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Research Collection Doctoral Thesis Über Thiobenzoylchlorid und Einwirkung von schwefelhaltigen Verbindungen auf Diazokörper Author(s): Siegwart, Joseph Publication Date: 1917 Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000091173 Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection . For more information please consult the Terms of use . ETH Library

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Research Collection

Doctoral Thesis

Über Thiobenzoylchlorid und Einwirkung von schwefelhaltigenVerbindungen auf Diazokörper

Author(s): Siegwart, Joseph

Publication Date: 1917

Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000091173

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Über

Thiobenzoylchlorid und Ein¬

wirkung von schwefelhaltigen

Verbindungen auf Diazokörper

<2XS>

Von der

Eidgenössischen Technischen Hochschule

in Zürich

zur Erlangung der

Würde eines Doktors der technischen Wissenschaften

genehmigte

Promotionsarbeit

vorgelegt von

Jos. Siegwartaus Hergiswil (Nidw.)

Referent: Herr Prof. Dr. H. StaudingerKorreferent: Herr Prof. Dr. M. Cérésole

184

ZÜRICH p 1917.

Diss.-Druckerei Gebr. Leemann & Co.

Stockerstr. 64.

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MEINEN LIEBEN ELTERN

IN DANKBARKEIT GEWIDMET

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Vorliegende Arbeit wurde im Privatlaboratorium von

Herrn Prof. Dr. H. Staudinger an der chemischen Abteilung

der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich aus¬

geführt.

Es sei mir auch an dieser Stelle gestattet, meinem hoch¬

verehrten Lehrer,

Herrn Prof. Dr. H. STAUDINGEK»

auf dessen Anregung hin diese Untersuchungen unternommen

wurden, für das rege Interesse und die vielseitige Unter¬

stützung bestens zu danken.

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INHALTS-VERZEICHNIS

Seite

Einleitung 9

Über Thiobenzoylchlorid.

Theoretischer Teil 14

Experimenteller Teil 19

Einwirkung von Thiophosgen auf DiazokOrper.

Theoretischer Teil 33

Experimenteller Teil 42

Einwirkung von aliphatischen Diazoverbindungen auf Thioketone.

Theoretischer Teil 54

Experimenteller Teil 60

Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Diazokörper.

Theoretischer Teil 67

Experimenteller Teil 72

Reduktion von Diazoessigester.

Theoretischer Teil 77

Experimenteller Teil 86

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Einleitung.

Unter den zahlreichen neuen organischen Verbindungendes letzten Jahrzehntes zeichnen sich die von Staudinger1)entdeckten Ketene von der allgemeinen Zusammensetzung:

\c=c=oR2X

durch ihre außergewöhnliche Reaktionsfähigkeit und Un¬

beständigkeit aus. Trotz der vielen Schwierigkeiten der Dar¬

stellung sind heute, durch Variation der Substituenten Ra

und R2, eine große Zahl dieser Verbindungen bekannt und

ihre Reaktionsmöglichkeiten genau studiert. Dagegen sind

Körper mit analoger Zwillingsdoppelbindung, in denen der

Sauerstoff aber durch andere gleichwertige Atome oder

Atomgruppen ersetzt ist, nach den bisherigen Versuchen

zwar schon beobachtet,2) aber noch nicht isoliert worden.

Vor allem bieten die noch unbekannten geschwefelten Ketene,

die Thioketene, von der allgemeinen Formel:

\c=c=sR2X

ein besonderes Interesse, da in diesen Verbindungen der

Einfluß der benachbarten Kohlenstoffdoppelbindung auf die

stark chromophore C = S-Gruppe und umgekehrt, studiert

werden könnte. Über die Beständigkeit der Thioketene kann

*) Staudinger, „Die Ketene", Verlag Enke, 1912, Stuttgart.

2) Staudinger, A. 356, 55 (1907).

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nichts voraus gesagt werden; während die Senföle bedeu¬

tend weniger zur Polymerisation neigen, als die Isocyanate,

polymerisieren sich Thioaldehyde und Thioketone viel leichter

als ihre entsprechenden Sauerstoffverbindungen.Die Darstellung von Thioketenen ist schon versucht

worden.

So hoffte man durch Erhitzen von Diphenylketen mit

Phosphorpentasulfid Diphenylthioketen zu erhalten.3) Es

gelang aber nicht.

Es wurde weiter versucht, aus einem geschwefelten Vier¬

ring, dem Dithiocyklobutantetracarbonester,4) durch Ring¬

spaltung ein Thioketen zu gewinnen.

(C02C2H5)2C — C = S

| | — 2 (C2H502C)2 C = C = S

(C02C2H5)2C —C = S

Der Versuch mißlang ebenfalls, es trat völlige Zer¬

setzung ein.

Der leitende Gedanke dieser Arbeit zielte mehr auf die

Darstellung von geeigneten Ausgangsmaterialien hin, die

nach bekannten Ketendarstellungsmethoden in Thioketene

übergeführt werden sollten.

Die älteste Darstellungsweise der Ketene ist die Einwir¬

kung von Metallen auf a-halogensubstituierte Säurehaloide.5)

ßi \ /Cl

/Cl Rx v

)C/C{ + Zn — >C = C = 0 + ZnCl2R2X ^0 R2/

Ganz analog sollten aus a-halogensubstituierten Thio-

säurehaloiden Thioketene entstehen; erstere sind aber bis

heute nicht bekannt. Eine geeignete Darstellungsmethode

dieser Thiosäurehaloide schien die Einwirkung von Thio-

phosgen auf die Diazokörper zu sein, da man aus Phosgen

3) Nach Versuchen von Herrn Dr. A. W. Klever, Staudinger: „DieKetene".

*) Bergreen, B. 21, 341 (1888); Wenzel, B. 24,1043 (1891).

5) Staudinger, B. 38,1735 (1905).

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und nichtcarbonylsubstituierten Diazoverbindungen in guter

Ausbeate a-chlorierte Säurechloride erhält.6)

C6H5 x / Cl C6HS \ /Cl / Cl

>CN2 + C^O = >C^-C^O + N2C6H5/ \C1 C6H5/

Die Reaktion verläuft mit Thiophosgen viel stürmischer,

das erhaltene Produkt zeigt auffallenderweise nicht die er¬

warteten Eigenschaften eines Säurechlorides. Beim Behandeln

mit Metallen verliert dasselbe kein Chlor, beim Erhitzen auf

den Schmelzpunkt geht es dagegen unter Schwefelabspaltung

in ein Äthylenderivat über. Die Resultate dieser Unter¬

suchungen sind im IL Teile dieser Arbeit näher beschrieben.

Das merkwürdige Verhalten des vermeintlichen Säure-

chlorides veranlaßte die Darstellung eines einfachen Thio-

säurechlorides. Es gelang, aus der von Ho üb en7) darge¬

stellten Dithiobenzdesäure und Thionylchlorîd das Thio-

benzoylchlorid zu gewinnen. Diese tief rotviolette Flüssig¬

keit zeigt alle Eigenschaften eines wirklichen Säurechlorides,

es kann daher die aus Thiophosgen und Diazokörpern er¬

haltene Verbindung kein Säurechlorid sein. Die Versuche

zur Darstellung von Thiobenzoylchlorid bilden den ersten

Teit dieser Arbeit, während seine Umsetzungen mit Diazo¬

verbindungen am Schlüsse des zweiten Teiles angeführt sind.

Zur weitern Aufklärung der Eigenschaften des Thio-

phosgenproduktes und dessen Konstitution wurden Um¬

setzungen von Thioketonen mit Diazokörpern studiert. Thio-

ketone reagieren mit letzteren sehr lebhaft unter Bildung

von farblosen, festen Körpern, die als Äthylensulfide be¬

zeichnet wurden.

/N /S\(C6H5)2C< || +S = C(CeH5)i—>(C6H6)2C^—^C(C6H5)2 + N2

Solche Produkte waren bisher nicht bekannt.

6) Staudinger, Anthes und Pfenninger, B. 49,1939 (1916).') Houben, B. 39, 3219 (1907).

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Die Konstitution dieser Reaktionsprodukte ist durch

ihre Bildungsweise, sowie ihre charakteristischen Eigen¬

schaften eindeutig bestimmt und sind in einem dritten Teile

näher beschrieben.

Das ganz analoge Verhalten der aus Thiophosgen und

Diazoverbindungen gewonnenen Körper zwingt zu der An¬

nahme, daß auch hier Äthylensulfidderivate vorliegen müssen.

/S\ÇCeHs^ C C Cl2

Diese Formulierung erklärt die Eigenschaften dieser

Verbindung in befriedigender Weise. Ebenso müssen auch

die aus Thiobenzoylchlorid und Diazokörpern erhaltenen Pro¬

dukte formuliert werden. Begreiflich ist auch, daß durch

Behandeln dieser Chloräthylensulfidderivate mit Metallen

keine Thioketéne entstehen können.

Ein weiteres Verfahren zur Darstellung von Ketenen,

nach dem Diphenylketen besonders leicht und in guter Aus¬

beute gewonnen wird, ist von Schroeter8) aufgefunden

worden, und beruht auf der Stickstoffabspaltung a-carbonyl-

substituierter Diazoverbindungen, verbunden mit einer Phenyl-

wanderung.

C6H6-C = 0 C6H5-C = 0

| --> N2 + | _ (C6H5)2C = C = 0

C6H5-CN2 CeH6-C<

Es gelang, durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff

auf Phenylbenzoyldiazomethan das entsprechende Schwefel¬

derivat, das Diphenylthiodiazol, zu erhalten, das in ganz

analoger Weise in Diphenylthioketen übergehen sollte. Der

aussichtsreiche Versuch scheiterte aber an der Beständigkeit

dieses Thiodiazols, das erst bei hoher Temperatur seinen

Stickstoff quantitativ abspaltet; eine PhenylWanderung tritt

dabei nicht ein, das erhaltene Zersetzungsprodukt ist kein

8) Schroeter, B. 42, 2336 (1909); Staudinger, B. 44,1619 fl911).

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Thioketen, sondern Tetraphenylthiophen. Die Resultate dieser

Versuche sind im vierten Teil zusammengestellt.9)

Endlich wurde noch versucht, durch Einwirkung von

Schwefelwasserstoff auf Diazoessigester ein Thiodiazol zu er¬

halten, in der Hoffnung, daß dieses eventuell in ein Thio¬

keten übergehen könnte. Der Schwefelwasserstoff wirkt aber

nicht substituierend, sondern reduzierend auf Diazoessigester

ein. Da die erhaltenen zwei isomeren Reduktionsprodukte

für die Konstitutionsfrage des Diazoessigesters von Interesse

sind, wurden diese Untersuchungen weiter fortgesetzt. Nach

den bisherigen Ergebnissen sind diese Isomere wahrschein¬

lich als Hydraziessigester und Glyoxylsäureesterhydrazon an¬

zusehen, ein definitives Resultat kann aber nicht gegeben

werden. Von diesen Versuchen wird im letzten Teil be¬

richtet.

Die Darstellung eines Thioketens nach vorliegenden

Versuchen gelang also nicht, dagegen wurde im Laufe dieser

Arbeit eine Reihe neuer Beobachtungen über Schwefelver-

bindungen und deren Umsetzungen mit Diazokörpern, sowie

über Reduktionsprodukte von Diazoessigester gemacht, die

zum Teil als Beitrag zur Kenntnis der Diazoverbindungen

von Interesse sind.

9) Diese Arbeit ist bereits in Berichten der Deutschen Chemischen

Gesellschaft veröffentlicht worden. B. 49,1918 (1916).

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I. Über Thiobenzoykhlorid.

Theoretischer Teil.

Thiosäurechloride schienen ein geeignetes Ausgangs¬material zur Darstellung von Thioketenen zu sein. Außer

Thiophosgen sind bis heute keine weiteren Vertreter dieser

Körperklasse bekannt. Staudinger1) versuchte in jüngsterZeit, aus Thiolester mit Phosphorpentachlorid solche zu ge¬

winnen; so sollte aus dem Dithioloxalsäureester das Dithio-

oxalylchlorid, der Ausgangskörper für das interessante

S = C = C = S, aus dem Thiolbenzoesäureester das Thioben-

zoylchlorid erhalten werden.

/0 zCl2C6H5-C<f + PClB=CeH6.C<f + POCI3

XSC2H5 XSC2H5xCl2 /Cl

C6H6-C<f = C6H6.C4 + C2H5C1XSC2H5 XS

Diese Thiosäurechloride bildeten sich aber nicht, die

Keaktion verlief vielmehr nach folgender Gleichung:

/O - /02C6H5-Cf +PCl5=r2C6H5.Cf

XSC2H5 XCI

+ C2H6-S-S-C2H5 + PC13

Eine zweite aussichtsreiche Methode zur Gewinnung von

Thiosäurechloriden schien dann die Einwirkung von Thio¬

phosgen auf Diazokörper. Allein diese Thiosäurechloride

J) Nach Privatmitteilung von Herrn Prof. Dr. H. Staudinger.

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lagern sich entweder sofort um, oder die Reaktion von

Thiophosgen mit Diazokörpern verläuft anders; als neuer

Körper wird, wie im zweiten Teil näher ausgeführt werden

soll, statt:

/S(C6H6)2CC1-Cf

XC1

das Isomere (C6H5)2 C — C Cl2 erhalten.

Zur Aufklärung dieser Reaktion war es daher nötig,

ein einfaches Thiosäurechlorid kennen zu lernen. Nach einer

Reihe von Versuchen gelang es, das Thiobenzoylchlorid dar¬

zustellen. Durch Chlorieren der bekannten Dithiobenzoe-

säure2) (Phenylcarbithiosäure) mit Phosphorpentachlorid läßt

es sich nicht gewinnen. In schlechter Ausbeute entsteht es

aus dieser Säure mit Oxalylchlorid, verhältnismäßig leicht

und in guter Ausbeute dagegen mit Thionylchlorid. Formu¬

liert man die Reaktion analog der Umsetzung von Säuren

mit Thionylchlorid, so sollte man hier S = S = 0, entsprechend

dem 0 = S = 0 bei Säuren erhalten.

/0 /0C6H5.Cf + S0C12=C6HS-C<f

C6H5-c/ + S 0 Cl2 =r C6H5 - C <fx SH ^ Cl

Dieses S20 konnte nicht nachgewiesen werden, die bei

der Reaktion entstehenden Gase bestehen nur aus HCl und

S02. Es zerfällt in S02 und Schwefel, der in geringer

Menge im Destillationsrückstand nachgewiesen wurde. Dieser

Schwefel (oder auch das S20 selbst) kann zu einer Reihe

von Nebenreaktionen Anlaß geben.Die Umsetzung verläuft daher ziemlich kompliziert und

führt über mehrere Zwischenprodukte, die bei höherer Tem-

+ S02 + HCl

Cl

s

+ S20 + HCl

2) Houben, B. 39, 3224 (1906).

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peratur zersetzt werden, zum Thiobenzoylchlorid. Als ein

solches Zwischenprodukt kann eventuell das beim Arbeiten

in der Kälte isolierte Sulfid, von folgender Zusammensetzung:

CeHB • C — S — S — S — C • CHH5

aufgefaßt werden. Mit Thionylchlorid liefert dieses Produkt

nämlich Thiobenzoylchlorid.Der Schwefel (resp. S20) kann sich auch mit Thionyl¬

chlorid unter Bildung von Schwefelchlorür umsetzen, das

mit Thiobenzoylchlorid weiter reagieren kann. Es konnte ein

festes, farbloses Alilagerungsprodukt aus 2 Mol. Thiobenzoyl¬

chlorid und 1 Mol. Schwefelchlorür hergestellt werden, dem

man folgende Formel zuschreiben kann:

Cl Cl S-Cl S-Cl

S \ / Kälte / /2C6H5-Cf +S-S

+CJ3.-C- S-S-C-ÇH»

XC1 Wärme \ \Cl Cl

Beim Erhitzen zersetzt sich dasselbe in seine Kompo¬

nenten, beim Abkühlen vereinigen sich diese wieder mit¬

einander, was die Beindarstellung des Thiobenzoylchlorides

sehr erschwert.

Ferner ist bei der Darstellung des Thiobenzoylchlorides

zu beachten, daß es sich bei höherer Temperatur unter Bil¬

dung von Schwefelchlorür zersetzt, wobei letzteres mit noch

unzersetztem Thiobenzoylchlorid das oben genannte Anlage¬

rungsprodukt bilden kann.

Das Thiobenzoylchlorid, eine blaustichig-rote^ leichtbe¬

wegliche Flüssigkeit von unangenehmem Geruch, zeigt die

normalen Reaktionen eines Säurechlorides. So bildet es mit

Anilin das gelbe Thiobenzanilid, mit Alkohol den tiefgelben

ß-Thiobenzoesäureester,3) mit Merkaptan den leuchtendroten

3) v. Motooki Matsui, C. 1909, II, 423 erhielt den ß-Thiobenzoesäure-ester aus Iminobenzoeäther und Schwefelwasserstoff als gelbe, unange¬

nehm riechende Flüssigkeit.

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Dithiobenzoesäureester *) (Phenylcarbithioester). Der Benzol-

thiolcarbonsäureester,6) der aus Benzoylchlorid and Mer-

kaptan nach der Schotten-Baumann'schen Reaktion leicht er¬

halten werden kann, ist, entgegen den Literaturangaben, als

Benzoylderivat völlig farblos.6) Alle Ester haben einen un¬

angenehmen, doch würzigein Geruch.

Interessant ist es, die Farbe der verschiedenen Thio-

carbonylverbindungen mit einander zu vergleichen, da hier

der Einfluß des Substituenten auf die Farbe der stark chromo-

phoren C = S-Gruppe besonders deutlich in Erscheinung

tritt. In der folgenden Tabelle sind zum Vergleiche, neben

den Thiocarbonylverbindungen, die entsprechenden a-Dicar-

bonylverbindungen und Nitrosoverbindungen aufgenommen.

Cfi H5 s CRH5 C = 0

>c=C6H6/

= S blau 1C«fl5-C = 0

gelb C6H5 --N:= 0 grün

CöHo \

>C =

ci/= s

blausti-

chig rot

Br-C = 0

i gelbBr-C = 0

Cl--N:= 0 rot

CeHô \

C2H5-S/= s hellrot

C2H5 S — C = 0heU_

C2H5 S - C = 0 gelbC2H50 --N:= 0 rot7)

0eH5 .

>c =

C2H50/= s tiefgelb

C2H5-0-C = 0

1C2H6-0—C = 0 farb¬

C2H60--N:= 0 farblos

Cells\

>c == s gelbNH2 — C = 0

1

NH2 — C = 0

los

K2N- N:= 0 farblos

*) Ignaz Bloch, C. 1909, II, 1780; D. R. P. 214888 beschreibt den

Äthylester als rotes öl v. Sdp. 165—168 °. — Houben, B. 39, 3226 (1906)

versuchte den Phenylcarbithioester aus phenylcarbithiosaurem Natrium und

Methylsulfat zu gewinnen, das erhaltene öl zersetzte sich aber bei der

Destillation.

5) J. Obermeyer, B. 20, 2922 (1887). — Seifert, J. pr. (2) 31, 471

(1885). — Tüttschef, J. 1863, 483.

6) Privatmitteilung von Herrn Prof. Dr. Staudinger.

7) Wurde noch nicht isoliert, aber die Farbe in Lösung ist bekannt;

vergl. S. Tasker und 0. Jones, C. 1910,1, 610.

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In einem Vortrag „Über Zusammenhang von Färbe und

Konstitution" macht Kauffmann8) darauf aufmerksam,daß im allgemeinen ©ine direkte Vereinigung von Chromo-

phore und Auxochrome (speziell der Amido- und Hydroxyl¬

gruppe), auch wenn sie sehr kräftig sind, die Farbe abschwä¬

chen, ja zuweilen vernichten; wenn auch in einzelnen Fällen

dieser Zusammenschluß Farbe hervorbringen kann, z. B. bei

den Aminochinonen.9) Die Farberhöhung ist umso stärker,

je kräftiger der Auxochrom ist, der in direkte Verbindung

mit dem Chromophor tritt.

Diese Gesetzmäßigkeit zeigt sich nach der Zusammen¬

stellung in unserer Tabelle besonders schön. Während das

Halogenatom, die S H- und die S C2H5-Gruppe die Farbe der

Grundverbindung verhältnismäßig wenig aufhellen, da sie

ziemlich schwache Auxochrome sind, drücken die eigentlichen

Auxochrome, — die NH2- und OH-Gruppe — die Farbe

bis auf Gelb herunter.

Nimmt die Zahl der direkt gebundenen Auxochrome zu,

so steigert sich auch ihre Wirkung auf den Chromophor,

d. h. die Farbe muß noch mehr verschwinden. So haben wir

im Thiophosgen und Trithiokohlensäureester noch stark¬

farbige Substanzen, die aber gegen die entsprechenden mono-

substituierten Verbindungen eine deutliche FärbVerminderung

aufweisen; bei Thiokohlensäureester und Thioharnstoff da¬

gegen ist die Farbe fast ganz verschwunden. Das Halogen

in direkter Bindung mit der C = S-Grupp© besitzt also einen

besonders schwachen auxochromen Charakter und wirkt da¬

her nur wenig farberhöhend. Der gleiche schwache Einfluß

des Halogens ist auch bei andern Chromophoren zu finden,

so ist das Zimmtsäurebromid noch gelb, wie das entspre-

8) Kauffmann, Farbe und Konstitution, pag. 27, Enke, Stuttgart 1904.

9) Hier steht die Aminogruppe an der Äthylenbindung; H. Schneider

hat darauf aufmerksam gemacht, daß in diesem Falle die Reaktions¬

fähigkeit erhöht und die Farbe vertieft wird. Vergl. Diss. H. Schneider,Zürich 1916.

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chende a-ungesättigte Keton, im Gegensatz zu den farb¬

losen Zimmtsäureestern und Amiden.

Staudinger10) machte weiter darauf aufmerksam, daß

mit der Vertiefung der Farbe eine Vergrößerung der Reak¬

tionsfähigkeit Hand in Hand geht. In den Säurehaloiden

resp. Thiosäurehaloiden sollte demnach die C = 0- resp.

C — S-Gruppe reaktionsfähiger sein, als in den entsprechenden

Säurederivaten und dies könnte die stärkere Reaktionsfähig¬

keit der Säurehaloide im Vergleich zu den Säureestern etc.

erklären. So zeigte es sich auch, daß Thiobenzoylchlorid

durch Autoxydation leicht in Benzoylchlorid übergeht, wäh¬

rend der Thiobenzoeßäureester unter gleichen Bedingungennicht verändert wird.

Mit Diphenylketen reagierte Thiobenzoylchlorid nicht,

man hätte, wie beim Thiobenzophenon, die Bildung eines

4-Ringderivates erwarten können, das beim Erhitzen durch

Spaltung eventuell wieder in die beiden Komponenten zer¬

fallen würde, oder unter COS-Abspaltung in Triphenylchlor-

äthylen.

(C6H6)2-C--C = 0

/S 1(C6H5)2: C = C = 0 + C6H5-C^ -C6H5-C--S

XC1 |Cl

Über die Reaktionen von Thiobenzoylchlorid mit Diazo-

körpern wird im folgenden Teile berichtet.

Experimenteller Teil.

Darstellung von Thiobenzoylchlorid.

Als Ausgangsmaterial zur Gewinnung dieses Thiosäure-

chlorides diente die, nach den Angaben von Ho üb en11)

10) Staudinger u. Kon, A. 384, 45 (1911).

") Houben, B. 39, 3224 (1906).

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aus Brombenzol und Schwefelkohlenstoff dargestellte Di¬

thiobenzoesäure (Phenylcarbithiosaure).120 g Brombenzol, in 350 ccm abs. Äther gelöst, wurden

mit 18,6 g Magnesiumspänen vergrignardet und das Phenyl-

magnesiumbromid unter Eiskühlung an 58 g Schwefelkohlen¬

stoff angelagert. Nach 12 stündigem Stehen erfolgte die

Aufarbeitung des Keaktionsproduktes,12) die durch Salzsäure

abgeschiedene freie Dithiobenzoesäure wurde mit Äther von

den wasserlöslichen Nebenprodukten getrennt und die Äther¬

lösung mit Natriumsulfat getrocknet. Nach dem Absaugen

des Äthers verblieben 53 g Dithiobenzoesäure, was einer

Ausbeute von 45% entspricht13) (Houben erhielt 70%).

Diese Dithiobenzoesäure wird mit Thionylchlorid chloriert,

wobei folgende Versuchsbedingungen die besten Resultate

lieferten.

Zu 53 g Dithiobenzoesäure, gelöst in 50 ccm absolutem

Äther, wurden in einen Bromierungskolben mit Rückflu߬

kühler, unter Durchleifcen von trockener Kohlensäure,14) bei

gewöhnlicher Temperatur, ein Überschuß, 80 g (berechnet

39,9 g) Thionylchlorid zugetropft. Es trat sofort eine leb¬

hafte Reaktion unter Salzsäure- und Schwefeldioxyd-Ent¬

wicklung ein. Nachdem die Gasentwicklung etwas nachge¬

lassen hatte, wurde 2 Stunden auf dem Wasserbad erwärmt

und hernach noch 5 Stunden ohne Wasserkühlung erhitzt,

wobei der Äther und das überschüssige Thionylchlorid ent¬

wichen. Die Farbe des Reaktionsproduktes, die am Anfange

der Reaktion von violett in hellrot überging, war gegen

Ende braunrot geworden.Die ölige Flüssigkeit wurde hierauf im absoluten Va¬

kuum eine halbe Stunde bei einer Temperatur von ca. 50°

abgesaugt, um eventuell noch vorhandenes Thionylchlorid und

12) Es wurde durch Aufgießen auf gestoßenes Eis zersetzt.

ls) Bei allen Versuchen wurde ein gelbbraunes, wasserunlösliches

Nebenprodukt beobachtet, das die Ausbeute herabsetzt.

ll) Thiobenzoylchlorid ist autoxydabel.

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Schwefelchlorür zu entfernen, dann die Ölbadtemperatur auf

150° gesteigert. Unter lebhaftem Schäumen zersetzt sich

das braunrote Reaktionsprodukt und tiefrote Dämpfe von

Thiobenzoylchlorid beginnen zu destillieren. Durch allmäh¬

liches Steigern der Ölbadtemperatur bis 240° wurden 41,3 g

Rohprodukt erhalten, das zwischen 80—120° bei 1 mm

Druck überging und einer Ausbeute von 76,7°/o entspricht.

In der Kohlensäure-Äthervorlage hatte sich 3—4 ccm Chlor¬

schwefel kondensiert.

Im Destillationskolben verblieb ein beträchtlicher Rück¬

stand, der bei allen Versuchen mehr oder weniger stark

auftrat. Er destilliert zum Teil bei ca. 180 ° (Ölbadtemperatur

250—280°) als gelbe, zähe Flüssigkeit, die bald erstarrt

und sich als unreiner Schwefel erwies. Aus Schwefelkohlen¬

stoff umkristallisiert, Smp. 114—115°.

Das Rohprodukt besteht in der Hauptsache aus Thio¬

benzoylchlorid neben geringen Mengen eines Anlagerungs¬

produktes von diesem mit Schwefelchlorür. Zur Reinigungmuß dasselbe öfters (5 mal) im absoluten Vakuum destil¬

liert werden, wobei zu beachten ist, daß der Druck beim

Destillieren nicht über 0,5 mm steigt, da sich Thiobenzoyl¬

chlorid bei höherer Temperatur unter Schwefelchlorürbil-

dung leicht zersetzt und letztere eine Rückbildung des An¬

lagerungsproduktes veranlaßt.

Das reine Thiobenzoylchlorid destilliert bei 0,2 mm

zwischen 60—65°. Es ist eine tiefrotviolette, leichtbeweg¬

liche, unangenehm riechende Flüssigkeit, die sich in zuge¬

schmolzenen, mit Kohlensäure gefüllten Röhrchen lange Zeit

ohne Zersetzung aufbewahren läßt.

0,1569 g Substanz: 0,3099 g Co2, 0,0456 g H200.2138 g neue Substanz: 0,4174 g C02, 0,0596 g H200.3846 g Substanz: 0,3571 g Ag Cl

0,2257 g „ 0,2102 g Ag Cl

0,2639 g „ 0,3807 g Ba S04

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— 22 —

C7H5SC1 Ber.: C 53,65% H 3.22% S 20,48% 0122,64%

Gef.: C 53,87; H 3,25; S 19,82; Cl 22,98C 53,24; H 3,12; Cl 23,03

Dithiobenzoesäure und Phosphorpenta-

chlorid.

17 g (1 Mol.) Dithiobenzoesäure, in 200 ccm Petrol¬

äther gelöst, wurden mit 23 g (1 Mol.) Phosphorpentachlorid

5 Stunden auf dem Wasserbade am Rückflußkühler erhitzt,nach 24 stündigem Stehen der Petroläther abgesaugt und

der Rückstand im Vakuum destilliert. Es ging kein Thio¬

benzoylchlorid über. Die Versuche wurden nicht weiter fort¬

gesetzt.

Dithiobenzoesaures Magnesiumbromid und

Thionylchlorid.

Das aus Phenylmagnesiumbromid und Schwefelkohlen¬

stoff erhaltene feste Anlagerungsprodukt wurde in abs. Äther

suspendiert und die entsprechende Menge Thionylchlorid zu¬

getropft. Es entstanden harzige Produkte, die nach dem

Absaugen des Äthers im gewöhnlichen Vakuum destilliert

wurden. Der Kolbeninhalt schäumte stark, die Bildung von

Thiobenzoylchlorid konnte nicht beobachtet werden.

Allgemeine Vorversuche zur Darstellung von Thiobenzoylchloridmit Thionylchlorid.

Um die geeigneten Bedingungen für die Darstellung von

Thiobenzoylchlorid aufzufinden, wurden eine große Reihe

von Versuchen vorgenommen. In der Annahme, daß Thio¬

benzoylchlorid durch stärkeres Erhitzen oder energischeReaktionen leicht zersetzt werden könnte, arbeitete ich an¬

fangs mit äußerster Vorsicht in der Kälte und großer Ver¬

dünnung (Äther, Petroläther). Diese Versuche lieferten aber

nur wenig oder gar kein Thiobenzoylchlorid. Es stellte sich

bald heraus, daß eine Chlorierung in konz. Lösung bei ge¬

wöhnlicher Temperatur und nachträglichem Erhitzen auf dem

Wasserbade, namentlich aber ein mehrstündiges Kochen der

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Säure mit Thionylchlorid, die Ausbeute an Thiobenzoyl-

chlorid beträchtlich steigert.

Als Ausgangsmaterial zu diesen Versuchen cliente eine

aus 40 g Brombenzol erhaltene, mit Natriumsulfat getrock¬

nete, ätherische Dithiobenzoesäurelösung (15—17 g Säure

= 43,3°/o Ausbeute). Diese Säurelösung wurde mit einem

Überschuß (30 g) von Thionylchlorid in Kohlensäureatmo¬

sphäre hauptsächlich nach zwei verschiedenen Arbeits¬

methoden zu chlorieren versucht.

1. Es wurde in der Kälte .gearbeitet, die Reaktions¬

flüssigkeit enthielt kein Schwefelchlorür.

Wird die Chlorierung bei gewöhnlicher Temperatur in

großer Ätherverdünnung und darauffolgendem Erhitzen oder

unter schwacher Kühlung in konz. Lösung und 12 stündigem

Stehen vorgenommen, so ist der Reaktionsverlauf mäßig,

die violette Säurelösung färbt sich allmählich hellrot und

am Kolbenboden setzt sich eine zähflüssige, braune Masse

ab, die in Äther, besonders aber in Petroläther schwer, in

Schwefelkohlenstoff dagegen leicht löslich ist.

Die Lösung hinterläßt nach dem Absaugen des Äthers

nur einen geringen Rückstand, der beim Destillieren im

Vakuum sehr wenig Thiosäurechlorid liefert, dagegen ent¬

steht bei der Vakuumdestillation der zähflüssigen, in Äther

unlöslichen Masse, unter heftigem Aufschäumen,10) eine

größere Menge von Säurechlorid. Dieses Aufschäumen im

Destillationskolben wird von der Zersetzung eines Zwischen¬

produktes herrühren, das beim Chlorieren in der Hitze sich

zum größten Teil zersetzt, da dann bei der nachfolgenden

Destillation dieses Schäumen nicht oder nur sehr schwach

auftritt.

So erhielt ich aus 17 g Dithiobenzoesäure (in 200 ccm

Äther) und 30 g Thionylchlorid bei 15 mm beim Arbeiten

unter Kühlung nur 2 g Thiobenzoylchlorid.

10) Das Reaktionsprodukt schießt meistens bei der 1. Destillation

durch den Kühler, die 2. Destillation dagegen verläuft ohne Schwierigkeit.

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Bei einem 2. Versuch wurde nach dem Zutropfen des

Thionylchlorides die verdünnte ätherische Lösung noch 2

Stunden auf dem Wasserbade erhitzt. Die Destillation gab

bei 13 mm 6,7 g Thiobenzoylchlorid.

Im Destillationskolben verblieb jeweils ein beträcht¬

licher Rückstand, der, wie schon erwähnt, zum Teil bei

höherer Temperatur destilliert und auch unreinen Schwefel

enthält.

2. Das Reaktionsprodukt wurde längere Zeit gekocht; die

Reaktionsflüssigkeit enthält bereits Schwefelchlorür.

Durch mehrstündiges Kochen von verdünnter ätherischer

Thiobenzoesäurelösung mit Thionylchlorid, besonders aber

beim Kochen von konz. Lösungen ist das Reaktionsprodukt

eine braunrote Flüssigkeit, die nach Schwefelchlorür riecht

und sich im Vakuum leichter destillieren läßt, da das

Schäumen nicht mehr eintritt. Der Vorlauf besteht aus

Schwefelchlorür, die Hauptmenge aus Thiobenzoylchlorid

neben einem Anlagerungsprodukt von letzterem mit Schwe¬

felchlorür. Im Destillationskolben verbleibt ein brauner

Rückstand.

Eine konz. Dithiosäurelösung (17 g) wurde mit 30 g

Thionylchlorid versetzt. Es entstand eine lebhafte Reaktion,

die durch 2 stündiges Erhitzen auf dem Wasserbade am

Rückflußkühler beendigt wurde.16) Bei der Destillation

(14 mm) erhielt ich 2 Fraktionen:

1. Fraktion bis 95° gelbe Flüssigkeit (6 g)2.

„95—107° rote

„ (15 g)

Die 1. Fraktion ist Schwefelchlorür, wie durch Aus¬

sehen, Geruch, Siedepunkt 135—140° (Lt. 138—140°) und

Verhalten gegen Wasser festgestellt werden konnte.

Die 2. Fraktion ist sicher kein reines Thiobenzoylchlorid;

sie wurde nach nochmaliger Destillation dickflüssig und heller

16) Besser ist ohne Rückflußkühlung zu erhitzen, um überschüssiges

S0C12 zu vertreiben, das sonst zu Nebenreaktionen Anlaß gibt.

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gefärbt. Es könnte sich hier vielleicht um ein Anlagerungs¬

produkt von 1 Mol. Thiobenzoylchlorid mit 1 Mol. Schwefel-

chlorür von folgender Formel

//C1\s —S-Cl

handeln. Beim Stehen schied sich ein fester, weißer Körper

aus, der sich als ein Anlagerungsprodukt von 1 Mol. Schwe-

felchlorür mit 2 Mol. Thiobenzoylchlorid erwies.

Ein zweiter Versuch, durch 5 stündiges Kochen der Thio-

benzoesäure mit 30 g Thionylchlorid, gab beim Destillieren

(13 mm) 7 g Chlorschwefel und 14 g Thiobenzoylchlorid +

Anlagerungsprodukte (Sp. 100—114°).

Versuche zur Isolierung von

Zwischenprodukten.

Um einen Einblick in den Reaktionsverlauf zu gewinnen,wurde eine weitere Reihe von Versuchen gemacht, in der

Hoffnung, eventuelle Zwischenprodukte oder Nebenproduktezu isolieren. Weder durch längeres Abkühlen in Kälte¬

mischung, noch durch ein Behandeln mit Petroläther konnte

aus der, bei gelindem Chlorieren entstandenen, braunen, zäh¬

flüssigen Masse ein kristallinisches Produkt gewonnen wer¬

den. Ebenso resultatlos verliefen die Versuche mit der

braunen Reaktionsflüssigkeit, die durch Kochen der Dithio-

säure mit Thionylchlorid erhalten wurde. Das Anlagerungs¬

produkt von 2 Mol. Thiobenzoylchlorid mit 1 Mol. Schwefel-

chlorür ist also beim Chlorieren in der Hitze noch nicht

gebildet.

Dagegen beobachtete ich beim vorsichtigen Arbeiten

in ätherischer Lösung in der Kälte einen festen, violett¬

gefärbten Körper, ein Trisulfid, das isoliert werden konnte.

Welche Bedeutung ihm als Zwischenprodukt zum Thioben¬

zoylchlorid zukommt, konnte nicht festgestellt werden.

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Die bei der Chlorierung entstehenden Gase wurden eben¬

falls geprüft, indem sie einmal auf — 80 ° abgekühlt, dann

aber auch in verd. Natronlauge aufgefangen wurden. Im

ersten Falle erhielt ich flüssiges Schwefeldioxyd,17) im

zweiten Falle konnte Salzsäure und Schwefeldioxyd nach¬

gewiesen werden. Ein Gas von der Formel S20, wie man

nach der Reaktionsgleichung erwarten könnte, wurde nicht

gefunden. Es sollte, in Natronlauge eingeleitet, eine Säure

mit stark reduzierenden Eigenschaften bilden, was nicht

beobachtet wurde.

Thiobenzoyltrisulfid.

/S SxC6H5-C<f >C-C6H5

\ s — s — s /

Wurde einer mäßig konz. ätherischen Dithiobenzoe-

säurelösung (15 g in zirka 100 ccm Äther) unter schwacher

Kühlung Thionylchlorid zugetropft, sodaß nur schwache

Reaktion eintrat, so konnte bei verschiedenen Versuchen

(nicht immer) an der Kolbenwand die Ausscheidung von einer

mehr oder weniger starken Kruste von violetten Kristallen

beobachtet werden. Bei Stehen der Reaktionsflüssigkeit gehendie Kristalle in die schon öfters erwähnte zähflüssige Masse

über, die beim Destillieren Thiobenzoylchlorid liefert.

Zur Isolierung der violetten Kristalle wurde die Mutter¬

lauge von diesen abgegossen und die Kristallkruste aus

Schwefelkohlenstoff zweimal umkristallisiert. Der so ge¬

reinigte Körper wird in glänzenden, violetten Nädelchen vom

Smp. 87—88 ° erhalten und ist in Petroläther schwer löslich.

Die Analyse weist ihm die Formel eines Trisulfides zu.

0,1231 g Substanz: 0,2231 g C02, 0,0333 g H20

0,1322 g „ 0,2399 g C02, 0,0357 g H20

0,1171 g „ 0,4066 g Ba S04

17) Das S20 sollte höher sieden.

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C14H10S5 Ber.: C 49,64 % H 2,98% S 47,40 %

Gef. : C 49,43 ; H 3,03 ; S 47,68

C 49,49; H 3,02

Thiobenzoyltrisulfid wird mit Thionylchlorid in Thio-

benzoylchlorid übergeführt.

0,5 g Thiobenzoyltrisulfid, mit wenig Thionylchlorid er¬

hitzt und bei 13 mm destilliert, gab zirka 0,5 g Thiobenzoyl-

chlorid. Das daraus hergestellte Anilid schmolz bei 92° (Lit.

94°). Das Thiobenzoyltrisulfid scheint somit ein Zwischen¬

produkt der Chlorierung zu sein.

Thiobenzoylchlorid + Schwefelchloriir.

/Cl CK

C6H6-Cf S S^C-CCH5 ? 18)\sci eis/

Bei mehrstündigem Kochen der Dithiobenzoesäurelösung

mit Thionylchlorid am Rückflußkühler entsteht als Neben¬

produkt Schwefelchlorür, wohl infolge einer Reaktion des

Schwefels resp. S20 mit Thionylchlorid. Dieses Schwefel¬

chlorür (1 Mol.) reagiert mit Thiobenzoylchlorid (2 Mol.)

und es entsteht ein Anlagerungsprodukt, dem wahrschein¬

lich obige Formel zukommt.

15 g Dithiobenzoesäure in wenig Äther gelöst, wurden

mit 30 g Thionylchlorid 5 Stunden gekocht und das Reak¬

tionsprodukt im gewöhnlichen Vakuum destilliert. Es ging

ein tiefrotes, viskoses öl — eventuell ein primäres Anlage¬

rungsprodukt von 1 Mol. Thiobenzoylchlorid mit 1 Mol.

Schwefelchlorür — über, das nach einer nochmaligen Destil¬

lation sich rasch aufhellte und nach einigen Stunden zu

einem Kristallbrei erstarrte, der von einer schwachroten

Mutterlauge durchtränkt war. Dieser wurde mit Petroläther

ls) Es könnte noch folgende Formel in Betracht fallen:

/Cl CK

C4H5-C' S-S-S— S^C-C6H5\ Cl Cl /

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ausgewaschen und aus Äther umkristallisiert. Das weiße

Kristallpulver schmolz bei 101—102°. Ausbeute: 5,5 g.

0,1755 g Substanz: 0,2417 g C02, 0,0360 g H20

0,2614 g „ 0,5522 g Ba S04

0,1750 g „ 0,2218 g Ag Cl

C14H10S4C14 Ber.: C 37,48%, H 2,25%, S 28,62%, Cl 31,65%

Gef. : C 37,56, H 2,30, S 29,02, Cl 31,35

Glatter erhält man dieses Anlagerungsprodukt durch

direktes Zusammengießen von Thiobenaoylchlorid and Schwe-

felchlorür in den entsprechenden Mengenverhältnissen.

1 g (2 Mol.) Thiobenzoylchlorid wurde mit 0,4 g

(1 Mol.) Schwefelchlorür in ein mit C02 gefülltes Reagens¬rohr eingeschmolzen. Es tritt schwach© Erwärmung ein.

Die tiefrote Farbe der Mischung hellte sich langsam auf

und nach 2 Stunden war das Produkt fest geworden. Durch

Waschen mit Petroläther und Umkristallisieren aus Äther

wurde das reine Anlagerungsprodukt vom Smp. 101—102°

erhalten.

Dieses Anlagerungsprodukt färbt sich beim Erhitzen

tiefrot und zerfällt in seine Komponenten, und da das Schwe¬

felchlorür sich mit dem Thiobenzoylchlorid nicht momentan

verbindet, so ist es möglich, aus dem Anlagerungsprodukt

Thiobenzoylchlorid wieder zu gewinnen.

3 g Anlagerungsprodukt wurden bei 0,3 mm destilliert

und gaben zirka 1 g Thiobenzoylchlorid, während in der

Kohlensäure-Äther-Vorlage eine kleine Menge Chlorschwefel

sich kondensiert hatte. Das aus dem Säurechlorid herge¬stellte Thiobenzanilid schmolz bei 91—92°.

Reinigungsversuche des rohen

Thiobenzoylchlorides.

Die Schwierigkeit der Reindarstellung des Thiobenzoyl-chlorids liegt einmal im Auftreten des Schwefelchlorürs bei

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der Chlorierung, das sich mit dem Säurechlorid zu dem ge¬

nannten Anlagerungsprodukt verbindet. Andererseits zer¬

setzt sich Thiobenzoylchlorid bei höherer Temperatur unter

Schwefelchlorürbildung. Es wurde daher versucht, den Chlor¬

schwefel vor der Destillation zu entfernen und schon ge¬

bildetes Anlagerungsprodukt in seine Komponenten zu spal¬

ten; der Versuch mißlang aber. In einem Claisenkolben mit

schräg aufwärts gerichtetem Ansatzrohr wurde das Chlorie¬

rungsprodukt während einer Stunde bei einem Druck von

1,5 mm auf 170° erhitzt. Durch schwache Kühlung wurde

das entstandene Thiobenzoylchlorid zurückgehalten, während

der Chlorschwefel abdestillierte. Als nach einer Stunde das

gebildete Säurechlorid destilliert werden sollte, hatte es

sich zum größten Teil schon zersetzt. Im Destillationskolben

blieb ein starker, brauner Rückstand, in der Kohlensäure-

Äther-Vorlage hatten sich 5 g Schwefelchlorür angesammelt.

Weitere Versuche zielten dahin, überschüssiges Thionyl-

chlorid und Schwefelchlorür durch schwaches Erwärmen

des Reaktionsproduktes im gewöhnlichen Vakuum zu ent¬

fernen. Die Resultate waren etwas besser, ein sofort reines

Produkt konnte aber bei der Destillation nicht erhalten

werden.

Eine aus (80 g) Brombenzol erhaltene Dithiobenzoesäure-

menge mit 60 g Thionylchlorid 5 Stunden am Rückflu߬

kühler gekocht, 2 Stunden im gewöhnlichen Vakuum abge¬

saugt (öltemperatur 120°) und bei 0,75 mm destilliert, lie¬

ferte 35 g unreines Säurechlorid (60—120°) und 17 g Chlor¬

schwefel.

Ein zweiter, analoger Versuch, bei 1,5 mm destilliert,

32 g unreines Thiobenzoylchlorid (80—120°) und 21 g Chlor¬

schwefel.

Als einzige brauchbare Methode zur Reindarstellung

des Thiobenzoylchlorids hat sich nur die öftere Destillation

des Rohproduktes im absoluten Vakuum erwiesen.

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Reaktionen des Thiobenzoylchlorides.

Mit Anilin: Thiobenzoylchlorid, mit wenig Äther ver¬

dünnt, reagiert mit Anilin ziemlich heftig, die rote Farbe ver¬

schwindet. Nach dem Aufarbeiten der Lösung kristallisiert

das Anilid aus Ligroin in gelben Blättchen vom Smp. 92°

(nach Lit. 94°).

Mit Methylalkohol: Gleiche Mengen von Thio¬

benzoylchlorid und Methylalkohol wurden miteinander ge¬

mischt. Es trat Erwärmung unter Abscheidung von Öltröpf-

chen ein. Nach 12 stündigem Stehen trennte man die obere,

schwach rote Schicht von dem ausgeschiedenen dunkelgelbenöl ab und destillierte letzteres bei 13 mm, wobei der /J-Thio-

benzoesäuremethylester vom Sdp. 114—114,5° (13 mm) als

zitronengelbes öl erhalten wurde.

0,0970 g Substanz: 0,2233 g C02, 0,0481 g H20

C8H80S Ber.: C 63,1% H 5,3%

Gef.: C 62,8 H 5,5

Mit Äthylmerkaptan: Ganz analog, aber etwas

langsamer reagierte Thiobenzoylchlorid mit Merkaptan. Der

durch die Destillation bei 13 mm erhaltene Dithiobenzoesäure-

äthylester (110—130°) war ein leuchtend rotes Öl von un¬

angenehmem, doch gewürzigem Geruch. Der Ester war nicht

ganz rein.

0,1348 g Substanz: 0,2886 g C02, 0,0673 g H20

C9H10S2 Ber.: C 59,3% H 5,5%

Gef.: C 58,4 H 5,6

Mit Diazokörpern: Diese Reaktionen werden im

folgenden Teil der Arbeit besprochen.

Mit Thionylchlorid, Oxalylchlorid reagiert Thiobenzoyl¬

chlorid nicht, dagegen mit Brom (in Tetrachlorkohlenstoff)unter ziemlicher Erwärmung; es tritt Entfärbung ein. Das

Eeaktionsprodukt wurde nicht weiter untersucht.

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Verhalten gegen Sauerstoff.

4 g Thiobenzoylchlorid wurden in einem Reagensglas

mit Ansatzrohr während 5 Stunden auf 100—120° erhitzt

und durch die Flüssigkeit langsam Sauerstoff geleitet. Die

Abgase passierten eine U-Röhre mit verdünnter Natronlauge.

Nach erwähnter Zeit war die tiefrote Flüssigkeit nur¬

mehr schwach rötlich und schied beim Erkalten gelbe Na¬

deln von reinem Schwefel aus. Smp. 119—120° (Lit. 120°).

Das Filtrat destillierte bei 13 mm zwischen 90—100°

farblos und war nach Aussehen und Verhalten Benzoylchlorid.

Sdp. 194° (n. Lit. 198,3°). Das Anilid schmolz bei 163°

(Lit. 158—163°).

In der vorgelegten Natronlauge konnte schweflige

Säure nachgewiesen werden.

Ein entsprechender Versuch mit /?-Thiobenzoesäure-

methylester von 6 stündiger Dauer zeigte beim Erkalten

weder Farbenaufhellung noch Abscheidung von Schwefel

noch konnte in der vorgelegten Natronlauge deutlich schwef¬

lige Säure nachgewiesen werden. Bei der Destillation des

Reaktionsproduktes ging unveränderter gelber Ester über.

Auch der Dithiobenzoesäureester wurde mit Sauerstoff

bei 100 ° behandelt. Nach 12 Stunden war er nur wenig ver¬

ändert (etwas heller) und ging bei der Destillation unver¬

ändert über. In der vorgelegten Natronlauge konnten geringe

Mengen von schwefliger Säure festgestellt werden.

Thiobenzoylchlorid und Diphenylketen.

3 g Thiobenzoylchlorid, verdünnt mit 10 ccm Petrol-

äther, wurden in einer trockenen, mit Kohlensäure gefüllten

Saugflasche mit einem Röhrchen von 4 g Diphenylketen ver¬

setzt. Es trat keine Reaktion ein, auch nicht, nachdem

der Äther abdestilliert war. Nach 8tägigem Stehen hatte

die Mischung noch unverändertes Aussehen; sie wurde im

absoluten Vakuum fraktioniert.

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Fraktion 1, fast reines Thiobenzoylchlorid.

Fraktion 2, Mischung von Säurechlorid und Keten.

Fraktion 3, reines Diphenylketen.

Das aus Fraktion 3 hergestellte Anilid war identisch

mit Diphenylacetanilid. Smp. 174» (n. Lit. 180°).

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Einwirkung von Thiophosgen auf Diazokörper.

Theoretischer Teil.

Durch Einwirkung von Phosgen auf aliphatische Diazo-

verbindungen gelang es vor kurzer Zeit a-chlorsubstituierte

Säurechloride zu erhalten.1) Analoger Weise durfte man

aus Thiophosgen und Diazokörper auf die Gewinnung von

a-chlorsubstituierten Thiosäurechloriden hoffen, die ein ge¬

eignetes Ausgangsmaterial zur Darstellung der bis jetzt

unbekannten Thioketene abgeben würden:

• Cl /C1/.8(C6H5)2CN2+Cf S _ (C6H8),C^-C<f

\ ClX Cl

— (C6H5)2 C = C = S

Thiophosgen wirkt auf die bisher untersuchten Diazo-

verbindungem (Diazomethan, Phenyl-, Diphenyl-, Diphenylen-

diazomethan, Phenyl-Benzoyldiazomethan und Diazoessigester)

bedeutend energischer ein als Phosgen, das mit diesen Verbin¬

dungen meist nur träge reagiert. Bei allen oben genannten

Verbindungen tritt eine kräftige Reaktion schon in der Kälte

ein ; 3m wenigsten lebhaft ist sie, wie zu erwarten, beim mono-

carbonylsubstituierten Diazoessigester.

CHN2ICOO C2H5

Dicarbonylsubstituierte Diazokörper (die „Diazoan-

hydride Wolffs"), z. B. Benzoylacetyldiazomethan

!) Staudinger, Anthes und Pfenninger, B. 49,1939 (1916).

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C6H5 C = 0

ICN2

ICHS C = 0

reagieren dagegen mit Thiophosgen gar nicht.

Die Eigenschaften der erhaltenen Reaktionsprodukte,

der vermeintlichen Thiosäurechloride, sind sehr auffallend.

So <erhält man aus Thiophosgen und Diphenyldiaaomethan

einen farblosen Körper von der Zusammensetzung und Mole¬

kulargröße des Diphenyl-a-chlorthioessigsäurechlorides, das

aber nicht die geringsten Reaktionen eines Säurechlorides

zeigte. Wasser, Alkohol und Anilin gegenüber verhält es

sich völlig passiv.

Um dieses, von den erwarteten Thiosäurechloriden ganz

abweichende Verhalten näher zu studieren, war es nötig,

die Eigenschaften eines einfachen Vertreters der Thiosäure¬

chloride kennen zu lernen. Außer Thiophosgen, das in man¬

cher Hinsicht auffallend reagiert, war bis jetzt kein Thio-

säurechlorid bekannt; -es wurde daher, wie im ersten Teil

berichtet, das Thiobenzoylchlorid hergestellt. Dasselbe ist

eine tiefrotviolette Flüssigkeit und zeigt alle Eigenschafteneines normalen Säurechlorides. Der aus Thiophosgen herge¬

stellte Körper kann somit kein Thiosäurechlorid sein; ein

Polymères, wie anfangs bei der großen Neigung der Thio-

carbonylverbindungen zur Polymerisation wahrscheinlich er¬

schien, schließt die Molekulargewichtsbestimmung aus.

Es muß sich also hier entweder um eine Umlagerung

des primär entstehenden Diphenylchlorthioessigsäurechlorides,wohl infolge der stark ungesättigten Natur der C = S-Gruppe,

/Cl/S (C6H5)2C = c/' I.

(C6H5)2C/-Cf - XC1.C1 /S\ II.

(CeH5)2 C C Cl2

oder um einen andern Reaktionsverlauf, handeln.

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Nach der Formel I wäre das Eeaktionsprodukt ein Aryl-

schwefelchloridderivat,wie solche kürzlich von Zi n c k e2) dan¬

gestellt und untersucht wurden. Diese Verbindungen besitzen

aber, im Gegensatz zu unserem Körper, ein reaktionsfähiges

Chloratom, das leicht durch Alkohol oder Aminreste aus¬

tauschbar ist.

Besonders charakteristisch für den aus Thiophosgen und

Diphenyldiazomethan erhaltenen Körper ist die leichte Schwe¬

felabspaltung beim Erhitzen, wobei das Diphenyldichloräthylen

entsteht. Die Zincke'schen Körper verlieren auch bei längerem

Erhitzen keinen Schwefel; so ließ sich z. B. das o-Nitro-

phenylschwefelchlorid durch längeres Erhitzen nicht in das

o-Nitrochlorbenzol überführen, obgleich bei Annahme von

Formel I ganz analog gebaute Körper vorliegen:

H H

C C

HC/ ^ C — S — Cl HC / ^ C - Cl

Il ! —-»-il | +s

HCX C —N02 HCX //C-NO-2

H H

Die Formel I kommt daher für den neuen Körper nicht

in Betracht.

Äthylensulfidderivate entsprechend Formel II konnten

dagegen aus Thiobenzophenon und Diphenyldiazomethan

gewonnen werden.3) Sie spalten beim Erhitzen leicht

Schwefel ab und verhalten sich ganz analog den aus Thio¬

phosgen und Diazokörpern erhaltenen Produkten. Aus dem

Tetraphenyläthylensulfid erhält man so Tetraphenyläthylen.

Erhitzen

(C6H5)2 C^ -, C (C6H5)2 > (C6H5)2 C = C (C6H5)2 + S

2) Zincke, A. 391, 55 (1912); 400,1 (1913); 406,103 (1914).

s) Die Ringkonstitution ist bei diesen Körpern als sicher anzunehmen;

siehe 3. Teil dieser Arbeit.

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Ganz entsprechend geht das Diphenyldichloräthylensulfidbeim Erhitzen in Diphenyldichloräthylen über.

Erhitzen'

(C6H5)2 C ^- C Cl2 (C6H5)2 C = C Cl2 + S

Die auffallenden Eigenschaften der vermeintlichen

Thiosäurechloride werden somit durch Formel II in befrie¬

digender Weise erklärt. Begreiflich ist jetzt auch das Ver¬

halten dieser Körper beim Behandeln mit Zink oder Queck¬silber in der Kälte. Statt einer Chlorabspaltung, die zum

Dipbenylthioketen führen sollte, erhält man unverändertes

Diphenylchloräthylensulfid zurück.

Diphenylendiazomethan verhält sich gegenüber Thio-

phosgen wie Diphenyldiazomethan, nur verliert das Di-

phenylendichloräthylensulfid seinen Schwefel noch leichter

als das Diphenylderivat. Schon beim längeren Aufbewahren

in der Kälte geht es in das Diphenylendichloräthylen über.

Erhitzen(C6H4)2 C

^ -, C Cla - (C8H4)f C = C Cl2 -f S

\s/

Außer der Bildung der Äthylensulfidderivate durch Um¬

lagerang der primär entstehenden a-chlorierten Thiosäure¬

chloride, könnte noch ein anderer Reaktionsverlauf in Fragekommen. Möglich erscheint nämlich bei der ungesättigtenNatur der CS-Gruppe die Bildung eines unbeständigen Di-

hydrothiodiazols als Primärprodukt, das unter Stickstoffab¬

gabe sich zu einem 3-Ring schließt. Die Reaktionsgleichungwäre folgende:

N = N.

| \ S unbeständig(C6H6), CN2 + S = C Cl2 (C8H6), c — c /ci,

/s\

(C6H5)2 C ^- -> C Cl2 4- N,

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m

— 37 —

In diesem Falle sind im Thiophosgen nicht die Chlor¬

atome, sondern die CS-Gruppe an der Reaktion beteiligt.Bei dieser Annahme ist aber auffallend, daß die Thionyl-

gruppe im rotgelben Thiophosgen lebhafer reagieren sollte,

als die im tiefblauen Thiobenzophenon, denn Thiophosgen

setzt sich mit Diazokörpern heftiger um als Thiobenzo¬

phenon.

Ganz überraschende Eigenschaften zeigt das von Stau¬

dinger und Gerhardt4) aus Thiophosgen und Phenyl-

benzoyldiazomethan gewonnene farblose Reaktionsprodukt.Der Körper ist monomolekular, zeigt beim Erhitzen keine

Neigung zur Schwefelabspaltung, besitzt dagegen zwei reak¬

tionsfähige Chloratome. Beim Behandeln mit Wasser, Al¬

kohol usf. tauschen sich diese leicht gegen Sauerstoff aus,

selbst die Luftfeuchtigkeit bringt diese Umsetzung leicht

zustande. Mit Anilin erfolgt ebenfalls Austausch gegen den

Phenyliminrest.

Die Ursache dieses abnormalen Verhaltens wird wohl

in der Anwesenheit der Carbonylgruppe zu suchen sein,

die sich mit der ungesättigten CS-Gruppe zu einem lakton-

artigen 5-Ring vereinigt.

Auffallend ist nur, daß die OCl2-Gruppe im 5-Ring6)

C6H5 — C = 0 gibt statt C«H5 — C = 0

! +S = CC12 - I /S\ --

C6H5-CN2 C6H6 —C^'—^C = C1,

C8HB - C - 0

j \S + N2

C6H5 — C — C =C12

*) Nach Privatmitteilung von Herrn Prof. Dr. H. Staudinger.

5) Ein ähnlicher 5-Ring mit relativ reaktionsfähigen Chloratomen

haben wir im asym. Phtalylchlorid; das asym. Phtalylchlorid setzt sich

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— 38 —

im Gegensatz zu der CCl2-Gruppe im 3-Ring, so reaktions¬

fähig ist.

Das sauerstoffhaltige Produkt (I) zerfällt beim Kochen

mit Alkali in Desoxybenzoin und Schwefel, nach folgender

Gleichung, was die Zusammensetzung des Körpers beweist:

H

C6H5 —C-0X | CgHa-C-OHI. II >S + OH-> || /OH + S^-k

C6H5-C —C= 0 C6H6-C —C^O

C6H5 - C = 0

-»- I + co2^6H5 — CH2

Für das primäre Produkt käme noch folgende Formu¬

lierung in Betracht, die die Reaktionsfähigkeit der CC12-

gruppe besser erklären würde.

CeH5

CeHô

-C —(k C6Hä-C-0x1! >CC12 -- || >co

— C — Sx

C6Hä — C — S /—>•

C6H5 —COH H0X C6H5--» || + >co-».

CfiH5 — C SH HO / C6H5 -

-CO

-CHSH

Dieser Körper sollte beim Verseifen aber Thiobenzoin.

geben; die Desoxybenzoinbildung spricht aber für Formel I.

Komplizierter verläuft die Umsetzung von Thiophosgen

mit Diazoeesigester. Aus Phosgen und Diazoessigester erhält

man ©in Diazomalonsäureesterchlorid; analog wurde bei der

Einwirkung von Thiophosgen ein Diazoderivat, daneben aber

auch ein stickstoffreier Körper beobachtet, sodaß sich das

primäre Produkt in 2 Richtungen zu zersetzen scheint, even¬

tuell entstehen folgende Körper:

nach den Untersuchungen von E. Ott nur langsam mit Anilin um; vergl.

E. Ott, A. 392,245(1912); doch ist diese Umsetzung nicht direkt mit

obiger zu vergleichen.

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— 39 —

COOC2H51

COOC2H5i

COOC2H51

CHN = NC1 -

|

— CN2 -j-HCl1

-> C N

II IIci-a /NC1-C = S

\

C1-C = S

COOCsHji

C H Cl + N2i

C1-C = S

Die Arbeit ist noch nicht abgeschlossen.

Anschließend an diese Versuche wurde auch Thiobenzoyl-

chlorid auf Diazokörper einwirken gelassen. Mit nicht-

carbonylsubstituierten Diazokörpern reagierte das Chlorid

sehr lebhaft, mit Diazoessigester träger, mit dicarbonyl-

substituierten Diazoverbindungen gar nicht.

Aus Diphenyl- und Diphenylendiazomethan erhält man

wieder nicht Thioketonderivate (Formel I), sondern farblose,

monomolekulare Körper, die auch als Aethylensulfidderivate

anzuspsrechen sind (Formel II).

(C6H5)2 : C — C — C6H5 (C6H5)2 : C — C — C6H5!l \/xCl

I. S II. S

Die Umsetzung erfolgt auch hier entweder unter pri¬

märer Thioketonbildung und sekundärer Umlagerung zum

Äthylensulfid, oder wahrscheinlicher durch direkte Reaktion

der stark ungesättigten CS-Gruppe mit der Diazoverbindung.

Das Verhalten der neuen Aethylensulfidderivate ist sehr

auffallend. Das aus Diphenylendiazomethan und Thiobenzoyl-chlorid erhaltene Reaktionsprodukt zeigt zwar beim Erhitzen

die bekannte Schwefelabspaltung und geht in das Phenyl-

diphenylenchloräthylen über :

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S

/\ /CeHs Erhitzen C6H5(C6H4)2C-C< -> (C«H4)2C = C< +S

XC1 \ci

Anders verhält sich dagegen der aus Diphenyldiaao-

methan und Thiobenzoylchlorid gewonnene Körper. Er ver¬

liert rasch beim Erhitzen auf den Schmelzpunkt, aber auch

schon in der Kälte bei längerem Stehen, sehr leicht Salzsäure.

Das nahezu farblose Reaktionsprodukt ist schwefelhaltig, die

Analysen weisen auf das bis jetzt unbekannte Diphenylbenzo-

thiophen hin, welches sich folgendermaßen gebildet haben

könnte:

CfiH5s / C6H5XC = C<

| >S + HCl

C = C/

1

HC — Q/! —C

\

CeH5

Cl

// V... s

HC CH

\/

/

HC = CH

CH CH

CH — CH

Da das DiphenylenphenyIchloräthylensulfid:

H H

^C-Cf XCBH6I > c - c <

c-c^ \y xciHCf JCBS

x c = c /

H H

beim Erhitzen keine Salzsäureabspaltung zeigt, so scheint

das reaktionsfähige Wasserstoffatom nicht in der benach¬

barten Phenylgruppe zu sitzen. Allerdings sollte in diesem

Falle auch das Diphenyldichloräthylensulfid:

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C,H6N /Cl>C-C<

CH - c / \yx ci

CeH5\/

CI

\c = c<;| > S + HClc— O'

CH CH

\ /CH = CH

u — ^

/ \CH CH

CH-CH

eine Salzsäureabspaltung aufweisen, was nicht der Fall ist.

Die beiden Thiobenzoylchloridderivate verhalten sich

noch insofern verschieden von den Thiophosgenprodukten,

als sie mit Alkohol und Anilin verändert werden. Dabei

entstehen keine chlorierten Äthylenderivate, sondern es

findet auch hier Salzsäureabspaltung statt; die sich bilden¬

den hochschmelzenden schwefelhaltigen Körper sind noch

nicht genügend untersucht. Nach den Resultaten der Analyse

und der Eigenschaften könnten polymère Thiophenderivate

vorliegen.

Aus Thiobenzoylchlorid -und Diazoessigester endlich

sollte man den bekannten Phenylthiodiazolcarbonester er¬

halten.6)

H,02C - CH< || + > C — C6H5 - HCl + C6H6 - C = S

XN CK

/NCH302C— C< |l

XN

CflHs — C = S o

| N --> C6H5 —C N

CH302C - C< || || ||XN CH302C —C —N

Es konnte ein farbloses Reaktionsprodukt von gleicher

Zusammensetzung und gleichem Molekulargewicht isoliert

werden, das aber durch den Schmp. 102°, sowie Löslichkeit

von diesem stark verschieden ist. Seine Konstitution konnte

6) Wolff, A. 333,1 (1904). Staudinger und Hirzel B. 49,1987(1916).

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noch nicht ermittelt werden. Die Umsetzung erfolgt keines¬

wegs glatt, bei einem zweiten Versuche konnte noch eine

kleine Menge eines zweiten gelben Körpers vom Schmp.129—130° abgeschieden werden, der nicht charakterisiert

wurde. Von einfachen Formulierungen für den ersten Körperkönnte eventuell folgende Formel in Betracht fallen:

N = N

C6H6 C - C C02 CH3

s

Experimenteller Teil.

Thiophosgen und Diphenyldiazomethan.

S

_

/\(G6E.b)2 — C — C — Cl2

Diphenyldiazomethan wurde aus Benzophenonhydrazondurch Oxydation mit gelbem Quecksilberoxyd in guter Aus¬

beute erhalten.7) Zu meinen Versuchen verwandte ich je-weilen eine Petrolätherlösung von bekanntem Gehalt.

11 g (1 Mol.) frisch destilliertes Thiophosgen, das mit ca.

50 ccm Petroläther verdünnt war, ließ ich langsam zu einer

gut gekühlten Diphenyldiazomethanlösung (17 g = 1 Mol.)

zutropfen. Es trat eine lebhafte Stickstoffentwicklung ein,die Lösung entfärbte sich, und gegen Ende der Reaktion

schied sich fast momentan ein Kristallbrei aus.

Dieser wurde abfiltriert und durch Absaugen der Mutter¬

lauge noch eine zweite Portion gewonnen. Ausbeute: 18 g

Eohprodukt vom Schmp. 89 °. Durch mehrmaliges Umkristalli-

7) Staudinger, Anthes, Pfenninger, B. 49, 1932 (1916).

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sieren aus Petroläther wurde das Diphenyldichloräthylensulfidin feinen Nädelchen erhalten. Der Körper schmilzt bei 90

bis 91°, dabei tritt eine Trübung auf (Schwefelabspaltung),

die gegen 120° wieder verschwindet; er ist monomolekular.8)

0,1887 g Substanz in 12,68 g Benzol: 0,283°

0,3593 g , v12,68 g „ 0,532»

C14H10SC12 Mol. Gew.: Ber.: 281

Geh: 263; 266

Schwefelabspaltung: Bei längerem Erhitzen auf

den Schmelzpunkt, spaltet der neue Körper Schwefel ab und

geht in das entsprechende Äthylenderivat über. Die näheren

Bedingungen der Abspaltung zeigen folgende kleine Ver¬

suche:

Eine Probe von Diphenyldichloräthylensulfid rasch zum

Schmelzen erhitzt und aus Petroläther umkristallisiert, zeigte

den unveränderten Schmp. von 90°.

Eine zweite Probe auf dem Wasserbade, während einer

halben Stunde erhitzt, war ebenfalls noch unverändert; nach

einer Stunde hatte der Körper einen unscharfen Schmp. von

87°, nach zwei Stunden einen solchen von ca. 80°. Durch

Mischprobe (Schmp. 80°) erwies sich das Spaltungsprodukt

nach dem Umkristallisieren aus Methylalkohol identisch mit

Diphenyldichloräthylen.Glatter gelangt man zu diesem Körper durch einstündiges

Erhitzen von Diphenyldichloräthylensulfid im Ölbad auf 160°

oder durch Destillation. Das Destillationsprodukt zeigte einen

scharfen Schmp. von 80°.

Reaktionsversuche

mit Diphenyldichloräthylensulfid.

Mit Quecksilber: 1 g Äthylensulfid wurden mit 5 g

Quecksilber in abs. ätherischer Lösung während 14 Tagen

geschüttelt; das durch Absaugen der filtrierten Ätherlösung

8) Der Körper wurde von Herrn Dr. E. Anthes analysiert.

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erhaltene Produkt war unverändertes Ausgangsmaterial vom

Schmp. 89—90°. Mischprobe 90°. Das gleiche Resultat er¬

hielt ich auch in Benzollösung. Bei einem dritten Versuch

wurde 0,5 g Äthylensulfid in 20 ccm Benzol, mit wenigQuecksilber und Zusatz von 0,5 g Anilin, um eventuell ent¬

stehendes Keten zu fassen, unter Erwärmung 8 Stunden ge¬

schüttelt. Eine Anilidbildung konnte nicht beobachtet werden;

dagegen erhielt ich nach dem Aufarbeiten Diphenyldichlor-

äthylen vom Schmp. 80°, also war Schwefelabspaltung ein¬

getreten.

Mit Methylalkohol: Diphenyldichloräthylensulfid

reagierte weder in der Kälte, noch bei einstündigem Erhitzen

auf dem Wasserbade mit Methylalkohol. Es wurde beim Er¬

kalten der Lösung unverändert zurückgewonnen, im Alkohol

war keine Spur von Salzsäure vorhanden. Nach 2-stündigemErhitzen hatte sich der Schwefel größtenteils abgespalten,

dagegen war auch jetzt keine Salzsäure nachzuweisen. Das

gewonnene Produkt war Diphenyldichloräthylen vom

Schmp. 80°.

Mit Anilin: In ätherischer Lösung reagierte Anilin

weder in der Kälte noch nach 1-stündigem Erhitzen auf dem

Wasserbade. Der wässerige Auszug zeigte nicht die geringste

Salzsäurereaktion, und nach Entfernung des Anilins mit verd.

Salzsäure wurde das Ausgangsmaterial wieder unverändert

erhalten. Schmp. 90—91°.

Anilin mit Diphenyldichloräthylensulfid ohne Verdün¬

nungsmittel während 1 Stunde auf dem Wasserbade erhitzt,

reagierte ebenfalls nicht.

• Thiophosgen und Diphenylendiazomethan.

S

/\(C6H4)2 = C — C = Cl2

Das Diphenylendiazomethan wurde in sehr guter Aus¬

beute aus Fluorenonhydrazon durch Luftoxydation in al-

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— 45 —

kalischer Lösung nach Angaben von Staudinger und

Gaule9) gewonnen. Aus 46 g Hydrazon erhielt ich so 43 g

Diazokörper (= 94,4 °/o Ausbeute), der aus heißem Ligroin

in langen, glänzendroten Nadeln kristallisierte.

20 g (1 Mol.) feingeriebenes Diazofluoren wurde in 200

ccm Petroläther in einer Saugflasche suspendiert und gut

gekühlt und dazu 12 g (1 Mol.) Thiophosgen, gelöst in

50 ccm Petroläther langsam zugetropft.10) Es entweicht

Stickstoff und das Diazoprodukt geht in Lösung. Nach ca.

einer halben Stunde war die rote Farbe des Petroläthers

verschwunden und ein fester Kristallbrei hatte sich aus¬

geschieden. Dieser wurde abgenutscht und im Exsikkator

getrocknet. Ausbeute 25 g Rohprodukt. Die Reinigung ge¬

schah durch mehrmaliges, vorsichtiges Umkristallisieren aus

Schwefelkohlenstoff und Petroläther, wobei nur unter

schwachem Erwärmen mit Schwefelkohlenstoff behandelt

werden darf, da sonst schon teilweise Zersetzung eintritt.

So wurde das Dipbenylendichloräthylensulfid in wei߬

lichen Nadeln vom Schmp. 93—95° erhalten, die bei länge¬

rem Stehen eine gelbe Farbe annehmen. Beim Schmelzen

trat auch hier unter Schwefelabspaltung Trübung ein, die

zwischen 118—125° wieder verschwand.

0,1541 g Substanz: 0,3422 g C02, 0,0405 g H20

0,1463 g „in 12,41 g Benzol: 0,233°

0,2785 g „ „ 12,41 g „ 0,437«

C14H8SC12 Ben: C 60.2% H 2,9%

Gef.: C 60,5 H 2,9

Mol. Gew.: Ber.: 279

Gef : 253, 257.

Schwefelabspaltung: Diese geht beim Diphe-

nylendichloräthylensulfid äußerst leicht vor sich, teilweise

9) Staudinger und Gaule, B. 49,1951 (1916).10) Die Reaktion verläuft weniger energisch als mit Diphenyldiazo-

methan.

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schon bei ca. achttägigem Stehen in der Kälte, ferner beim

Umkristallisieren aus heißem Petroläther, Benzol, glatt beim

Erhitzen auf 120—130°. Der neugebildete Körper Kristalli¬

siert aus Methylalkohol in langen Nadeln, die bei 131—132°

schmelzen und durch Mischprobe als Diphenylendichlor-

äthylen identifiziert wurden.

Mit Alkohol, Anilin und Quecksilber reagiert das Di-

phenylendichloräthylensulfid auch bei längerem Erwärmen

nicht unter Salzsäureabspaltung. In allen Fällen war dagegen

Schwefelabspaltung eingetreten, so daß nach dem Aufarbeiten

mehr oder weniger reines Diphenylendichloräthylen erhalten

wurde, das bei ca. 125° schmolz.

Thiophosgen und Phenylbenzoyldiazomethan.

C6HB-C-0

i, >sC6H5 C — C — Cl2

Dieser 5-Ring wurde von Herrn Dipl. Ing. Ger¬

hardt11) aus Thiophosgen und Phenylbenzoyldiazomethan

gewonnen. Meine Untersuchung beschränkte sich auf die

Spaltung des sauerstoffhaltigen weißen Körpers, der aus dem

Primärprodukt mit Wasser äußerst leicht entsteht, um so

einen Einblick in die Konstitution dieser Verbindungen zu

erhalten.

Er wurde mit alkoholischem Kali erhitzt, wobei Schwefel-

abscheidung eintrat; das erhaltene Reaktionsprodukt, nach

dem Abdampfen des Alkohols isoliert, wurde einige Mal aus

Petroläther und Alkohol umkristallisiert. Es schmolz bei

60° und wurde durch Mischprobe (Schmp. 59°) und Analyse

als Desoxybenzoiri identifiziert.

0,2194 g Substanz: 0,6893 g C02, 0.1233 g H20

C14H120 Ber.: C 85,7% H 6,1%

Gef.: C 85,7 H 6,3

u) Nach Privatmitteilung von Herrn Prof. Dr. H. Staudinger.

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Thiophosgen und Diazoessigäthylester.

Zu 9 g (2 Mol.) Diazoessigester, in 50 ccm abs. Äther

gelöst, und mit Eis gekühlt, wurden 4,5 g (1 Mol.) Thio¬

phosgen, mit wenig Äther verdünnt, langsam zugetropft. Es

entstand eine lebhafte Gasentwicklung, die nach ca. einer

halben Stunde nachließ; die Lösung hatte sich gelb gefärbt.

Der Äther wurde abdestilliert und der Rückstand im abs.

Vakuum bei 1 mm Druck fraktioniert, wobei die erste Frak¬

tion zwischen 90—98° und eine zweite zwischen 145 bis

148° überging. In der Vorlage konnte neben etwas Diazo¬

essigester Monochloressigester nachgewiesen werden. Die

beiden Destillate, die sich beim Stehen braunrot färbten,

sind noch nicht genauer untersucht.

Thiobenzoylchlorid und Diphenyldiazomethan.

S

1C6H5)2 = C-C<XC1

Zu einer gekühlten Lösung von 8 g Diphenyldiazo¬

methan, in tiefsiedendem Petroläther, wurde 6,6 g Thio¬

benzoylchlorid zugesetzt und durch Umschwenken die beiden

Flüssigkeiten unter Kühlung mit Eis in Reaktion gebracht.

Es trat sofort ein lebhafte Stickstoffentwicklung auf und

nach einer halben Stunde war die Lösung entfärbt. Kristalle

hatten sich nicht ausgeschieden, deshalb wurde der Petrol¬

äther abgesaugt. Als Rückstand erhielt ich eine gelbe

Schmiere, die nach Zugabe von etwas Petroläther und

längerem Kratzen mit einem Glasstab sich in ein weißes,kristallines Pulver verwandelte. Beim Abnutschen färbte sich

dieser Körper an der Oberfläche in kurzer Zeit wieder gelb

(Vorsicht). Ausbeute 11 g. Er ist in Äther spielend leicht,in Petroläther dagegen bedeutend schwerer löslich. Durch

nochmaliges Auflösen in ganz wenig kaltem Äther und Zu-

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satz einer kleinen Menge tiefsiedendem Petroläther wurde

nach längerem Kratzen ein rein weißes Produkt vom Schmp.70—71° erhalten.-

Analyse des Triphenylchloräthylensulfides:

0,1211 g Substanz: 0,3314 g C02, 0,0501 g H20

0,2145 g „in 12,98 g Benzol: 0,281°

0,3354 g „ „ 12,98 g „ 0,436°

C20H15SC1 Ber.: C 74,40 % H 4,69%

Get: C 74,63 H 4,63Mol. Gew.: Ber.: 322 Gef. : 294, 296

Diphenylbenzothiophen.

H

CeH5

CeH5

•C

II Il Il

Cx /CH\c/

?

H

Beim Erhitzen von Triphenylchloräthylensulfid findet an

Stelle der Schwefel- eine Salzsäureabspaltung statt.

4 g Triphenylchloräthylensulfid wurden in einem kleinen

Erlenmeyer im Ölbad eine halbe Stunde auf 100° erhitzt

und die entweichende HCl in Wasser aufgefangen und

identifiziert.

Die heiße Schmelze, in Aceton aufgenommen, lieferte

beim Erkalten kleine, gelbliche Nadeln, die durch wieder¬

holte Kristallisation fast farblos erhalten wurden. Schmp.114,5°. Ausbeute 2 g. Der Körper ist monomolekular.

0,1678 g Substanz: 0,5141 g C02, 0,0766 g H20

0,2546 g „in 12,65 g Benzol: 0,383°

C20H14S Ber.: C 83,86% H 4,93%

Gef.: C 83,56 H 5,11

Mol. Gew.: Ber.: 286 Gef.: 263.

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Die leichte Salzsäureabspaltung des Triphenylchloräthy-

lensulfides ließ auf ein reaktionsfähiges Chloratom

schließen12) und es wurde deshalb versucht, dasselbe mit

Alkohol, Anilin in Reaktion zu bringen.

Mit Alkohol: 1 g Äthylensulfid wurde mit etwas

Äthylalkohol während 4 Stunden auf dem Wasserb.ade er¬

hitzt, es hatte sich Salzsäure abgespalten. Aus der Lösung

konnten zwei verschiedene Produkte isoliert werden.

Der eine, in Alkohol schwerlösliche Körper, wurde aas

Aceton umkristallisiert, Schmp. 110—111° und war mit dem

Diphenylbenzothiophen identisch. Mischprobe.

Der alkoholunlösliche Teil schmolz sehr unscharf bei

170°, nachdem er ebenfalls aus Aceton umkristallisiert war.

Der noch etwas unreine Körper wurde nicht näher unter¬

sucht, vielleicht ist er ein Analogon zu dem aus Diphenylen-

phenylchloräthylensulfid und Alkohol erhaltenen gelben

Körper.

Mit Anilin: 0,6g Triphenylchloräthylensulfid in wenig

Benzol gelöst, versetzte ich mit 1 g frisch destilliertem

Anilin; es konnte keine Reaktion (Erwärmung) wahrgenom¬

men werden. Nach 3-stündigem Erhitzen auf dem Wasser¬

bade hatte sich ein Niederschlag ausgeschieden, die Lösung

war rot gefärbt. Durch Zusatz von Wasser wurde Salz¬

säure nachgewiesen. Das, nach Entfernung des Anilins, mit

Äther aufgenommene und aus Aceton umkristallisierte Pro¬

dukt zeigte einen Schmp. von 184—185°. Es enthält

Schwefel, ist dagegen stickstoffrei, kann also kein Reaktions¬

produkt mit Anilin sein; eventuell ist es identisch mit dem

aus Alkohol erhaltenen Produkte von Schmp. ca. 170°.

12) Hier könnte deshalb folgende Formel in Betracht gezogen werden :

/C6H5

(C6H5)a C = C /

XS —Cl

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Thiobenzoylchlorid und Diphenylendiazomethan.S

/\ /C6H5(C6H4)2 = C - C <

XC1

Die Reaktion verläuft hier ganz analog wie mit Diphenyl-

diazomethan, nur weniger energisch.Zu einer gekühlten, absoluten Ätherlösung von 2,6 g

Diphenylendiazomethan wurden 2,1 g Thiobenzoylchlorid

gegeben und durch Umschütteln in Reaktion gebracht.Nach Beendigung der Stickstoffentwicklung hatte die Lö¬

sung sich entfärbt und eine Kristallmasse ausgeschieden.Ausbeute 3,1 g. Die nach wiederholtem Umkristallisieren

aus Schwefelkohlenstoff und Petroläther erhaltenen farb¬

losen Nadeln, das Diphenylenphenylchloräthylensulfid,schmolzen bei 125—126°. Der Körper ist ebenfalls mono¬

molekular.

0,1428 g Substanz; 0,3924 g C02, 0,0545 g H20

C20H1SC1S Ber.: C 74,86% H 4,09%

Gef.: C 74,94 H 4,27

Ein großer Unterschied zwischen dieser Substanz und

dem Tripbenylchloräthylensulfid zeigt sich beim Erhitzen.

Während letzteres schon bei gewöhnlicher Temperatur lang¬

sam Salzsäure verliert und beim Schmelzpunkt dieselbe glatt

abspaltet, zeigt das Diphenylenphenylchloräthylensulfid auch

bei längerem Erhitzen auf erhöhte Temperaturen nicht die ge¬

ringste Neigung dazu, es verhält sich unter diesen Bedin¬

gungen, wie die normalen Äthylensulfide, es spaltet Schwefel

ab. Dieser ist etwas fester gebunden, als in den aus Thio-

phosgen und Diazokörpern erhaltenen Äthylensulfidderivaten,doch gelingt es bei längerem Erhitzen, den Schwefel ganz

zu entfernen.

Eine kleine Probe wurde 15 Minuten auf 150° erhitzt und

aus Äther-Petroläther, dann aus Essigester mehrmals um¬

kristallisiert, die Substanz war dennoch stark schwefelhaltig.

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— 51 —

Bei einem zweiten Versuch wurden 2 g Diphenylen-

phenylchloräthylensulfid 2 Stunden auf 150—180° erhitzt

und aus Essigester umkristallisiert. Ausbeute 1,3 g. Das

Kohprodukt war immer noch schwefelhaltig. Durch wieder¬

holte Kristallisation aus viel Petroläther gelang es, das

schwefelfreie DiphenylenphenyIchloräthylen in derben Kri¬

stallen zu erhalten. Schmp. 119—120°.

0,1018 g Substanz: 0,3099 g C02, 0,0442 g H20

C20H13C1 Ber.: C 83,17% H 4,54%

Gef.: C 83,02 H 4,86

Diphenylenphenylchloräthylensulfid und

Alkohol.

Methyl- wie Äthylalkohol reagieren in der Kälte nicht,

bei mehrstündigem Erhitzen auf dem Wasserbade färbt sich

das in Alkohol schwerlösliche Produkt zuerst rötlich und

schließlich fällt ein rötlich-gelber Niederschlag aus; dabei

ist Salzsäureabspaltung eingetreten. Die alkoholische Mutter¬

lauge enthielt nur sehr wenig Substanz. Der in Alkohol,

Äther unlösliche Niederschlag wurde zweimal aus viel Essig¬

ester umkristallisiert. So erhielt ich einen neuen schwefel¬

haltigen, aber chlorfreien Körper vom Schmp. 237—238° in

zitronengelben Nadeln, der aber noch nicht identifiziert

werden konnte. Man sollte einen Körper von der Zusammen¬

setzung C20H12S erwarten, die Analysen stimmen aber auf

C20HUS.«)

ls) Dem Körper könnte eventuell auch folgende Konstitution zu¬

kommen-

S

/\ /C6HB(c6H4)a c - c <;

Derselbe sollte beim Erhitzen Schwefel abspalten und in Benzal-

fluoren übergehen, was nicht beobachtet wurde.

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- 52 —

0,0942 g Substanz: 0,2896 g C02, 0,0411 g H20

0,0953 g „ 0,2928 g C02, 0,0431 g H20

C20H12S Ber.: C 84,45% H 4,26%

C20H14S Ber.: C 83,91% H 4,93%

Gef.: C 83,85 H 4,88C 83,78 H 5,06

Thiobenzoylchlorid und Diazoessigmethylester.

Diazoessigmethyl- wie -äthylester reagieren mit Thio¬

benzoylchlorid sofort unter Stickstoffentwicklung. Es wurde

nur beim Methylester ein kristallisiertes Produkt beobachtet,das näher untersucht wurde.

Zu einer Lösung von 4,6 g (2 Mol.) Diazoessigmethyl-I ester, in 60 ccm PetroIäther, wurden 3,5 g (1 Mol.) Thio¬

benzoylchlorid unter Eiskühlung eingetragen. Es trat eine

perlende Stickstoffentwicklung auf und die blaurote Farbe

der Lösung ging allmählich in Gelb über. Die nach kurzer

Zeit am Boden ausgeschiedenen Kristallblättchen wurden

von der Lösung abgenutscht, mit etwas Äther von dem

klebrig anhaftenden Rückstand gewaschen, und aus Methyl¬alkohol umkristallisiert. Die erhaltenen Kristallnadeln schmol¬

zen bei 102° und verpufften schwach beim Erhitzen; sie

sind schwer löslich in Petroläther, etwas leichter in Äther,

gut in heißem Methylalkohol. Ausbeute 2 g. Der monomole¬

kulare Körper hat die Zusammensetzung des erwarteten

Phenylthiodiazolcarbonesters, ist aber mit dem von Wolff1*)dargestellten Produkt, das sicher diese Konstitution besitzt,nicht identisch.

0,1607 g Substanz: 0,3194 g C02, 0,0538 g H20

0,1536 g „ 17,9 cm3 N2 (21°, 728,5 mm)0,2868 g „ 0,3032 g BaS04

0,1092 g „in 12,73 g Benzol: 0,209°

") Wolff, A. 333,1 (1904).

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C10H8O2N2S Ber.: 0 54,51%, H 3,66%, N 12,73%, S 14,57%

Gef.: C 54,21 H 3,75 N 12,96 S 14,52

Mol.-Gew.: Ber.: 220, Gef.: 205.

Bei einem zweiten Versuch wurde neben dem beschrie¬

benen Körper aus den Mutterlaugen noch ein zweiter in ge¬

ringer Menge isoliert. Er kristallisiert aus Alkohol in gelben

Stäbchen vom Schmp. 129—130°, wurde aber noch nicht

weiter untersucht.

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Einwirkung von aliphatischen Diazover-

bindungen auf Thioketone.

Theoretischer Teil.

Um einen tiefern Einblick in die Umsetzungen von Thio-

säurechloriden mit Diazokörpern und in die Konstitution

ihrer Reaktionsprodukte zu gewinnen, war es nötig, das

Verhalten der reinen Thiocarbonylgruppe, wie sie in den

Thioketonen vorliegt, gegenüber Diazoverbindungen zu stu¬

dieren.

Ketone reagieren mit Diazoverbindungen nicht. So wir¬

ken z B. Aceton oder Benzophenon auf Diphenyldiazomethaainicht ein. Man sollte daraus ein Äthylenoxydderivat erhalten:

0

(C6H5)2 CN2 + 0 = C (C6H5)2 -+ (C6H5)2 C - C(C6H5)2 + N2

Aldehyde dagegen setzen sich mit Diazokörpern um,

so wurden z. B. aus Diazomethan, Diazoessigester Keton-

derivate erhalten, die sich wohl infolge sekundärer Um-

lagerung aus den primären Äthylenoxydprodukten gebildet

haben.1)

>CN2 + )C-C6H5 --> >C-C< + N2-->C2H602Cx o^ c2h5o2c/ \y xCeH5

0

C2H502C-CH2 — C — 0eH5II0

!) Schlotterbeck F., B. 40, 499 u. 40, 3000 (1907); B. 42, 2559 (1909).

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— 55 —

Besonders leicht reagiert nach Schlotterbeck1)

Chloral, es setzt sich auch mit Diphenyl- und Diphenylen-

diazomethan leicht, mit Diazoessigester weniger lebhaft um.

Die Reaktion wurde aber nicht weiter untersucht.

Man mußte erwarten, daß die CS-Gruppe, als sehr kräf¬

tiger Chromophor, leichter als die Carbonylgruppe in Reak¬

tion tritt. Als besonders geeignet zu diesen Versuchen er¬

wies sich das blaue Thiobenzophenon, das sich mit Diphenyl-

diazomethan sehr lebhaft umsetzt. Als Primärprodukt sollte

ein Dihydrothiodiazolderivat entstehen, das aber nicht exi¬

stenzfähig zu sein scheint und unter Stickstoffabspaltung

in einen 3-Ring, in das Tetraphenyläthylensulfid, übergeht.

N = N.

(C6H5)2CN2+S = C(C6H5)2 -> (C6H5)2 C C(C6H5)2 -

S

(C6H6)2C —C(C6H6)2 + N2

Dihydrothiodiazolderivate wurden auch in andern Fällen

noch nie beobachtet. Dieser 5-Ring scheint im Gegensatz

zu dem stabilen Thiodiazolring äußerst unbeständig zu sein;2)

analog wurden auch Dihydrofuroldiazolderivate aus Alde¬

hyden und Diazokörpern nie erhalten.

Die Konstitution des Tetraphenyläthylenstilfides findet

eine besondere Stütze in der leichten Schwefelabspaltung

2) Es sei hier noch auf die ganz analogen Verhältnisse bei den

Pyrazol- und Pyrazolinderivaten hingewiesen.

Pyrazolderivat PyrazolinderivatCH-CH CH2-CH CH2 - CH2II II I II — N2 + | /

CH N CH2 N CH2/

XH îffl

beständiger 5-Ring unbeständig, geht unter Stickstoffabspaltungebenfalls in einen 3-Ring über.

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beim Erhitzen, die glatt zu dem bekannten Tetraphenyl-

äthylen führt.

Erhitzen

(C6H6)2 C - C (C6H5)2 -* (C6HB)2 C = C (C6H5)2 + S

Vs

Derartige Spaltungen von 3-Ringen sind schon beobachtet

worden, so haben Staudinger und Pfenninger8) in

jüngster Zeit aus Diphenyldiazomethan und Schwefeldioxyd

ein dem Tetraphenyläthylensulfid ganz analog gebauter Kör¬

per, ein Ringsulfon, erhalten, das beim Erhitzen Schwefel¬

dioxyd abspaltet und in Tetraphenyläthylen übergeht.

S02/\ Erhitzen

(C6H5)2 C - C (C6H5)2 (C6H5)2 C ~ C (C6H5)2 + Sü2

Versuche, aus dem Tetraphenyläthylensulfid durch Oxy¬

dation mit Salpetersäure, Kaliumpermanganat dieses Ring¬

sulfon zu erhalten, gelangen nicht; der Schwefel wird zu

leicht abgespalten.

Auch könnte dieser Zersetzung von 3-Ringen die Spal¬

tung von 4-Ringen an die Seite gestellt werden, die beim

Erhitzen in 2 ungesättigte Verbindungen zerfallen.

Das orangegefärbte Diphenylendiazomethan reagiert mit

Thiobenzophenon ganz analog, wenn auch etwas weniger

lebhaft; das daraus erhaltene Diphenyldiphenylenäthylen-

sulfid verliert beim Erhitzen ebenfalls seinen Schwefel und

gibt Diphenyldiphenylenäthylen.S

/\(C6H4),CN2+S = C(C„H6)2 - (C6H4)2C-C(C6H5)2+N2

beim Erhitzen

+ (C6H4)2 C = C (C(;H5)2 4-S

Dimethoxythiobenaophenon und Tetramethyldiaminothio-

benzophenon setzen sich ebenfalls, wenn auch träger, mit

3> Staudinger und Pfenninger, B. 49, 1942 (1916).

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Diazoverbindungen um und die entstehenden Äthylensulfid¬

derivate zeigen ebenso leichte Schwefelabspaltung, so geht

z. B. Tetramethyldiaminotetraphenyläthylensulfid glatt in das

Tetramethyldiaminotetraphenyläthylen über.

/SN /CeH4N(CH3)2 Erhitzen C6H5 x /C6H4N(CH3)

\ CfiH4 N (CH3)2 C6H5/ \ C6H4 N (CH8)

Vergleicht man die Reaktionsfähigkeit der verschieden

substituierten Diazoverbindungen gegenüber Thiobenzophenon,

so zeigt sich wieder, daß die nicht carbonylsubstituierten

am stärksten, die monocarbonylsubstituierten etwas schwächer

und die dicarbonylsubstituierten Diazokörper gar nicht rea¬

gieren. Dieses Verhalten stimmt also überein mit der An¬

nahme, daß die Stabilität der Diazoringe nach der Curtius-

schen Formulierung, durch benachbarte Carbonylgruppen

erhöht wird; ferner ist auch hier Diphenylendiazomethan

weniger reaktionsfähig als Diphenyldiazomethan.1)

Vergleicht man aber weiter, wie sich die verschiedenen

Thiocarbonylderivate gegen ein und denselben Diazokörper,

z. B. gegen Diphenyldiazomethan, verhalten, so finden wir

große Unterschiede, je nachdem die CS-Gruppe durch

schwache oder stärkere Auxochrome beeinflußt ist. So

reagiert Thiobenzophenon, Thiobenzoylchlorid6) mit genann¬

tem Diazokörper sehr lebhaft, Dithiobenzoesäureester, Benzol-

thiocarbonsäureester, Thiobenzanilid, Thioharnstoff dagegennicht oder höchstens sehr langsam. Eine Untersuchung über

die Reaktionsfähigkeit der verschiedenen CS-Derivate gegen

Diphenylketen führte zu ähnlichen Resultaten. Hier kommt

4) Vergl. darüber Diss. A. Gaule, Zürich 1916.

5) Ob C6H5 • C ^ mit der C = S-Gruppe oder als Säurechlorid

-Cl

reagiert, ist ungewiß.

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sehr deutlich zum Ausdruck, daß die schwachfarbigen Ver¬

bindungen— bei denen die C == S-Gruppe direkt andie„Auxo-chrome" gebunden ist— eine nicht reaktionsfähige C=S-

Gruppe besitzen, im Gegensatz zu den farbigen Verbin¬

dungen.

C

= S Gruppe ohne Auxochrome :

Farbe Keaßiert mit

Diphenyldiazometh

> C = S blau heftig

. C = S violett sehr lebhaft

C = S Gtruf»pe mit Auxochrome:C

>C =C6H6S/

s

Farbe

hellrot

Reagiert mit

Diphenyldiazomethan

sehr langsamCeH5

>C =

CHsO/S gelb nicht

CeH5

Cl

>C =H2N/

s hellgelb nicht

H2NX>C =

H2N/:S farblos nicht

Bei der Einwirkung von /5-Thiobenzoesäureester auf

Diphenyldiazomethan konnte eine teilweise Zersetzung in

Tetraphenyläthylen beobachtet werden, ein Zerfall, der auch

bei Gegenwart von Schwefelkohlenstoff oder Senfölen kon¬

statiert wurde.

Schließlich soll noch auf das merkwürdige Verhalten

der verschiedenen Thiobenzophenonderivate gegenüber Di¬

phenyldiazomethan aufmerksam gemacht werden. Man sollte

annehmen, daß das Dimethoxythiobenzophenon, hauptsächlichaber das Tetramethyldiamiriothiobenzophenon reaktionsfähigersind als das Thiobenzophenon, hat doch das Michler'sche

Keton eine viel reaktionsfähigere Carbonylgmppe als das

Benzophenon. Ferner vertiefen allgemein die Auxochrome,wenn sie mit dem Chromophor nicht direkt verbunden

sind, die Farbe der aromatischen Verbindungen und

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vergrößern deren Reaktionsfähigkeit. Auffallender Weise

setzt sich das Dimethoxythiobenzophenon träger als das

Thiobenzophenon mit Diphenyldiazomethan um, und haupt¬

sächlich reagiert das Tetramethyldiaminothiobenzophenon nur

sehr langsam. Auch gegen Diphenylketen ist das letztere

Produkt reaktionsträger als Thiobenzophenon. Ein ähnliches

Verhalten zeigt sich auch bei der Farbe; so sind Lösungen

des Tetramethyldiaminothiobenzophenons tief rot, die des

Dimethoxythiobenzophenons blauviolett, die des Thiobenzo-

phenons rein blau; also scheinen bei der CS-Gruppe die

Auxochrome, was die Farbe anbelangt, gerade umgekehrt

zu wirken wie bei der Carbonylgruppe und der CN-Gruppe

in Schiffschen Basen.

Reaktionsfähigkeit nimmt zu :

Reagiert mit

Diphenylketen

CeH5N^> C = 0 langsam

farblos

Reaktionsfähigkeit

>C = S

C8HB/blau

nimmt ab:

Reagiert mit

Diphenyldiazomethan

sofort

CH30C6H4 v

/C = 0 etwas schneller

CH3OC6H4 /

farblos

CH3OC6H4 \>C = S

CH3OC6H4 /

blauviolett

allmählich

!H3)2NC6H4X) C = 0 viel schneller

5H8),NC6H4/schwach gelb

(CH3)2

(CH3)2

:NC6H4X>C = S

NC6H4/tiefrot

sehr langsam

Nach Strauß sollen im Dimethoxythiobenzophenon und

im Tetramethyldiaminothiobenzophenon Farben 2. Ordnung

vorliegen,6) nach obiger Zusammenstellung tritt aber bei der

C = S-Gruppe durch den Einfluß der Auxochromen keine

sukzessive Farbvertiefung ein, die vom blauen Thiobenzo-

«) Strauß, B. 46, 2267 (1913); Piccard, B. 46,1843 (1913).

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phenon über grün nach gelb und rot führen sollte, sondern

umgekehrt eine allmähliche Farberhöhung von blau über

blauviolett nach rot. Ebenso tritt nicht eine größere Reak¬

tionsfähigkeit auf, wie sie bei Farbvertiefung erfolgen sollte,sondern die Reaktionsfähigkeit nimmt Hand in Hand mit

der Farbe ab.

Die Auxochrome wirken demnach nicht bei

allen aromatischen Verbindungen farbver-

tiefend und erhöhen nicht in allen Fällen den

ungesättigten Zustand der Chromophoren. —

Eine Erklärung für diese auffallende, der Auxochromtheorie

Kauffmanns widersprechende Beobachtung kann bis jetzt

nicht gegeben werden.

Experimenteller Teil.

Darstellung von Thiobenzophenon.

Kleine Mengen von Benzophenonchlorid wurden nach

der Vorschrift von Gattermann7) mit der berechneten Menge

von alkoholischer Kaliumsulfidlösung versetzt. Es trat bald

starke Erwärmung ein, die Lösung färbte sich blau, unter

Ausscheidung von Kaliumchlorid. Nach halbstündigem Stehen

hatte sich am Boden des Kolbens ©in tiefblaues öl ange¬

sammelt. Die alkoholische Lösung wurde hierauf stark mit

Wasser verdünnt, das Öl in Äther aufgenommen und im

gewöhnlichen Vakuum destilliert. So erhielt ich aus 14 g

Benzophenonchlorid nach der Aufarbeitung und Destillation

8 g Thiobenzophenon, das bei 14 mm zwischen 173—176°

überging. Aus diesem blauen öl schieden sich meistens im

Verlaufe von einigen Stunden blaue Kristallnadeln ab,8) die

7) Gattermann, B. 29, 2944 (1896).

8) Nach Gattermann erstarrte das blaue öl in kurzer Zeit zu blauen

Nadeln, die er für reines Thiobenzophenon hält.

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wahrscheinlich als Mischkristalle von Benzophenon mit Thio-

benzophenon anzusehen sind. Der nur schwach blau gefärbte

Vorlauf erstarrte dagegen schon nach kurzer Zeit kristal¬

linisch und erwies sich als Benzophenon. Es gelang deshalb

nach dieser Darstellungsmethode nicht, reines Thiobenzo-

phenon zu erhalten.

Auch mit alkoholischem Natriumsulfid und Benzophenon-

chlorid konnte Thiobenzophenon gewonnen werden, das aber

gleichfalls mit Benzophenon verunreinigt war.

Bei einigen Versuchen, wahrscheinlich wenn ein Über¬

schuß von Alkalisulfid zugegen war, verlief die Reaktion

auffallender Weise anders; wohl trat anfangs die blaue

Farbe des Thiobenzophenons auf, die aber ziemlich rasch

über Grün nach Orange umschlug. Aus der Lösung schied

sich langsam ein blaßgelber Körper ab, der, aus Benzol um¬

kristallisiert, als weiße, körnige Substanz vom Schmp. 144

bis 146° erhalten wurde. Dieselbe scheint mit dem von

Engler9) aus Benzophenonchlorid und alkoholischem, wasser¬

freiem Kaliumsulfid gewonnenen Körper vom Schmp. 146,5°

identisch zu sein. Da seine Analyse auf die Verbindung

C13H10S stimmte, glaubte Engler in diesem Körper das noch

unbekannte Thiobenzophenon gefunden zu haben. Bergreen,10)

der aus Thiophosgen und Benzol Thiobenzophenon herzustellen

versuchte, vermutete in dem Engler'schen Körper ©in poly¬

mères Thiobenzophenon. Diese Vermutung scheint sich zu

bestätigen, denn der von mir erhaltene weiße Körper vom

Schmp. 144—146° entpolymerisiert sich beim Erhitzen und

liefert bei der Destillation tiefblaues Thiobenzophenon, das

auch bei längerem Stehen nicht erstarrt und besonders rein

(benzophenonfrei) zu sein scheint.

Eine Molekulargewichtsbestimmung hätte noch zu ent¬

scheiden, ob dieses polymère Thiobenzophenon ein di- oder

trimolekularer Körper ist.

9) Engler, B. 11, 925 (1878).

10) Bergreen, B. 21, 343 (1888).

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20 g gereinigtes und getrocknetes Produkt wurden bei

14—15 mm Druck destilliert; zwischen 170—180° gingein tiefblaues Öl über, das alle Eigenschaften des Thio-

benzophenons besaß. Ausbeute 8 g. Im Destillationskölb-

chen blieb ein beträchtlicher Rückstand, der aber nicht

weiter untersucht wurde.

Thiobenzophenon und Diphenyldiazomethan.

S

/\(C6H5)2 = C - C = iC6H5)2

Läßt man diese Körper ohne Verdünnung auf einander

einwirken, so entsteht eine äußerst heftige Stickstoffab¬

spaltung, wobei die primären Reaktionsprodukte leicht zer¬

setzt werden könnten. Die Versuche wurden daher in Petrol-

äther-Verdünnung vorgenommen.

Zu 5 g Thiobenzophenon, verdünnt mit 25 ccm Petrol-

äther, wurde unter Kühlung in kleinen Portionen eine Lö¬

sung von Diphenyldiazomethan bis zur völligen Entfärbung

zugegeben. Nach einer lebhaften Stickstoffentwicklung schied

sich in kurzer Zeit ein Kristallbrei aus. Dieser wurde ab¬

filtriert. Nach wiederholtem Umkristallisieren aus Schwefel¬

kohlenstoff und Petroläther erhielt ich den Körper in kleinen,

weißen Säulen vom Schmp. 175—176°. Ausbeute 1,6 g.

Aus der Mutterlauge ließ sich noch 1,5 g festes Produkt

abscheiden, das sich aber zum großen Teil als Benzophenon

erwies.11)Die neue Verbindung, das Tetraphenyläthylensulfid, ist

in Petroläther wenig, in Äther etwas leichter löslich, äußerst

leicht dagegen in Schwefelkohlenstoff und Chloroform. Bei

175° schmilzt der Körper trüb zusammen, um gegen 200°

erst klar zu schmelzen, es tritt eben bei zirka 175° Zer¬

setzung in Tetraphenyläthylen und Schwefel ein.

u) Das angewandte Thiobenzophenon war nicht rein, sondern stark

benzophenonhaltig.

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0,1581 g Substanz: 0,4981 g C02, 0,0778 g H20

C26H20S Ber.: C 85,67% H 5,54%

Gef.: C 85,93 H 5,50

Mit Methylalkohol: Tetraphenyläthylensulfid mit

Methylalkohol während 1 Stunde auf dem Wasserbade er¬

hitzt, reagierte nicht, die nach dem Erkalten ausgeschie¬

denen Kristalle zeigten den unveränderten Schmp. von

176°. Eine Anlagerung von Methylalkohol findet nicht statt

wie bei Äthylenoxyden, ebenso keine Umlagerung wie bei

Tetraphenyläthylensulfon.12)

Schwefelabspaltung: Analog wie bei den aus

Thiophosgen und Diazokörpem gewonnenen Verbindungen

wird auch beim Tetraphenyläthylensulfid durch Erhitzen auf

den Schmelzpunkt der Schwefel glatt abgespalten.

0,5 g Tetraphenyläthylensulfid wurde im Ölbad während

Vi Stunde auf 200—220° erhitzt. Aus heißem Benzol kri¬

stallisierte das Zersetzungsprodukt in weißen Kristallenen

vom Schmp. 220—221°, das sich mit Tetraphenyläthylen

identisch erwies. Mischprobe Schmp. 221 °.

Thiobenzophenon und Diphenylendiazomethan.

S

/\(CeH5)2 = C — C = (C6H4)2

4,4 g (1 Mol.) fein pulverisiertes Diphenylendiazomethan

wurden in absolutem Äther gelöst und die Lösung zu einer

solchen von 4,5 g (1 Mol.) Thiobenzophenon unter Eisküh¬

lung langsam zugegeben. Es trat sofort eine kräftige Stick¬

stoffentwicklung (nicht ganz so lebhaft wie beim Diphenyl-

diazomethan) ein, die nach zirka einer halben Stunde be¬

endet war. Aus der nur noch blaßroten Lösung schied sich

plötzlich ein Kristallpulver ab, das, öfters aus Schwefel¬

kohlenstoff und Petroläther umkristallisiert, 4 g Reinprodukt

12) Vergl. Staudinger und Pfenninger, B. 49,1943 (1916).

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lieferte. Die körnigen, weißen Kristalle schmelzen bei zirka

190° trüb zusammen, werden bei etwas höherer Temperaturwieder fest, um gegen 220—225 ° schließlich klar zu schmel¬

zen.13) Der Körper ist monomolekular und die Elementar-

analysie stimmte für das erwartete Diphenyldiphenylenäthylen-sulfid.

0,1257 g Substanz: 0,3929 g C02, 0,0572 g H20

C26H18S Ber.: C 86,14% H 5,01%

Gef.: C 86,33 H 5,09

Schwefelabspaltung: 2 g Diphenyldiphenylen-

äthylensulfid, die während 1U Stunde im Ölbad auf 230°

erhitzt wurden, hatten ihren Schwefel glatt abgespalten.

Die gelbe Schmelze lieferte aus Benzol säulenförmige, weiße

Kristalle, die bei 224—225° zu einer gelben Masse schmel¬

zen. Diese erwiesen sich durch Mischprobe, Schmp. 225°,

identisch mit Diphenyldiphenylenäthylen.

Dimethoxythiobenzophenon und Diphenyldiazomethan.S

/\(C6H5)2 = C - C = (C6H4OCH3)2

Eine konzentrierte Benzollösung von 0,2 g Dimethoxy¬

thiobenzophenon wurde zu einer solchen von 0,2 g Diphenyl¬

diazomethan gegossen. Die Stickstoffentwicklung begann fast

momentan, doch war sie nicht lebhaft. Die Lösung entfärbte

sich allmählich. Nach Beendigung der Reaktion fielen auf

Zusatz von etwas Petroläther feine, weiße Nadeln aus. Aus¬

beute an Rohprodukt 0,3 g. Während der frisch ausgefällte

Körper einen unscharfen Schmp. von 100° zeigte, stieg der¬

selbe nach dem Umkristallisieren aus Benzol und Petroläther

von 100 auf 125° und noch höher. Diesem fortwährenden

Steigen des Schmelzpunktes liegt möglicherweise eine Um-

lagerung zugrunde.

1S) Auch hier tritt Zersetzung ein, bei 220—225 ° schmilzt das Ge¬

misch von Diphenyldiphenylenäthylen und Schwefel.

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Leider konnte diese Erscheinung, sowie die Schwefel¬

abspaltung nicht mehr untersucht werden, da nur eine ganz

kleine Menge Dimethoxythiobenzophenon zur Verfügung

stand.

Die Analyse des frisch dargestellten Produktes stimmte

annähernd auf das Dimethoxytetraphenyläthylensulfid.

0,1052 g Substanz: 0,3039 g C02, 0,0548 g H20

C28U2402S Ber.: C 79,2% H 5,7%

Gef.: C 78,8 H 5,8

Tetramethyldiaminothiobenzophenon und Diphenyldiazomethan.

S

/\(C6H5)2 = C - C = (C6H4 N (CH3)2 )2

4 g (1 Mol.) Tetramethyldiaminothiobenzophenon14) und

3 g (1 Mol.) Diphenyldiazomethan wurden in wenig Benzol

gelöst und die beiden Lösungen zusammengegossen. An¬

fangs konnte gar keine Gasentwicklung wahrgenommen wer¬

den, erst nach längerem Stehen konnte eine solche beim

Schütteln der Lösung beobachtet» werden. Nach 2 tägigem

Stehen war die rote Lösung fast farblos geworden; die aus¬

geschiedenen Kristallblättcben wurden abfiltriert. Ausbeute

3,5 g. Aus der Mutterlauge ließen sich noch 2,6 g unreineres

Produkt gewinnen.

Die aus Benzol umkristallisierten, schwachgelben, feinen

Nadeln schmolzen bei 164—165 °. Eine Stickstoffbestimmung

der schwefelhaltigen Substanz stimmte für das erwartete

Tetramethyldiaminotetraphenyläthylensulfid.

0,1853 g Substanz: 10,7 cm3 N2 (22°, 723,5 mm)

C30H30N2S Ber.: N 6,2%

Gef.: N 6,4%

") Dieses Produkt war vor längerer Zeit in liebenswürdiger Weise

von der Badischen Anilin- und Sodafabrik Herrn Prof. Dr. Staudinger

zur Verfügung gestellt worden.

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Schwefelabspaltung: Diese Abspaltung geht hier

ganz glatt vor sich.

Eine Probe von 0,2 g Tetramethyldiaminotetraphenyl-

äthylensulfid erhitzte ich eine halbe Stunde auf 210—220°

und kristallisierte die Schmelze aus Ligroin um. Das gelbe

Kristallpulver schmolz bei 202—203°, nach nochmaligemUmkristallisieren aus Essigester bei 208°, und zeigte sich

durch Mischprobe mit Tetramethyldiaminotetraphenyläthylen

identisch.15)

Thiobenzophenon und Diazoessigester,

Durch kleine Versuche wurde festgestellt, daß Diazo¬

essigester ebenfalls mit Thiobenzophenon unter Stickstoff¬

abspaltung reagiert, allerdings bedeutend weniger heftig

als die nicht carbonylsubstituierten, reinen Diazokörper.

Auch zwischen Diazoessigmethylester und Diazoessig-

äthylester konnte ein Unterschied in der Reaktionsfähigkeit

festgestellt werden. Letzteres entfärbte eine blaue Thio-

benzophenonlösung rascher.16) In beiden Fällen schied sich

nach einigem Stehen ein,.weißer Körper ab, der noch nicht

untersucht wurde.

15) Staudinger und Kon, A. 384,108 (1911).

16) Diazoessigsäureäthylester ist additionsfähiger als der Methyl¬ester. Vergl. Diss. A. Gaule, Zürich 1916.

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Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf

Diazoverbindungen.

Theoretischer Teil.

In den sogenannten Thiodiazolen Wolffs hoffte ich ein

weiteres Ausgangsmaterial zur Darstellung von Thioketenen

zu finden, da sie durch Stickstoffabspaltung und Wanderung

eines Phenylrestes in die gesuchten Thioketene übergehen

sollten. Z. B.

S

C6H5 C N C6H5 xII II —> >C^C = fe + N2

I*

CH3 0 C = 0

CH3 0 C = 0

Um zu einfachen Thiodiazolen zu gelangen, wurde die

Umsetzung von Diazokörpern mit Schwefelwasserstoff näher

studiert.

Diese Thiodiazolderivate erhielt Wolff1) durch Ein¬

wirkung von Schwefelwasserstoff auf dicarbonylsubstituierte

Diazoverbindungen, die er als Diazoanhydride bezeichnete

und folgendermaßen formulierte:

0 S

C6H6-C N C6H5-C N

II II +H2S > || || +H20C — N C — N

I ICH3 0 C = 0 CH3 0 C = 0

l) Wolff, A. 325,129 (1902); 333,1 (1904).

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Durch neuere Arbeiten von Hirzel2) und besonders

durch diejenigen von Maechling3) wird aber gezeigt,daß diese Konstitutionsformel für Diazoanhydride ausgeschlos¬sen ist, und daß deshalb die Wolffsche Auffassung der

Bildung dieser Körper nicht zutreffend sein kann.

Das verschiedene Verhalten, besonders die relative

Beständigkeit der Diazoanhydride gegenüber den nicht car-

bonylsubstituierten aliphatischen Diazokörpern wird einfach

auf den Einfluß benachbarter Carbonylgruppen auf die

Diazogruppe zurückgeführt. Nehmen wir für die Diazo-

Verbindungen die ältere Curtius'sche Formel an:

(einige Gründe dafür sollen in der folgenden Arbeit mit¬

geteilt werden), so würde also die Carbonylgruppe die Sta¬

bilität des 3-Rings erhöhen, die Reaktionsfähigkeit ab¬

schwächen und die Farbe entsprechend herabsetzen.*)Ein Hauptunterschied zwischen den Diazoanhydriden und

den übrigen Diazoverbindungen war nach den bisherigenVersuchen ihr Verhalten gegen Schwefelwasserstoff; Diazo¬

anhydride geben Thiodiazolderivate, während Diazoverbin¬

dungen zu Hydrazonen reduziert werden. Neuere Unter¬

suchungen ergaben aber, daß auch dieser Unterschied nicht

wesentlich ist und daß jedenfalls durch dieses Verhalten

die Struktur der Diazoanhydride nicht begründet werden

kann.

Betrachten wir nun die Einwirkung von Schwefelwasser¬

stoff auf Diazoverbindungen unter diesen Gesichtspunkten,

so läßt sich diese in drei Gruppen einteilen:

1. Schwefelwasserstoff wirkt auf die Diazoverbindungen,

die sehr leicht zur Ringaufspaltung neigen, wie eine Säure-

2) Hirzel, Dissert, Zürich 1916.

3) Maechling, Dissert., Zürich 1916.

*) Staudinger, B. 49,1894 (1916).

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ein, und man erhält Mercaptanderivate; so wird aus dem

Diphenyldiazomethan das Thiobenzhydrol gewonnen.6)

C6H6X /N H2S C6H5X ,H

>C<|| - >C( +N2CH./ XN C6H5/ XSH

Analog dürften sich alle nicht carbonylsubstituierten

Diazoverbindungen verhalten, während bei carbonylsubsti¬

tuierten Diazoverbindungen eine derartige Reaktion bisher

nicht beobachtet wurde, entsprechend den in der Arbeit von

Staudinger und Gaule6) mitgeteilten Untersuchungen,

daß schwache Säuren auf diese Diazoverbindungen nur sehr

langsam einwirken. Diazoessigäthylester wird von Schwefel¬

wasserstoff nicht oder doch nur äußerst langsam angegriffen.

2. Bei carbonylsubstituierten Diazoverbindungen gibt es

dann eine andere Reaktionsmöglichkeit. Die Diazoverbin-

dung wird — hauptsächlich bei Gegenwart von Ammoniak

— reduziert, wie dies für Azoverbindungen bekannt ist.

Primär sollten dabei Hydraziverbindungen entstehen, die

sich aber wohl in der Regel in Hydrazone umlagern werden.

So wurde aus Diazoacetophenon7) und ebenso aus Diazo-

malonester8) mit Schwefelwasserstoff das entsprechende

Hydrazon erhalten.

/N H2S /NHC6H5-CO-CH< || — C6H6-CO-CH< | - C6H5-CO-CH = N-

Bei meinen Untersuchungen über Einwirkung von

Schwefelwasserstoff auf Diazoessigäthylester erhielt ich zwei

isomere Reduktionsprodukte von der Zusammensetzung des

5) Staudinger und v. Murait, B. 49,1920 (1916).

6) Staudinger und Gaule, B. 49,1899 (1916).

') Wolff, A. 394, 24 (1912).

8) Dimroth, A. 373, 338 (1910); Piloty u. Neresbeimer. B. 39, 516

(1906).

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Glyoxylsäureäthylesterhydrazons, wovon das erste eventuell

der- bis jetzt unbekannte Hydrazikörper sein könnte.

CH< || CH< | CH = N —NH2

| XN +H2S — | XNH —> |

COOC2H5 COOC2H5 COOC2H5

3. Bei carbonylsubstituierten Diazoverbindungen kann

aber Schwefelwasserstoff auch auf die Carbonylgruppe ein¬

wirken, wenn die Carbonylgruppe genügend reaktionsfähig

ist. Die thiocarbonylsubstituierten Diazoderivate werden sich

dann, bei der großen Reaktionsfähigkeit der CS-Gruppe

sekundär in die Thiodiazolderivate umlagern. Danach ist es

verständlich, daß aus dem Benzoylacetyldiazomethan zwei

Thiodiazolderivate entstehen können, daß dagegen aus dem

Benzoyl- und Acetyldiazoessigester nur ein Thiodiazolderivat

resultiert, während aus Diazomalones.ter kein Thiodiazol¬

derivat erhalten wurde. S

C6H5-C = 0 C6H6-C = S C„H6-C N

I /N I /N || IIC< || +H,S— C < M —-> C —N und

j XN I XN |CH3C = 0 CH3C = 0 CH3C = 0

CyH5-C = 0 C6H6-C = 0

I /N !C< || — c — s

XN || ||

CH3C = S CH3C N

S

CH3 CH3 CH3I I I y\C = 0 C = S •(/ XN

| /N +H2S —+ ! /N —- || ||

C<|| C<|| C- N

t XN [ XN |COOC2H5 C00C2H5 COOC2H5

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Das Carbonyl der Carboxäthylgruppe ist eben zu wenig

reaktionsfähig, als daß es mit Schwefelwasserstoff reagieren

könnte. Das letztere gilt auch für den Diazoessigäthylester.

Entsprechend diesen Anschauungen sollten auch aus

monocarbonylsubstituierten Diazoverbindungen mit reaktionsr

fähigem Carbonyl Thiodiazole erhalten werden, und in der

Tat gewinnt man aus dem Phenylbenzoyldiazomethan sehr

leicht das Diphenylthiodiazol:

C6H5-CN2 H2S C6H5-CN2 CeH6-C-NI -y I ---> II II

C6H5.C = 0 C6H6-C=S CßH6 C N

S

Merkwürdigerweise ist ein Thiodiazolderivat beim Diazo-

cetophenon nicht erhalten worden, vielleicht deshalb, weil

hier die Reduktion zu leicht verläuft.9)

Diphenyl-thiodiazol.

Diese Verbindung war von besonderem Interesse, weil

darauf durch Stickstoffabspaltung das Phenylthiobenzoyl-

methylen resultieren sollte, das sich zu dem bisher ver¬

geblich gesuchten Diphenylthioketen umlagern könnte, analog

der Bildung von Diphenylketen aus dem Phenylbenzoyl-

methylen:10)

C6H5.C-Ns C6H5-C< +N2II >N —+ | (C6H6)2 C = C = S

C8H6-C —S/ C8H5.C = S

Das Thiodiazolderivat ist aber, wie nach Wolffs Unter¬

suchungen zu erwarten war, sehr beständig. Es verliert erst

bei 200° quantitativ seinen Stickstoff. Dabei erhält man in

guter Ausbeute Tetraphenylthiophen. Die Reaktion ist also

ganz anders erfolgt als erwartet, und wesentlich ist, daß

eine Phenylwanderung hier nicht eintritt:

9) Wolff, A. 394, 24 (1912).

10) Schroeter, B. 42, 2345 (1909).

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C6H6-C— Nv C6H6-C —C-C6H52 II >N —- || || +S4-2N2

C6H5-C — Sx G6H5-G G-C6H5\ys

Es sei zum Schlüsse noch darauf hingewiesen, daß auch

bei der Zersetzung des Phenylthiodiazolcarbonesters nicht

der erwartete Phenylthioketencarbonester erhalten wird.11)(vergl. Formel S. 67).

Experimenteller Teil.

Phenyl-benzoyl-diazomethan und Schwefelwasserstoff.

In eine alkoholische Suspension von Phenylbenzoyldiazo-

methan — der Diazokörper ist in Alkohol schwer löslich —

wurde Schwefelwasserstoff eingeleitet, um zu sehen, ob

dieser carbonylsuhstituierte Diazokörper, der mit schwachen

Säuren relativ leicht reagiert, mit Schwefelwasserstoff Phenyl-

benzoylmerkaptan bildet. Es erfolgt nur langsam Reaktion.

4 g Phenylbenzoyldiazomethan, suspendiert in 40 cem

Alkohol, hatten sich nach fünf Tagen unter Entfärbung

aufgelöst. Schwefel hatte sich nicht ausgeschieden. Nach

dem Absaugen des Alkohols blieben als Rückstand 4 g gelb¬

liches Öl zurück. Dieses wurde in wenig Äther aufgenommen

und im Vakuum bei 0,6 mm destilliert. Die bei 140° über¬

gehende Flüssigkeit erstarrte sofort zu einer weißen Masse,

die, aus Petroläther umkristallisiert, bei 58—59° schmolz

und sich durch Mischprobe als Diphenylessigsäureäthylester

erwies, der so in guter Ausbeute erhalten wurde. Im Kölb-

chen blieb nur wenig Rückstand.

n) Vergl. Dissert. Hirzel, Zürich 1916.

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Durch Abspaltung des Stickstoffs ist also hier Keten-

bildung eingetreten:12)

C = 0

B_C = 0 CBH5X || C6H6X| — >C + C2H5OH — >CH —C02C2H5

B-C = N2 C6H5/ C6H6/

Phenyl-benzoyl-diazomethan und Schwefelwasserstoff bei

Gegenwart von viel Ammoniak.

In eine gesättigte alkoholische Ammoniaklösung wurde

in der Kälte Phenylbenzoyldiazomethan suspendiert und einige

Tage Schwefelwasserstoff eingeleitet. Das Diazoprodukt ging

allmählich unter Stickstoffentwicklung in Lösung; Schwefel

wurde keiner ausgeschieden. Nach Filtration und Absaugen

des Alkohols schieden sich eine Menge weißer Kristallblätt-

chen ab, die nach dem Umkristallisieren aus Benzol sich

als Diphenylacetamid, als einziges Reaktionsprodukt, erwiesen.

Schmelzpunkt 167—168°.

0,1083 g Substanz: 0,3153 g C02, 0,0588 g ILO

0,1217 g „ 0,3542 g C02, 0,0702 g H20

0,1318 g „8 cm3 N2 (22°, 714 mm)

C14H1S0N Ber.: C 79,58% H 6,26% N2 6,64%Gef.: C 79,40 H 6,08 N2 6,60

C 79,38 H 6,45

Auch hier war primär Ketenbildung erfolgt.13)

Versetzt man eine alkoholische Suspension von Phenyl¬

benzoyldiazomethan mit farblosem oder gelbem Schwefel¬

ammonium, so wurde hauptsächlich Diphenylacetamid neben

etwas Diphenylthiodiazol erhalten und nicht, wie erwartet,

das Reduktionsprodukt, das Hydrazon.

12) Vergl. über die Umsetzung mit Alkohol: Schroeter, B. 42,3356

(1909).

13) Vergl. die analoge Reaktion mit Anilin, Staudinger, B. 49,1971

<1916).

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Diphenyl-thiodiazol.

C6H6-C-N.II Vn

CfiH5 — C - S /

Dieses Produkt wurde erhalten, als Phenylbenzoyldiazo-

methan bei Gegenwart von wenig Ammoniak in Alkohol

mit Schwefelwasserstoff behandelt wurde.

35 g fein geriebenes Phenylbenzoyldiazomethan wurden

in 100 ccm Alkohol suspendiert, 20 ccm verdünnte Am¬

moniaklösung, die bereits mit Schwefelwasserstoff gesättigt

war, zugesetzt und während vier Tagen Schwefelwasserstoff

eingeleitet. Allmählich scheidet sich an Stelle des Diazo-

körpers ein farbloser Kristallbrei aus, der abfiltriert wurde.

Ausbeute zirka 8 g. Das Thiodiazolderivat ist erst nach

öfterem Umkristallisieren rein zu erhalten. Es wurde zuerst

aus Methylalkohol und dann aus Äther umkristallisier't. In

reinem Zustande sind es weiße Kristalle vom Schmp. 93

bis 94°, die aber, wie das Wolff auch für andere Thio-

diazolderivate angibt,14) sehr lichtempfindlich sind und sich

am Lichte gelb, manchmal auch rötlich färben. Letzteres

war besonders der Fall bei einem aus Methylalkohol um¬

kristallisierten, etwas unreinen, in feinen Kristallnadeln er¬

haltenen Produkte. Schmp. zirka 90°.

0,1384 g Substanz: 0,3595 g C02, 0,0554 g H20

0,1566 g „16,8 cm3 N2 (18° und 729 mm)

0,1791 g „ 19,2 cms N2 (19° und 729 mm)

0,0861 g „in 11,96 g Benzol 0,165°

CUH]0N2S Ber.: C 70,54% H 4.23% N 11,76%,

Gef.: C 70,84 H 4,48 N 12,07

12,02

Mol. Gew. Ber.: 238 Gef.: 218

Die Mutterlaugen wurden durch Absaugen aufgearbeitet

und so geringe Mengen von dem Thiodiazolderivat erhalten.

") Wolff, A. 333, 5 (1904).

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Es verblieb schließlich eine Schmiere, die mit Äther be¬

handelt wurde; so wurden geringe Mengen des in Äther

schwer löslichen Diphenylacetamids gewonnen. Die äther¬

löslichen Bestandteile waren nicht zum Kristallisieren zu

bringen und wurden nicht weiter untersucht, da wahrschein¬

lich ein schwer zu trennendes Gemisch der verschiedenen

Reaktionsprodukte vorlag. Es ist möglich, daß man bei

Anwendung von noch weniger Ammoniak eine bessere Aus¬

beute an Diphenylthiodiazol erhält.

Zersetzung des Diphenyl-thiodiazols.

Das Diphenylthiodiazol spaltet bei hoher TemperaturStickstoff ab. Kleine, genau abgewogene Mengen von Thio-

diazol wurden in einem Reagensglas mit Ansatz in Kohlen¬

säureatmosphäre unter Ausschluß von Feuchtigkeit zersetzt

und der Stickstoff in einem Azotometer aufgefangen.

So wurde nachgewiesen, daß nach 6 stündigem Er¬

hitzen der Xylollösung auf 140 °nur zirka Vs <ler berechneten

Menge, nach 5 stündigem Erhitzen in kochendem Brom¬

benzol (Sdp. 152°) erst 1/i der berechneten Menge Stickstoff

abgespalten ist. In kochendem Naphtalin, Sdp. 218°, in

Benzoesäureester, Sdp. 212 °, ebenso beim Erhitzen mit freier

Flamme ohne Lösungsmittel wird der Stickstoff quantitativ

abgespalten.

0,3572 g Substanz gaben beim Erhitzen mit freier Flamme

39,6 cm» Ng (20», 721 mm)0,4113 g Substanz gaben bei 4-stündigem Erhitzen in Benzoe-

säureester 42,2 cm3 N2 (19°, 718.5 mm).

C14H10N2S Ber.: N 11,76%

Gef. : N 12,25

11,87

Um die Reaktionsprodukte nachzuweisen, wurden größereMengen von Diphenylthiodiazol in kochendem Benzoesäure-

ester resp. Naphtalin zersetzt und sofort Anilin zugegeben,

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um eventuell gebildetes Keten resp. Zwischenprodukt zu

charakterisieren. Das Anilin trat aber nicht in Reaktion.

Ebenso führte eine Stickstoffabspaltung in Anilin selber,bei 190 °, zu keinem Anilid. Die nach Entfernung des Anilins

zurückbleibende Schmiere enthält keinen Stickstoff.

Dann wurden 4 g Thiodiazolderivat in 10 ccm Benzoe-

säureester durch 4 stündiges Erhitzen im ölbade zerlegt.Aus' der braunroten Lösung wurden beim Erkalten gelbeKristalle erhalten, die sich durch Eisessig in geringe Mengeneines schwer löslichen, gelben Körpers, der bei 233—234°

schmilzt, zerlegen ließen und in einen etwas leichter lös¬

lichen, weißen, schwefelhaltigen Körper, der nach öfterem

Umkristallisieren aus Benzol bei 183—184° schmolz.

Der höher schmelzende Körper, der ebenfalls schwefel¬

haltig ist, wurde nicht untersucht, möglicherweise ist er

identisch mit dem schwefelhaltigen Zersetzungsprodukte des

Trithiobenzaldehyds vom Schmp. 240—250 °.15)

Der bei Î83—184° schmelzende, weiße Körper ist

identisch mit Tetraphenylthiophen, wie durch Analyse und

durch Mischprobe mit einem aus Trithiobenzaldehyd gewon¬

nenen Tetraphenylthiophen nachgewiesen wurde.

Die Zersetzung des Diphenylthiodiazols (4,4 g) erfolgt

glatter in kochendem Naphtalin (8 g) bei 4 stündigem Er¬

hitzen. Das Naphtalin wurde danach in Benzol gelöst und

durch Ätherzusatz das Tetraphenylthiophen ausgeschieden.

Ausbeute 3,5 g. Nebenprodukte wurden keine beobachtet.

Analyse des Tetraphenylthiophens:

0,1342 g Substanz: 0,4249 g C02, 0,0592 g H20

C28H20S Ber.: C 86,55% H 5,19%

Gef.: C 86,35 H 4,93

is) Baumann und Klett, B. 24, 3312 (1891).

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Reduktion von Diazoessigester.

Theoretischer Teil.

Faßt man den Diazoessigester nach einem früheren

Vorschlag als Furoldiazolderivat auf,1) so sollte man er¬

warten, daß dieser Diazokörper die charakteristischen Reak¬

tionen der Diazoanhydride zeigen würde. Von Interesse war

besonders das Verhalten gegen Schwefelwasserstoff, das

bei den Diazoanhydriden bekanntlich zu Thiodiazolen führt.2)

Entsprechend sollte auch Schwefelwasserstoff auf Diazo¬

essigester wirken und zu einem Thiodiazoessigester, dem

Athoxythiodiazol führen, welches durch Stickstoffabspaltung

eventuell in ein Thioketen übergehen könnte.

H-C — N H-C —N

|| || + HaS = || || + H20C2H5OC N C2H5OC N

0 S

H-C —N KL

|| || — >C=--C = S + N2H6C2OC N C2H507

Die Anschauungen über die Diazokörper haben sich seit¬

her durch eine Reihe neuer Arbeiten wieder geändert,3)

») Beilstein, Handbuch d. org. Chem. (1893), 1493.

2) Wolff, A. 333,1 (1904).3) Standinger, B. 49,1884 (1916).

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und sind zum Teil im vorigen Abschnitt mitgeteilt worden.

Die Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Diazoessigesterverläuft nicht in oben erwähnter Eichtung, sondern dieser

wirkt — bei Gegenwart von wenig Ammoniak — reduzierend.

CHN2 CHN2H2| +H,S= | +SCOOC2H5 COOC2H5

Die Arbeit wurde aber weiter fortgesetzt, da diese Reak¬

tion zu sehr auffallenden Reduktionsprodukten führte. Es

entsteht nämlich ein flüssiges Hydrazon, das sich beim

Stehen in ein isomeres, festes umlagert.

Diese interessante Erscheinung scheint mir für die

Konstitutionsfrage der aliphatischen Diazoverbindungen, ins¬

besondere des Diazoessigesters, nicht ohne Bedeutung zu

sein; weshalb hier die im Laufe der Zeit vorgeschlagenen

Strukturformeln des letzteren kurz angeführt seien.

Die erste Konstitutionsformel erhielt der Diazoessig-

ester von seinem Entdecker Curtius4) in der cyklischen

Formel:

R02C — CH< ||NN

Da sich verschiedene Reaktionen durch diese Formulie¬

rung nur schwierig erklären ließen, wurde später von

A n g e 1 i5) und Thiele6) eine Formel mit offener Stick¬

stoffkette vorgeschlagen.

R02C — CH = N = N

Diese Auffassung stützte sich besonders auf die leichte

Oxydierbarkeit der Hydrazone zu Diazokörpern, durch

welche letztere in vielen Fällen in äußerst einfacher Weise

zugänglich geworden sind.

4) Curtius, J. pr. (2) 38, 407 (1888).

5) Angeli, Gaz. 24, II, 46.

6) Thiele, B. 44, 2522 (1911).

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Ein dritter Vorschlag endlich ist die bereits erwähnte

Furoldiazolformel, bei der die Valenzen des Stickstoffes

und Sauerstoffes sich durch Ringbildung gegenseitig ab¬

gesättigt haben.

HC — N 7) HC = X ~ îvT 8)II II und |

ROC N ROC = 0

\y0

Durch diese Konstitution sollte vor allem die relativ

große Beständigkeit des Diazoessigesters gegenüber den

nicht carbonylsubstituierten Diazoverbindungen zum Aus¬

druck gebracht werden.

Maechling9) hat in jüngster Zeit durch seine Arbeiten

„Zur Konstitution der Diazoanhydride" diese Formulierung

entschieden widerlegt und damit muß auch die Furoldiazol¬

formel des Diazoessigesters, die durch sein Verhalten gegen

Schwefelwasserstoff unwahrscheinlich wurde, fallen gelassen

werden. Es bleibt somit die Wahl zwischen der älteren

Curtius'schen und der offenen Angeli-Thiele'schen Formel.

Spricht schon die Beständigkeit der Diazoverbindungen,

sowie das Verhalten der Farbe und die Reaktionsfähigkeit

bei carbonylsubstituierten Diazokörpern für die Ringstruk¬

tur,10) so wäre die Auffindung und Isolierung eines ein¬

fachen Hydrazikörpers als Reduktionsprodukt als entschei¬

dend anzusehen. Ein solcher scheint in dem ersten der zwei

aus Diazoessigester erhaltenen Reduktionsprodukte vorzu¬

liegen.

Hydrazikörper sind in jüngster Zeit aus Diazokörpernund Azoverbindungen gewonnen worden, z. B. Hydrazi-

;) Beilstein, Handbuch der org. Chemie, 1493(1893).

8) Staudinger, Schweiz. Chemikerztg., 1914, Nr. 3.

9) Maechling, Diss., Zürich 1916.

10) Staudinger, B. 49,1894 (1916).

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methantricarbonester,11) Hydrazifluorendicarbonester.12) Alle

Versuche, aus diesen Körpern durch Ersatz der Carboxyl-

gruppe durch Wasserstoff zu einfachen HydraziVerbindungen

zu gelangen, führten nicht zum Ziele.

Über die Reduktion von Diazoessigester sind schon eine

Reihe von Arbeiten ausgeführt worden. Energische Reduk¬

tion in saurer Lösung führt direkt zu Aminoverbindungen;

so gibt Diazoessigester, mit Zinkstaub und Eisessig reduziert,

Aminoessigester.13)

/N +3H2C2Hä02C — CH < || - NH3 -f C2H50,C — CH2 • NH2

XN

Gelinde Reduktionsmittel liefern dagegen Hydrazinver-

bindungen. So erhielt Curtius1*) aus Diazoessigester und

Ferrosulfat in alkalischer Lösung Hydrazin.

C,H60,C —CH< II —- C2H502C —CHXN XNH

NH2| -j- C2H502C — CHO

NH2

Primär beobachtete er dabei die Bildung von Hydrazi-

essigsäure, die als Salz abgeschieden werden konnte und

in Lösung einige Zeit beständig war, doch konnte sie nicht

isoliert werden. Mit Säuren zerfiel sie in Hydrazinsalz und

Glyoxylsäure.

Durch Reduktion des Diazoessigesters mit Natrium¬

amalgam in alkalischer Lösung erhielt Darapski18) glatt

Hydrazinoessigsäure, wobei auch er als Zwischenprodukt

Hydraziessigsäure nachweisen konnte. Darapski faßt aber

die erwähnte Hydraziessigsäure, gestützt auf ihre äußerst

U) Müller, B. 47, 3001 (1914).

12) Staudinger und Gaule, B. 49,1961 (1916).

JS) Curtius und Jay, J. pr. (2) 38, 401 (1888).

u) Curtius, B. 27, 775 (1894).

16) Darapski, B. 45,1654 (1912).

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leichte Reduktion zu Hydrazinoessigsäure, als Glyoxylsäure-

hydrazon auf und schlägt deshalb auch für den Diazoessig-

ester die offene Diazoformel vor:

H02C-CH = N = N -1—4 H02C-CH = N —NH2

H02C-CH2 — NH-NH2

Gelinde Reduktion der nicht carbonylsubstituierten, ali¬

phatischen Diazokörper führte ebenfalls nicht zu Hydrazi-

verbindungen, die isolierten Produkte waren immer Hydrazone.

Betrachten wir nun die Isomerieverhältnisse der bei der

Reduktion von Diazoessigester mit Schwefelwasserstoff er¬

haltenen zwei Reduktionsprodukte von der Formel C4H802N2

etwas näher, so könnte es sich einmal um einen Hydrazi-

körper und ein Hydrazon handeln.

,NH

C2H502C — CH< | , C2H502C — CH = N — NH2XNH

Eine entsprechende Strukturisomerie wurde von Stau¬

dinger und A. Gaule16) beobachtet. So lagerte sich beim

Erwärmen der aus Azodicarbonester und Diphenylendiazo-

methan erhaltene Hydrazifluorendicarbonester in Fluorenon-

hydrazondicarbonester um.

/NCOOC2H5 /COOC2H5(C6H4)8C < | — (C8H4)2 C = N • N <

xNCOOC2H5 xCOOC2H8

Es ist also denkbar, daß beim Diazoessigester durch

den Einfluß der benachbarten Carbonylgruppe die Stabilität

des 3-Ringes so erhöht wird, daß das primäre Anlagerungs-

produkt einige Zeit beständig ist, sich aber langsam in das

isomere Hydrazon umlagert.

Eine zweite Möglichkeit besteht darin, daß die erhaltenen

Körper nicht strukturisomer, sondern stereoisomere Hydra¬

zone darstellen.

IS) Staudinger und Gaule, B. 49,1461 (1916).

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H-C-CO,C,HB HC-C02C2H5Il IIN — NH2 H2N — N

syn anti

Stereoisomere Hydrazone sind schon öfters beobachtet

und untersucht worden. Besonders eingehend haben Förster

und Zimmerli17) sich mit dem Studium von isomeren

Campherhydrazonen und ihren Derivaten beschäftigt, bei

denen nach ihren Angaben Strukturisomerie ausgeschlossen ist

Für die erste Auffassung spricht der große Unterschied

der Siedepunkte (65°) der beiden Isomeren, die anfangs die

Annahme wahrscheinlich machten, daß es sich um Polymere

handle, die Molekulargewichtsbestimmungen sprechen aber

dagegen. Stereoisomere Verbindungen können wohl großeUnterschiede im Schmelzpunkt aufweisen, ihre Siedepunkte

dagegen liegen nach den bisherigen Kenntnissen nicht weit

auseinander, z. B.

Fumarsäurediäthylester, Siedepunkt 218°

Maleinsäurediäthylester, „225°

Fumarsäuredimethylester, „192°

Maleinsäuredimethylester, „205°

Ferner sprechen die Molekulargewichtsbestimmungender beiden Verbindungen in Benzol gegen Sterioisomerie.

Während der primäre, tiefsiedende Körper ein normales Ver¬

halten zeigt, nimmt bei der hochsiedenden Verbindung das

Molekulargewicht mit der Konzentration stetig zu, der Körper

assoziiert. Die durch eine Reihe von Bestimmungen erhal¬

tenen Daten finden sich in den nachstehenden Assoziations¬

kurven.

Wären die beiden Körper sterioisomer, so sollte doch

eher die energiereichere syn-Verbindung zur Assoziation

neigen, was nicht der Fall ist. Allerdings fand ich auch

keine Angaben über ein Assoziieren von Hydrazonen; Benzo-

17) Forster und Zimmerli, Chem. Soc. 2156 (1910); C. 1911,1,145.

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phenonhydrazon,18) a- und /Ô-Acetaldehyddiphenylhydrazon,

a- und /Ô-Anisphenylketondiphenylhydrazon19) zeigten in

Benzol normales Molekulargewicht.

Nach den bisherigen Versuchen verhalten sich dagegen

die zwei Reduktionsprodukte in chemischer Beziehung ganz

gleich; was die Reaktionsfähigkeit anbetrifft, scheint der

feste Körper etwas leichter zu reagieren. Mit Säuren werden

sie in Glyoxylsäureester und Hydrazinsalz gespalten, Benz¬

aldehyd gibt Benzalazin, salzsaures Phenylhydrazin Glyoxyl-

säurephenylhydrazon. Diese Aufspaltungen sind auch mit der

Hydraziformel vereinbar, denn Diaminoverbindungen, z. B.

der von Willstätter20) dargestellte Tetramethyldiamino-

essigester, verhielten sich ganz analog. Durch Oxydation

mit Quecksilberoxyd gehen die beiden Isomeren in kurzer

Zeit in Diazoessigester über, der sich weiter zu Qecksilber-

diazoessigester umsetzt.

Eine Reihe weiterer Versuche wurde ausgeführt, um

das primäre Produkt, den Hydraziessigester, mit Chlorkohlen¬

säureester und Benzoylchlorid in Hydrazimethantricarbon-

ester resp. Dibenzoylhydrazimethancarbonester überzuführen,

Körper, die von W. Müller21) dargestellt und beschrieben

sind.

, NH /N-COOCÄC2H502 • C — CHS | -f 2 Cl C00C2H5 --> C2H602 • C — CH

NH ^N-COOCÄ/NH /N-COC6H5

C2H,02-C-CH + 2C6H5-COCl-->C2H602-C —CH I

NH \n-COC6H5

!8) Curtius und Rauteberg, J. pr. (2) 47,195 (1891).

19) E. Fischer, B. 29, 793 (1896).

20) Willstätter, B. 35,1382 (1902).

21) W. Müller, B. 47, 3001 (1914).

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Leider ließen sich diese Reaktionen nicht durchführen

und daher kann eine definitive Entscheidung dieses interes¬

santen Isomeriefalles nicht gegeben werden.32) Eis sei noch

erwähnt, daß Dimroth23) durch Reduktion von Phenylazit

ebenfalls zwei isomere Reduktionsprodukte, Phenyltriazene,

erhalten hat, denen er eine analoge Strukturisomerie zu¬

schreibt.

C6H5-N< | , C6H6-N = N-NH2

Um Hydraziessigester auf andere Weise zu erhalten,

wurde versucht, Diazoessigester nach der Paal'sehen Me¬

thode, da hier Umlagerungen nicht zu befürchten sind, zu

reduzieren. Der Wasserstoff wirkt auch ein, es entsteht

Essigester neben geringen Mengen eines festen, durch eine

Nebenreaktion gebildeten Produktes. Der Wasserstoff wird

in diesem Falle nicht an die Azogruppe des Diazoessigesters

angelagert, sondern es tritt Ringaufspaltung ein und der

Stickstoff spaltet sich ab.

COOCjHb-CH,/H

Dieses Verhalten spricht wiederum zu Gunsten der

urtius'schen Formel, während bei der offenkettigen Formel

nicht einzusehen ist, warum nicht auch hier Hydrazinbildung

erfolgt.24)Endlich wurde versucht, Diazoessigester mit Aluminium-

Amalgam in ätherischer Lösung zu reduzieren, also in einem

22) Eine eingehende Untersuchung konnte leider wegen Zeitmangel

(Militärdienst) nicht mehr durchgeführt werden; die Versuche werden

von Herrn L. P. Hämmert, A. B., weitergeführt, doch liegen noch keine

entscheidenden Resultate vor.

23) .Dimroth, B. 40, 2376 (1907).

24) Schwefelammon reduziert dagegen leicht die Azogruppe, die

bei Annahme der cyklischen Formel auch im Diazoessigester vorliegt.

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neutralen Reduktionsmittel, um Umlagerungen zu vermeiden.

Es tritt sofort eine starke Ammoniakentwicklung auf, unter

Abscheidung einer pulverförmigen Aluminiumverbindung des

Glykokolls.

Experimenteller Teil.

Diazoessigester und Schwefelwasserstoff.

Leitet man Schwefelwasserstoff in eine alkoholische

Lösung von Diazoessigäthylester, so findet keine wahrnehm¬

bare Reaktion statt, es konnte weder Gasentwicklung, noch

Schwefelabscheidung, noch eine FärbVeränderung der Lösung

beobachtet werden.

In 10 g Diazoessigester, gelöst in 20 ccm Alkohol, wurde

vier Tage Schwefelwasserstoff eingeleitet. Die nach dem

Absaugen des Alkohols zurückgebliebene gelbe Flüssigkeit

destillierte im absoluten Vakuum in der Hauptmenge (7 g)

zwischen 20—40°. Farbe, Geruch, Verhalten gegen Säuren,

sowie eine nochmalige Rektifikation des Destillates bei 13 mm

(Sdp. 43—45°) ließen es als unveränderter Diazoessigester

erkennen.

Der schwefelhaltige, gelbe, trübe Nachlauf (2 g) ging

unscharf zwischen 100—150° über und konnte trotz wieder¬

holter Destillation nicht als einheitliches Produkt gewonnen

werden. Er wurde deshalb nicht weiter untersucht. Thio-

glycolsäureester (Sdp. 55 ° b. 17 mm) wurde nicht beobachtet.

Diazoessigester und Schwefelwasserstoff bei Gegenwart von

wenig Ammoniak.

Läßt man Schwefelwasserstoff bei Gegenwart von etwas

Ammoniak auf eine alkoholische Diazoessigesterlösung ein¬

wirken, so nimmt dieselbe bald eine dunkelgelbe Farbe an

und nach zirka einer Stunde beginnt bereits Schwefel in

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langen, gelben Kristallnadeln vom Schmp. 114—115° sich

abzuscheiden. Es tritt dabei nur äußerst geringe Gasent¬

wicklung auf.

Eine mit Schwefelwasserstoff gesättigte Lösung von

120 ccm Alkohol und 1 ccm verd. Ammoniak wurde unter

Eiskühlung mit 30 g Diazoessigester versetzt und in diese

Mischung mehrere Tage Schwefelwasserstoff eingeleitet. Da

nach zwei Tagen noch unveränderter Diazoessigester vor¬

handen war, fügte ich zu der Lösung nochmals 1 ccm verd.

Ammoniak und setzte das Einleiten weiter fort. Am 4. Tage

war die Reduktion beendigt, der ausgeschiedene Schwefel ließ

sich leicht abfiltrieren. Das Filtrat wurde durch Absaugen

vom Alkohol befreit, in etwas Äther nochmals gelöst und

durch Zusatz von wenig Petroläther eine gelbe Schmiere,

die zur Hauptsache aus Schwefel und Schwefelammonsalzen

bestand, abgeschieden. Das auf diese Weise gereinigte Roh¬

produkt destillierte im absoluten Vakuum bei 0,3 mm Druck

zwischen 40—60° (die Hauptmenge bei 45°) als farblose

Flüssigkeit. Ausbeute 15 g.

Ein 2. und 3. Versuch mit 15 g Diazoessigester liefer¬

ten je 12,5 g Rohprodukt, aus dem bei der Destillation je7 g Reduktionsprodukt gewonnen wurden.

Der Nachlauf (zirka 5 g) ging zwischen 100—150°

(0,3 mm) über und zeigte auch nach wiederholter Destillation

keinen einheitlichen Siedepunkt. Es liegt hier wahrscheinlich

ein Gemisch vor von einem hochsiedenden, isomeren, noch

zu beschreibenden Reduktionsprodukt und schwefelhaltigen

Verbindungen, die wohl aus dem Diazoessigester durch N2-

Abspaltung entstanden sind. Es konnte auch bei einem Ver¬

such das isomere Reduktionsprodukt in geringen Mengenaus dem Nachlauf in fester Form abgeschieden werden,doch in der Regel gelang die Abtrennung von den schwefel¬

haltigen Substanzen nicht. Im Destillationskölbchen verblieb

eîn geringer Rückstand.

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Hydraziessigaethylester.

/NH

i XNHCOO C2H6

Das zwischen 40—60 ° erhaltene Reaktionsprodukt zeigtebei einer nochmaligen Destillation einen konstanten Siede¬

punkt von 38—40° (bei 0,2 mm). Der Hydraziessigester ist

eine farblose, geruchlose, leichtbewegliche Flüssigkeit, die

durch Abkühlen auf — 20 ° nicht fest wird. Bei 13 mm Druck

siedet er bei 82° unter schwacher Zersetzung. In Äther,Benzol ist dieser Ester leicht, in Petroläther schwerer lös¬

lich und in Wasser sozusagen unlöslich.

0,1590 g Substanz: 0,2405 g C02, 0,0994 g H20

0,0953 g , 20,8 cm3 N2 (19,5°, 719,5 mm)

C4H802N2 Ber.: C 41,34% H 6,95% N2 24,13%Gef. : C 41,25 H 6,70 N2 24,11

Molekulargewichtsbestimmung in Benzol:

116.

Angew. Subst. Benzolmenge Konzentration Depression Mol.-Gew.

04629 g 8,83 g 1,85% 0,813° 113,5

0.3087 g 8,83 g 3,50% 1,468° 119,1

Glyoxylesterhydrazon.

H-C = N —NH2ICOO C2H5

Der Hydraziessigester ist nicht allzu beständig, er lagert

sich nach kürzerem Stehen, bei gewöhnlicher Temperatur, in

einen höhersiedenden Körper um.

4 g Hydraziessigäthylester, die in einem zugeschmol¬

zenen Reagensglas aufbewahrt wurden, hatten sich schon

nach drei Tagen verändert. Der Ester war zähflüssiger ge¬

worden und wurde beim Einstellen in Kältemischung teil-

Ber.:

Gef.:

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weise fest. Beim Destillieren im absoluten Vakuum (0,3 mm)

ging derselbe in zwei Fraktionen über.

Die 1. Fraktion (2 g) mit einem Siedepunkt von zirka

40°, war unveränderter Hydraziessigester.Die 2. Fraktion (1 g) destillierte bei 105° und wurde

in der Vorlage fest. Nach dem Abpressen auf Ton zeigten

die weißen, körnigen Kristalle einen Schmp. von 38—38,5°und erwiesen sich mit dem Hydraziessigäthylester isomer.

Dieselben sind in Äther und Benzol sehr leicht, in Petrol-

äther schwerer und in Wasser, im Gegensatz zum Hydrazi-

essigester, leicht löslich.

Bei einem zweiten Versuch wurden 5,4 g frisch destil¬

lierter Hydrazikörper (Sdp. 40°, 0,3 mm) in ein Reagens¬

glas eingeschmolzen und bei Zimmertemperatur aufbewahrt.

Nach Ablauf eines Monats war die Flüssigkeit dickflüssig

geworden und erstarrte beim Einstellen in Kältemischung

vollständig. Sie wurde bei 0,3 mm Druck fraktioniert, wobei

1,5 g zwischen 40—70° und nahezu 4 g zwischen 100 bis

109° übergingen, die in der Vorlage erstarrten. Nach drei

Tagen hatte sich also ungefähr 1ji, nach Verlauf von einem

Monat zirka 2/3 Hydraziessigester in das Glyoxylesterhydrazon

umgelagert.0,0697 g Substanz: 0,1064 g C02, 0,0429 g H20

0,1546 g „ 33,4 cm3 N2 (20», 724 mm)

C4H802N2 Ber.: C 41,34% H2 6,95 % N2 24,13%

Gef.: C 41,63 H2 6,89 N2 24,0

Molekulargewichtsbestimmung in Benzol:

Ber.: 116

Angew. Subst. Benzolmenge Konzentration Depression Mol.-Gew.

Gef.: 0,0735 g 13,69 g 0,54% 0,207° 129,7

0,0938 g 13,45 g 0,70% 0,263° 132,6

0,1472 g 13,33 g 1,10% 0,369° 149,6

0,1786 g 13,03 g 1,37% 0,433° 158,3

0,2741 g 13,33 g 2,06% 0,575° 178,8

0,2653 g 9,60 g 2,76% 0,740° 186,7

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Reaktionen der isomeren Reduktions¬

produkte.

Die beiden isomeren Körper verhalten sich chemisch

nach bisherigen Versuchen vollständig analog.

Fehling'sche Lösung wird von beiden Körpern sofort

reduziert. Ein Unterschied in der Reaktionsfähigkeit ließ

sich nicht wahrnehmen.

Säuren spalten die beiden Isomeren in Hydrazinsalzeund Glyoxylsäureester.

Konz. Salzsäure gibt momentan einen weißen Nie¬

derschlag von Hydrazinchlorhydrat.

Verd. Schwefelsäure spaltet die beiden äußerst

leicht in Hydrazin und Glyoxylsäureester. Ersteres, nach¬

gewiesen durch das ausgeschiedene Hydrazinsulfat, vom

Schmp. 254—255° und Mischprobe. Letzteren durch Schüt¬

teln mit Phenylhydrazin, wobei der ausgeschiedene Körperals Glyoxylsäureäthylphenylhydrazon identifiziert wurde.

Schmp. nach dem Umkristallisieren aus Alkohol 128—129°.

Mischprobe 129°. Die Spaltung geht beim hochsiedenden

Körper, wie es scheint, etwas leichter vor sich.

Durch Schütteln mit sa 1-zsaurem Phenylhydra¬zin wird aus den beiden Körpern ebenfalls Glyoxylsäure-

äthylphenylhydrazon vom Schmp. 129° erhalten.

Benzaldehyd reagiert mit beiden unter Erwärmung,das Reaktionsprodukt ist Benzalazin vom Schmp. 90—91 °.

Mischprobe.Mit Quecksilberoxyd: Kleine Mengen von beiden

Reduktionsprodukten wurden in Petroläther gelöst und mit

wenig gelbem Quecksilberoxyd geschüttelt. In kurzer Zeit

trat Gelbfärbung und der' Geruch von Diazoessigester auf.

Der Überschuß von Quecksilberoxyd reagierte mit dem

Diazoessigester, aber weiter zum Quecksilberdiazoessigester,der als solcher nachgewiesen wurde.25)

25) Buchner, B 28, 215 (1895).

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Beim Erhitzen: 3 g frisch destillierten Hydrazi-

essigäthylesters wurden während 4 Stunden im Ölbad auf

200° erhitzt. Es erfolgte N2-Abspaltung und Bildung von

Essigester, der am Geruch erkannt und durch Absaugen ge¬

wonnen wurde. Ausbeute 2 g. Aus dem braunen Rückstand

erhielt ich durch Destillation im abs. Vakuum noch etwas

unverändertes Ausgangsmaterial zurück.

Versuche mit Glyoxylesterhydrazon. 0,2 g festes Hydra-zon wurden in einer zugeschmolzenen Bombenröhre 6 Stun¬

den auf 150—180° erhitzt. Nach dem Erkalten enthielt die

Röhre eine gelbliche Flüssigkeit, neben etwas brauner

Schmiere. Beim Öffnen zeigte sich Druck in der Röhre,

die Flüssigkeit erwies sich als Essigester.

Versuch zur Darstellung von Glyoxylsäureäthylester.

4 g Hydraziessigester, in wenig Äther gelöst, wurden

längere Zeit mit kalter, verdünnter Schwefelsäure geschüt¬telt. Das ausgeschiedene Hydrazinsulfat wurde abfiltriert,

die Ätherlösung mit Wasser gewaschen, mit Chlorcalcium

getrocknet und bei 0,7 mm destilliert. Die anfangs klare,farblose Flüssigkeit nahm nach dem Absaugen des Äthers

ein viskoses Aussehen an, beim Erhitzen färbte sie sich gelbund verharzte ganz.26)

Versuche zur Charakterisierung des Hydraziessigäthylesters.

1. Mit Chlorkohlensäureester.

1,2 g (1 Mol.) frisch destillierten Hydraziessigesterswurden in 30 g Eiswasser, das 3 g (2 Mol.) Pyridin gelöst

enthielt, suspendiert und dazu langsam 2,2 g (2 Mol.) Chlor¬

kohlensäureester eingetragen. Nachdem sich alles Öl im

-°G) W. Traube, ß. 40,4942 (1907) stellte diesen Ester durch Re¬

duktion von Oxalsäureester her, bei der Destillation trat ebenfalls Ver¬

harzung ein.

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Wasser gelöst hatte, wurde ausgeäthert, der Äther mit Salz¬

säure geschüttelt, mit Natriumsulfat getrocknet und im

absoluten Vakuum destilliert. Die erste Fraktion von 40°

war unverändertes Ausgangsmaterial, der zweite, hoch¬

siedende Teil das isomere Hydrazon, das durch Säuren in

die bekannten Spaltungsprodukte zerfiel.

Ein zweiter Versuch mit einem Überschuß von Chlor¬

kohlensäureester und Pyridin in der Kälte ohne Wasser¬

zusatz lieferte ein Öl, das ebenfalls kein Hydrazimethan-

tricarbonester war, sondern noch unverändertes Ausgangs¬

material und Hydrazon des Hydraziessigesters.27)

Bei einem dritten Versuch wurden 1,2 g Hydraziessig-

ester mit 5 ccm Chlorkohlensäureester 2 Stunden gekocht

und hierauf der Überschuß des Esters mit Pyridin unter

Kühlung entfernt. Der mit Salzsäure geschüttelte Äther¬

auszug enthielt ein dickes Öl, das beim Stehen sym. Hydrazin-

dicarbonester ausschied, aber der Versuch ist nicht be¬

weisend.

2. Mit Benzoylchlorid.

1 g Hydraziessigester (1 Mol.) in 3 ccm Pyridin wurden

in eine Lösung von 5 ccm Pyridin mit 3 g (2 Mol.) frisch

destilliertem Benzoylchlorid bei einer Temperatur von —10 °

eingetragen.

Das nach dem Aufarbeiten erhaltene Öl kristallisiert

aus Äther und Petroläther in schönen Kristallen vom Schmp.

85—90°. Beim weitern Umkristallisieren fiel der Körper

aber wieder ölig aus und konnte nicht mehr fest erhalten

werden; bei längerem Stehen schied sich Benzoesäure ab;

der Dibenzoylhydraziessigester, Schmp. 70°, liegt nicht

vor.27)

27) Müller, B. 47, 3001 (1914), Hydrazimethantricarbonester schmilzt

bei 60°.

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Reduktion nach Paal.

10 g Diazoessigester, in 100 ccm 50°/o igem Alkohol

gelöst, wurden bei Gegenwart von etwas colloidalem Pal¬

ladium mit gasförmigem Wasserstoff in bekannter Weise

reduziert. Neben der Wasserstoffaufnahme trat Stickstoff¬

abspaltung ein, sodaß das Gasvolumen ungefähr gleich blieb.

Nach 2 Tagen war aller Diazoessigester umgesetzt, mit

konz. Salzsäure trat keine Gasentwicklung mehr auf; die

Lösung wurde durch Destillation von Alkohol und Essig¬

ester befreit. Beim Einengen des wäßrigen Rückstandes

schieden sich Öltröpfchen aus, die beim Erkalten erstarrten

und nach dem Abpressen auf Ton bei 95° schmolzen. Aus

Chloroform-Ligroin wurde der Körper in kleinen, weißen

Kristallen vom Schmp. 97—98° erhalten (Ausbeute 0,5 g).

Wahrscheinlich war derselbe noch nicht ganz rein. Die Ele¬

mentaranalyse gab folgende Resultate:

0,0888 g Substanz: 0,1655 g C02, 0,0658 g H20

0,0892 g „ 8,7 cm3 N2 (22°, 723,5 mm)

C12H2206N2 Ber.: C 49,6% H 7,6 % N 9,7%

Gef.: C 50,8 H 8,3 N 10,7

Dem Körper könnte eventuell folgende Konstitution

zukommen:

C2H5 02 C — CH — NH — NH — CH2 — C 02 C2H5I

C2H5 02 C — CH2

Zur Bestimmung des Essigesters wurde die alkoholische

Lösung durch mehrstündiges Kochen mit Vio n-Barytlösungverseift und die unverbrauchte Barytlauge mit Vio n-Bern-

steinsäure zurücktitriert.

Die aus 10 g Diazoessigester erhaltene Essigsäurelösungverbrauchte 572 ccm Vio n-Barytlösung, was 5,03 g Essig-ester entspricht.

Statt der theoretischen Menge von 7,7 g Hatten sich

5,03 g, also 65,3% Essigester gebildet.

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Reduktion mit Aluminium-Amalgam.

5 g Diazoessigester, in 100 ccm Äther gelöst, wurden

mit 2 g amalgamiertem Aluminiumgries versetzt. Sofort trat

unter Erwärmung eine kräftige Reaktion und Ammoniak¬

entwicklung ein. Nach einigem Stehen schied sich eine graue,

pulverförmige Aluminiumverbindung, wahrscheinlich des

Glykokolls, aus, die nicht weiter untersucht wurde.

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Lebenslauf.

Ich, Joseph Siegwart, von Horw (Kanton Luzern), wurde

im Jahre 1889 in Hergiswil (Kanton Nidwalden) als Sohn

des Johann Joseph Siegwart geboren. Daselbst genoß ich

den Primarschulunterricht, besuchte hierauf 2 Jahre in

Samen und dann in Luzern die Realschule und erhielt im

Sommer 1908 das Maturitätszeugnis.

Im Herbst erfolgte der Eintritt in die Eidgenössische

Technische Hochschule in Zürich, wo ich als regulärer Stu¬

dierender zuerst in der Maschinen-Ingenieur-Abteilung (1

Semester) und hierauf in der Chemischen Abteilung meine

Studien weiter fortsetzte (Sommersemester 1909, sowie

Jahreskurs 1910/11 war ich wegen Militärdienst beurlaubt).

Im Frühling 1914 erwarb ich mir das Diplom als tech¬

nischer Chemiker und war seit dieser Zeit bis August 1916

als Privatassistent bei Herrn Professor Dr. H. Staudinger

tätig, in welcher Zeit vorstehende Arbeit mit längern Unter¬

brechungen (Militärdienst) ausgeführt wurde.