Suffizienz: Eine (fast) psychologische Betrachtungsweise · An examination of the values that...
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Suffizienz:
Eine (fast) psychologische Betrachtungsweise
IPU Kongress, 24. Oktober 2014
Annette Jenny, lic.phil.I, DAS Evaluation
2 / IPU-Kongress / 24.10.2014
Vom homo consumens…..
689 Kilogramm Abfall pro Jahr
50 Kilogramm Fleisch pro Jahr
20’484 km zurückgelegte Wege
pro Jahr
12.8 Tonnen CO2 pro Jahr
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.….zum homo sufficiens
genügsam, entschleunigt,
genussfähig
teilt, tauscht und nutzt
dafür soziale Kontakte
fähig in Erhaltungs- und
Subsistenzpraktiken
verbraucht nicht mehr als
1-2 Tonnen CO2 pro Jahr
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Zentrale Fragen
1. Konsumtreiber: Was treibt unseren Konsum an?
2. Konsumauswirkungen: Ist Konsum ist gut für uns?
3. Konsumreduktion: Gehen Konsumreduktion und
Lebenszufriedenheit zusammen?
4. Suffizienzförderung: Wie kommen wir zu mehr
Suffizienz?
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Eine Definition
Konsum: Kauf und Gebrauch von Gütern, Dienstleistungen,
Material und Energie
(= umweltrelevantes Verhalten)
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1) Konsumtreiber
kulturell-soziologisch
psychologisch
biologisch-evolutionär
historisch-ökonomisch
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historisch-ökonomisch
Entwicklung / Ausbreitung eines wachstumsbasierten
Wirtschaftsmodells
ermöglicht durch die globale Nutzung von Ressourcen (insb. fossile Energien)
ermöglicht durch eine Kombination weiterer Faktoren (globale Arbeitsteilung,
technologische Innovation, Transportsysteme etc.)
Entwicklung / Ausbreitung von Konsumgesellschaften
Zunehmende Verfügbarkeit von Gütern und Dienstleistungen in grossen Teilen
der Bevölkerung und besserer Zugang zu Konsum.
Kommunikationssysteme (Werbung, Marketing), welche Produkte und
Dienstleistungen mit Bedeutungen versehen.
z.B. Jackson (2011), Stengel (2011)
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biologisch-evolutionär
Befriedigung physiologischer und psychologischer Bedürfnisse
Ermöglichung soziale und sexuelle Positionierung
Schutz
Sicherheit Zugehörigkeit
Vermeidung Langweile
Identität
Selbstverwirklichung
z.B. Csikszentmihaly (2000), Falk & Campell (1997)
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kulturell-soziologisch
Stärkung materialistischer Werte
Vermittlung von Botschaften, dass Erfolg und Glück in
materiellen Dingen, Status und Reichtum zu finden ist
Etablierung mentaler Infrastrukturen («Mentalität»)
Konzepte von Wachstum, Mobilität, Fortschritt etc. prägen
unsere mentalen Infrastrukturen
Ausdifferenzierung von Konsummotiven und -funktionen
Konstruktion und Kommunikation der eigenen Identität
Integration und Distinktion
Genuss, Erleben, Intensivierung des Lebensgefühls
z.B. Kasser (2002), Stengel (2011), Welzer (2013)
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psychologisch
Gewöhnung (Adaptation) an
Konsumniveaus
Soziale Vergleichsprozesse
Anspruchssteigerungen
Tretmühlen des Glücks
z.B. Binswanger (2006), Frank (2007)
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Fazit: Konsumtreiber
Unsere massiven Konsumsteigerungen in den letzten
Jahrzehnten sind nicht die Folge eines «masslosen
Menschen», sondern die Folge einer Konsumgesellschaft,
welche vielfältige Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung
erlaubt, materialistische Werte verstärkt, uns mental prägt und
psychologische Aufwärtsspiralen antreibt.
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2) Individuelle Konsumauswirkungen
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2) Individuelle Konsumauswirkungen (I): negativ
Materialismus
Materialistische Individuen haben ein
geringeres subjektives Wohlbefinden und
eine schlechtere psychische Gesundheit.
z.B. Solberg, Diener & Robinson, 2003; Kasser, 2002
Multioptionalität
Zunehmende
Konsumoptionen machen
Entscheidungen schwierig
und führen zu geringerer
Zufriedenheit.
z.B. Schwartz et al., 2002
Tretmühlen
Relative Vergleiche zu anderen führt zu
Unzufriedenheit, sofern die Zufriedenheit davon
abhängig ist, was andere haben.
z.B. Frank, 2007
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2) Individuelle Konsumauswirkungen (II): positiv
Positive Emotionen
Konsumgüter können (zumindest) kurzfristig zu
positiven Emotionen führen.
z.B. Hudders & Pandelaere, 2012
Erfahrungskonsum
Reisen, Konzertbesuche, Outdooraktivitäten etc.
tragen zum subjektiven Wohlbefinden bei. Sie
können mental wiedererlebt werden, werden oft
in einer Gruppe erlebt und in der Kommunikation
genutzt (Geschichten erzählen).
z.B. Nicolao, Irwin & Goodman, 2009; van Boven, 2005
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Fazit: Individuelle Konsumauswirkungen
Konsumhandlungen können (kurzfristig) positive
Konsequenzen haben.
Negative Auswirkungen auf der individuellen Ebene
überwiegen, sofern eine starke Fokussierung auf
Konsum resp. eine starke materialistische
Orientierung besteht.
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3) Konsumreduktion
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3) Konsumreduktion
Viele Berichte, Ratgeber und Blogs
Bisher nur wenig empirische Forschung zu
reduziertem Konsum («living with less»)
Forschung zu:
• Genügsamkeit / Sparsamkeit
• Einfache Lebensstile
Forschung zur Kompatibilität von nachhaltigen Verhalten und
Lebenszufriedenheit
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Sparsamkeit und Genügsamkeit
Sparsamkeit (Thrift)
Befürwortung (Einstellung) resp. Umsetzung (Verhalten) von Geld
sparen
Durch ökonomische Restriktionen, kann trotzdem hohe
Konsumniveaus hervorbringen
Genügsamkeit (Frugality)
Befürwortung (Einstellung) resp. Umsetzung (Verhalten) einer
zurückhaltenden Nutzung von Ressourcen sowie Ablehnung von
Verschwendung.
Wertebasiert, führt zu tieferen Konsumniveaus
z.B. Evans (2011)
z.B. Pepper et al. (2009)
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Einfache Lebensstile (I)
• Freiwilliger Einkommensverzicht / Limitierung der
Erwerbstätigkeit (Startpunkt!)
• Limitierter Güterkonsum und sparsame Nutzung von
Ressourcen und Gütern
• Vermehrtes Teilen, Leihen
• Nutzung Second-Hand
• Bevorzugung langlebiger Produkte
• Vermehrtes Selber machen
• Limitierung von Werbeexposition
• Aktiv in Gemeinschaften / Nachbarschaften
«Materiell vereinfachter, aber sinnstiftender Lebensstil»
z.B. Iwata (2004); Leonard-Barten (1981)
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Einfache Lebensstile (II)
• Downshifter (freiwillige Einkommensreduktion) finden sich in allen Altersgruppen,
Einkommensklassen und Bildungsstufen
• Simplifier haben eine überdurchschnittliche Bildung und ein überdurchschnittliches
Einkommen
Unterschiedliche Beweggründe:
• Ökologische Gründe
• Ethische Gründe
• Spirituelle Gründe
• Selbstbezogene Gründe
z.B. Hamilton (2003); Schor (1998)
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Einfache Lebensstile (III)
Negative Auswirkungen: Kritische Rückmeldungen von Bekannten, Schuldgefühle
gegenüber Kinder, Gefühle der Isolation, ….
Positive Auswirkungen: Stolz, Autonomie, Kompetenz,
mehr Zeit, weniger Stress, verbesserte soziale
Beziehungen, ….
Ein einfacher Lebensstil passiert nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess.
z.B. Schreurs (2010)
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Kompatibilität mit Lebenszufriedenheit (I)
Subjektives Wohlbefinden und umweltfreundliches Verhalten
korrelieren positiv.
Insbesondere, wenn durch eine achtsame Haltung und intrinsische
Werte gestützt.
Insbesondere, wenn das umweltfreundliche Verhalten grundlegende
psychologische Bedürfnisse befriedigt (Kompetenz, Autonomie,
soziale Eingebundenheit).
Brown & Kasser (2005)
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Kompatibilität mit Lebenszufriedenheit (II)
Psychische Ressourcen wie Genussfähigkeit, Achtsamkeit,
Selbstakzeptanz fördern gleichermassen nachhaltiges Verhalten
und das Wohlbefinden.
Intensität kommt vor Quantität
Widerstandkraft gegenüber demonstrativen Formen des Konsums
Unabhängiger gegenüber sozialen Vergleichsprozessen
Hunecke (2013)
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Fazit: Konsumreduktion
Suffizienz und Lebenszufriedenheit sind kompatibel,
wenn:
grundlegende Bedürfnisse wie soziale Eingebundenheit,
Autonomie oder Kompetenzerwerb befriedigt werden.
psychische Ressourcen gestärkt werden, welche auch eine
Resilienz gegen materialistische Werte und soziale
Vergleichsprozesse aufbauen.
in Gemeinschaften praktiziert.
freiwillig praktiziert.
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.….zum homo sufficiens
genügsam, entschleunigt,
genussfähig
nutzt soziale Netzwerke
und die sharing economy
fähig in Erhaltungs- und
Subsistenzpraktiken
verbraucht nicht mehr als
1-2 Tonnen CO2 pro Jahr
Kompetenz und
Autonomie
Soziale
Eingebundenheit
Genussfähigkeit und
Achtsamkeit
Gemeinschaft
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4) Suffizienzförderung
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Ansätze aus der Psychologie
«Klassische» Umweltpsychologie: Förderung einzelner
suffizienter Verhaltensweisen mittels Instrumenten
Positive Psychologie: Stärkung psychischer Ressourcen
Transformationsprozesse anstossen: Story-Telling
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Förderung einzelner suffizienter Verhaltensweisen
Handlungsvoraussetzungen verstehen und verändern
Handlungsmodelle
Verhaltensändernde Instrumente
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Modell: Wollen-Können-Tun
Wollen Können Tun
Egoistisches Motiv
Soziales Motiv
Moralisches Motiv
Situ
ation
Individuum
Gelegenheiten
Fähigkeiten
Vergessen und
Gewohnheiten
überwinden
Genuss, Funktionalität….
Erwartung Anderer
Problemwahrnehmung
Verantwortungsübernahme
Selbsteffizienz
Artho, Jenny & Karlegger (2012)
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Instrumententypologie
Mosler & Tobias (2007)
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Beispiele: Förderung einzelner Verhaltensweisen
WOLLEN:
Verhalten von Anderen sichtbar machen (deskriptive
Normen)
Gemeinsame Aktionen wie Gemeinschaftsgärten
KÖNNEN:
Gelegenheiten: attraktive und bezahlbare Wohnungen mit
flächensparenden Grundrissen; Car-Sharing-Angebote; etc.
Fähigkeiten: Repair-Cafés; vegetarische Kochkurse etc.
TUN
Verbrauchsziele und -feedback
Erinnerungen
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Stärkung psychischer Ressourcen
Ressourcen: Genussfähigkeit, Selbstakzeptanz,
Selbstwirksamkeit, Achtsamkeit, Sinngebung und
Solidarität
In verschiedenen Settings förderbar:
Beratungs- und Coachingprozesse für Individuen
Ressourcenorientierte Pädagogik und Lehre in Schulen
Work-Life-Balance und die Reduktion psychischer
Arbeitsbelastungen durch geeignete Organisationsstrukturen in
Unternehmen
Partizipation und Stärkung der Solidarität im Gemeinwesen
Hunecke, M. (2013). Psychologie der Nachhaltigkeit: Psychische Ressourcen für Postwachstumsgesellschaften. München: Oekom Verlag
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Storytelling
Geschichten des Gelingens
erzählen
Gegengeschichten zum
Bestehenden
Zeigen Handlungsspielräume auf und fördern die
Selbstwirksamkeit.
Bieten Orientierung und ein Repertoire an Ideen.
Können dazu beitragen, mentale Infrastrukturen und
Werte zu verändern.
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Fazit: Suffizienzförderung
Eine erfolgreiche Suffizienzförderung:
ist koordiniert und erfolgt in verschiedenen Settings
hat den Menschen mit seinen Ressourcen und
Bedürfnissen im Blick
ermöglicht das Tun, Erleben und Experimentieren
ermöglicht das Teilen von Erfahrungen
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Literatur I
Artho J., Jenny A. & Karlegger A. 2012: Wissenschaftsbeitrag. Energieforschung Stadt Zürich, Forschungsprojekt FP-1.4,.
Binswanger, M. (2006). Die Tretmühlen des Glücks: Wir haben immer mehr und werden nicht glücklicher. Freiburg: Herder.
Brown, K. W., & Kasser, T. (2005). Are Psychological and Ecological Well-being Compatible? The Role of Values, Mindfulness, and
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Csikszentmihalyi, M. (2000). The costs and The costs and benefits of consuming. Journal of Consumer Research, 27, 267-272.
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Falk, P., & Campbell, C. (1997). The shopping experience. London: Sage.
Frank, R. H. (2007). Falling Behind: How Rising Inequality Harms the Middle Class. Berkeley, California: University of California
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Hamilton, C. (2003). Downshifting in Britain: a sea-change in the pursuit of happiness. Canberra: The Australia Institute.
Hudders, L., & Pandelaere, M. (2012). The Silver Lining of Materialism: The Impact of Luxury Consumption on Subjective Well-
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Hunecke, M. (2013b). Psychologie der Nachhaltigkeit: Psychische Ressourcen für Postwachstumsgesellschaften. München: Oekom
Verlag.
Iwata, O. (2004). An Evaluation of Consumerism and Lifestyle as correlates of a voluntary simplicity lifestyle. Social Behavior and
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Literatur II
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van Boven, L. (2005). Experientialism, Materialism, and the Pursuit of Happiness. Review of General Psychology, 9(2), 132–142.
Welzer, H. (2013). Selbst Denken: Eine Anleitung zum Widerstand. Frankfurt am Main: S. Fisher Verlag GmbH.