PORTRÄT Zinedine Zidane -...

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SEPTEMBER 2006 15 15 magazine 20 million fans visited the Yahoo! hosted 2002 FIFAworldcup.com site 2.4 billion times. We’re ready for more, are you? 1890 - 22 footballers use net for first time. 2006 - Millions of fans use net billions of times. PORTRÄT Zinedine Zidane Zwischen Genie und Wahnsinn Mal göttlich, mal teuflisch, Zinedine Zidane hat bei dieser WM bewiesen, dass Himmel und Hölle nahe beieinander liegen. Ein begnadeter Spieler im Fegefeuer! VON JEAN VIREBAYRE

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SEPTEMBER 2006 1515

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20 million fans visited the Yahoo! hosted 2002 FIFAworldcup.com site 2.4 billion times.We’re ready for more, are you?

1890 - 22 footballers use net for first time.

2006 - Millions of fans use net billions of times.

PORTRÄT

Zinedine Zidane Zwischen Genie und WahnsinnMal göttlich, mal teufl isch, Zinedine Zidane hat bei dieser WM bewiesen,

dass Himmel und Hölle nahe beieinander liegen. Ein begnadeter Spieler im

Fegefeuer!

VON JEAN VIREBAYRE

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Zidane als junger Spund: bei Cannes 1991 (ganz oben) und in der französischen Nationalmannschaft 1994.

Wichtige und schöne Treffer: Zidane trifft im WM-Finale 1998 per Kopf und erzielt 2002 im Finale der UEFA Champions League ein Traumtor.

Talent ist unvergänglich, wie die

Wahl des 34-jährigen Zinedine

Zidane zum besten Spieler

der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft

Deutschland 2006™ eindrucksvoll ge-

zeigt hat. Nach seiner Meisterleistung

gegen die brasilianischen Ballzauberer

im Viertelfi nale, die er schon 1998 fast

im Alleingang bezwungen hatte, sollte

das Finale der krönende Abschluss einer

aussergewöhnlichen Karriere – dieje-

nige eines Fussballgenies, so die Worte

der brasilianischen Fussballlegende Pelé

– werden.

Doch wie so oft im Leben liegen Ge-

nie und Wahnsinn eng beieinander.

Vor den Augen von Milliarden von

Fernsehzuschauern rammt Zidane

dem Italiener Marco Materazzi

kurz vor Schluss der Verlängerung

den Kopf gegen die Brust: rote

Karte, die 14. in seiner Karriere,

für die Wahnsinnstat, die die Welt

entsetzt und für die es keine Ent-

schuldigung gibt, provozierende

Worte des Italieners hin oder her.

Mit Zidane ist der letzte grosse

Künstler abgetreten, der mit sei-

nen kontrollierten und geschmeidigen

Bewegungen und seinem unglaub-

lichen Spielinstinkt ein ganzes Stadion

in Ekstase versetzen konnte. Doch der

bescheidene Star hat sich selbst nie als

besten Spieler der Welt gesehen: „Mir

fehlt so viel ... vor allem die Konstanz.

In jeder Saison habe ich mit einigen

Problemen zu kämpfen.“ Seine Sprache

ist einfach und ehrlich; heilig ist ihm

die Ehre seiner Familie. Selbst der Welt-

meistertitel 1998 und der Gewinn der

Euro 2000 haben daran nichts geän-

dert. „Ich bin noch immer der gleiche.

Ich habe mich nicht verändert, da man

sich immer treu bleiben muss“, so der

Franzose.

In La Castellane im Norden der fuss-

ballverrückten Stadt Marseille als Sohn

eines kabylischen Einwanderers gebo-

ren, schien „Yazid“, wie er von Familie

und Freunden genannt wird, anfangs

kaum Aussicht auf eine grosse Karri-

ere zu haben, zumal er auch noch an

Th alassämie, einer im Mittelmeerraum

verbreiteten Form von Blutarmut, litt,

die bei ihm zwar nicht stark ausgeprägt

war, aber an seinen Kräften zehrte.

Nur mit Mühe konnte er der kör-

perlichen Belastung standhalten.

MIT TALENT GESEGNETTechnisch ist er heute nahezu

perfekt. Auf seinem Weg nach

oben hat er sich aber nie allein

auf sein Talent verlassen, sondern

immer auch hart gearbeitet, um

dereinst das Publikum mit seinen

formvollendeten Kunststücken und

Pirouetten zu verzücken. „Ich habe

viel gearbeitet, viel ausprobiert und

andere herausgefordert. Ich habe von

morgens bis abends Fussball gespielt,

auch um mich zu beschäftigen. Wa-

ren wir zu wenige für ein richtiges

Spiel, spielten wir eins gegen

eins, zwei gegen zwei oder

halt Fussballtennis. Oder

wir zielten auf Gegen-

stände. Da lernt man

von alleine viel dazu.

Wenn ich das Ziel zu

oft verfehlte, machte

ich weiter, bis es klapp-

te“, erinnert er sich.

Sensibel und schüch-

tern hatte Zidane das

Glück, zum richtigen Zeit-

punkt auf Menschen zu treff en,

die ihn verstanden und förderten.

Da war etwa Jean Varraud, Zidanes

„spiritueller Vater“, der während der

Weltmeisterschaft leider verstorben

ist. Er war es, der ihn in die Fussball-

schule der AS Cannes holte und ihm

mit 16 Jahren den Weg in die Pro-

fi mannschaft ebnete. Es folgte

der Wechsel zu Girondins

de Bordeaux, wo er abseits vom grossen

Fussballrummel zu einem grossen Spie-

ler heranreifen konnte.

Noch während seiner Zeit bei Cannes

ereilte ihn der Ruf von Nationaltrainer

Aimé Jacquet, der um Zidane herum

eine neue „Equipe tricolore“ aufbauen

wollte. Bei der Euro 1996 war Zidane

bereits Dreh- und Angelpunkt im fran-

PORTRÄT

Zidanes wichtigste ToreDas erste Tor: Cannes, 8. Februar 1991: Beim 2:1-Sieg gegen Nantes erzielt Zinedine Zidane in der 56. Minute sein erstes Tor als Profi . „Der Präsident von Cannes, Alain Pedretti, hatte mir für mein erstes Tor ein Auto versprochen“, erinnert er sich. „Er hielt sein Wort: Bei einer Feier mit meinen Teamkollegen schenkte er mir mein erstes Auto: einen roten Clio.“

Sein internationales Debüt:Bordeaux, 17. August 1994: Vor heimischem Publikum bestreitet Zidane gegen die Tsche-chische Republik sein erstes Länderspiel. Beim Spielstand von 0:2 in der 63. Minute von Aimé Jacquet eingewechselt, wird Zidane in den letzten fünf Minuten zum Helden des Spiels. Mit einem Heber und per Kopf holt er für sein Team in diesem Freundschaftsspiel noch ein Unentschieden heraus – seine erste Grosstat für die „Bleus“.

Auf dem Fussballolymp:Paris, 12. Juli 1998: Im Finale der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ im Stade de France läuft Zidane nach harzigem WM-Start zu Hochform auf, so wie es sich für einen echten Star gehört. Zidane ist allgegenwärtig und fegt Brasilien praktisch im Alleingang vom Platz. Zweimal trifft er in der ersten Halbzeit per Kopf und legt damit den Grundstein für den 3:0-Triumph der Franzosen. Ein neuer Nationalheld ist geboren.

Europäische Bestätigung: Rotterdam, 2. Juli 2000: Die Franzosen sind noch dominanter als 1998 und werden nach 1984 wiederum Europameister, auch wenn der Sieg letztlich an einem seidenen Faden hängt. Gegen die hartnäckigen Italiener bringt erst das Golden Goal zum 2:1 die Entscheidung zugunsten Frankreichs. Obwohl er dieses Mal nicht zu den Torschützen zählt, ist Zidane, von den Italienern gleichermassen geliebt wie gefürchtet, wiederum Baumeister des Erfolgs.

Meisterprüfung: Glasgow, 12. Mai 2002: In seinem dritten Finale, dieses Mal mit Real Madrid, gelingt Zidane endlich der erste Erfolg in der UEFA Champions League. Unvergessen ist nicht so sehr der 2:1-Triumph gegen Bayer Leverkusen, sondern Zidanes Siegestor: Flanke von Roberto Carlos, messerscharfer Volleyschuss mit links – ein Tor für die Ewigkeit, vielleicht der schönste Treffer seiner Karriere.

Die Rückkehr:Montpellier, 17. August 2005: Bedrohlich wankt Frankreich in der Qualifi kation für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2006™. Retter in der Not ist Zidane, der ein Jahr zuvor aus dem Nationalteam zurückgetreten ist. Im Freundschaftsspiel gegen die Elfenbeinküste lässt er Frankreich auferstehen. 3:0 lautet das überzeugende Resultat, an dem Zidane massgeblichen Anteil hat. Nach einem Eckball von Wiltord trifft Zidane, der am langen Pfosten sträfl ich alleine gelassen wird, zum 2:0.

Das letzte Tor: Berlin, 9. Juli 2006: Nach seinen entscheidenden Toren im Achtelfi nale gegen Spanien und im Halbfi nale gegen Portugal trägt sich Zidane auch im Endspiel der FIFA WM 2006™ gegen Italien in die Torschützenliste ein – und wie. Mit seinem Elfmeter nach dem Vorbild Panenkas lässt er Gianluigi Buffon keine Chance. Nie zuvor hat ein Strafstossschütze in einem WM-Finale einen solchen Heber gewagt.

zösischen Team. Vergessen war Eric

Cantona, der von Jacquet für die Euro-

pameisterschaft gar nicht erst berück-

sichtigt worden war.

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Nach dem Wechsel zum italienischen

Klub Juventus Turin, der noch immer

Michel Platini nachtrauerte, gelang Zi-

dane bei der Weltmeisterschaft 1998

auch international der grosse Durch-

bruch. Seine beiden Kopfballtore im

Finale gegen Brasilien gingen um die

ganze Welt und machten „Zizou“, wie

er fortan genannt wurde, zum Liebling

einer ganzen Nation, zum Ideal eines

multikulturellen Frankreich, zum Aus-

hängeschild der Stadt Marseille und zur

Werbeikone, deren Image als braver Fa-

milienvater Millionen wert war.

Selbst der Wechsel 2001 zu Real

Madrid für die Rekordsumme von 75

Millionen Euro konnte nicht an seinem

Bild kratzen. Zu glaubhaft waren seine

wiederkehrenden Beteuerungen, dass

Geld für ihn nur Nebensache sei. Und

so sieht er auch keinen Widerspruch

zwischen den astronomischen Summen,

die im Profi fussball gezahlt werden, und

dem Kampf gegen die Armut, den er

neben Ronaldo als Botschafter der Ver-

einten Nationen unterstützt. „Das hat

nichts miteinander zu tun. Das Geld

als Fussballer ist redlich verdient, denn

im Fussball werden keine Geschenke

verteilt. Ich bin stolz auf das, was ich

erreicht habe, denn ich weiss, was Not

heisst. Für mich ist es ganz im Gegenteil

zusätzlicher Ansporn, mich noch mehr

gegen Armut einzusetzen. Im Fussball

habe ich mehrere Kollegen, etwa in der

französischen Nationalmannschaft, die

sich ebenso stark engagieren, wenn auch

auf andere Weise“, betont Zidane.

Zidane weiss um die Strahlkraft sei-

nes Namens und will ihn deshalb nicht

für alles hergeben. „Jeder hat es in der

Hand, etwas zu tun. Natürlich werde

ich benutzt, aber nur so, wie ich es will“,

stellt er klar.

Nach dem WM-Triumph 1998 in

Frankreich sollte der Höhenfl ug auch

beim FIFA-Weltpokal Korea/Japan

2002™ weitergehen. Doch Zidane,

mit Real Madrid soeben Champions-

League-Sieger geworden, triff t nach der

Geburt seines dritten Sohnes verspätet

im WM-Lager ein und verletzt sich im

letzten Testspiel so schwer am linken

Oberschenkel, dass er fürs Auftakt-

spiel ausfällt. Seiner Seele beraubt, geht

Frankreich in Fernost mit fl iegenden

Fahnen unter. Auch die Euro zwei Jahre

später gerät zur grossen Enttäuschung,

worauf Zinedine Zidane seinen Rück-

tritt aus dem Nationalteam erklärt.

DIE RÜCKKEHRNach der harzig angelaufenen Qua-

lifi kation für die FIFA Fussball-Welt-

meisterschaft 2006™ kommt Zidane

im Sommer 2005 jedoch auf seine Ent-

scheidung zurück und nimmt die Zügel

bei den „Bleus“ wieder in die Hand. Der

Mit seinem Tor im Endspiel gegen Italien hat sich Zinedine Zidane weitere Einträge in das Buch der WM-Rekorde gesichert.- Zusammen mit seinen zwei Toren im Finale 1998 gegen Brasilien ist Zidane erst der vierte Spieler, der in zwei Endspielen getroffen hat. Dieses Kunststück ist vor ihm nur den Brasili-anern Pelé (1958 und 1970) und Vava (1958 und 1962) sowie dem deutschen Verteidiger Paul Breitner (1974 und 1982) gelungen.- Mit drei Finaltoren zieht er mit den bishe-rigen Rekordhaltern Pelé und Vava (Brasilien) sowie dem Engländer Geoff Hurst gleich, der seine Treffer allesamt 1966 erzielte.- Mit seinem 31. Treffer im Nationalmann-schaftsdress zieht er in der Torschützenwer-tung der „Equipe tricolore“ an den beiden französischen Fussballlegenden Just Fontaine und Jean-Pierre Papin vorbei und fi guriert nun auf Platz vier hinter Michel Platini (41 Tore), Thierry Henry (36) und David Trézé-guet (32).

Geboren am: 23. Juni 1972 in Marseille (Frankreich)Position: MittelfeldKarriere: 1986–1992: AS Cannes (Frankreich). 1992–1996: Girondins de Bordeaux (Frankreich). 1996–2001: Juven-tus Turin (Italien). 2001–2006: Real Madrid (Spanien).Erfolge: 1998: Weltmeister. 2006: WM-Finalist. 2000: Europameister. 2002: Gewinn der UEFA Champions League. 1996 und 2002: Gewinn des Toyota-Pokals. 1996 und 2002: Gewinn des europäischen Superpokals. 1997 und 1998: Finalist der UEFA Champions League. 1996: Finalist des UEFA-Pokals. 2003: spanischer Landesmeister. 1997 und 1998: italienischer Landesmeister. 2001 und 2003: Gewinn des spanischen Super-pokals. 1997: Gewinn des italienischen Superpokals. 1998, 2000 und 2003: FIFA-Weltfussballer des Jahres. 2006: Gewinn des Goldenen Balls als bester Spieler der WM. 1998 und 2002: Europas Fussballer des Jahres. 108 Länderspiele, 31 Tore.

Stand: 11. Juli 2006

Rücktritt vom Rücktritt ist nicht ohne

Risiko, aber allein mit seiner Präsenz

haucht er den Franzosen neues Leben

ein, die sich im letzten Spiel doch noch

für die Endrunde in Deutschland qua-

lifi zieren.

Es war eine Rückkehr auf Zeit: Die

WM soll zum Entsetzen seiner Lands-

leute zur endgültigen Abschiedsvorstel-

lung werden – und sie wird es, auch

wenn ihm der krönende Abschluss im

Finale verwehrt bleibt. Gegen die brasi-

lianischen Ballkünstler spielt er wie von

einem anderen Stern. Es ist die vielleicht

beste Leistung seiner Karriere, nahe der

Perfektion. Seine millimetergenauen

Pässe, seine unglaublichen Körpertäu-

schungen und seine Geistesblitze ermög-

lichen Frankreich den Weg ins Halbfi na-

le. Nachdem er bereits im Achtelfi nale

gegen Spanien als Torschütze zum 3:1

glänzte, gelingt ihm auch gegen Portugal

der entscheidende Treff er: per Elfmeter

zum 1:0-Endstand.

Im Finale gegen Italien ist wiederum

Zidane der Motor im französischen

Team. Per Strafstoss, den er nonchalant

als Heber spielt, bringt er sein Team in

Führung und hat in der 104. Minute

nach einem Zuspiel von Willy Sagnol

gar das 2:1 auf dem Kopf, doch Gian-

luigi Buff on ist nicht umsonst der beste

Torhüter der Welt.

Aus und vorbei, das weiss keiner bes-

ser als Zidane selbst, der sich frustriert,

ausgepumpt und ohnmächtig kurz dar-

auf zu einer grenzenlosen Dummheit

hinreissen lässt und die grosse Bühne

unvermittelt verlassen muss. Die Vor-

stellung ist aus – nach einem drama-

tischen letzten Akt mit einem gefallenen

Helden, dem der Applaus der Zuschauer

dennoch gewiss ist, denn nur wenige

haben dem Fussball so viel gegeben wie

Zinedine Zidane.

Zidanes Rekorde

PORTRÄT

Der letzte Torjubel: Zidane dreht nach seinem verwandelten Elfmeter im Finale der WM 2006 jubelnd ab. In der 110. Minute dann der Schock: Der französische Spielmacher sieht nach einem Kopfstoss die rote Karte.

Ein Zauberer am Ball, erfolgreich, aber meist öffentlichkeitsscheu.

Ausnahmsweise posiert Zidane im Juni 2005 beim French Open mit dem Sieger

des Turniers, Rafael Nadal (rechts).

Zidane als Kapitän der „Equipe tricolore“, im Training von Real Madrid, als Schminkvorlage und mit seinem

Freund und Mitspieler bei Real, Ronaldo.

Hoch dekoriert: Zidane als FIFA-Weltfussballer des Jahres 2003 (oben) und bei der Verleihung des „Ballon d’or“ 1998.FOTOS: FOTO-NET (12), IMAGO (5)

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FIFA-Präsident Joseph S. Blatter

besuchte während der Weltmeis-

terschaft in Deutschland Spiele von

31 Mannschaften. Seine Bilanz des

Turniers fällt ausgesprochen positiv

aus, auch wenn er sich in den K.-o.-

Runden etwas offensiveren Fussball

gewünscht hätte, wie er im Interview

sagt.

VON GEORG HEITZ

FIFA magazine: Wenn Sie die FIFA WM in Deutschland auf einer Notenskala von eins bis zehn beur-teilen, wie fällt Ihre Einschätzung aus?

Joseph S. Blatter: Die Organi-

sation und die Stimmung würde ich mit

einer neun bewerten, den fussballerischen

Gehalt mit einer acht. Ich hätte mir in der

zweiten Phase des Turniers off ensiveren

Fussball gewünscht. Nach meinen Ein-

drücken war das Ziel der meisten Teams,

in der K.-o.-Runde nicht zu verlieren.

Deswegen konnten die Stars auch nicht

so glänzen, wie das hier und da erwartet

worden war. Sie wirkten blockiert, weil

sie zu sehr in den Zwängen steckten, die

ihnen die Trainer aufbürdeten. Und viele

Coaches traten jeweils mit nur einem

Stürmer an. Das ist nicht viel. Dafür

Zinedine Zidane: Der spielte wie vor acht

Jahren bei der WM im eigenen Land!

Wie viele Weltmeisterschaften haben Sie aktiv verfolgt?

Blatter: Seit 1978 bin ich für die

FIFA bei den Turnieren vor Ort. Die

erste WM, für die ich mich interessierte,

war aber jene 1950 in Brasilien. 1954 in

der Schweiz war ich dann live dabei. Ich

kaufte mir für sechs Franken und zehn

Rappen eine Karte für das Finale. Dieses

Ticket habe ich heute noch.

Wenn Sie die rasante Entwicklung des Fussballs sehen, haben Sie dann manchmal nicht Sehnsucht nach der Vergangenheit?

Blatter: Der Fussball hat sich in und

mit der Gesellschaft entwickelt. Es gab

eine Zeit, da wurden die Spielfelder durch

Zäune vom Publikum abgetrennt. Das

war schlimm, es führte sogar dazu, dass

Menschen sterben mussten. Heute sitzen

die Zuschauer wieder nahe am Gesche-

hen, was auch ein Verdienst der Engländer

ist, die eine Vorreiterrolle gespielt haben.

Der Komfort in den Stadien ist hoch.

Und ausserhalb der Arenen feiern die Leute in den Fanmeilen …

Der Präsident und der Pokal: Joseph S. Blatter posiert in Berlin mit der

begehrten Trophäe. Rechts: Blatter mit dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton, mit

Pelé und mit Partnerin Ilona Boguska.

INTERVIEW

„Das kann nur der Fussball schaffen“

Joseph S. Blatter

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BlatterINTERVIEW

Blatter: Diese Idee stammt von

Gregor Lentze, einem FIFA-Mitarbeiter

in Deutschland. Durch diese Fanmeilen

werden auch die Fans, die kein Ticket

kaufen konnten, in die WM einbezogen.

Die Bilder, die uns von diesen Fanmeilen

erreichten, sind fantastisch. Der Fussball

hat diesbezüglich eine erfreuliche Ent-

wicklung genommen. Seit dem Turnier

in Frankreich 1998 ist die Atmosphäre

freundschaftlich. Beispielhaft war dies

in Korea und Japan zu beobachten, aber

auch dieses Jahr in Deutschland.

Gibt es für Sie in der Fussballge-schichte das Spiel schlechthin?

Blatter: Jede Partie bedeutet Emo-

tionen und Leidenschaft. Der Fussball

kann zu einem Drama werden oder gar

zu einer Tragödie, dann nämlich, wenn

es zu einem Elfmeterschiessen kommt.

In dieser Kurzform der Entscheidung

verliert er auch seinen Charakter als

Mannschaftssport. Denn es gibt nur noch

Duelle zwischen dem Torhüter und dem

Elfmeterschützen.

Wie kann man das ändern?Blatter: Nun, wir führten vor einigen

Jahren das Golden Goal ein, wonach bei

einem Tor in der Verlängerung die Partie

sofort beendet war. Dann kamen aber die

Traditionalisten und wiesen darauf hin, dass

einige der berühmtesten Spiele der Historie

erst wirklich packend wurden, nachdem in

der Verlängerung der erste Treff er gefallen

war. Etwa bei der WM 1982 in Spanien

in der Partie zwischen Deutschland und

Frankreich. Leider werden heute in der

Verlängerung kaum mehr Tore erzielt. Ich

habe keine Lösung bereit, aber ich versi-

chere, dass ich jedes Mal mit den Spielern

leide, wenn es zu einem Elfmeterschiessen

kommt – und zwar mit den Torhütern und

den Schützen.

Zurück zur WM in Deutschland. Ab dem Halbfi nale verkam sie zur Europameisterschaft.

Blatter: Nein, da wehre ich mich

entschieden dagegen. Es ist eine Welt-

meisterschaft, bei der sich zwei europä-

ische Teams im Viertelfi nale gegen die

zwei grossen Mannschaften aus Süd-

amerika durchsetzten. Letztmals hatten

wir 1982 die Situation, dass unter den

letzten vier kein südamerikanisches Land

mehr war.

Wie wichtig ist es für ein solches Turnier, dass der Gastgeber mög-lichst lange dabei ist?

Blatter: Wichtig sind diesbezüg-

lich die Gruppenspiele und die erste

K-o.-Runde. Da hilft ein erfolgreiches

Abschneiden des Heimteams, um ein

stimmungsvolles Ambiente zu erzeugen.

Danach aber spielt das keine Rolle mehr,

weil die Fans einfach den Fussball im

Allgemeinen feiern.

Franz Beckenbauer, der Präsident des lokalen Organisationskomi-tees, schien fast mehr im Zentrum

des Interesses zu stehen als Sie selbst. Hat Sie das gestört?

Blatter: Nein. Er war überall, er hat

seine WM gefeiert. Er ist eine grossartige

Persönlichkeit, deren Anwesenheit bei

den Spielen nötig war. Meine Aufgaben

waren andere. Ich konnte – bis auf die

schwedische – jede der Delegationen

besuchen und mit den Verbandsvertretern

diskutieren.

Wie sehr ärgerte Sie der Verband Togos mit all den Turbulenzen, die er auslöste?

Blatter: Das war sehr traurig. Da

kam ein WM-Neuling und produzierte

fast nur Negativschlagzeilen. Schliesslich

mussten wir in den Prämienstreit zwi-

schen dem Verband und den Spielern

eingreifen. Die Verantwortlichen haben

sich nachträglich per Brief bei der FIFA

entschuldigt.

Diego Maradona war eine der auffälligen Figuren auf den Tri-bünen. Was sagen Sie zu seinem Verhalten?

Blatter: Ich habe ihn getroff en, und er

hat mir zum 30. Mal versichert, er komme

bald zu einem Besuch an den FIFA-Haupt-

sitz in Zürich und werde für unseren Ver-

band arbeiten … Maradona ist Maradona,

mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Haben Sie während der WM eine Geste gesehen, die Sie besonders freute?

Blatter: Oft halfen sich die Spieler

gegenseitig dabei aufzustehen. Zudem

gab es schöne Szenen nach dem Schluss-

pfi ff , beispielsweise zwischen den Brasili-

anern und den Franzosen oder zwischen

den Engländern und den Portugiesen.

Nur die Argentinier und die Deutschen

gingen am Ende aufeinander los. Grund-

sätzlich wurde aber das Fairplay im Sinne

der FIFA gelebt.

Die FIFA initiierte eine Antirassis-musaktion, bei der die Kapitäne vor dem Anpfi ff der Viertelfi nal-partien jeweils eine Erklärung verlasen. Sind Sie mit dem Effekt zufrieden?

Blatter: Ja, denn der Fussball wirkt

verbindend. Ich freue mich über jede

Mannschaft, die Spieler mit verschiedener

Hautfarbe vereint. Der Fussball hat inte-

grative Fähigkeiten.

Was für Lehren zieht die FIFA aus dem Turnier in Deutschland im Hinblick auf die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika?

Blatter: Wir werden uns den dor-

tigen Gegebenheiten anpassen müssen,

aber die Fanmeilen beispielsweise wollen

wir unbedingt beibehalten, denn es ist

besonders wichtig, in Südafrika das Volk

zusammenzubringen. Sie haben es mit

einer Rugby- und einer Kricket-Welt-

meisterschaft versucht, aber das Vorhaben

misslang. Nur der Fussball kann das

schaff en.

Blatter mit Franz Beckenbauer, mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, vor dem Berliner Olympiastadion und beim Empfang von Kindern.

Die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006™ war für FIFA-Präsident Joseph S. Blatter überaus hektisch. Mit Spielen, Medienkonferenzen und Gesprächen mit zahlreichen Persönlichkeiten war sein Terminkalender randvoll, wie folgender Ausschnitt (ohne offi zielle Sitzungen) zeigt: 9. Juni 18.00 Uhr München Deutschland – Costa Rica10. Juni 15.00 Uhr Frankfurt England – Paraguay11. Juni 15.00 Uhr Leipzig Serbien und Montenegro – Niederlande12. Juni 21.00 Uhr Hannover Italien – Ghana13. Juni 21.00 Uhr Berlin Brasilien – Kroatien14. Juni 21.00 Uhr Dortmund Deutschland – Polen, Treffen mit der Familie von

Daniel Nivel15. Juni 15.00 Uhr Nürnberg England – Trinidad und Tobago16. Juni 18.00 Uhr Stuttgart Niederlande – Elfenbeinküste, Besuch des

Landtags von Baden-Württemberg, Eintrag ins goldene Buch von Baden-Württemberg, Treffen mit Minister-präsident Oettinger

17. Juni 15.00 Uhr Kaiserslautern Enthüllung des Fritz-Walter-Denkmals im Fritz-Walter-Museum zusammen mit dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck

17. Juni 21.00 Uhr Kaiserslautern Italien – USA18. Juni 21.00 Uhr Leipzig Frankreich – Korea Republik19. Juni 18.00 Uhr Hamburg Saudiarabien – Ukraine20. Juni 16.00 Uhr Berlin Ecuador – Deutschland21. Juni 16.00 Uhr Leipzig Iran – Angola22. Juni 21.00 Uhr Dortmund Japan – Brasilien, Besuch des Frauenfussballturniers

in der adidas World of Football in Berlin 23. Juni 16.00 Uhr Berlin Ukraine – Tunesien23. Juni 21.00 Uhr Köln Togo – Frankreich24. Juni 21.00 Uhr Leipzig Argentinien – Mexiko25. Juni 21.00 Uhr Nürnberg Portugal – Niederlande26. Juni 17.00 Uhr Kaiserslautern Italien – Australien26. Juni 21.00 Uhr Köln Schweiz – Ukraine27. Juni 17.00 Uhr Dortmund Brasilien – Ghana28. Juni Medienkonferenz zum FIFA-Tag gegen

Diskriminierung30. Juni 17.00 Uhr Berlin Deutschland – Argentinien1. Juli 17.00 Uhr Gelsenkirchen Portugal – England, Fotoaufnahmen mit dem

britischen Sportminister Richard Caborn und englischen Schulkindern, die von der FIFA Eintrittskarten erhalten haben

2. Juli Berlin Strassenfussballturnier4. Juli 21.00 Uhr Dortmund Deutschland – Italien5. Juli 21.00 Uhr München Frankreich – Portugal, Übergabe eines Schecks an SOS-

Kinderdorf International, Treffen mit Spike Lee, Besuch bei iSe Hospitality

6. Juli Berlin Fotoaufnahmen mit First National Bank (Sponsor der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2010), Begrüssung durch den deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler

7. Juli Berlin Lancierung von „Afrika ruft”, Unterzeichnung eines neuen Sponsorenvertrags, Empfang des Bundesver-dienstkreuzes im deutschen Bundeskanzleramt

8. Juli Stuttgart Deutschland – Portugal, Unterzeichnung eines Spon-sorenvertrags mit McDonald’s

9. Juli Berlin Italien – Frankreich, Medienkonferenz und Unterzeichnung einer FIFA/EU-Vereinbarung, Empfang durch den deutschen Bundespräsidenten

Blatter, der Marathonmann

FOTOS: FOTO-NET

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FIFA FUSSBALL-WELTMEISTERSCHAFT DEUTSCHLAND 2006™

Die Gefahr droht von rechts

Die technische Studiengruppe (TSG) der FIFA hat alle 64 Spiele der WM

in Deutschland genau analysiert und ist zu interessanten Erkenntnissen

gelangt. Das FIFA magazine präsentiert einige der Ergebnisse.

VON HOLGER OSIECK*

DIE SPIELSYSTEMEAbsolute Neuheiten waren beim Turnier in Deutschland nicht

zu beobachten. 28 der 32 teilnehmenden Teams spielten mit

einer Viererkette in der Abwehr. Japan, das mit einer Dreierab-

wehr begann, wechselte später ebenfalls zu einer Viererkette.

Die Mittelfeldformationen zeigten jedoch unterschiedliche

Formen. Die klassische Anordnung des 4-4-2 mit zwei zen-

tralen und zwei äusseren Mittelfeldspielern praktizierten unter

anderen Brasilien, Deutschland, England und die USA, wobei

im Viertelfi nale sowohl Brasilien als auch England ihr norma-

les System modifi zierten, indem sie einen zusätzlichen defensi-

ven Mittelfeldspieler aufboten.

Andere Teams spielten mit nur einem defensiv ausgerich-

teten Aufbauer vor der Abwehr. Dies traf beispielsweise auf

Argentinien und Ghana zu. Hierbei konnte man bei den Süd-

amerikanern eine „Diamantformation“ im Mittelfeld ausma-

chen, während die Afrikaner eine Dreierreihe vor dem defensi-

ven Mittelfeldspieler positionierten.

Interessant war zudem, dass mit Portugal, Frankreich und

Italien drei der vier Halbfi nalisten mit einer ähnlichen Spiel-

philosophie antraten: Vor den beiden defensiven zentralen

Mittelfeldspielern spielte eine Dreierreihe, während vorne nur

eine einzige Sturmspitze aufgeboten wurde.

Bezüglich Spielanlage gab es das ganze Spektrum verschie-

dener Spielstile zu beobachten. Aufgrund ihrer Tradition be-

vorzugten Teams wie Portugal, Argentinien oder auch Mexiko

ein schnelles Kurzpassspiel, man war aber auch in der Lage,

die Angriff e mit weiten, spielöff nenden Pässen auf die Flügel

vorzutragen, wobei dann die kopfballstarken Spieler im Zen-

trum gesucht wurden. Andere, etwa die Schweden, suchten

mit langen Bällen oft den direkten Weg in die Spitze.

Bei aller Vielfalt der Spielsysteme entschied letztlich die in-

dividuelle Klasse über Erfolg oder Misserfolg.

DAS DEFENSIVVERHALTENBei dieser WM war in erster Linie ein kompaktes, auf Torsi-

cherung bedachtes Abwehrverhalten zu erkennen. Nur selten

wurde ein Pressing im vorderen Spielfeldbereich durchgeführt.

Man wollte somit bei einem eventuellen Ballverlust mögliche

Konter des Gegners verhindern. Es war meist so, dass sich bei

gegnerischem Spielaufbau der erste Angreifer zum ballführen-

den Akteur hin orientierte und der Rest der Mannschaft einen

defensiven Block bildete. Die Abwehrreihen standen tenden-

ziell recht tief, nach der Balleroberung wurde ein möglichst

schnelles Umschalten auf Angriff angestrebt.

Der Einfl uss des zentralen defensiven Mittelfeldspielers

bei der Angriff sauslösung gewinnt immer mehr an Bedeu-

tung. Spieler wie der Italiener Andrea Pirlo oder der Ghanaer

Michael Essien sind beispielsweise keine reinen Defensivspieler

mehr, sondern in der Lage, dank ihrer guten Technik und ih-

ren kreativen Pässen das Angriff sspiel der eigenen Mannschaft

mitzugestalten. Sie bauen aber nicht nur den Angriff auf, son-

dern bestimmen auch den Spielrhythmus. Situationsbedingt

spielen sie entweder lange Bälle auf die Stürmer oder bevorzu-

gen einen gesicherten Spielaufbau mit Querpässen.

Kompaktes Abwehrverhalten: Die Italiener Gennaro Gattuso (links) und Fabio Cannavaro gegen Australiens Stürmer Mark Viduka.

Die meisten Teams – hier Deutschland – spielten mit einer Viererkette in der Abwehr.

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DAS OFFENSIVVERHALTEN

Grundsätzlich waren alle Teams bemüht, die Räume auf den

Seiten zu nützen. In der Regel waren die Aussenspieler schnell

und dribbelstark. Man wollte sich so den Angriff sraum auf den

Seiten nutzbar machen, um in den Rücken der gegnerischen

Abwehr zu gelangen und dann mit Flanken oder Zuspielen die

zentralen Angreifer in Abschlussposition zu bringen.

Bei Mannschaften, die mit zwei zentralen Mittelfeldspielern

spielten, zum Beispiel Torsten Frings und Michael Ballack bei

Deutschland, rückten die Aussenspieler (etwa Bernd Schnei-

der) als Anspielstation mehr ins Zentrum, um so die Verbin-

dung zwischen Mittelfeld und Angriff herzustellen. Bei Argen-

tinien spielte Juan Román Riquelme im zentralen off ensiven

Mittelfeld und leitete in dieser Funktion die meisten Angriff e

seines Teams ein. Dabei wurde er von Javier Mascherano, der

ihm den Rücken freihielt, wirkungsvoll unterstützt.

Positionswechsel fanden vor allem über aussen statt: Der

linke und der rechte Mittelfeldspieler tauschten die Seiten. Ex-

emplarisch dafür waren die Portugiesen mit Cristiano Ronaldo

und Luis Figo. Man wollte so Verwirrung stiften und die geg-

nerische Abwehr vor Probleme stellen.

Ein Detail am Rande: Über die rechte Seite wurden deutlich

mehr Tore vorbereitet als über links (15 Treff er von rechts, 4

von links).

DIE STANDARDSITUATIONEN

Bei Standardsituationen ist ein neuer Trend festzustellen. Vor

allem bei Freistössen von der Seite spielen Spezialisten wie Da-

vid Beckham oder Riquelme den Ball mit Eff et („Inswing“) in

den Strafraum, wo dann die geringste Berührung zu einem Tor

führen kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Mitspieler oder

ein gegnerischer Verteidiger den Ball berührt, wie am Beispiel

von Englands Führungstreff er gegen Paraguay zu sehen war.

Bei Freistössen in der zentralen Position gab es nur wenig

Torerfolge. Es wird immer schwieriger, Freistösse direkt zu

verwandeln, weil die Schützen genauestens studiert werden,

die Torhüter deswegen bestens vorbereitet sind und die Mauer

meistens sehr klug stellen.

Auff ällig bei indirekten Freistössen war der Umstand, dass

kaum Finten versucht wurden; die Spieler liefen nicht über

den Ball oder spielten ihn durch die Beine des Teamkollegen,

um einen Dritten in eine bessere Abschlussposition zu brin-

gen. Vielmehr verliess man sich auf die Schusstechnik der Spe-

zialisten. Der Ball wurde angetippt oder kurz gepasst, und der

Schütze suchte dann direkt den Weg aufs Tor.

FIFA FUSSBALL-WELTMEISTERSCHAFT DEUTSCHLAND 2006™

Tauschte oft die Position mit Cristiano Ronaldo: Portugals Kapitän Luis Figo.

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magazine

1. Reihe (v. l. n. r.): Andy Roxburgh, Holger Osieck (FIFA, TSG-Leiter), Roger Milla, Jürg Nepfer (FIFA, TSG-Koordinator). 2. Reihe: Jim Selby, Josef Venglos, Roberto T. Brantschen (FIFA, TSG-Koordinator). 3. Reihe: Kim Chon Lim, Kalusha Bwalya, Teofi lo Cubillas, Rodrigo Kenton. 4. Reihe: Francisco Maturana, Ka-Ming Kwok, Roy Hodgson, Alvin Corneal. 5. Reihe: Walter Gagg (FIFA, Direktor Stadien und Sicherheit), Gyorgy Mezey, Philipp Mahrer (FIFA, Produktion technischer Bericht).

Technische Studiengruppe FIFA WM 2006™

DAS TORWARTSPIEL

Generell waren die gezeigten Torwartleistungen hervorragend.

Die durch die Rückpassregel erforderlich gewordene Umstel-

lung bei den Torhütern hat sich sichtbar vollzogen: Viele der

Schlussmänner – Edwin van der Sar, Jens Lehmann und auch

andere – sind in der Lage, zurückgespielte Bälle sicher mit dem

Fuss anzunehmen und entsprechend präzise wieder nach vorne

zu spielen, um so das Angriff sspiel der eigenen Mannschaft

einzuleiten.

Die Tatsache, dass bei dieser WM wenig Tore fi elen, ist ne-

ben der kompakten Defensivarbeit fast aller Teams dem ver-

besserten Torhüterspiel zuzuschreiben. Gute Reaktion auf der

Linie sowie sichere Strafraumbeherrschung waren herausra-

gende Merkmale des Torhüterverhaltens.

Die Genauigkeit der Abstösse, die die Männer zwischen den

Pfosten in der Regel selbst ausführten, sowie die Zuwürfe zu

Mitspielern waren wesentliche Elemente beim Spielaufbau ei-

ner Mannschaft. Interessant auch die Abschläge aus der Hand

bei süd- und mittelamerikanischen Torhütern, die den Ball

meist „über die Hüfte“ schlagen und dadurch dem Ball eine

fl achere Flugkurve geben, so dass er schneller und präziser zum

Mitspieler gelangt.

Eine Randbemerkung zum neuen Ball „adidas+Teamgeist™“:

Zwar wurde von einigen Torhütern ein verändertes Flugverhal-

ten zur Sprache gebracht, gesicherte Erkenntnisse dazu liegen

aber (noch) nicht vor.

*Holger Osieck war Leiter der 14 Mitglieder umfassenden tech-

nischen Studiengruppe (TSG) der FIFA bei der Weltmeisterschaft

2006. Osieck war von 1987 bis 1990 Trainer der deutschen

Nationalmannschaft. 1990 gewann er in Italien als Assistent

von Teamchef Franz Beckenbauer den Weltmeistertitel.

Stark auf der Linie, stark am Ball: Edwin van der Sar, Torhüter der Niederlande. FOTOS: FOTO-NET (3), IMAGO

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