber ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover�E-Mail: sarah�geber@ijk�hmtm-hannover�de

Dr. Christhard Gelau ist Privatdozent am Institut für Psychologie der Techni-schen Universität Chemnitz� E-Mail: christhard�gelau@psychologie�tu-chemnitz�de

Dr. Markus Hackenfort ist Professor für Verkehrs-, Sicherheits- und Umwelt-psychologie an der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften�E-Mail: markus�hackenfort@zhaw�ch

Dr. Matthias R. Hastall ist Juniorprofessor im Fachbereich Sprache und Kom-munikation der Fakultät Rehabilitationswissenschaften an der TU Dortmund�E-Mail: matthias�hastall@tu-dortmund�de

Uwe Hofmann ist Abteilungsleiter der Fachhochschule für öffentliche Verwal-tung Nordrhein-Westfalen in Duisburg�E-Mail: uwe�hofmann@fhoev�nrw�de

Dr. Hardy Holte ist Verkehrspsychologe bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in Bergisch Gladbach�E-Mail: holte@bast�de

Dr. Lutz Jäncke ist Universitätsprofessor und Inhaber des Lehrstuhls für Neuro-psychologie an der Universität Zürich� Gleichzeitig ist er Direktor des Universi-tären Forschungsschwerpunktes „Dynamics of Healthy Aging“ und Direktor des Kompetenzzentrums für Altersforschung (INAPIC) an der Universität Zürich�E-Mail: lutz�jaencke@uzh�ch

Dr. Christoph Klimmt ist Universitätsprofessor für Kommunikationswissen-schaft am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover�E-Mail: christoph�klimmt@ijk�hmtm-hannover�de

Richard Lemke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz�E-Mail: Richard�Lemke@uni-mainz�de

Page 10: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

XIÜber die Autoren

Dr. Marcus Maurer ist Universitätsprofessor für empirische Methoden am Insti-tut für Kommunikationswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena�E-Mail: marcus�maurer@uni-jena�de

Dr. Nicola Neumann-Opitz befasst sich bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in Bergisch Gladbach u� a� mit Fragen der Verkehrssicherheit von Kindern und Jugendlichen�E-Mail: neumann-opitz@bast�de

Corinna Oschatz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunika-tionswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena�E-mail: Corinna�Oschatz@uni-jena�de

Dr. Ingo Pfafferott war als Verkehrspsychologe der Bundesanstalt für Stra-ßenwesen, als Honorarprofessor der Universität Wuppertal und Schriftleiter der Zeitschrift für Verkehrssicherheit mit den Grundlagen und der Beeinflussung des Verkehrsverhaltens befasst�E-Mail: ingo�pfafferott@gmx�de

Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin auf Zeit am Institut für Kom-munikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Univer-sität München�E-Mail: rossmann@ifkw�lmu�de

Dr. Georg Rudinger war von 1974 bis 2010 Professor für das Fach Psychologie am Institut für Psychologie der Universität Bonn� Zurzeit ist er als Mobilitätsfor-scher Mitglied des BAGSO-Expertenrats und Sprecher des Zentrums für Alters-kulturen an der Universität Bonn�E-Mail: rudinger@uni-bonn�de

Colette See ist Referentin für Suchtprävention und neue Medien im Büro für Suchtprävention der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e� V�E-Mail: see@sucht-hamburg�de

Dr. Peter Vorderer ist Universitätsprofessor für Medien- und Kommunikations-wissenschaft am gleichnamigen Institut der Universität Mannheim�E-Mail: vorderer@gmail�com

Jeremias Weber ist Doktorand im Bereich Verkehrsphysik am Institut für Physik und ihre Didaktik der Universität zu Köln�E-Mail: jeremias�weber@googlemail�com

Page 11: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

1

Verkehrssicherheitskommunikation: Definition und Herangehensweisen

Christoph Klimmt, Marcus Maurer, Hardy Holte und Eva Baumann

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015C. Klimmt et al. (Hrsg.), Verkehrssicherheitskommunikation, DOI 10.1007/978-3-658-01130-7_1

C. Klimmt ()Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, Hannover, DeutschlandE-Mail: [email protected]

M. MaurerFriedrich-Schiller-Universität Jena, Jena, DeutschlandE-Mail: [email protected]

H. HolteBundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch Gladbach, DeutschlandE-Mail: [email protected]

E. BaumannUniversität Bielefeld, Bielefeld, DeutschlandE-Mail: [email protected]

1

1.1 Zielsetzung dieses Buches

Wie in vielen anderen Ländern der Welt hat sich die Verkehrssicherheit in Deutsch-land über einen langen Zeitraum kontinuierlich verbessert. Die International Traf-fic Safety and Data Analysis Group (IRTAD 2013) meldete für den Zeitraum von 1991 bis 2011 einen Rückgang der Anzahl im Straßenverkehr getöteter Personen in Deutschland um rund 65 % auf 4009. Die Anzahl der Verkehrsunfälle mit Per-sonenschaden ging im gleichen Zeitraum um etwa 20 % auf 306.266 zurück. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung besteht kein Zweifel daran, dass eine weitere Sen-kung der Anzahl von Verkehrsunfällen und Unfallopfern auch für die Zukunft eine zentrale Herausforderung darstellt, sowohl aus Sicht des öffentlichen Gesundheits-wesens als auch mit Blick auf volkswirtschaftliche Lasten. So lautet das im Ver-

Page 12: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

2 C. Klimmt et al.

kehrssicherheitsprogramm 2011 erklärte Ziel für Deutschland eine Reduktion der Zahl der Getöteten um 40 % bis zum Jahr 2020 (BMVBS 2011)� Ein Großteil der Verbesserung der Verkehrssicherheit in Deutschland in den vergangenen Jahrzehn-ten geht auf infrastrukturelle Veränderungen, fahrzeugtechnische Erneuerungen, Verbesserungen in der Rettungsmedizin, eine veränderte Fahrausbildung sowie auf die Einführung neuer Regelungen und Gesetze zurück� Einen wichtigen Beitrag leistet aber auch die Verkehrssicherheitskommunikation, deren Aufgabe im We-sentlichen darin besteht, die Verkehrsteilnehmer über wichtige Veränderungen der Verkehrsumwelt und über potenzielle Gefährdungen zu informieren sowie Einstel-lungen und Verhaltensweisen zu verändern� Der Verkehrssicherheitskommunika-tion kommt insbesondere dann größere Bedeutung zu, wenn die Umsetzung ande-rer Maßnahmen im Hinblick auf Kosten-Nutzen-Erwägungen und Machbarkeit an ihre Grenzen stößt� Häufig bildet eine gezielte Verkehrssicherheitskommunikation auch eine flankierende Maßnahme zur Einführung neuer Gesetze mit dem Zweck, Akzeptanz dieser Maßnahme in der Bevölkerung zu erreichen bzw� zu verstärken� Im komplexen Ursachen- und Wirkungsgefüge des Unfallgeschehens bleibt die Ausbildung oder Stabilisierung einer auf Verkehrssicherheit bedachten Einstellung der Fahrerinnen und Fahrer eine zentrale Konstante, von der entscheidende Wir-kungen auf Unfallrisiken und Unfallschwere ausgehen� Aus diesem Grund kommt der kommunikativen Unfallprävention – Informations- und Überzeugungsarbeit durch Kampagnen, in persönlichen Gesprächen, Broschüren, Werbebotschaften, Medienberichten, Online-Plattformen und über weitere Kommunikationswege – eine große Relevanz zu� Zahlreiche Akteure bemühen sich auf kommunaler, Lan-des- und Bundesebene darum, Risikogruppen für Verkehrsunfälle zu identifizieren und mit Botschaften der Unfallprävention zu erreichen� Welche Erfolge kommu-nikative Unfallprävention erzielen kann, hängt jedoch maßgeblich von ihrem stra-tegischen Zuschnitt ab, und dieser wiederum kann und sollte durch wissenschaft-liche Forschung unterstützt werden�

Der vorliegende Band bringt deshalb Beiträge von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammen, die aus verschiedenen Perspektiven unterschiedliche Aspekte der Verkehrssicherheitskommunikation beleuchten� Ihre Erkenntnisse aus konzeptionellen Analysen und empirischen Studien liefern wertvolle Ansatzpunk-te, um über die bestehenden Praktiken und Projekte der Verkehrssicherheitskom-munikation neu nachzudenken und künftige Vorhaben auf der Basis wissenschaft-lich-strategischer Überlegungen zu gestalten� Um diesen wissenschaftlichen An-spruch für die praktische Unfallprävention einzulösen, versammelt der vorliegende Band Studien, die spezifische Fragestellungen mit Blick auf verschiedene Ziel-gruppen der Unfallprävention und unter Anwendung unterschiedlichster Metho-den bearbeitet haben� Jeder Forschungsbericht enthält eine ausführliche Reflexion darüber, welche Folgen sich für die kommunikative Unfallprävention ergeben�

Page 13: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

31 Verkehrssicherheitskommunikation: Definition und Herangehensweisen

Ergänzt werden diese Forschungsbeiträge um konzeptorientierte Kapitel, die sich dezidiert mit vielversprechenden Ansätzen der strategischen Verkehrssicherheits-kommunikation, beispielsweise in den neuen Medien, auseinandersetzen�

Im Ergebnis entsteht somit ein breiter, aktueller Forschungsüberblick zur Ver-kehrssicherheitskommunikation im deutschsprachigen Raum, der sowohl interes-sierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Wege zu offenen Fragen und Anschlussprojekten weist als auch – und vor allem – Experten der Verkehrssicher-heitspraxis wissenschaftliche Erkenntnisse vermittelt, mit denen sie künftige Pro-jekte und Initiativen fokussierter, „strategischer“ und damit erfolgreicher planen und umsetzen können�

1.2 Zum Begriff „Verkehrssicherheitskommunikation“

Der Leitbegriff des vorliegenden Bandes ist bisher weder in der Verkehrspsycho-logie und praktischen Unfallprävention noch in der Kommunikationswissenschaft gebräuchlich, obwohl zahlreiche Fragestellungen, die etwas mit Verkehrssicherheit und Kommunikation zu tun haben, in Wissenschaft und Praxis seit Langem eine zentrale Rolle spielen� Aus Sicht der Verkehrspsychologie werden kommunikati-onsbezogene Frageperspektiven traditionell auf klassische Kampagnen bezogen, die etwa mit Plakat-Aktionen an Autobahnen arbeiten� Diese Sichtweise grenzt jedoch andere Aspekte systematisch von der Kommunikationsperspektive ab, wie etwa Maßnahmen der Verkehrserziehung, das Geschehen in der Fahrausbildung oder die Beeinflussung von Fahrerinnen und Fahrern durch elektronische Syste-me im Auto� In der Kommunikationswissenschaft und der Medienpsychologie wiederum existieren zwar thematisch verwandte Ansätze unter den Schlagworten „Risikokommunikation“ (z� B� Peters 1994) und „Gesundheitskommunikation“ (z� B� Baumann et al� 2012), doch wurden hier die Besonderheiten der Proble-matik Verkehrssicherheit bisher kaum systematisch berücksichtigt� Auch vor dem Hintergrund des dramatischen Wandels von Medien, Medientechnologien und Me-diengebrauch („Mediatisierung“, vgl� Couldry und Hepp 2013) und der Weiterent-wicklung von Kommunikationssystemen in Fahrzeugen (Goggin 2012) erscheint es angebracht, alte Grenzziehungen aufzugeben und die stetig voranschreitende Konvergenz von Technologien, Kommunikationsdiensten und Mediengeräten konzeptionell und nicht zuletzt begrifflich zu beherzigen�

7 Verkehrssicherheitskommunikation Unter „Verkehrssicherheitskommuni-kation“ verstehen wir daher zum einen alle Strategien, Formen und Prozesse der Informationsvermittlung, die darauf abzielen, in einer konkreten Verkehrssitua-

Page 14: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

4 C. Klimmt et al.

tion oder situationsübergreifend Verkehrsteilnehmer über wichtige Veränderungen der Verkehrsumwelt und potenzielle Gefährdungen aufzuklären sowie verkehrs-sicherheitsrelevante Einstellungen und Verhaltensweisen zu verändern� Zum an-deren fallen hierunter alle Prozesse der Informationsvermittlung, die verkehrssi-cherheitsrelevante Einstellungen und Verhaltensweisen beeinflussen können und vom Kommunikator nicht intendiert sind� Alle diese Vorgänge können Massen-, Online- und/oder Mobilmedien einbeziehen, aber auch ohne Medienbeteiligung („offline“, „face to face“) stattfinden� Sie können auf Individualebene sowie auf institutioneller oder Gruppenebene und über Multiplikatoren erfolgen� Verkehrs-sicherheitskommunikation kann somit direkt und indirekt sowie einseitig oder dia-logisch erfolgen�

Diese maximal inklusive Definition ermöglicht es, Fragestellungen, Konzepte, Strategien und Vorgehensweisen von vielen unterschiedlichen wissenschaftlichen und praktisch arbeitenden Akteuren im Feld der Verkehrssicherheit gemeinsam zu betrachten� Der theoretische Unterricht in Fahrschulen zählt demnach genauso zur Verkehrssicherheitskommunikation wie der Kinospot einer bundesweiten Präven-tionskampagne� Die Verbreitung von Handlungsempfehlungen über Social Media gehört ebenso dazu wie Warnhinweise in Renn-Computerspielen („Do not try this with real cars!“)� Auch sind hierdurch Fragestellungen inkludiert, die sich mit der inhaltlichen Struktur und dem Wirkungspotenzial der Unfallberichterstattung in der Presse sowie der Rahmung verkehrssicherheitsrelevanter Themen in fiktiona-len Unterhaltungsangeboten befassen und dadurch Hinweise auf Handlungsbedarfe in der strategischen Verkehrssicherheitsarbeit liefern� Natürlich müssen alle diese Erscheinungsformen von Verkehrssicherheitskommunikation einzeln und jeweils systematisch betrachtet werden� Doch könnten sich aus einer stärker integrativen Begriffsverwendung für die Zukunft neue theoretische und strategisch-praktische Pfade für die Förderung der Verkehrssicherheit und die Senkung von Unfall- und Unfallopferzahlen ergeben, weil die Wissensbestände vormals separat bearbeiteter Teilgebiete zusammengeführt und entlang ihrer Gemeinsamkeiten verknüpft wer-den könnten� Was beispielsweise im Fahrschulunterricht gut funktioniert, könnte man auch Eltern für ihre Verkehrssicherheitskommunikation bei der Übergabe des Wagenschlüssels an den 18-jährigen Sohn empfehlen� Die Identifikation von Risi-kogruppen in der Strategie großer Präventionskampagnen könnte auch Fahrlehrern bei der gezielten Ansprache unterschiedlicher Schüler helfen� Diese Beispiele sol-len verdeutlichen, dass der Begriff „Verkehrssicherheitskommunikation“ nicht nur aktuelle Medien-, Technik-, und Verhaltensentwicklungen abdeckt, sondern auch das Potenzial bietet, die Arbeit unterschiedlicher Akteure im Feld der Verkehrssi-cherheit neu zu integrieren�

Page 15: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

51 Verkehrssicherheitskommunikation: Definition und Herangehensweisen

1.3 Herangehensweisen an Verkehrssicherheitskommunikation

In wissenschaftlicher Hinsicht ist die Thematik des vorliegenden Bandes ein Para-debeispiel für Interdisziplinarität, finden doch die meisten relevanten Überlegun-gen im Grenzbereich zwischen Verkehrswissenschaften (insbesondere Verkehrs-psychologie) und Kommunikationswissenschaft (hier in den Teilgebieten Ge-sundheits- und Risikokommunikation sowie in der Medienpsychologie) statt� Aus diesem Grund gibt es auch nicht ‚die eine dominierende Herangehensweise‘ an Verkehrssicherheitskommunikation und auch nicht ‚den einen sich aufdrängenden roten Faden‘ für einen Überblicksband� Vielmehr findet sich eine erhebliche Hete-rogenität von Ansätzen, die in Abhängigkeit von disziplinären Wurzeln spezifische Schwerpunkte setzen – auf bestimmte Aspekte von „Verkehr“, „Sicherheit“, und/oder „Kommunikation“� Unsere Vermessung des Felds unter Berücksichtigung des bewusst breit definierten Begriffs der Verkehrssicherheitskommunikation ergibt mindestens vier zentrale Perspektiven� Sie spiegeln sich in den vier Hauptabschnit-ten dieses Bandes�

Zum einen existieren Ansätze, die eine ausgewählte Zielgruppe in den Mittel-punkt stellen (Teil I)� Nicht alle Menschen weisen die gleichen Risiken und Wahr-scheinlichkeiten auf, in Unfälle verwickelt zu werden oder im Straßenverkehr ver-letzt oder getötet zu werden� Risikogruppen zu erkennen ist daher eine notwendige Komponente strategischer Verkehrssicherheitskommunikation� Ihr Verhalten, ihre Einstellungen und sozialen Kontexte zu verstehen, ist der Schlüssel für ihre ef-fektive Ansprache� Die größten ‚Sorgenkinder‘ sind aus dieser Perspektive jene Personen, die in den Unfallstatistiken – gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil – am stärksten überrepräsentiert sind: junge Fahrer (vgl� Holte in diesem Band)� Aber auch für andere Bevölkerungskreise, etwa Kinder (vgl� Neumann-Opitz in diesem Band) oder Senioren (vgl� Rudinger in diesem Band), lassen sich spezifi-sche Unfallrisiken und die dafür verantwortlichen Personen- und Situationsmerk-male identifizieren� Zudem lassen sich Risikogruppen über ihre jeweilige Art der Verkehrsteilnahme beschreiben (z� B� Motorradfahrer: vgl� von Below in diesem Band)� Traditionell speisen sich solche zielgruppenorientierten Ansätze aus ver-kehrswissenschaftlichen Analysen der Unfallbeteiligung; sie bieten zugleich aber auch Anknüpfungspunkte an eher kommunikationswissenschaftliche Herange-hensweisen der Publikumssegmentierung und zielgruppenspezifischen Gestaltung von Botschaften und Medien�

Zweitens können Fragestellungen der Verkehrssicherheitskommunikation ihren Anfang bei der Betrachtung konkreter Maßnahmen nehmen – klassischerweise handelt es sich dabei um Präventionskampagnen, wie sie in vielen Ländern regel-

Page 16: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

6 C. Klimmt et al.

mäßig oder sogar dauerhaft realisiert werden (Teil II)� Dass solche Kampagnen und ihre Botschaften – verbreitet in der Regel über konventionelle Massen- und inzwischen zunehmend auch Online-Medien – einen relevanten Beitrag zur Ver-besserung der Verkehrssicherheit leisten, lässt sich empirisch nachweisen: In ihrer Meta-Analyse der Evaluationsforschung zu zahlreichen einzelnen Kampagnen er-mittelten Phillips et al� (2011), dass solche Kampagnen im Durchschnitt für eine Senkung der Unfallzahlen im jeweiligen Kampagnengebiet um 9 % sorgen� Be-kanntlich ist ein derartiger Effekt kein Selbstläufer� Hinter diesem Durchschnitts-wert verbergen sich außerdem Kampagnen mit vergleichsweise großer Wirkung, aber eben auch Kampagnen, die keinen nennenswerten Effekt hervorgebracht haben� Was die Unterschiede zwischen eher erfolgreichen und eher erfolgsarmen Kampagnen bedingt, gehört entsprechend zu den Frageperspektiven dieser Heran-gehensweise an Verkehrssicherheitskommunikation� Wie die Beiträge im zweiten Hauptteil dieses Bandes zeigen, nimmt sich die Begleitforschung zu Kampagnen ganz unterschiedlicher Aspekte an, nämlich neben unmittelbaren Wirkungen auf Publika und Zielgruppen (Klimmt und Maurer in diesem Band) beispielsweise auch der Medienberichterstattung über Kampagnen, die ebenfalls als praktisch be-deutsame Form der Verkehrssicherheitskommunikation gelten muss (Maurer und Lemke in diesem Band)�

Drittens rückt die Wirkung unterschiedlicher Erscheinungsformen von Ver-kehrssicherheitskommunikation als Anwendungsfall (medien-)psychologischer Fragestellungen zur Informationsverarbeitung und zu individuellen Reaktionen auf Beeinflussungsversuche in den Fokus der Betrachtung (Teil III)� Im Kern sol-cher Betrachtungen steht zumeist die Frage, wie einzelne Rezipientinnen und Re-zipienten auf strategisch gestaltete Verkehrssicherheitskommunikation reagieren oder aber solche (Medien-)Botschaften wahrnehmen, erleben und beurteilen, die unfallrelevante Informationen gewissermaßen als ‚Beimischung‘ enthalten (z� B� Spielfilme, vgl� Beullens und van den Bulck 2008, oder Computerspiele, vgl� Klimmt et al� in diesem Band)� Alternativ zur Betrachtung der Rezeption bestimm-ter Medienangebote stellt diese Herangehensweise an Verkehrssicherheitskommu-nikation auch die Gestaltung und Wirkungspotenziale verschiedener Botschafts-strategien in den Mittelpunkt (z� B� mit Blick auf Personen, die unter Alkoholein-fluss Auto fahren, vgl� Baumann et al� in diesem Band) oder befasst sich mit den Rezeptionsfolgen bestimmter Arten der Botschaftsgestaltung (z� B� Storytelling, vgl� Oschatz in diesem Band)�

Und viertens lassen sich Forschungs- und Praxisdiskurse beobachten, die den Aspekt der Innovation bei der (künftigen) Verbesserung und Wirksamkeitsstei-gerung von Verkehrssicherheitskommunikation betreffen (Teil IV)� Wie könnten neue, besonders wirksame, kosteneffiziente, überzeugungsstarke, verhaltensrele-vante und nachhaltig effektive Strategien der Unfallprävention aussehen? Die in

Page 17: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

71 Verkehrssicherheitskommunikation: Definition und Herangehensweisen

den anderen Abschnitten genannten Herangehensweisen und thematischen Fra-gestellungen haben für solche eher integrierende Perspektiven meistens eine die-nende Funktion, lassen sich doch Innovationen mit Blick auf Erkenntnisse über (Trends in) Risikogruppen (Teil I), die Effektivität bestehender (Kampagnen-)An-sätze (Teil II) und/oder medienpsychologische Erkenntnisse über die Publika von Verkehrssicherheitskommunikation (Teil III) entwickeln� Entsprechend vielfältig sind die Denkrichtungen in diesem Teilgebiet: Von strategischem Management von Kampagnen (Friemel und Elbrecht in diesem Band) bis hin zur Nutzung der Vor-teile neuester Medien (Baumann und Geber in diesem Band; See in diesem Band) reichen allein die Denkanstöße, die im vorliegenden Band gegeben werden�

Mit dem vorliegenden Band möchten wir in dem wichtigen Feld der Verkehrs-sicherheitskommunikation einen Beitrag zum Brückenbau leisten: Mehr Brücken zwischen verschiedenen Forschungsdisziplinen und -feldern, die aus verstärkter Zusammenarbeit und geteilten Begriffen heraus neue Erkenntnisse und Input für künftige Strategien entwickeln können� Mehr Brücken zwischen wissenschaft-licher Forschung und praktisch-strategischer Präventionskommunikation, deren innere Ablauforganisation, inhalts- und medienbezogenen Vorgehensweisen von verstärktem Dialog mit der Forschung profitieren könnten� Und Brücken zwischen der Gegenwart gezielt praktizierter (und ‚beiläufig passierender‘) Verkehrssicher-heitskommunikation einerseits und der Unfallprävention von morgen� Viele ori-ginelle Innovationsansätze können erheblich davon profitieren, wenn sie voran-gegangene Lösungsversuche hinsichtlich ihrer Verdienste und Defizite betrachten� Nicht zuletzt durch die Verwendung des breit gespannten Begriffs der Verkehrs-sicherheitskommunikation rufen wir mit diesem Band alle Akteure auf, die sich in Praxis und Wissenschaft um Verkehrssicherheitskommunikation bemühen, den Bezugsrahmen ihrer Arbeit auszuweiten und die Chancen zu nutzen, die eine Be-trachtung vermeintlich ‚ganz anderer‘ Ansätze als die eigenen bieten kann� Verkehr und Kommunikation sind im Wandel, und bessere Vernetzung sowie ein verbes-sertes inhaltliches Verständnis der Präventionsakteure untereinander sind zentrale Antworten auf die damit verbundenen Herausforderungen für die Verkehrssicher-heit und ihre Förderung�

Literatur

Baumann, E�, Lampert, C�, & Fromm, B� (2012)� Gesundheitskommunikation� In K� Hur-relmann & O� Razum (Hrsg�), Handbuch Gesundheitswissenschaften (5� Aufl�, S� 461–489)� Weinheim: Juventa�

Beullens, K�, & van den Bulck, J� (2008)� News, music videos and action movie exposure and adolescents’ intentions to take risks in traffic� Accident Analysis & Prevention, 40(1), 349–356�

Page 18: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

8 C. Klimmt et al.

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung [BMVBS]� (2011)� Verkehrssi-cherheitsprogramm 2011� Berlin: BMVBS�

Couldry, N�, & Hepp, A� (2013)� Conceptualizing mediatization: Contexts, traditions, argu-ments� Communication Theory, 23, 191–202�

Goggin, G� (2012)� Driving the internet: Mobile internets, cars, and the social� Future Inter-net, 4, 306–321� doi:10�3390/fi4010306�

IRTAD� (2013)� Road safety annual report 2013� http://internationaltransportforum�org/irtadpublic/pdf/13IrtadReport�pdf� Zugegriffen:13� Feb� 2014�

Peters, H� P� (1994)� Risikokommunikation in den Medien� In K� Merten, S� J� Schmitt, & S� Weischenberg (Hrsg�), Die Wirklichkeit der Medien (S� 329–351)� Opladen: VS Verlag für Sozialwissenschaften�

Phillips, R� O�, Ulleberg, P�, & Vaa, T� (2011)� Meta-analysis of the effect of road safety cam-paigns on accidents� Accident Analysis & Prevention, 43(3), 1204–1218�

Page 19: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

Teil I

Zielgruppen der Verkehrssicherheitskommunikation

Page 20: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

11

Zielgruppe Kinder

Nicola Neumann-Opitz

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015C. Klimmt et al. (Hrsg.), Verkehrssicherheitskommunikation, DOI 10.1007/978-3-658-01130-7_2

N. Neumann-Opitz ()Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch Gladbach, DeutschlandE-Mail: [email protected]

2

2.1 Kinderunfälle in Deutschland laut amtlicher Unfallstatistik

Wird in der amtlichen Unfallstatistik von „Kinderverkehrsunfällen“ gesprochen, so betrifft es die Verkehrsunfälle der Altersgruppe der Personen unter 15 Jahren. Da-rüber hinaus sind in der amtlichen Unfallstatistik nur solche Unfälle als Verkehrs-unfälle geführt, die polizeilich aufgenommen wurden. Unfälle beispielsweise, die sich zwar im Straßenverkehr ereignen, zu denen aber keine Polizei hinzugezogen wurde, tauchen in der amtlichen Unfallstatistik nicht auf. Vor allem bei Unfällen mit dem Fahrrad ist von einer Dunkelziffer auszugehen, besonders bei Alleinun-fällen und leichteren Unfällen (vgl. Hautzinger et al. 1993; Holte 2010). Auch die Unfallzahlen des Verbandes der Unfallkassen, der die Unfälle von Kindern und Jugendlichen in Kindergärten, Schulen und Berufskollegs entschädigt, deuten auf eine hohe Dunkelziffer in der amtlichen Unfallstatistik, da hier die Anzahl der im Straßenverkehr verletzten Kinder höher ist als in der amtlichen Unfallstatistik. Dennoch zeigt jede Statistik für sich über die Jahre Entwicklungen und Trends auf.

Laut amtlicher Unfallstatistik verunglückten1 in der Bundesrepublik Deutsch-land im Jahr 2012 387.978 Personen im Straßenverkehr, davon 29.321 Kinder. Der

1 Verunglückte im Straßenverkehr: Personen (auch Mitfahrer), die bei Unfällen im Straßen-verkehr verletzt oder getötet werden.

Page 21: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

12 N. Neumann­Opitz

Anteil der Kinder unter 15 Jahren bei Verkehrsunfällen betrug damit 7,6 %, ihr Bevölkerungsanteil lag bei 13,3 %� Auf den Bevölkerungsanteil der Altersgruppe bezogen verunglückten im Jahr 2012 269 Kinder unter 15 Jahren je 100�000 Ein-wohner�

Die Darstellung der Verunglücktenzahlen im zeitlichen Verlauf seit 1953 pro 100�000 der Altersgruppe verdeutlicht die Veränderungen in den vergangenen 50 Jahren (Abb� 2�1)� Während ab 1953 die Anzahl der im Straßenverkehr getöteten Kinder je 100�000 zunächst stetig zunahm und 1970 einen Höhepunkt erreichte, kann seither eine positive Entwicklung beobachtet werden� Zwischen 1970 und 1985 wurde die Anzahl der getöteten Kinder zunächst rapide um rund 75 % redu-ziert und sank im weiteren Verlauf nochmals kontinuierlich – jedoch nicht mehr in den Größenordnungen der Vorjahre� Die absoluten Unfallzahlen verdeutlichen, von welchen Größenordnungen hier gesprochen wird: 1953 wurden 1147 Kinder im Straßenverkehr getötet, bis 1970 verdoppelte sich diese Zahl nahezu auf 2167� Im Jahr 2012 starben 73 Kinder im Straßenverkehr, das sind 97 % weniger als 1970� Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Motorisierung seit 1953 deutlich zu-genommen hat� Der Bestand an Pkw betrug 1953 gerade einmal 1,2 Mio� In 2010 waren es 41,7 Mio� Auch der Bestand an Fahrrädern hat sich vervielfacht (vgl� Abb� 2�1)�

Abbildung 2�2 verdeutlicht die Struktur der Unfälle bei verunglückten Kindern je 100�000 der Altersgruppe nach der Art der Verkehrsteilnahme in den letzten zwanzig Jahren� Danach ist bei den Fußgängerunfällen von Kindern in dieser Zeit ein kontinuierlicher Rückgang feststellbar; insgesamt weisen die Fußgänger eine

024681012141618

0102030405060708090

1953 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010

je 1

00.0

00

in M

io.

Jahr

Im Straßenverkehr getötete Kinder je 100.000 der AltersgruppeFahrrad-und Pkw-Bestand in Mio. seit 1953

Fahrrad-Bestand in Mio. Pkw-Bestand in Mio. Getötete Kinder je 100.000

Abb. 2.1 Im Straßenverkehr getötete Kinder/100�000 der Altersgruppe und Pkw- und Fahr-radbestand im Zeitverlauf� ©

Page 22: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

132 Zielgruppe Kinder

geringere Unfallbelastung als die Mitfahrer in Pkw oder die Radfahrer auf� Die Entwicklung bei den Verkehrsunfällen der Radfahrer war in den letzten Jahren uneinheitlich, tendenziell sinken die Unfallzahlen� Die Anzahl der Kinder, die als Pkw-Mitfahrer verunglückten, zeigt in den letzten Jahren einen gleichbleibenden Trend, wobei 2010 erstmals seit 2002 wieder mehr Kinder in Pkw als Mitfahrer getötet wurden als bei der Verkehrsteilnahme als Radfahrer�

Wie die aktuellen Daten aus dem Jahr 2012 zeigen, steigt die Gefährdung mit dem Alter der Kinder je nach Art der Verkehrsteilnahme in unterschiedlichem Maße (vgl� Abb� 2�3)� Während Kinder im Alter unter einem Jahr am häufigsten als Mitfahrer in Pkw verunglücken (477 verunglückte Kinder < 1 Jahr), sind Fuß-gängerunfälle von Kindern im Verkehr in nennenswertem Umfang ab einem Alter von ca� 3 Jahren zu beobachten, mit zunehmender Anzahl bei zunehmendem Alter� Die meisten Verkehrsunfälle der Fußgänger im Alter unter 15 Jahren ereignen sich im Alter von ca� 11 Jahren (785 verunglückte Kinder)� Ab ca� 4 Jahren werden in zunehmendem Maße Kinder als verunglückte Radfahrer in der amtlichen Unfall-statistik genannt� Ab ca� 10 Jahren verunglücken Kinder am häufigsten mit dem Rad im Straßenverkehr� Es ist davon auszugehen, dass der Wechsel zu weiterfüh-renden Schulen und den damit verbundenen weiteren Schulwegen, die häufiger mit dem Rad zurückgelegt werden, eine wichtige Rolle spielen (vgl� Funk et al� 2002)�

0

20

40

60

80

100

120

140

160

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

VU/1

00.0

00

Jahr

FußgängerRadfahrerMi�ahrer in Pkw

Abb. 2.2 Bei Straßenverkehrsunfällen verunglückte Kinder/100�000 nach Art der Verkehrs-teilnahme im Zeitverlauf� ©

Page 23: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

14 N. Neumann­Opitz

Wie aus der Unfallstatistik von 2012 hervorgeht, sind Jungen stärker gefähr-det, im Straßenverkehr zu verunglücken als Mädchen (56 % Jungen vs� 44 % Mäd-chen)� Das gilt insbesondere für die aktive Verkehrsteilnahme als Radfahrer (66 vs� 34 %) und Fußgänger (58 vs� 42 %)� Die Ursachen für die höhere Unfallbeteiligung sind vielfältig� So kann einerseits von einer höheren Exposition der Jungen ausge-gangen werden (Jungen nutzen das Rad häufiger als Mädchen), andererseits spielt die geschlechtsspezifische Sozialisation eine Rolle� Die höhere Unfallbeteiligung von Jungen spiegelt sich auch in anderen Lebensbereichen wider, so z� B� bei den Schul- und Sportunfällen (vgl� DGUV 2011)� Mädchen verunglücken demgegen-über häufiger als Pkw-Insassen als die Jungen (53 vs� 47 %)�

Für das Entstehen und den Verlauf von Kinderunfällen im Straßenverkehr sind zudem bestimmte Kontexte relevant, die sich aus dem Tagesablauf der Kinder er-geben� Wie Abb� 2�4 zeigt, steigt die Anzahl der Verkehrsunfälle morgens auf dem Hinweg zur Schule zwischen 7 und 8 Uhr und fällt während der Unterrichtszeit bis ca� 12 Uhr wieder ab� Auf dem Weg nach Hause, vor allem aber nachmittags zwi-schen 15 und 18 Uhr, ereignen sich die meisten Unfälle� Funk et al� (2002) weisen darauf hin, dass sich etwa die Hälfte der Kinderunfälle im Straßenverkehr in einem Umkreis von nur etwa 500 m und etwa 90 % der Unfälle in einem Umkreis von ca� 1000 m um die Wohnung der Kinder zutragen (Abb� 2�4)�

2.2 Zielgruppendefinition

Im Hinblick auf die Gestaltung von Verkehrsaufklärungsmaßnahmen für Kinder ist zu berücksichtigen, dass sich die Gesamtgruppe der Kinder sehr heterogen zu-sammensetzt� Nicht einmal das Alter der Zielgruppe „Kinder“ wird einheitlich

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

1800

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

VU

Alter

FußgängerRadfahrerMitfahrer in Pkw

Abb. 2.3 Bei Straßenverkehrsunfällen verunglückte Kinder nach Art der Verkehrsteilnahme und Alter 2012� ©

Page 24: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

152 Zielgruppe Kinder

definiert� So werden beim Statistischen Bundesamt – wie bereits erwähnt – als Kinder diejenige Altersgruppe der unter 15-Jährigen beschrieben� Nach der Kin-derrechtskonvention der UNO ist Kind, wer das 18� Lebensjahr noch nicht voll-endet hat� Selbst im deutschen Recht gibt es uneinheitliche Definitionen: Nach dem Jugendschutzgesetz (§ 1), ist Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, nach dem Aufenthaltsgesetz (§ 32) ist Kind wer das 16� Lebensjahr noch nicht vollendet hat�

Des Weiteren durchläuft der Mensch von der Geburt bis zum 18� Lebensjahr eine Entwicklung in motorischer, kognitiver oder sozialer Hinsicht, die so weit-reichend und vielschichtig ist, dass je nach Alter, persönlicher und sozialer Situa-tion unterschiedliche Verkehrssicherheitsproblematiken relevant werden (vgl� u� a� Limbourg 2008) und damit unterschiedliche Kommunikationsinhalte, -formen und -wege zu beschreiten sind�

Unter anderem verändert sich im Laufe der Entwicklung die Art der Verkehrs-teilnahme grundlegend� Während Babys und Kleinkinder nicht bewusst das Mo-bilitätsverhalten steuern, nehmen Grundschüler eigenständig als Fußgänger am Straßenverkehr teil; mit dem Wechsel zur weiterführenden Schule werden dann häufiger öffentliche Verkehrsmittel und das Fahrrad genutzt� Entsprechende Un-fallmuster spiegeln die einzelnen Phasen wider (vgl� Abb� 2�3)�

Die Maßnahmen zur Senkung der Unfallzahlen von Kindern richten sich daher nicht nur an die Zielgruppe selbst, vielmehr haben sich Kommunikationsstrukturen herausgebildet, die je nach Problem und Zielrichtung häufig Eltern, Erzieher und Lehrer fokussieren� Aber auch Polizeibeamte und Politiker, Städte und Kommunen können Empfänger verkehrssicherheitsrelevanter Informationen sein, die ihrerseits entsprechende Informationen an die Zielgruppe richten�

0

500

1000

1500

2000

2500

6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21-23 0-6Uhrzeit

Verunglückte Fußgänger und Radfahrer von 6 bis unter15 Jahren nach Tageszeit 2012

VU

Abb. 2.4 Bei Straßenverkehrsunfällen verunglückte Kinder als Fußgänger und Radfahrer nach Tageszeit� ©

Page 25: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

16 N. Neumann­Opitz

2.3 Verkehrserziehung in Deutschland

Die Verkehrserziehung bzw� Verkehrsaufklärung ist im weitesten Sinne die Um-setzung von Verkehrssicherheitskommunikation� Sie ist in Deutschland auf ver-schiedenen gesellschaftlichen Ebenen angesiedelt und zeichnet sich durch interdis-ziplinäre Kooperationen und Vielfalt aus (vgl� Abb� 2�5)�

Der schulischen Verkehrs- und Mobilitätserziehung kommt hierbei eine heraus-ragende Rolle zu, was mit der hohen Erreichbarkeit der Zielgruppe, aufgrund der Schulpflicht in Deutschland, zusammenhängt� Wegen der föderalen Staatsstruktur sind für die schulische Verkehrs- und Mobilitätserziehung die Länder zuständig� Daher werden in Deutschland von jedem Bundesland eigene Curricula und Hand-reichungen für Verkehrserziehung an den Schulen erarbeitet, die unterschiedliche Akzente setzen� Dies betrifft die Zielsetzungen, die Inhalte, den Stundenumfang und die Methoden� Um eine Harmonisierung der schulischen Verkehrserziehung zu erreichen, wurde 1972 durch die Länderminister eine „KMK-Empfehlung zur Verkehrserziehung“ verabschiedet� Diese wurde 1994 und 2012 überarbeitet� Im

Abb. 2.5 Verkehrserziehung in Deutschland� ©

Page 26: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

172 Zielgruppe Kinder

Rahmen dieser Empfehlung sind u� a� Themen und Methoden der Verkehrserzie-hung abgesteckt� Jedes Bundesland gestaltet auf dieser Grundlage seine Curricula�

Die Schulen werden in den Ländern durch speziell ausgebildete Polizeibeamte unterstützt (z� B� bei der Schulwegsicherung oder der Radfahrausbildung)� Diese sind darüber hinaus auch in der außerschulischen Verkehrssicherheitsarbeit aktiv� Als weitere Organisationen, die sowohl schulische als auch außerschulische An-gebote entwickeln und/oder umsetzen, sind die Deutsche Verkehrswacht (DVW), der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR), verschiedene Unfallversicherungen und Interessenverbände, wie kirchliche Organisationen, Unternehmen, Automo-bilclubs zu nennen�

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unter-stützt meist Maßnahmen der außerschulischen Verkehrserziehung über den DVR und die DVW, z� B� mit dem Programm „Kind und Verkehr“, welches Eltern und Erzieherinnen von Vorschulkindern fokussiert, und dem an Erzieherinnen gerich-teten Programm „Kinder im Straßenverkehr“� Auch die Länder beteiligen sich mit verschiedensten Aktivitäten an verkehrserzieherischen Maßnahmen�

Entsprechend der zahlreichen Umsetzer und dem breitgefächerten Maßnahmen-angebot haben sich im Bereich der Verkehrserziehung und der Verkehrsaufklärung kaum zu überblickende netzwerkartige Kommunikationsstrukturen herausgebil-det� Exemplarisch am Thema „Kinder als Radfahrer“ wird deutlich, wie komplex verschiedene Zielgruppen bzw� Multiplikatoren auf unterschiedlichen Ebenen mit-einander verzahnt sind, um Kinder und Jugendliche auf der Ebene der Maßnahmen zu erreichen (vgl� Abb� 2�6)� Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die einzelnen Gruppen wiederum in Subgruppen unterteilen lassen und auch die Fragestellungen und Kommunikationswege je nach spezifischer Situation zu differenzieren sind�

Beispielhaft für verschiedene Kommunikationsformen und Angebote werden im Folgenden ausgewählte Ansätze und Maßnahmen dargestellt�

2.4 Verkehrssicherheitskommunikation in der Verkehrserziehung – Beispiele

2.4.1 Kinderrückhaltesysteme in der Aufklärungsarbeit

Die Zahl der bei Verkehrsunfällen im Jahr 2012 in Pkw getöteten Kinder übersteigt deutlich die Zahl der als Fußgänger oder als Radfahrer Getöteten (tödlich verun-glückte Kinder: 34 Mitfahrer in Pkw, 20 Fußgänger, 16 Radfahrer) (Statistisches

Page 27: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

18 N. Neumann­Opitz

Bundesamt 2013)� Daher kommt der Nutzung von Kinderrückhaltesystemen, die die Sicherheit von Kindern in Pkw deutlich erhöhen, eine besondere Bedeutung zu� Wie die jährlichen Erhebungen der Bundesanstalt für Straßenwesen zeigen, werden entsprechende Systeme regelmäßig verwandt: Im Jahr 2012 lag die Siche-rungsquote mit Kinderrückhaltesystemen bei 83 %� 14 % der Kinder wurden aus-schließlich mit Gurt gesichert (vgl� von Below 2013)� Neben den Beobachtungen der BASt wurde 2011 vom ADAC ein „Kindersitz-Check“ durchgeführt� Kontrol-liert wurden insgesamt 2325 Kinder in ca� 1500 Fahrzeugen� Fast ein Drittel der überprüften Schüler�

Schüler von 6 bis 12 Jahren waren nicht vorschriftsmäßig im Auto gesichert� 5 % der Kinder wurden gar nicht angegurtet, 20 % saßen nicht in einem der für diese Altersgruppe erforderlichen Sitz (vgl� ADAC-Motorwelt 2011)�

Im Gegensatz zur Frage der Sicherung von Erwachsenen in Pkw, ist das The-ma der Nutzung von Kinderrückhaltesystemen wesentlich vielschichtiger und um-fangreicher, da hier die zu vermittelnden Botschaften weit über den Appell zur Nutzung entsprechender Systeme hinausgehen: Je nach Alter, Gewicht und Grö-ße der Kinder sind unterschiedliche Sitze zu verwenden� Zudem werden auf dem Markt diverse Systeme mit unterschiedlicher Sicherungswirkung angeboten; auch ist nicht jeder Sitz für jeden Pkw geeignet� Regelmäßige Tests, wie etwa der Stif-

Polizei

ADFCDVW

KommunenDVR

Erzieher

ADACBund/

Länder

Aus-,fortbildung

… ………

Vor-übungen(Roller,

Laufrad…)

Moto-risches

Radfahr-training

Radfahrenim

Schonraum

Fahrrad-helm

Radfahrenin der

Verkehrs-wirklichkeit

Infra-struktur

Lehrer

Eltern

Abb. 2.6 Kommunikationsstrukturen zum Thema „Kinder als Radfahrer“� ©

Page 28: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

192 Zielgruppe Kinder

tung Warentest oder von EuroNCap, geben Aufschluss über die Sicherheit, Nutzer-freundlichkeit oder den Preis� Zudem treten – wie beschrieben – Bedienungsfehler auf; außerdem verweigern sich manche Kinder dem Angurten� Zu berücksichtigen sind auch die verhältnismäßig hohen Anschaffungskosten�

Im Hinblick auf die Verkehrsaufklärungsarbeit zu diesem Thema gab und gibt es verschiedenste Maßnahmen, die von Kampagnen über Broschüren bis hin zu Schulungsangeboten reichen� Dabei werden neben Appellen an Eltern bzw� Fahr-zeugführer auch Kinder angesprochen� Im Rahmen einer europaweiten Initiative beispielsweise, die in Deutschland unter dem Namen „Gordan, das Gürteltier“ bis heute läuft, werden Kinder mittels einer Symbolfigur namens Gordan zum An-gurten motiviert� Weitere Komponenten der Kampagne sind ein Internetspiel und ein Quiz für Kinder� Die Eltern erhalten über eine Broschüre Informationen zu den verschiedenen Sicherungssystemen und weitere nützliche Anregungen zum Thema2� Wie die Begleitevaluation an einer Stichprobe von rund 1400 Eltern und Kindern zeigte, war die Kampagne mit mindestens einer Kampagnenkomponente bei 49 % der befragten Eltern bekannt� Von den befragen Kindern kannten 21 % die Kampagne, die das Symboltier Gordan überwiegend positiv bewerteten� Dem-gegenüber waren den befragten Kindern die Internetanimationen praktisch nicht bekannt (vgl� Günther 2006)� Positiv ist hervorzuheben, dass die Kampagne über-haupt im Hinblick auf verschiedene Wirkmechanismen evaluiert wurde� Nach wie vor gehört die wissenschaftliche Begleitung von Verkehrssicherheitskampagnen in Deutschland nicht zum Standard, da hierfür häufig keine finanziellen Mittel eingeplant bzw� zur Verfügung gestellt werden� Evaluationen liefern dann wert-volle Informationen, wenn Maßnahmen über einen längeren Zeitraum laufen und dadurch Nachsteuerungen möglich sind� Evaluationen mit der Zielrichtung, den „Bekanntheitsgrad“ oder die „Akzeptanz“ zu ermitteln, geben demgegenüber bei-spielsweise keinerlei Anhaltspunkte im Hinblick auf Verhaltensänderungen: ob und zu welchem Prozentsatz sich Kinder aufgrund des Kontaktes mit einer Maß-nahme häufiger angurten und inwieweit Eltern ihr Verhalten im Hinblick auf das Sicherungsverhalten der Kinder änderten� Eine umfangreichere Evaluation erfolg-te bei einer in Pennsylvania durchgeführten Kampagne, in der neben der üblichen Aufklärungsarbeit auch Kindersitze an die Zielgruppe verteilt wurden� Sechs Mo-nate nach der Intervention konnte eine Steigerung der Sicherungsquote von 39 % auf 50 % erreicht werden (vgl� Bryant-Stephens et al� 2013)�

Bei der Sicherung von Kindern in Pkw geht es allerdings nicht nur um die Nut-zung der Sitze an sich, sondern auch um die fachgemäße Sicherung der Kinder� Zu diesem Thema bieten der ADAC und Volkswagen seit 2003 sogenannte Modera-torenveranstaltungen mit dem Namen „Sicher im Auto“ an� Angesprochen werden

2 http://www.gordan-online.de/impressum.php (zuletzt aufgerufen 7.11.2013)

Page 29: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

20 N. Neumann­Opitz

Familien, Großeltern, Betreuer von Kindern oder Personen, die Kinder befördern (z� B� in Sportvereinen)� Die Veranstaltungen befassen sich mit der richtigen Si-cherung von Kindern in Pkw, sensibilisieren und zeigen Risiken bei der Kindersi-cherung auf, bieten ein gezieltes Training zur Vermeidung falscher Bedienung von Kinderrückhaltesystemen und halten Informationen als Entscheidungsgrundlage beim Kauf eines Kindersitzes bereit� Die Veranstaltungen finden u� a� in Volks-wagen-Autohäusern und Kindergärten statt (www�sicher-im-auto�com)� Jährlich werden nach Angaben des ADAC etwa 2000 Veranstaltungen angeboten� Zu der Frage, in welchem Umfang das Programm bei der Zielgruppe bekannt ist oder inwieweit die Ziele der Maßnahme erreicht werden, liegen keine entsprechenden Evaluationen vor�

2.4.2 Elternveranstaltungen: „Kind und Verkehr“

Laut einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen zur „Verkehrserziehung in Kindergärten und Grundschulen“ (vgl� Funk et al� 2013) wurde in 20 % der Kinder-gärten 2009/2010 im Rahmen von Elternveranstaltungen das Thema der Verkehrs-sicherheit angesprochen� In der Regel sind damit die Elternveranstaltungen „Kind und Verkehr“ des DVR und seiner Umsetzerverbände gemeint, von denen derzeit jährlich ca� 3000 mit über 70�000 Teilnehmern durchgeführt werden� Dieses Pro-gramm wurde in den 1980er Jahren entwickelt und galt damals als wegweisend für alternative Anspracheformen in der Verkehrssicherheitskommunikation� Erstmals wurden Eltern im Rahmen von Veranstaltungen in Kindergärten durch ausgebilde-te Moderatoren über die Belange der Verkehrssicherheit ihrer Kinder und den kon-kreten Handlungsmöglichkeiten unterrichtet� Dabei erhielten Eltern Informationen über die entwicklungsbedingten Voraussetzungen ihrer Kinder und die dadurch be-dingten Probleme im Straßenverkehr sowie mögliche Handlungsstrategien�

Um die Verkehrssicherheit von Vorschulkindern zu verbessern, erwiesen sich die Eltern als Zielgruppe als besonders geeignet, weil es diejenigen sind, die mit den Kindern am häufigsten wiederkehrende Situationen im Straßenverkehr erle-ben und damit am intensivsten mit ihnen entsprechende Situationen üben kön-nen� Neben dem Thema „Kinder als Fußgänger“ wurden weitere Bausteine – etwa „Kinder als Radfahrer“ – entwickelt� Heute umfasst das Konzept insgesamt zwölf Module mit verschiedenen Schwerpunkten� Kern des Konzepts ist die Ausbildung von sogenannten Moderatoren� Es werden solche Personen ausgewählt, die mit dem Thema der Verkehrssicherheit vertraut sind, z� B� Polizeibeamte oder Mitglie-der der Verkehrswachten� Die Moderatoren werden in Seminaren geschult� Da im-mer wieder Moderatoren wegfallen, gehört die Ausbildung neuer Moderatoren zu einer der Daueraufgaben des Projektes (vgl� DVR 2013)� Das Prinzip der modera-

Page 30: Verkehrssicherheitskommunikationdownload.e-bookshelf.de/download/0003/9311/48/L-G... · 2016. 2. 13. · E-Mail: ingo pfafferott@gmx de Dr. Constanze Rossmann ist Akademische Rätin

212 Zielgruppe Kinder

torenbasierten Ansprache wurde im Übrigen auf diverse weitere Zielgruppen (u� a� Motorradfahrer, Senioren) übertragen� Im Vergleich zu früher ist die Umsetzung derartiger Veranstaltungen heute ungleich schwerer, da gesellschaftliche Verände-rungen sich auf den Alltag von Eltern, Kindern und Einrichtungen auswirken� Die Zunahme von berufstätigen und alleinerziehenden Müttern, ein geändertes Me-diennutzungsverhalten und geringere Diskussionsfreude als in den 1980er Jahren sind hier zu nennen� Den Rückgang von Veranstaltungen zur Verkehrserziehung erklären Erzieherinnen auch damit, dass im Rahmen der Elternarbeit eher andere Schwerpunkte gesetzt werden (82 %) und bei den Eltern wenig Interesse am Thema Verkehrssicherheit bestehe (44 %) (vgl� Funk et al� 2013)� Angesichts der großen Bandbreite an inhaltlichen Fragestellungen (frühkindliche Förderung, motorische und soziale Probleme, Ernährungsfragen) ist diese Argumentation durchaus nach-vollziehbar, auch der Rückgang der Verkehrsunfallzahlen könnte Ursache für das nachlassende Interesse der Eltern an Elternveranstaltungen zum Thema „Kinder-verkehrssicherheit“ sein� Diese Entwicklung stellt eine Herausforderung für die Umsetzerverbände der Verkehrssicherheit dar, die der DRV derzeit mit weiteren Angeboten für Erzieherinnen beantwortet� Dieser neue Baustein befindet sich zur-zeit mit ca� 300 Veranstaltungen und ca� 500 Akquisegesprächen in Kindergärten im Aufbau (vgl� DVR (2013)�

2.4.3 Verkehrs- und Mobilitätserziehung in Kindergärten

Die Umsetzung von erzieherischen Maßnahmen erfolgt nicht nur über die Eltern durch Programme wie „Kind und Verkehr“, vielmehr finden Verkehrs- und Mo-bilitätserziehung auch regelmäßig und spontan mit der Zielgruppe der Kinder in Kindergärten statt (vgl� Abb� 2�7)� Funk et al� (2013) belegen, dass in diesen Ein-richtungen die Verkehrserziehung keinesfalls eine randständige Rolle einnimmt, wie häufig unterstellt wird� Spielerische Übungen, das sichere zu Fuß gehen oder Bewegungsspiele gehören neben vielen anderen verkehrserzieherischen Aktivi-täten in der Mehrzahl der Kindergärten heute zum wöchentlichen bzw� monatli-chen Standardprogramm (vgl� Abb� 2�8)� Dabei ergeben sich die Anlässe für die Durchführung von Verkehrs- und Mobilitätserziehung im Kindergarten aus dem Alltag� Die Ansprache der Kinder erfolgt dabei über die Erzieherinnen� Eine her-ausragende Rolle nehmen auch die Verkehrserzieher der Polizei ein, die von 86 % der Kindergärten als Kooperationspartner bei verkehrspädagogischen Aktivitäten genannt wurden�