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Revista de Fitología Alemana ISSN: 1133-0406 1999,7: 185-207 Phraseolcgie Die Situation des Faches (aus germnanistiseher Perspektive)* J-*ARALD BURGER Universidad de Zúrich 1. Zur Forschungsgesch¡chte Ieh nú5chte zunáchst cinige Bemerkungen zur Forschungsgeschichie vorausschicken, wie sie sich aus der Perspektive des 0-ermanisten darstellt. Das bereits 1909 publizierte grundiegende Werk von Charles Bally, Traité de stylistiquefrangaise, schuf erstmals ein konzeptuelles Gerwst fúr die Untersuehung phraseologischer Phánomene. Es wurde merkwtirdigerweise vor ailem in der Sowjetunion rezipiert, wáhrend die Phraseologie der germaniseben und romanisehen Sprachen ftir ungefáhr cm halbes Jahrhundert kaum Beachtung tand. In den 7Ocr und SOer Jahren wurde dann zunehmend auch die Phraseologie des Deutschcn und der romnanischen Sprachen zum Gegenstand intensiverer Forschung. Beispielsweise ersehienen 1973 Annely Rothkegels Arbcit líber Feste Syntagmen und meine zusammen mil dem Siavisíen Haraid Jaksche verfaEte kurze Einfúhrung in die Phraseologie (unter dem Titel Idíomotik des Deutschen). Wir haben damals versuchí, dic im Bereich der slavischen Sprachen schon sehr intensive Phraseologie-Forschung fúrs Deutsche fruchtbar zu machen. Diese Arbeil gab den AnsíoB fúr cm grtil3eres Forschungsprojckí (vgl. Háusermann 1977, Burger/Buhofer/Sialm: I-Ianíibuch der Phraseologie 1982). Ebenfalis 1982 erschien in Leipzig Wolfgang Fleisebers Phraseologie der deut,9chen Gegenwarts~prache. Beide Asbeitcn, die vóuig unabhángig voneinander enístanden, nulzen dic sowjetischen Forschungsbeitráge, zeigen aber cm zumindesí partielí sehr * El Prof. 1-laraid Burger es Presidente de EUROPHRAS, Sociedad Europea de Fraseología fundada en enero del presenle año dc 1999. EJ articulo que sigue corresponde al desarrollo dc su participación en el Seminario Internacional Complutense (4 y 5 de mayo de 1998) financiado por el Vicerrectorado de Relaciones Internacionales de la U.C.M. y organizado por los Departamen- tos de Filología Alemana y Filología Francesa. «Tendencias en las investigaciones fraseológicas y paremiológicas». Metadata, citation and similar papers a al de Revistas Científicas Complutenses

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Revista de Fitología Alemana ISSN: 1133-04061999,7: 185-207

Phraseolcgie— Die SituationdesFaches(ausgermnanistiseherPerspektive)*

J-*ARALD BURGERUniversidaddeZúrich

1. ZurForschungsgesch¡chte

Ieh nú5chtezunáchstcinigeBemerkungenzur Forschungsgeschichievorausschicken,wie siesichausderPerspektivedes0-ermanistendarstellt.

Das bereits 1909 publizierte grundiegendeWerk von CharlesBally, Traitédestylistiquefrangaise,schuferstmalsein konzeptuellesGerwstfúrdie UntersuehungphraseologischerPhánomene.Es wurde merkwtirdigerweisevor ailem in derSowjetunion rezipiert, wáhrend die Phraseologie der germaniseben undromanisehenSprachenftir ungefáhrcm halbesJahrhundertkaumBeachtungtand.In den 7Ocr und SOerJahrenwurde dannzunehmendauchdie PhraseologiedesDeutschcn und der romnanischen Sprachen zum Gegenstand intensivererForschung.Beispielsweiseersehienen1973 AnnelyRothkegelsArbcit líber FesteSyntagmenundmeinezusammenmil demSiavisíenHaraidJakscheverfaEtekurzeEinfúhrung in die Phraseologie(unter demTitel IdíomotikdesDeutschen).Wirhaben damals versuchí, dic im Bereich der slavischenSprachenschon sehrintensive Phraseologie-Forschungfúrs Deutschefruchtbar zu machen.DieseArbeil gabdenAnsíoBfúr cm grtil3eresForschungsprojckí(vgl. Háusermann1977,Burger/Buhofer/Sialm:I-Ianíibuchder Phraseologie1982).Ebenfalis1982erschienin Leipzig WolfgangFleisebersPhraseologieder deut,9chenGegenwarts~prache.Beide Asbeitcn, die vóuig unabhángigvoneinander enístanden,nulzen dicsowjetischen Forschungsbeitráge,zeigen aber cm zumindesí partielí sehr

* El Prof. 1-laraidBurgeresPresidentedeEUROPHRAS,SociedadEuropeadeFraseologíafundadaenenerodel presenleañodc 1999.EJ articuloquesiguecorrespondeal desarrollodc suparticipaciónenel SeminarioInternacionalComplutense(4y 5 demayode 1998)financiadoporel Vicerrectoradode RelacionesInternacionalesde la U.C.M. y organizadopor los Departamen-tosde FilologíaAlemanay FilologíaFrancesa.«Tendenciasenlasinvestigacionesfraseológicasy paremiológicas».

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Haraid Burger Phraseologie — Dic Situatian des Luches...

untersehiedlichesKonzeptvonPhraseologie(s.u. 2.).FlorianCoulmaspublizierte1981 dic erste gróssercArbeit zu den Routineformeln. Flir dic romanisehenSprachenhatThun (Problemeder Phraseologie,1978),soweitich sehe,zumerstenMal dic Arbeiten aus der sowjetischenForschungbeigezogen,dies auf dem1-lintergrundder Sprachtheoricvon E. Coseriu.Durch GertrudGrécianowurdenvot allcm dic semantischenund extlinguistischenAspekteweiterentwiekelt,undauchdurch ihr Engagementwurde derKontrastDeutscb-Franzósischin denBlickgenommen.Im angelsáehsischenBereiehwurde Phrascologiein der damaligenZeit nurhier undda, abernieht in gróBerenForschungsprojekten,behandelt,wobeidic Idiome vot allem fiÉ dic generativeGrammat¡kals Prtifstein theoretischerAnnahmenBeachtungfanden.

Seithcr,und besondersin denletztenIahrenist daslnteresseanPhraseologiesprunghaftgewachsen,wie dic Vielzahí an Tagungen(¿. E. dic Europhras-Tagungen)’und nenenPublikationenin den versehiedenstenTeilbereichendesGebietes zeigt. Jnsbesondereder kontrastive Forschungsansatzist zurGrundiage von gróBerenProjekten geworden,dic mit Namen wie GcrtrudGréciano (fiÉ den Kontrast DeutschfFranzñsisch),Jarmo Korhonen (fiÉOeutsehlFinnisch),RegineHesskyund GsabaFóldes(fiÉ Deutsch>/Ungarisch)verbundensind? Dabei ist dic interlinguaiekontrastiveForschungbedeutendweiter entwickelt als dic intralinguale. dic fiÉ das Deutschenoch in denAnfángensteckt. Eme handbuehanigeÚbersichtdber dic neuenForsehungendrángt sich bereits wieder auf. Dic 1997 ersehienenezweite Auflage vonWolfgang Fleischers«Phraseologieder deutschenGegenwartssprache»bietetzwar in cinemneuenKapitel cinenknappenUberblick¡ter dicEntwicklungderneucrenForschung,doch bleibt dic KonzeptiondesBuches im wcsentlichcndiejenigedererstenAuflage. Von Palm(1997)und Burger(1 998b)liegen neueFinflibrungen in dic Phrascologievor.

Ich móchteim folgendenmisgcrmanistischerPcrspektivecinigePunktezurSprachebringen,dic mit fiir dic Entwieklungder Phraseologie-Forsehungseitden achtzigerJahrenund fiÉ dic aktuelleSituationzentralerseheinen.DieseBilanz umfal3t sowohlpositiveAspekte Ms auchLiickcn derForschung,dic esnoch zu fUllen gilt.

2. KlassifikationundTerminologie

KlausDieter Pilz beklagtesich ¡u scinemBuch «Pbraseologie.Versuchejuerinterdisziplináren Abgrcnzung, Begriffsbcstimmungund Systematisierung

¡ Die beiden leuden Tagurigensind dokumentiertin Eismasm (Hrsg., 1998> und Durco (Hrsg., 1998>.- VgI. etwa dic Frobleniubersichíin Eismann (1998) und dic zusammenfassendenDar-

stellungen Gréciano(1989). Fóldes(1996)sowie Korhonen(1998),der die kontrastiveForschung(mit DeutschahcinerderVerg!eichssprachen)ini Gesamtiiberb]ickdarstellt.

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unterbesondererBerúcksicbtigungderdeutschenGegenwartssprache»von 1978und auchnocb in spátcrenPublikationenzu ReehtUber dastcrminologischeund klassifikatorischeChaos, das in der Phraseologieforschungdamaisherrsehtc.DavonkannnacbineinerEinsehátzungbeulzutagekeincRedeinehrsein, bzw. dic Diffcrenzenbestebennur noch auf einerobcrfláchlichenEbene.Mir scheint,dM3 úber dic wesentlichenKriterien der Klass~zierungvonPbraseologismcnweitgehendEinigkcit bcsteht, und das halte ich fiÉ dasWichtigste. Beispiclsweisebestcbt kein Zweifel mchr daran, daI3 auchpragmatiseheKriterien, wie z. B. dic illokutiven Aspektevon IdiomenoderdicSituationsspezifikvon Routincformeln, eme Rolle spielen miissen. WclcheKlassifikationenman im cinzeinenvornimmt, dashángtvon den Ziclen derjewciligen Untcrsuchungab. Eme cinzigeArt von Klassifikationerstcllcn zuwollcn, seheintmir wedernótignoch wúnschenswcrt.

Gról3er sind nach wie vor die Differenzcn in der Terminologie, was ichaber nich fiÉ ein Unglúek halte, solange man sich Uber dicDefinitionskritcricnflir dieTcrmini cinigenkann.Durchgesetztbatsiehin dcrForschung wcitgehendder Name «Pbraseologie»fiir das ganze Gebict(«Phrascologismus»oder «Phrascm» fiir die sprachlichen Einheiten),3wáhrcnd «Idiomatik» cher cinen Teilbereich bezeichnct. (In der Lexi-kographic¡st allerdings«Idiomatik» immernochverbreitct.) lin Kcrnbereichder Phraseologiebingegenwerdcn dic Ausdrticke mit ciner ‘ganzheitlichtransformicrtcnSemantik’je nach«Sehule»und Sprachraumuntersehicdtichbezeichnet.«Phraseolexem&,«ldiom», «phraseologiseheGanzhcit» — dassind mehr oder wcniger synonymeAusdrúcke.Innerhalb der Pbraseologie-ForschungselbstschafftdieseSynonymikkcinerleiProbleme,allenfalisnachauBen hin, also im Blick auf andere linguistiscbe Disziplinen, mag dasNebeneinandersttsrend ersebeinen.Doch ist dic Lage auch in stark sys-tembezogenenTeilgebietenderLinguistikkaumanders.Mandenkenuran dieVielfalt von divergierendenTermini im Bercich der Wortartcn,dic nur sehoninnerhalbder Gcrmanistiknicbt nurjewcilsandersbeil3en,sondernauchsehruntcrschicdliehdefiniert werden.

lch selberhabein meinenneucrenArbeiten(vgl. Burger 1998b, 33 ff., wocine cinfache und praktikablc Terminologie vorgeseblagen wird) dicTerminologie von Burger/Buhofer/Sialm(1982), dic an der sowjetischenForschungorientiert war, tcilwcisc vcrlassen. Ich verwendc den Terminus«Phrascologismus»als Oberbegriff und «Idiom» als Terminus ftir denKcrnbereiebder Phrascologismcn.

Dic Entseheidung zwischen«Phraseologismus»und«Phrasem»fállt schwer.IcisziehedenTerminus«Pliraseologismus»austheoretischenGrúndenvor (vgl. 2.), seheaberdurchaus,dafi«Phrasem»denVorteil da leichtereninterlingualenObersetzbarkeiíhat und sich au~erdemangeliiufige linguistischeTermini(«Phonem»etc.)anschliel3t.

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3. DerUmfangdesRereicbsderPhraseolog¡e

Seit es Phraseologie-Forschunggibt, gibt es zwei konkurrierendcAuffassungenvom Umfang der sprachlichenErschcinungen,dic als phraseologischzu geltenhaben. Man spricht von ciner «engen»und ciner «weiten» Konzeption. ImHandbuchvon 1982 habenwir (Burger/Buhofer/Sialm)cine weite Konzeptionvertreten,wáhrcndWolfgangElcisehergleichzeitigfúr emeeherengeKonzeptionpládierte(wasin der2. AuflageseinesBuchesvon 1998 weitergefúhrtwird). WercinerengenKonzeptionden Vorzug gibt, rcchnetnur soicheVerbindungenzurPhraseologie,bei denendie hauptsáchlicbenphraseologisehenKritcrien striktzutreifen (Polylexikalitát, Festigkeit, Idiomatizitát oder «Figuriertbeit»). Vondiesen Forderungenweichen weite Konzeptioncn (von denen es durchausuntersehiedijeheVersionengibt) vor allem in denfolgendenHinsichtenab:

(1) Es werdenauchsoicheErscheinungenzur Phraseologiegerechnet,dieals Wortverbindungengebrauchlichsind, abernur cinen schwachenOrad anIdiomatisierung (also an semantiseherUmdeutung)aufweisen.Den ganzenBereichsoleherAusdriickc móchieidi zusammenfassendals «Kollokationen»bezeiehnen(wobei der Begriff nicht dasselbebedcutetwie «collocation»in derangelsáchsischenForschung).

DM3 soicheErseheinungenzur Pbraseologiczu záhiensind, dafflr sprechenauchneuereArbeitenzumVerháltnisvon SyntaxundScmantik.Beispiclsweisebat Feilke (1994, 1996), im AnschluB an Arbeitenu. a. von Filimore, gezeigt,daB zahireiche syntaktischeKonstruktionen eme — wie er es nennt —

«idiomatisehePrágung»,in derTerminologiederPhraseologieforschung:einenleicbten Orad an Idiomatisierungaufweisen.»Dabei spielt der Begriff derPrñferenz eme wichtigc Rolle, der zwischendem Konzept der produktivenRegelund dem des abgespeichertenirreguláren lexikalischenEintrags steht(Feilke 1994,236f.).4

In der Phraseologie-ForsehungwurdedieserAspekt sehonfriih unter demTitel der «Modellierung» behandelt, aber noch nicht in der Deutlichkeitgesehen,wie dasin neuerenArbeiten gesehehenist. EmedeutlichmodellhafteStrukturliegt z. B. vorbci paarigenFormulierungennachMusternwic X undX,XfUr X usw.,dic in unterschiedlichcmOradzur Formelhaftigkeittendierenunddic in der Phraseologie-Forsehungunter dem Titel «Paarfonnel» (oder«Zwillingsformel») behandelt wurden. Dic neucren Arbeiten zcigen, dalJzwischendem bloBen syntaktischenMuster und den eigentlichenFormein

«So istdie idiornatischeSelektionundKombinationvon jung” und“Gltick”, ‘Ireudig” und‘Ereignis” sowie ‘stolz” und ‘Vater” nicht unter Rekursauf dic literaleIexikalischeBedeutungda beteiligtenLexemesu erkffiren, sondernlediglich unter Vcrwcis auf cm iii unsererKulturbekanntesEreignisschcrnaundemeUbliche Praxisdes Sprcchensdarúber»(Feilke [994, 217).

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Haraid Burger Phraseologie— Dic Situationdes Puches...

gleitende Ubergánge bestehen. Besondersbei sprachgeschichtliehjungenBildungen(wie dick undfett oderKaffee undKuchen)ist oft nur ein geringerOradan Idiomatisierungvorhanden.

Finen grofien Bereich von Kollokationen stellen Substantiv-Verb-Koflokationen dar (Wotjak 1994, Feilke 1996, 146 ff.). Dic am stárkstenreguláreUntergruppebilden dic sog. «Funktionsverbgefúgeo.Diese enthaltenein Substantiv (z. B. Entscheidung), das aus einem Verb (entscheiden)nominalisiertwurde, und semantisch«leere»Verben, mit denendic Aktionsartdifferenziert werden kann. Dann ergebensich Reihen wie zur Entscheidungkonzmenlbringen/stellen/stehen.Da aueh bei den am meisten regulárenVerbindungennicht durehwegsdie gleichenVerben infragekommen,ist sehonin diesemBercichein IeiehterPhraseologisierungsaspektvorhanden.Deutileherwird dies dann bei singulárenKollokationen (jmdm. Hilfe leisten nebeneinfachemhelfrn) und noch deutijeherbei soichenVerbindungen,dic keineinfachesVerb alsVariantenebensichhaben(Geidabhehen,denTischdecken).

(2) Ms phraseologischgeltenauchsoiche spraehlieheBereiche,die dicaflgemeinenMerkmale der Phraseologieaufweisen,aber nur SektorenderOesamtsprachebetreffen.Insbesonderegilt diesfiÉ Fachsprachen.

BurgcrlBuhofer/Sialm(1982) haben faehspracblichephraseologischePhá-nomenebereitsunterdemTitel «phraseologischeTermini»berúcksichtigt.DieseOruppe bat in der júngstcn Zeit vermehrt Beachtung gefunden (vgl. etwaversehiedeneArbeiten in GréeianolRothkegel¡997). Von zahireichenForschemwird sie dezidiert nicht zur Phraseologiegerechnet,wie z. E. von WolfgangFlcischerauchnochin derzweitenAuflage seinesBuches(1997).Das BesonderedieserOruppevon Ausdrúckenbestehtdarin, dalA sic genausofunktionierenwiejeder(Wort-)Terminus.DasheiBt,sie sind in ihrerBedeutung(je nachFachbereichmehroderweniger)strikt festgelegt(«normiert»),unddieseFestlegunggilt primárnur¡nnerhalbdesfachlichenSubsystemsder Sprache.Ibre Festigkeitist, je nachfachliehem Kontext, unterschiedlich ausgeprágt,und ihre Dománe ist die«Reprásentationvon Sachwissen»(Gréciano 1998,202; auehRothkegel 1998),~wenigerderBereichkonnotativerundpragmatiseherFunktionen.

Flir dic Wirtschaftssprachez.B. sind — hinsichtlich der semantischenStruktur— teil-idiomatischeAusdrtickecharakteristisch,bei deneneinTerminus(z. B. Nachfrage) mit einem metaphorischverwendetenVerb (beleben)kombiniertwird (bzw. entspreehendeNominalisierungen):

RothkegelzeigtansBeispielcinesHyperCardBenutzerhandbuchs,wie dasdoct vermittelteWissenin Modellen organisiertisí, dic bekannteKonzeptemss dembUrokratischenArbeitsfeld(«Register»)bzw. mssdcc Gconsetcie(«FIáche»)in dic Software-TcrrninologicUbertíagen.Dabeihandelt es sich ura standardisiecteWoctverbindungcn(Tastenfelder dndern/crstellen/ldschenlduplizieren usw.), dic nicht durchneueKoinbinationenersetzbarsind.

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dic FreisestcigendasWachstumbrcmscndic NachfragebelebenErhóhung der NachfragcVcrfhissigung desKapitalrnarktcsUbcrhirzung dcc Wirtschaft(nach Dclplanquc 1997).

ManchederartigeAusdrticke sind ohnc Fachkenntnisseverstándlich(etwadie Preise steigen), dic meistenaherbenótigenFachwisscnfúr cm genaucresVerstándnis.

Aucb die Fachsprachcder Medizin weist cine breite Palette vonKollokationenund teilidiomatisehenAusdriickenauf (vgl. Gréciano1998).

GegenemeEinbeziehungin dic Phraseologiekónntedic Tatsachesprcchen,dalA dieseTerminologiein ihrem ganzenUmfang nur Faebleutengeláufig ist.dM3 sie also soziolektal eingeschránkteGúltigkcit hat. Dem ist abercntgcgenzuhalten,daB zahireiche fachsprachlicheBereiche fiÉ den A!Itagtmmittelbarrelevantsind oderhcutzutagczunehmendrclevantwerden.

Das war schon immer so fiÉ Fachgebictc,dic Gegenstauddes scbulischenUntcrriehts waren und sind. Zum Beispiel kcnnt jeder Sehíller mathematischeI3egriffe wie spitzer Winkel, gleichschenkligesDreieck, dic Wurzel ziehen. InneuererZeit ist evident,dalA ctwadie Computer-Tenninologiezunchmendin diealitáglicheArbeits-und Freizeitpraxiscindringt. Aherauch Wirtschaftsterniinologieerscheint — mcist kommcntarlosund in sonst unaufflullig-gemeinsprachlicbenKontextcn — in der Tagesprcsseund wird dort popularisiert. MedizinischeTerminologie findet Eingang in populiirc Gesundhcitsmagazinc(vgl. Gréciano1998). FUer entstehtunter UmsUriden cine Wissensdiskrcpanz,wic sic auch ausanderen fachlichen Kommunikationsbereiehcn (ctwa dei- Arzt-Paticnt-Kommunikation,vgl. eíwaLóning 1994)bckanntist: sprachlicbesMaterial,dasvonFaehicuten professioncll verwcndet und verstanden wird, wird von Laienúbemommenund damit zu «pscudo-professioncllcms>Spracbgut (wobci dicnegativeKonnotationvon«pseudo->swohl nurauscinerWissens-Perspcktivc,nichtaherausderSichtderalitáglichenVcrstándigungspraxisgerechtfcrtigtist).

Wie dic Cbernahme%aehsprachlicherPhraseologicin dic Alltagsspraeheversichgehenkann,siehtmanctwaan fblgendemBeispiel:

Eei Medikamcntensprichtmanfacblich von potentiellenNebenwirkungen.Im WortpaarRisiken und Nebenwirkungenist der Terminus,kombinicrt mitdem Wort Risiko (das vot allem in der Laicn-Mcdikation sementerminologisehenPlatzhat) in derMedikamcntenwcrbungtáglichzu hóren(vgl.auch Stein 1995, 313; Giilich/Krafft 1998, 12), und zwar im Kontcxt dci-behórdliehvorgcschriebenenWarnung:

Zu Risikcnund Ncbcnwirkungcnkscn Sic dic Packungsbcilagcund fragenSicIbrenAcztoderApothckcr!

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Obwohldic beidenWórterimWerbekontextniebtsanderesbedeuten,alssie inder fachlichen(bzw. halb-fachtichen)Terminologiebedeuten,nehmenwir sie alsteste Verbindung wahr, und so kann die Formel sogar zur Basis vonmetaphot-isehemSprachspielwcrden, wie in den foigendenBeispielen,in denenderAusdruckvonseinemAusgangsbcreich“Medikamcnte”auf “Versicherungen”iibertragenwird:

rEin Teil der Schwcizcr Arte wchrt sich gcgcn ncuc Kran-kcnvcrsicherungsmodcllc,z. B. gegendasjcnigcderKrankcnkasseSwica,dasmsEensschcnbcworbcnwird:]

Mf dic TV-Spots dcr Swica-Werbcr antwortctcn dic Arte mit cinerlnseratcnkanspagnc,in dcr sic var denRisikcn undNcbcnwirkungcnder«AIlzuLighu=-Vcrsichcrungenwarntcn(Tages-Auzciger,Ziirich, 21.2.98).

Fine SchweizerVersicherungvcrschickt einenWerbeprospekt,der auf der

FrontseiteaulAer demNamender VcrsicherungwintenhurdenSatzaufweist:

ti Risikcn undNcbcnwirkungcnfragenSic IhrcnVorsorgeberater.

Auf der Innenseitedes Faltprospektswerden dann die metaphorischenRisiken und Nebenwirkungen wórtlieh «ausbuchstabiert»(Konsequenzen,Risiken,Chancen):

Es Iohnt sich imnier den Ral cinesProfis cinzuholen.Ersí wenn Sic dicKonscqucnzenkcnncn,kónncnSic dic richtigenEntschcidungcnfállen.Dics giltauch fin Ihrc Vorsorge. ÚbcrlasscnSic dic komplcxcn Abklárungcn undBcrcchnungcnuns.Wir informicren Sic ¡iber dic darausresulticrendenRisikcnund Chancen¡¡ir IhrejctzigcSituationund fÍfr Ihrc Zukunft.

Auf diese Weise verbreitert sich dei- Gebrauchsbereichder ui-spriinglichsektoriell definiertenFormulierungenin wcnigerbis gar nicht mehr fachlichdcfinici-te alitáglicheZusammenhánge.

Daher scheint es mir nicht plausibel, nur diejenigen terminotogisehenWortverbindungenals phraseologischzu betrachten(soFleiseher1997,72), diein der Gemeinsprachecinc «sekundáreMetaphorisierung»erfahrenhaben, wiczum Beispiel Ausdrúckeausder Spiel-Terminologie

jmdn. schachmattsctzcn («jmdn. handlungsunfáhigmachen»,«jnidm. jedenAuswegnehmcn>s)(sich selhst)cm Eigcníorschieficn («sichselberSehadenzufUgen»).

Da es fui- viele Fachbereichckeine seharfenOrenzenzwischenfaehileher,halb-fachlicherund atltagssprachlicherKommunikation(mehr) gibt, sehe ichkeinenOs-und,die Fachphraseologieausdem GesamtbereichphraseologischerErscheinungenauszugrenzen.

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Harold Burger Phraseologie — Dic Situotion des Faches...

(3) Dic UntersuchungempiriseherTexte, insbesondereauch gespi-ochenerSprache auf phraseologischeErseheinungenhin machte sehon frtih dicBerúcksichtigungcinerKategorienótig, die als «pragmatiseheIdiome» (Burger1973) bzw. spáterals «pragmatisehePhraseologismen»(BurgcrlBuhofer/Sialm1982) bezeichnetwurde. Coulmas (1981) und Stein (1995) widmetendiesemBereichausfi)hrlicheStudicn.Stein(1995)und Gúlich(1997[¡988],Gúhich/Krafft1998) sehlageneme Ausweitung der phraseologischenPerspektivc auf dieTextebenevox, unterden Titein «fonnelhafteTexte» (Stein) bzw. «voi-geformteTexte»(GUlich/Krafft). Der Aspekt,unterdemdic Vorgeformtheithier vor allemgesehen wird, ist der Textproduktionsprozef3. «Um bestimmte háufigwiederkehrende kommunikative Aufgaben zo liten, haben sich kon-ventionalisierte odei- standardisierte Verfahi-en hei-ausgebildet, die ibrenNiedersehlagin vorgeformtenAusdrúekenbzw. Strukturenfinden» (OiiliehlKrafft¡998,21). MancheTextsortenfolgen in stárkerem,andei-ein schwácheremMaBebestimmtenStrukturenund Foi-mulicrungsroutinen.Wie stai-k dic bici- geltendenKonventionen sind, sieht man beispielsweisebci dci- Konfrontation zweierSpraebenbzw. kulturellerSysteme.Henke-Brown(1998, 39)demonstriei-tdiesanderGegenúberstellungcinerPassageausAgathaChristie’sMorderis eosy,dic cincTodesanzeigeenthált,und dci- dcutschenUbei-setzung:

Lukc passcdovcr thcpapa,bis finger prcssedagainstancntry iii Úsc coluninof dcaths.

Humblcby.— On June 13, suddenlyat bis residence,Sandgatc,Wychwood-trnder-Ashc,JOHN EDWARD F{UMBLEBY, MD., bclovedhusbandof JESSIFROSEHUMBLEBY. FuneralFriday.No flowers, by rcqucst.

Luke reichteibm dic Zcitung undwiesaufcine Notiz unterTodesfáulen.Humblcby.— Am 13. Mai 1~~J starbplétzlichin seineraWohnsitz,Sandgatc,

Wychwooda. d. Ashe,John EdwardHumblcby, unvergeBuicherGattc von JcssieRoseHumblcby, BcgrábnisFreitag.Kranzspcndendankendabgclchnt.

WáhrendderengliseheTcxt denKonventionendcr Textsorte«Todesanzeige»entsprieht, weicht dcx deutscheTcxt, dcx dic engliseheVorlage mehr oderwenigerwórtlich wiedergibt,in seinerGesamtstrukturund im cinzeinenvondengángigenMusternab.

Aus forschungspraktischenErwágungenspi-icht vielleichtcinigesgegendicErweiterungdesObjektbereichsdcxPhraseologieauf dic Textebene.lch stimmeaher vóllig mit Oiilich/Krafft (1998) in der Auffassung iibei-ein, dalA manPhrascologismennicht oder zumindestnicht nur in ibrerDifferenz zu «freienWortverbindungen»sehensoilte. «UnsereBeobachtungenregendazu an, vorallem die Kontinuitáten zu sehenund dic Phrasemenicht als Ausnahmen,sondei-nals extremeund prototypischeFálle von vorgefoi-mtenStrukturenzuverstehenss(OúIieh/Krafft 1998,32).

Somit wird manzu der Auffassunggelangen,dalA gegenwártigcine wciteKonzeption von Phraseologiedic bcsserenArgumente bat als cinc enge

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HaroldBurger Phroseologie — Dic Situotion des Facies...

Konzeption.Ftir mich hat dasdic tei-minologischeKonsequenz,dalA ich denOberbegriff«Phraseologismus»gegenúberdem Tei-minus «Phrasem»bevor-zuge. Denn «Phrasem»suggcriertden Charakterdcx Phraseologieals einer«Ebene»dei- Sprache,paraflel zu denPhonemen,Morphcmcnusw. Bci cinaweitenKonzeptionvonPhraseologiewird mandemgegenúbei-eherannehmen,dalA PhxaseologisierungsprozesseversehiedeneAspekte von Syntagmcnbetreifen, beginnend bei dei- minimalen Festlegung, dalA man cha dicReihenfolgeA — 13 zweierspxachlicberElementewáhltals dieReihenfolge13 —

A, bishin zu totalensemantisehenUmdeutungenvon Syntagmen.

4. Pliraseotogieund Pardmiologie

Eme Fi-age,dic mit der vorhei-gehcndcnzwar zusammcnhángt,aberdochcinenanderenforschungsgeschichtlichcnHintergrund bat, ist diejenige nacb demVerháltnisvon Phrascologismenund Sprichwórtem.DM3 PlirascologismenundSpriehwórter traditioneil zwei versehiedenenWisscnschaftenzugeordnetwerden — dcx Linguistik einerseits,dei- VolkskundelEthnologie(mit ihi-emSpezialzweigdei- Parómiologie)andererseits—, hat forschungsgeschichtlicheGriinde, dic icb hier nicht aufroflen kann. OhneZweifel bat es seinegutenOrtinde, dic Spi-ichwórter als folkloristisehe Kleinfonnen unterkulturhistorischen und ethnologischenAspckten zu untersuehen.Ebensoberechtigt scheint es mit aher zu sein, Sprichwórter Ms cinen Typ vonPliraseologismen aufzufassen und im Rahmen dei- Linguistik diephraseologischenEigensehaftenvon Sprichwórtern zu studieren. In dergegenwáx-tigcnSituation bat sich, so seheíntes mix, dic Einsicht auf beidenSeitendurchgesetzt,dalA es zumindestcinenwichtigenÚberschneidungsbereichdei- Interessenbeider Wissensebaftengibt (vgl. Zurdo 1993, 197). Dicinzwischcn bei-eits sehr produktive Boehumer Schriftenreihc «Studien zurEbraseologieund Parémiologie»behált zwai- dic Trennungder Berciche interminologiseherHinsicht bei, demonstriertabergleichzeitig, dalA dic beidenBereicheunter gemeinsamenGesicbtspunktengesehenwerden sollen. In denSammelbándcnzu den Europhras-Tagungen(z. 13. Eismann [Hrsg.] 1998,Duxco [U-sg.] 1998) oder in Wirrer (Hx-sg, 1998) finden sich ganzselbstverstándlichaucbStudienzuSpúchwórtern,ohnedalA diesnochdiskutiestwerdenmúflte.

DM3 Sprichwórterdie Orundbedingungenfu- Phraseologismenerfiulen,istwohl aligemein akzeptiert:So bchandeltLiigei- (1998) aus phraseologiseherSichtdie Sprichwórterexplizit unterdemTitel «Satzphraseologisnien».

Em wichtiges Argument, das gegen cine strikte Trennung dei- Bereichespricht,scheintmii- dic heutigeSprachpraxiszu 5cm:

Sprichwórtersindzwar komplettepropositionaleStrukturenundhebensichdadurchvon denmeistenanderenPliuiascologismenab. Aher abgcsehendavon,

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HaraidBurger Phrascologie Dic SituationdesFaches.,.

dalA es ObergangsphánomeneauchstrukturcllerArt gibt, unterscheidetsich dicVerwendungvon Sprichwór¡emzumindestim heutigenDeutsch nicht mehrgmndsátzlichvonderjenigenandererPhrascologismen.In Textenbesondersdei-Massenmedien,aherauchin belletristisehenTexten,unterliegenSpriehwérterdengleichenVcrfahren derModifikation, desspieleriscbenund mebrdeutigenUmgangs,wie anderePbraseologismen.

WolfgangMieder bat vox Jabreneme grol3e Sammlungvon — wie ci- esnannte— «Antisprichwórtem»(1982, 1985)erstellt. Weit tiberwiegendhandcltes sich dabei nicht um sozusagenneo kreicrtc Sprichwórter, die cineGegeopositiongegen dic ahen Sprichwórteraufbauenwúrdcn, sondernumModifikationenvon bekanntcnSprichwórtern.(Mieder sagtselber im VorwortzumerstenBand,dalA es sichum «sprachlicheEintagsfliegen»handie.)

Im folgenden Beispiel ist das Sprichwort nicht emma! als satzfórrnigcAulAerung(Proposition)realisiert:

KommcntarMar cia Spatz aafdcm DachVon Fmi! Iiildebrand

Enttáuscbungflir dic SíadíZúricb. Eeim Lastenausglcicbdurftc sic auf cmmageresTáubchenbofíen,dochjctzt soil sic tiar noehcinen Spatzbekonumcn,undauchdiesersitÉ ersíaufdcciDach.

Mit ihrcm Antrag anerkenntdic Kantonsregicrung,dassdie FinanznotderStadtini wescntlicbendic FolgedesSonderlasten¡st, dic sicwie andereKcmstádtetrágt. In der Ausgestaltungdes Lastcnausglcicbsisí dcr RcgicrungsraíabcrwcitgchcndderKritik búrgerlicherPanejenutid dcr Landgemcindengcfolgt ucdbat denVorschlagaig gestutzt.Der Kanton gibt wcsentlicbwcnigcr CeId als inAussicht gestcllt, und bezabltwird crst ah nitebsteraJabr(...) (Tages-Anzeiger,Zurich, 15.4.98).

DazudcxBerichtauf der Frontseite:

(...) Knapp150 Millionen Erankenjáhrliehwurdender StadtZUrich letztcsJahíals Lastenabgeltungin Aussicbtgestcllt. Der Antrag desKantonsregierungan das Parlament (...) sicbt jetzt aber nur noch 79 Millionen vor. (.3 DicStirnmbercchtigtenkdnncnspátestensAnlang 1999 Uber dic Vorlage befinden.(.4.

Das SprichworíBesserdenSpatzin der J-Iand ols die TaubeaufdemDach(«etwas,daseinemsieherist, ist besseralsetwas,was manbeberhátte,dasaberuncrreichbar ist», Duden 11) ist jo dei- Uberschrift ebenso wie imKominentartextin seineKomponentenzerlegt,und diesekann man Stúck fuiStúck in «Klartext» úbcrsetzen:Der Spatzsind 79 Millionen, die dic Stadtbekommensoil, dic Tauhe sind die urspriinglicb in Aussieht gestellten 150Millionen, und dalA derSpatznicht in éterHandist, sondcrnseinerseitsaufdcmDach, bedeutet,dalA dasGeid nicht sofort verfúgbarist, sondemerstin etwa

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eincmJahrder Stadtzugutekommenwird. Das Sprichwo¡-tselbsterscheintniein seiner integralenOestalt,sondernnur verkúrzt und zugleiehabgewandelt(nicht die Tauhe,sonderndei- Spazist aufdemDach) in der Ubersehrift,dieohnedenFlicBtextgarnicht verstándíichist. Es ist aherMs verstándnissicherndeFolle im Hintergrundvorausgcsetzt.Dic KomponentendesSprichwortshabeneindeutigeReferenzenim Kontext. Dic Bedeutungder Uberschriftkanndannetwasoparaphrasiertwerden:«Dic Stadtbekommtnicht das,was sic eigenttichgewollt hat, aberdoch immerhin einengewissenBetrag; nui- ist dieserBetragnicht soforterháltlich, sondernerstin ciniger Zeit (undaulAerdemsolangenochunsicher,wie das Volk in dci- Volksabstimmungnicht zugestimmthat)».

Dic Funktionen der Sprichwórtcr haben sich gewandelt. In denMassenmedicnkommensic háufig in kritisch-bewertenden,oft auchironisehenFunktioncnvox, odersic dienencinerMeldungausdem Bereichder soft newsals — leichthumoristischer— Aufhánger,wic in der folgendenSchlagzcilc:

DerApfeifdlltnicht wei/ vom Sta,n,ncLausanne.— DiesesaltbckanntcSprichwortbat dic Polizci in Lausanneara

Freitagabendbcstátigtgefunden.Der Filius hatte cinen leicbten Motoradunfalígcbaut. Er war bctrunkcn, stand untcr Drogcneinfluss und battc kcincnFahrauswcis.Als ihn der Valer nacbder Protokollaufnahmcvora Polizeipostenabholenwolíte, fiel denBearatendasVerbaltendesVatersauf; cm Alkoboltcstcrgabprompt 1, 4 Promille. Da er mit dcci Wagen gekommcnwar, wurdcce,ebensowie der Sohn,vcrzcigt. Schlicsslichblicb denbeidenBlaufahrcrnnicbtsanderesObrig, als mit deraéffcntlichcn Vcrkehrsmittelnach Hause zo fahrcn.(SDA) (Tages-Anzeiger, 2.11.1998).

Es geht hier sicherlich nicht darum — wie es der mctakommunikativeEingangssatzdes Textes suggericrt —, dic «Wahrbeit» des altbekannitenSprichworteszu besrñtigen,amExempelzu demonstrieren,sonderndie kurioseKoinzidenzdci- «Fálle»pointiert hervorzubeben.

In dic gleiche Richtung weist dic Beobachtung, dalA neben dic«altbekannten»SprichwÉirtcr neue satzwertige Ausdrúcke treten, dic ausmodernenTextbereichenwie Wcrbung,Film, Fernsehenusw. stammen,wie indei- foigendenUberschrift, in dei- der(urspriingliche)Werbes]oganDer Klugefáhrt ini Zugebercitswiederhumoristisehabgewandelterscheint:

Der Kluge machisim ZugeWer dringendrna] rnusste,fandcm stilles Órtcbcnbisberofí bcim Bahnhof

Docb immcrmehrToilciten wcrdcnwcgcnVandalismusgcscblossen.Ci (Tages-Anzeiger, 17,12.98),

Wie dassilile Ortehenfungiertauchdic Substitutionmachis(fúrJáhrt) alseuphemistisch-humoristischeParaplirasedesGemeinten.

Im gleichenstilistischenKontextkónnenauchsatzwertigephraseologisdheFormulierungenwieder aktuellwerdcn, an derenUberlebenman sehonhátte

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zweifeln mógen.Soist in den«Wettershows»,dic bei manchenFernsehsenderndenherkómmlichcnWetterbericht(alsTeil einerNachrichtensendung)abgelósthaben,dic «Bauernregel»zu unerwartetenneucnEhrengekommen,und auchdic Boulevardpressciibemimmt diesenTiendeSofindet maniii der SehweizerBoulevardzeitungBLICK tagtágliehcine von Jiirg Kachetmann(deraudh dicARD-Wettershow produzicrt) verantwortcteRubrik «Júi-g Kachelmann:Sowixd dasWetter heute»,bei der dic Bauernregelcinen integralenBestandtcilbildet, als cineArt von KommentarzumaktudllenWetteroderim SinnecinerlángerfristigenPrognose,z. B.:

BauernrcgclMit derasonnigenWetter ist esvorbci. «WcnnderHimmcl gczupfterWolle

gleichí, dassehóneWetterbaládcmRegenweicht»(9.11.98).

Baucciregel«Hángt dasLaub bis Novertiberhincin, wird der Winter langc 5cm.» Wir

wcrdcn csjasehen,wic derWinícr wirklicb wird (2.11.98).

BaucrnregelNacbder íetztcnNaehtpasstdic folgendeRegelgut:«lstdaNovemberkalt utid klar, wird ti-lib utid mild da Januar>~(12.11.98).

5. Fest¡gke¡t

Dic FestigkeitdesPhraseologismuslM3t sich aus vcrschiedencnPcrspektivenbesehreiben:auspsycholinguistischcr,strukturellerund— was dic Routincformeln

6 Im Ubrigensind dieseTcxtc ici GegensatzzurahcrkórnmlichenWc¡tcrbcriebt— auchvoil

von nicht-fachsprachlichcrPhrascologieundMetaphorik.Fin paarBeispiclc:Em PalI flir «Pascal».Zwischcnhocb«Pascal»sorgtheute¡br trockcnc,kaltcLuft. DerTag startetmit —4 bis+1 und

endctbci4 bis9 Grad.Beidieser«Ticfldjhlkost»darf auchdci- Nebelnicht fehien.(...) (12.11.98).Oder:PetrusgbnntunsSonne!Aufatraen, den Rcgenschirm¡br cinen Tag zur Seite stellen und dic Frisur wiedermal

zurechtbicgcn!¡-¡cuteist essowcit: Dic SonnestattetunscinenlángerenHesuchab. (...) (2.11.98).Hoch «Quirinus»istein Muss fUi- denheutigenTag,deennacbder frostig kaltenNacht (...)

sind cm paarSonnenstrahíennótig! (...) lm WalIis gehtdei- Tag strablcndsebóntiber dic Búhnc.(...) Auchdic Sonnenstubecrwischt’smit cm paarWolkcn. Diesecrwcisensicli aheralstolcrantundlasscndic Sonneiramerwicdcrdurchscheinen(18.11.98).

VáterchenFrost und Hocb «Quirinus» arbeiten zusarncien.So gibt es vielcrorts cinenDaucrfrosttag. (...) Ansonstengehtdci- Tagziemlich graoilber dic Búhnc. (...) Keine Frage,dicSonnenstubeunseresLandesmachtihrcmNamenbeutewiederalíeFhrc(16.11.98).

Unser Hoch «Quirinus» Iássr cinfach nicht nacb! (...) Dazo langt Petrus ix, den graucnFarbtopf.(...) Wcstscbweiz:Was flir cm Wintcrmárcbcn!(21.11.98).

DieseTexteaubeitenver allcmmit PhraseologismenundMctaphcrn,dic Naturerseheinungenanthropomorphisiercn,aber auch mit folkloris¡iscben Elementen (Frau Bolle, Petrus..).AnspiclungenaufaktuellcTitel u. dergí. (Em Fallfñr...) und Routinefonncln(Keinc Frage).

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HaraidBurger Phraseologie— Dic SituationdesLoches...

bctrifft — pragmatiseherPcrspcktive. In allen dxci Hinsichten bat sich dicEinsichtdurehgesetzt,dM3 dasKonzcptdcxFestigkeitdesPhrascologismussehrstarkzurelativicrenist. Es scienmii- dic drei hauptsáchuichenAspektcgenannt:

1. PsycholinguistischeFestigkeit

Bereits in Burgcr¡Buhofcr/Sialm(1982) hat Annelies Buhofer gczeigt, daBFestigkeitaus psyeholinguistischerSicht cine sehrrelative Katcgorie ist. DasKonzcpt cinerpsyeholinguistischen«Einheit» ist vieldeutig,und es gibt vidEvidenzdafúr, dM3 pliraseologiseheEinheitenkeinekompakten~<B1ócke»sind,dic als solehe «gcspcichcrt>ssind. Viel eher muB man annchmcn,dalA dieseEinbcitenKernkomponcntcnundpci-iphcreKomponcntcnenthaltenund dalA siczudcm auf vielfáltige Wcisc mit dcm Wortschatz vernetzt sind. DieseAuffassung ¡egcn auch neucre Arbeiten zum «mentalenLexikon» (ctwaDob¡-ovol’skij 1995 undweitereArbeiten desgiciehenAutors) nahe.

2. StrukturelleFestigkeit

Wcnn man dic lexikalischc Bcsetzungvon Phrascologismcnbetrachtet,sohaben neucreArbeitcn gczeigt, dM3 Phrasco¡ogismcnin wcit hóhercmMaJ3cvariabelsind, als mandasfrílber annahm.Das gilt zunáchstfUi- dic alitáglicheSprachvcrwcndung.WennmanspontancgesprocheneSprachcaufPhrascologichin untcrsucht, wird man vielfáltigste Abwciehungen von den in denWórtcrbóchernanzutreffendenNcnnformenfinden. Dabel ist nur cm Teil dcxAbweichungcn den Kategorien Vcrsprechcr/Kontaminationeneincrscits,intentionalenModifikationen andcrerscitszuzuwcisen.Ahnliches zcigt siehauch,wcnnmanVcrsuchspersonenauffordcrt,Phrascologismenzu produzicren.Barz (1995)bat mit VcrsuchspersoncncinenLúckentestdurchgcfúhrt,bel demin jcdemIdiom cine Komponentcoffcngclassenwar, die dannergánztwerdenmul3tc. Dic Resultateergebencm uncrwartct hohes MaI3 an individuellerVariabilitát.

FUi- SpriehwórterschcintdieseVariabilitát in áhnlichcmMafle zugeltenwicfiÉ sonstigePhrascologismen.So hat Sehindler(1994) in seinerArbcit zumTschccbisehcnfcstste¡lcn kénnen, dalA Sprichwértcr in vicien Variantenvorkommenund dM3 sich dic Vcrsuchspersoncn— wcnn manihnenden erstenTeil desSprichwortcsvorlegtundsic auffordert,denRcstzu ergánzen— vielfachnicht an denkorrcktenWortlaut desEndeserinncm.

Dic grol3e Variabilitát der Phrascologismcnwird in dci- Lcxiko- bzw.Phraseograpbienach wie vor kaum berticksichtigt. Eme Ausnalime bildenSchcmannsSynonymenw&rterbuchderdeutschenRedensarten(1991/1992)undDeutsche Idiomatik (1993), dic ausdriicklich in Ansprtich nehmen, der

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HaroldBurger Phroseologic — Dic Situation des Foches,.

Variantcnbildung soweit wic móglich Rechnung zu tragen. Schcmannunterschcidetim Vorwort (1991/1992,XXI; 1993, XIX) jeweils zwischen«offenen»und «geschlosscncn»Paradigmen,wobei dic offenen Paradigmennieht eigentlich Varianten darstellen, sondern chc¡- cinen «semantisehenKontext, denmanjeweils mit dengceignctstenLexemenanzudeutenversucht»(ebd.). In dcx Notation wird dann konsequcntunterschicdenzwischenciner(abschlieBenden)Aufzáhlung dci- eigentlichen Varianten (z. B. Rúnkeschmiedenlspinnen[gegen jmd.]) und der Andeutung ciner semantischenKlasse (duxch Púnktehen,z. B. aus erster/zweiter/dritter...J-Iand kaufen/...).Nach den vorliegendenempirisehenUntersuchungen(s. u.) ist es praktiscbunmóglich, dic potentiellen Varianten cines PhrascologismusabschlicBendaufzuzáhlcn.Damitwird wohl auchdcxVcrsuch hinfállig, dic offenenvon dengesehlossenenParadigmeneindeutigabgrenzcnzu wollcn.7 EmepraktikableLósung fUi- dic Lcxikograpbieke$nntenur darin bestehen,cinigedes UblichenVariantenaufzufúhren.

3. PragmatischeFestigkeit

In dicscmBereichbatsichdurch neucreUntersuchungen(Stein1995)bestátigt,dalA dcx Bereich vonPhraseologismen,der in Burger/Buhofer/Sialm(1982)als«gespráchsspezifisch»bezeichnet wurdc, cm hohes MalA an Variabilitátaufweist. Dazu gehórenAusdrúckc wie soweit ¡ch weq3/wie schon gesagtwurde, dic natúrlichversehiedensteindividuelle Ausformulicrungenzulassen.(Andere— wie nicht wahr — lasscnjcdochkaumAbwandlungenzu.)Bei diesenAusdrúckenist insbesondcreauffáilig, dalA sic fui- denjeweiligenIdiolekt schrprágcndsind. Zum Beispiel gibt es Leute,dic durch gcháuftcVerwendungvonnicht wahr oder von «Heckcnausdrúcken»(mit denen man dic cigenenFormuliemngcnin ihrerOúltigkcit einschránkt,wie man kannvielleicht sagen,daJJ...)auffallen,undandere,dic sehrsparsamdamit umgehen.

6. Phraseologie— Metapborik — SymboIik

Eme forschungsgescbichtlichwichtigeEnwicklung dei- letztcn zchnJabre,dicvor aflem den Bereich dci- Idiome betrifft, stcllt dic Annáherung von

~ Fin Eintrag wie da folgende ist zuderakaum intcrprcticrbar: du kannst mirle>- kann,nir!..gestohlcn bleiben! j. sol//kann mir/uns/ihml.. (mit etw.) gestohíentic/ben! WelcheVariantensollenmm mógflchsein,wclehc nicht?Ist bci pi-onominalemSubjektzwarjedePersonnsóglich, jedocb mw in Kombinationmit miT, wáhrcndbeijemand(daswobl fin alíeSubstantivemit dera Mcrkmal <mcnscblicb> stehcnsoil) als Subjckt alíe Personenini Dativ auftrctcnkénncn?Ist dic fakultative Ergánzung mii eíw. porzulássig,wenndic Subjektstelledurcbjeniandbesetztist, nicht aher bci Bcsctzungmit Personaiprononien?

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Metaphernforschungund Phrascologieforschungdar. DiejenigeRichtung dci-Metaphernforschung,dic im amerikanischenRaum entstandund vox allemdurch Lakoff und seine Mitarbeiter unter dem Tite] ciner «kognitiven»Metapherntheoi-iebckanntwurde, hat von Anfang an Idiome als zentralenBercichvon Belcgenfúr ihre Konzeptionin Anspruchgenommcn.DicTheoric,dic ich hier natúrlich nicht darstellenkann, bcsagt im wesentlichen,dalA dicmenschlicheKognition in hohem MalA mctaphorischstrukturicrt ist. DicsprachlichreatisiertenMetaphern— und dazugebórenfiÉ Lakoff ganzzentraldic Idiome— werdendamit nicht mclii- alsrhetorisehmarkiertcrSpezialfalidesSprechens,und sehon gar nicht als Idiosynkrasicn,aufgefaBt, sondcrnalsAusdruck zugrundeliegenderkognitiver Modelie. Diese Theorie ist auchimdeutsehcnSprachraumproduktiv gcworden (vgl. Licbert 1992), z. B. inUntersuchungenzur Mctaphorikder Wissenschaftssprachen(bcispielsweiseimBereichdci- AIDS-Thematik).Von Seitendei- Phraseologichat insbesondercD.Dobrovol’skij (z. B. 1995 undin spáterenArbeiten)cinendirektcnAnsehlufl andieseKonzcptiongesucht.

Metapher(und auchMctonymie)galteninnerhalbdci- Phraseologicforschungschon immcr als wesentlichesemantischcVerfahren der Phraseologisierung,dochwurdendiesesemantisehenAspektenie in so gmndsátzlichcrWeisein denVordcrgrundgeriiekt, wic dasindengenanntenArbeitendei- Pali ist.

Diskussionendci- lctztenZeit habengezeigt,dalA dic Zusammenftihrungderbeiden Forschungsbercichceincrseits sehr fruchtbareAspekte hat, dM3 aherandererscitscinc EinvcrleibungderIdiome in ciakognitivesMetaphernkonzeptin maneherHinsicht auchvoreilig ist und zu irreftihrendenAuffassungcnvonIdiomatisierungfiihren kann(vgl. Burger 1998a). lch mddhte¡dci- nur auf dicTatsache hinweiscn, dalA nur cm Teil dci- Idiome noch cm metapliorisehesVerháltnisvon wórtlicherund phraseologisehcrBedeutungerkenncnIáBt. DicAbgrcnzungsoicherIdiome,bci denendic Metaphoriknocb«lebendig»ist, d.lx. demdurchsehnittliehenSpreehcrbewui3todermindestenszugánglichist, vonden opakcn, nicht mchr metaphorisch-durchsichtigcnIdiomen ist áuBerstschwierigund in vicien Fállen willkúrlieh. Ms Unguist — mit histoi-isehcmWissenúberdic Ocneseund OeschichtcderIdiome ist manvicllcicht zu schrgeneigt, auehdon noeh Motiviertheit zu sehen,wo synehron kcine mclxigegebenist. Und selbstbci denjenigenIdiomen, dic metaphorischverstandenwerdcnkónnen,zeigenpsycholinguistischeund textbezogeneUntersuchungen,dalA dic linguistischenLaicn, dic normalenSprccherinnenund Sprecher,dic«Bildlichkeit» des Idioms vielfachin ganzandererWeisevcrstehenundnutzcn,ah es cm kognitivesMetaphernkonzeptnahelegenwúrde. Es kann irgendeinkonki-ct vorstellbarcs Elcmcnt cines Idioms 5cm, das den Sprecher zubestimmtcn Assoziationen vcranlM3t oder das dic Wahl (oder auch dasVermeiden)desIdioms provozicrt.

Dic kognitivcBetrachtungderIdiome— wieauchdci- Mctaphem— múfite cmklai-es Konzeptvondei- «Lebendigkeit»dci- phraseotogischcnAusdriickehaben

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und dúrftenicht histoxisehemit synchi-oncnAxgumcntationenvermisehen,wicdasim BereichderMctaphernfoi-schunggangnndgábeist.

Dobi-ovol’skij/Piirainen (1997) haben den kognitivcn Ansatz in cineranderenRichtung noch wcitergcfúhi-t: In ciner umfangreiehenStudic mitMaterial aussieben Sprachen(darunter indocuropáiseheSpi-aehen,Finnischund Japanisch)untersuchensic Phraseologismenmit «Symbol»-Komponcntcn(Ticre, FarbenundZahíen).Em Beispicí istschwarzin denfolgendendcutschcnPhi-ascologismen(Dobi-ovol’skij/Piirainen 1997,76; Pu-amen1998,215):

etw. sehwarz in scbwarz majen«etw. scbrpessimistischdarstcllen»ctw. in densehwárzestcnFarbensehen«ctw. sehrpessimistischcinsch¡itzcn>salíesdurcbdic schwarzeBrille sehen«aIlzupessirnistisch.win»cm schwarzerTag«cm Unglúckstag»dic schwarzeListc «Aufstcllungvcrdách¡igei-,ntBliebigcrPersonen»

Dic symbolischc Bedcutung von «sehwarz» evoziert ctwas Negatives(Unglflck, gcdi-ticktc Stimmung, Trauci-), und das gilt sowoht fUi- dasspxachlicheSymbol als auchfUi- «sehwarz»in nicht-sprachlichcnKontcxtenQ<Kultursymbol»), z. B. Traucxkleidung, Traucrbeflaggung(Dobrovol’skij/Pu-amen1997,250 ff.}. Nicht jedesKuhursymbolist auchin Phrascologismcnkodiert. So steht Taube nis Kultursymbol fúr «hieden»,«Auferstehung»,«heiliger Ocist» — Bedeutungen,dic in Phraseologismennieht i-cpi-ásentiertsind. Dic BcdeutungvonTaube im Spi-icbwoi-t bessercinenSpatzin der Handals cine Taube aufdemDach («bcsserctwas Geringcresin sicbcrcr Náhe MsetwasWei-tvollci-es in uneri-eichbai-ci-Feme»)bat mit dci- kultursymbolisehenBedeutungnichts¿u tun (Dobi-ovol’skij¡Piii-aincn 1997, 80).~

Im Untersehiedzu Phraseologismenmit metaphorischcrGcsamtbedeutung¡st dic symboliseheKomponentedesPhi-aseologismus«herauslósbar»,sic hatcine dcutliehe «semantiseheAutonomie». Symbole unterseheidensieh vonMctaphern wcitcrhin durch untcrsehicdliche«Wisscnsvcrarbeitung,dic dicMotivationsgrundlagcder Phrascologismenbildet» (Piiraincn 1998, 21$). DassymbolischeWissenist kulturell basiertesWcltwissen,wáhrcndMetaphcrnaufFi-ame-nud Skriptwissenbasieren(cM.).

< DaB es auchSprachsymnbolegebensolí, dic kcinegesanMkultureíleEntsprechunghaben,scheint mii- wenig cinleuchtendund dcci kulturwisscnschaftliehenAnsatz dci- Arbcit sogaszuwiderzulaufen.Warumn Taube im genanntenSprichwortsprachsymbolischenCharaktcrhabensojí, ohwohl das Symbolnichí kultureli gcst¡itzt ist, ist mi>- nichí verstándlich.DM1 Taube(wieauchSpatz)cinegewissesemantiseheAutonomicbatunddaIl derGegcnsatzvon TaubeundSpatzSn UbertragenemSinneals Gegensatzvon «wcx-tvoil» und «wertlos» vcrstandcnwerdcnkann,bercchtigtnl. E. noch nicht zarIntei-pretarion,es bandiesichorn cm Symhol (zwci Symbolefl.Wcnn man von Sprachsymbolin eincm irgcndwievertretbarenSinn redenwoiltc, múfite dasentspwchendeWort zumindestin derSprachein andei-enVerbindungenbzw. alsEinzclwortauehdic cntsprcehendcBedeutungaufweisen.Wederbei TaubenoehbeiSpaíz istdasaherdci- Falí.

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Harold Burger Phroseologie— Dic SituationdesFaches...

Beim Vergleieh versehiedenerSprachen und Kulturen ergeben sichintcressanteOemeinsamkeitcnundDifferenzen.So istdic symbolischeOeltungvon=<sehwarz»undauehciniger andererFarbenintcrkulturcll sehráhnlidh.Bel«blau» weist nur das Englisehe dic Bedeutung «bedrúckte, depressiveStimmung»(gctlhaveÉSeblues). «DieseSymbolbedeutungvon bhte liegí demNamendesBlueszugrunde,indemsichdicbedrúekteStimmungdci- SklaveninAmexika ausdi-úckt, dic diese musikalisdhe Oattung begriindeten»(Dobrovol’skijlPiirainen 1997, 271). Bci den Zahíen ergeben sich vicIeinterkultui-ellc Úbercinstimmungcn,aher auchsinguláreOiffcrenzendcx Art,dM3 «Zehntausend»in dcx eui-opáischcnKuItur keinc besondereRolle spiclt,wáhrend dci- Zahí im ostasiatisehenKultui-ki-cis cinc wichtige symbo¡ischcBcdeutung zuko¡nmt. Es zeigen sich auch aufschlulAreiche historischeVeránderungen:Dei- Bár bat seine — cinst schr vcrbrcitete — bediohijeheKonnotation wcitgchcnd verloren, heute dominieren Vorstcllungcn vom«gutmútigenZottelticr», Teddybárusw. (Dobrovol’skij/Piii-ainen 1997,168).

Wie dic Metapherwird auchdas Symbol von den Autoren als kognitiveKategorievcrstandcn,und es wird darúberbinausposlu]iert: «Symbolein dci-Sprachesindnicht nurrhetorischesOrnament,nichtnur GegenstandspczifischcncsoterischcnWisscns,sondemsie dui-chdringendic Alltagsspi-ache.»Sic kónnen«dicWirklichkeitspci-spektivebeeinflussen»(cbd. St). Dasist ohncempirisehenNaehweis vorerst nur cine Bchauptung, so dafl cinc Uberprúfung der«Lebcndigkeit»dessymbolischenMatcrialsdi-ingtiehwárc.9

Wcder dic Definition von Symbofl<> noch dic Abgrcnzungzur Metapherschcinenmit vóllig klar. Doch ist dcx Zusammenhangvon Pbraseologicundallgemein-kulturcllem Wissen unzweifclhaft cm Problcmbcreich,der vonaktuellcm kutturwisscnsehaftlichenInteressc ist tind der dci- Fbi-asco-logicforschungneucPerspektivenei-óffnet.

Untci- dcm Aspektdci- «Lebendigkeit»der Syrabolcerscheintdic Annahmefragwllrdig,dM1 sprachlicheund kultui-elIe Symbolik auseinandcrklaffenkónnen.<tULE isí kulturell dasWeisheitssymbolschlcchthin,unó zwar in denglcicbcn KujtunánmcnEuropas,in denenFULEin Phraseologismcncm Symbol dci- entgegcngesctztenFunktion,derDuramheit,oderauchdesScblechtcn,HilíSlieben sein kann»(Dobrovol’skij/Piirainen 1996, 177). Eme soicheDiskrepanzkann m. E. nur bedeuten,dM1 dic kulturelle Symbolik ebengei-adenicht diejenigeArt vonaIlíágIichci-Lebendigkcitbar,dic sic alskognitiv relcvantcKategoi-ieauswcisenwúrde,sonderneliercinc Sachevon Bildungswissenodergasvon absterbenderTradition ist.

In Aniehnung an Lotmann wii-d das Symbol als Zeichen zweiter Ordnungdefiniert,«dcsscnlnhaIts~lanzugleichciii Zeichencinerandci-enRangordnungist: InhalÉ (1) dient seibstalsAusdruckfin cinenneueninhaIr (2):dabciisr InhalÉ(2) in derRegelkultureíl bedeutenderalsInhalr (1).» (34)Ms Beispielwirdengl. wolfangefúbrt:Inhalr(1) ist Wolf als«Tierss,Inhait(2) ist«Hunger.matericíleNoÉ, Gcfah>-», ‘¿Wc ¡ni PhrascologisnwskecptIte wolffrom tIte Jetar seineExistenz(in wirrschattlicherHinsicht)crhal¡en’. In dieseralígerneinenPorrakann dic DefinitionpichÉ zur Abgrenzungdes sprachlich-pbrascologischcnSymbols von anderen idiomatisehenErsebeinungendienen.Deun dic sekundáseScmiotisierung¡st Mcrkmal oller Idionie, dic zweiLesartenhaben.Der wirkiich differcntielleAspekr¡-cgt ira Merknul«kulturellbedeutend»,alsoin

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7. Desiderata

Trotzdci kaummclxi iibersehbarcnPiule an Arbeiten,dic in denletztenJabrenzu empirisehen,~md thcorctischcn Problemen dcx Phraseologicvoi-gelegtwurden,bteibengrol3e Forschungsdesiderate:

1. EmpirischeStudien

Fuer sind ¿u unterseheiden(a) korpusbasierteStudien und (b) Tests tmdBefragungenmit Vcrsuchspersonen,wobeisiehdic beidenVerfahrcnstypenbeibcstimmten Fragestellungen(z. B. dei- Frage nach der Bekanntheit vonPhraseologismen)durchausergánzenund wcchselseitigkontrollicrenkónnen.

Za (a) gibt es bei-eits cinc Vtelzahl von Untersuehungenzur gesebriebenenSprache,zu bestimmtenTextsortenundzu cinzeinentextlinguistiscb-pragmatischcnAspcktcn. Dic gesprocheneSprache,insbcsondcrediejenigedei- alitágliehenKommunikation,ist aher naehwic vox unter phraseologischemAspckt nochkaum untersuchtworden. Dic Untcrsuchungzur Mannheimei- Stadtsprache(Kallmcyer/Keim 1994, Kcim 1997) erlaubt cinen l3Iick auch in denPhrascologie-Gebrauch«der sozialen Welt kleiner Leute». Leider siud dicAutorinnen und Autoren dei- Arbejt gánzlich unvei-traut mit der Phra-scologieforschung,so dalA dasMaterial in phraseologischerHinsicht vñlligunzureichendgegiiedert ist. Giciehwohl sicht man, dalA es neben cinigenSprichwói-tcrn oder sprichwortábniichenFormulierungen(z. 13. Reimfresselernd ma dic leid kenne— beim Fressenlernt mandic Leute kennen)vor allcmGcmcinplátze(Wennsge/id gehds,mer vverreal/e mol oid— wennsgcht,gehts,wir wcrdcn alíe mal alt) und gruppcnspczifischeIdiome siud, dic diesenSprachgcbrauchcharaktensíeren.

Bcsondei-sbclicbt scheinenFormein zu sein,mit denenmanPersonen,ihreUrngebungund ibre Iclandiungentypisiert und sozial katcgorisiert.Der hod eWohnungdo muse/idaunnedie HossezubinnecharakterisiertcinenMafin, dci-in cinerverwahriostenWohnungwohnt, in dei- es von Wanzenwimmelt. Derkriggd de Eisschronggabgschlossediení zur Charakterisiernng«dey totalenKontrollc, dic cincEhefran(iber ihrcnMann im Konsumbereiehausúbt»(Keim324), und Fr mu/’3 h&m die Beddemache sic gchd in dic Lokale wird zurCharaktei-isierung«ciner von der Frau veranlalAten Umkehr dci- typischenAufgabenverteilungzwischenEhemannund Ehcfi-au» vcrwcndct(Keim 324).Zur Beziehungsregulierungwerdcn Unsinnsfoi-mcln, wie es dic Autorennennen, in spiclerischer Weisc eingesetzt. So kann man bcispiclsweise

dci knlturcllcn (und nicbt nur spraeblicbcn)Reicvanzdcr spracbiichkodiertcnSyrnbolc.Daxnhn,BBtc cinc Definition des«Spracbsyrnbols»von de>- Spracheauf dic (lesamtkulturvei-schobcnwcrden, was ja durebausauch den innovariven Aspekt ciner soichen Bctracbtungswciseausmachenkónnrc.

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unangebrachieNeugiei-damil zurúekwcisen,dalA man dic Antwort verwcigertund mit ciner Unsinnsformelreagicrt.Aueh KonfliktsituationenwerdendurdhUnsinnsfoí-nielnentschárft.Zwei Frauensind sich uneins in dcx BeurtcilungcinesMannes.Da grcift cinc dritte cm mit dci- witzigen Foi-mel do hawwschsc/tu schdnnerevon Beddnausgeschtnmisse(¡<clin 337).Fine Eran, dic siehdurch Sclbstlobunpasscndhervorgetanbat, wird zurechtgewicsenmit dei-Forme! mach ka Lcrzz (cm Phrascologismus,der in der Oruppe ifir dicZuriickwcisung von Angebcrci tiblich ist) und reagiei-t selbstdarauf mit dci-UnsinnsfonnclFerzzmid Krigge wonnsegud ge/tehrauc/tdmaned¿udrigge(Keim 336). In beidenPillenwird dci- potentielíbedrohlichcnEntwicklungderlntcraktiondic Spitzc genommcn,derErnstwird ms Spiclerischeumgedeutct.

GemáBdieserUntersuchungscheintes so zu 5cm, daI3dic Mittelsehichtsehrviet wenigcrPhraseologie,und wcnn,dannandereArten von Phrascologismcnvcxwendet.

Zui- Pbrasco!ogiedcx Jugend ist ciniges — z. Y. Widcrspr{icbliehes —

gcsehriebcnworden,zur Phraseologiedcxáltei-enundaltenLeutewisscnwir fastgarniehts.

Bci (b) wáre zu unterseheidenzwischenpsycholinguistisehenArbeiten,dicbeispiclsweisedic Assoziationenzu bestimmtenPhraseologismenoder dieFrklárungsvci-fahrenfiir Phraseologismenuntersuehen(zum Deutschenz. B.l-Iácki Buhofci- 1997), und soichenStudien,denenes urn dic BekanntheitdcxPhi-aseologismenbel Spi-cehernbzw. Sprechergrnppengeht (zumDcutsehcnz.13. Durco 1994; zu deutschcnSpi-ichwórtci- Grzybek 1991, zur empirisehenMcthodologieim Bercich dci- Spi-ichwortforschungvgl. Orzybek 1993).HáckiBuhofer/Bui-ger(1994) habenin cinerauf einemMedicn-Koi-pusbasierendenFragebogcn-Untci-suchungfestgestellt,dalA die Jugcnd groBe Bereiche dertraditionellendeutschenPhi-aseologie,voi- allcm auchderjenigen.dic tagtáglichin den Medien vorkommt, entwedernicht mclxx odernur unzulángliehkcnntoderdalA sic sic flir ibrencigenenSpraehgebraucbablcbnt.

Dic meinesWisscnserstcsprachgeogi-aphisehoricntiertcUntersuchungzurBekanntheit von Phraseologismen betrifft dic gesprocheneSprachc imRuhrgcbict(Crede¡Lakemper1998),genaucrdic als «Ruhrdeutsch»bezeichnctcregionaleVarictátund dic dafúrtypischcnPhraseologismen(a. lA. rein/tauenwicMax in dic Graupen, Uber dic Wuppergehen,aufJUck sein, einen Bohci ornetwa.vmachen).(Dic Ruhrgebietsspeziflkwurdc mit versehiedenenMcthodenabgesichert: Ubci-pi-tifung dci- Lexika zur Ruhrgebictssprachc,Hórbelege,Prctestsin anderenGebicten des dcutsehenSprachraumsusw.) Schliel3lichwurden 20 Phraseologismenausgcwáhlt,ni denen 990 VersuchspersoncninschriftliehenFragebógenauf denOradderBekannthcithin befragtwurdcn)’Dic

Leider vergicichen dic AuÉoren ibi-c Studic und deren Mcthodik fichÉ mit denexistierendenernpirischcnStudicn zum Dcutscbcn,dic ihnenoffcnbarentgangensind.

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Resuhatezeigen,dM3 dasRuhrgcbietsdeutschkeine «Monovai-ieuit»ist. «Fastjede Redcnsartweist cm fui- sic typischesVerteilungsmusterauf, wobci sichtendenzicil cinc Aufspaltungin trinen óstlichenTeil und chíenwcstliehenTeildesUntci-suchungsgcbietesergebenhat»(102).

In dieserpsycho-und soziolinguistisehenDománe,dic auchvon eminentersprachpádagogischcxRelevanzwáre, isÉ mclxi oder wcnigerdic ganzeArbciterstnoeh zu leisten.

2. Im theorerischenBereich schcintmix vot allem dic Fragenachwic vorzentral — und noch weitgehcndungelóst,wie sich Phraseologiezu anderenEcreichen oder Ebenendcr Spraehe vcrhált, zur Syntax, Scmanúk undPragmatik,wennman dic klassischeTrias als OrdnungsschemanehmcnwiIl.Ich halte tendenzidil cinc Betrachtungsweiscnicht Liii- schr fi-uchtbar, dicPhraseologicals Disziplin gegenandere Disziplinen abschirmtund dic denPhraseologismencindeutig cine Ebeneneben andei-enEbenender Sprachezuwcist. lch wúrdc statt dessen den dynamischcn Aspckt dci-Phraseologisierungin den Voi-dergrund i-Ucken und Phi-aseologisicrungalsstándigwirksamenProzcB autfassen,dei- alle Bereicheder Spradlxesozusagenosmotiscbdurchdringt.

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