Mathias Scholz · 2015. 12. 24. · Die Helfenburg bei Auscha .....187 Felsenburg Arnstein in der...

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Mathias Scholz Burgen in Nordböhmen Geschichtliche Spurensuche im Lausitzer Gebirge, im Böhmischen Paradies und der Daubaer Schweiz…

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  • Mathias Scholz

    Burgen in Nordböhmen

    Geschichtliche Spurensuche im Lausitzer Gebirge, im Böhmischen Paradies

    und der Daubaer Schweiz…

  • Burgen in Nordböhmen – Eine historische Spurensuche

  • Mathias Scholz

    Burgen in Nordböhmen

    Eine historische Spurensuche…

  • Mathias Scholz

    [email protected]

    Impressum

    Copyright: © 2012 Mathias Scholz

    Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

    ISBN 978-3-****-***-*

    http://wincontact32naturwunder.blogspot.de

    http://wincontact32naturwunder.blogspot.de/

  • Vorwort

    Dieser kleine Band enthält in Essay-Form meine Beiträge über einige

    Burgen und Burgruinen Nordböhmens (Tschechische Republik) im

    Großraum Reichenberg (Liberec) Turnau (Turnov) und Jung-

    Bunzlau (Mlada Boleslav), die ich in den letzten Jahren für meinen

    „Naturwunder-Blog“ (*) geschrieben habe. Seit vielen Jahren ist das

    Lausitzer Grenzgebirge, das Jeschken- und Isergebirge, das „Böhmi-

    sche Paradies“, das Böhmische Mittelgebirge sowie die Böhmische

    Schweiz (neben der Oberlausitz mit dem Zittauer Gebirge) mein

    bevorzugtes Exkursions- und Wandergebiet. Dabei habe ich im Lau-

    fe der Zeit zusammen mit Günther Rausch auch fast alle der in die-

    sem Gebiet sehr zahlreichen Burgen und Burgreste besucht und foto-

    grafisch dokumentiert, was wiederum den Wunsch weckte, mehr

    über diese Bauten einer längst vergangenen Zeit zu erfahren. So ent-

    standen dann aus Nachforschungen in Bibliotheken und Museen

    nach und nach die hier zusammengeführten Essays. Sie sollen keinen

    wissenschaftlichen Anspruch erheben (ich bin kein Historiker), aber

    vielleicht die Neugier und den Wunsch wecken, die eine oder andere

    Burg oder Burgruine selbst zu besuchen. Und wenn man dann vom

    Hauch der Geschichte umweht wird, ist es vielleicht nicht uninteres-

    sant etwas über die Historie des Ortes zu erfahren…

    Mathias Scholz

    Zittau, 2012

    (*) http://wincontact32naturwunder.blogspot.de/

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  • Inhaltsverzeichnis

    Der Roll bei Niemes ...................................................................... 1

    Struhanken bei Hammer am See .............................................. 15

    Die Burg Tollenstein bei St. Georgenthal ................................. 21

    Burg Friedstein im Böhmischen Paradies ................................ 65

    Die Felsenburg "Schergenstübchen" beim Mannsberg im

    Böhmischen Paradies ................................................................. 71

    Die königliche Burg Bösig (Bezdez) .......................................... 77

    Der Bürgstein in der Schwojkaer Schweiz ............................... 95

    Die Veste Schwojka in der Schwojkaer Schweiz ................... 109

    Die Burg Hauska in der Daubauer Schweiz ........................... 117

    Die Zoll- und Geleitburg Karlsfried am Gabler Paß bei

    Lückendorf ................................................................................ 127

    Reste der Kickelsburg bei Hohlen ........................................... 137

    Burg Hammerstein bei Machendorf an der Neiße ................ 141

    Burg Roynungen im Lausitzer Gebirge .................................. 149

    Chudyhradek bei Sebitsch im Gründeltal .............................. 155

    Burg Kempnitz bei Böhmisch-Kamnitz ................................. 163

    Die Ronburg (Ronov) bei Drum in Nordböhmen .................. 169

    Der Rothenstein im Böhmischen Paradies ............................. 181

    Die Helfenburg bei Auscha ...................................................... 187

    Felsenburg Arnstein in der hinteren Sächsischen Schweiz ... 201

  • 1

    Der Roll bei Niemes

    Was hat schon seit grauen Jahren

    Unser Roll im Polzental geseh’n?

    Der Hussiten trotzig wilde Scharen

    Sah er kommen, kämpfen und – vergeh’n.

    Doch die deutschen Gau’n

    In der Polzenau’n

    Blieben fest im Wettersturm bestehen!

    Das Lied vom Roll, J.L.Haase

    Eine der eindrucksvollsten Berge um Wartenberg (Straz pod Rals-

    kem) und Niemes (Mimon) ist der 696 Meter hohe Rollberg oder

    Roll (Ralsko), ein ehemaliger tertiärer Vulkan, dessen Schlot die

    unterliegende kreidezeitliche Sandsteinplatte durchstoßen und einen

    noch heute mächtigen Kegel aus Phonolith aufgebaut hat. An seinem

    unmittelbaren Fuß finden wir den Ort Neuland am Roll (Noviny pod

    Ralskem) sowie das kleine Rabendörfel (Vranov) unterhalb der Juli-

    ushöhe. Beide eignen sich als Ausgangspunkte für eine Besteigung

    des Rollbergs.

    Was diesen Berg besonders interessant macht, sind die steinernen

    Reste einer der ältesten Burgen Böhmens, die seinen Gipfel zieren.

    Über ihr wird noch Einiges zu berichten sein.

    Für den Aufstieg bieten sich zwei Wege an. Entweder direkt vom

    Rabendörfel (Vranov) aus (der Weg beginnt am sogenannten Mol-

  • 2

    kenkrug, einem schlanken alleinstehenden Sandsteinfelsen) oder von

    Neuland (Noviny pod Ralskem) kommend von der Verbindungsstra-

    ße aus über den neu markierten Wanderweg. Er folgt in etwa dem

    klassischen Aufstieg, den einst auch die Erbauer der Burg und die

    Burgbesatzung nehmen mußten. Er beginnt recht flach, führt an ei-

    nem einzelnen Bunker der Schöberlinie vorbei um dann steil durch

    einen herrlichen Buchenwald (der stellenweise durch den Orkan

    Kyrill stark gelitten hat) stetig bergauf zu führen. Im oberen Drittel

    biegt er in einen ringförmigen Pfad um den Gipfel ein der dahinge-

    hend bemerkenswert ist, da er teilweise noch auf einem relativ brei-

    ten, mit Tephritgeröll befestigten Weg verläuft. Über ihn muß man

    einst die riesigen und schweren Sandsteinblöcke transportiert haben,

    die man heute noch als Bestandteile der Burgruine sehen kann.

    An der höchsten Stelle dieses Ringweges geht dann rechtwinklig und

    sehr steil der eigentliche Weg zum Gipfel ab. Folgt man dagegen den

    Weg geradeaus, dann geht es wieder den Berg herab und man ge-

    langt direkt ins Rabendörfel (Vranov). Dieser Weg kann natürlich

    auch alternativ als Aufstieg benutzt werden. Aber wir wollen hier

    den Aufstieg zum Gipfel wählen. Auf der linken Seite des Weges

    neigen sich eindrucksvoll die ausgedehnten Geröllfelder – auch stei-

    nerne Meere genannt – die Bergflanke herab. Sie prägen das Bild des

    Roll, wenn man ihn z.B. von Niemes (Mimon) aus betrachtet. Am

    Ende dieses steilen Aufstiegs, der uneben über Steine und Wurzeln

    alter Bäume verläuft, gelangt man an die Gipfelfelsenwand, an deren

    Durchbruch sich eine kleine, aber feine Aussichtsplattform befindet.

    Von hier aus hat man bei guter Sicht einen wunderschönen Blick auf

    die Stadt Niemes (Mimon) mit seiner Kirche St. Peter und Paul, auf

    die beiden Bösige sowie über die Wälder bei Hühnerwasser und des

    ehemaligen militärischen Sperrgebietes, welches sich noch vor weni-

    gen Jahrzehnten zwischen Oschitz und dem Kummergebirge er-

    streckte.

  • 3

    Jetzt sind es nur noch wenige Dutzend Meter, um den Gipfelpunkt

    mit der uralten gotischen Burgruine zu erreichen. Der schmale Pfad

    führt an einer Felsenenge vorbei, über der sich in schwindelnder

    Höhe die Reste des kleineren der beiden Wohntürme erheben. Es

    dauert dann nicht mehr lange, und man steht vor der erstaunlich klei-

    nen, mit behauenem Sandstein eingefaßten Eingangspforte zur Burg.

    Was nach ihrem Durchschreiten sofort auffällt, ist der bis auf die

    erste Etage eingefallene Wartturm linkerhand sowie der mächtige,

    noch relativ gut erhaltene große und mächtige Wohnturm. Zu ihm

    führt ein schmaler Pfad an der kaum noch vorhandenen Mauerkante

    der ehemaligen, die Burg umgebenden Ringmauer, hin. Dabei

    kommt man kurz hinter dem Eingang an der ehemaligen Burgzister-

    ne vorbei, die aber leider nur noch ein mit Wasserlinsen und Plaste-

    flaschen bedecktes und ansonsten verschüttetes unförmiges Wasser-

    loch darstellt.

    Der Wohnturm, das Hauptgebäude der ehemaligen Ritterburg, ist ein

    Gebäude von unerschütterlicher Festigkeit mit fast zwei Meter dik-

    ken Mauern, an deren Kanten große Sandsteinblöcke eingearbeitet

    sind. Sie fallen durch ihre feine Bearbeitung und helle Färbung auf.

    Da es auf dem Roll keinen Sandstein gibt, mußten diese z.T. mehrere

    Zentner schweren Blöcke einst von Menschen, deren Schicksal

    längst im Dunkel der Geschichte vergessen ist, mit großer Mühe auf

    den Berg gebracht worden sein.

    Auf der Westseite befindet sich das gut zwei Meter hohe und andert-

    halb Meter breite Eingangstor, welches heute eine verwitterte Holz-

    brettertür enthält. Da es keine Treppe mehr gibt, muß man etwas

    klettern, um in das Innere der Hauptburg zu gelangen. Wenn das

    geglückt ist, wundert man sich als Erstes darüber, daß die Hälfte des

    unteren Raumes durch einen schräg nach oben ragenden natürlichen

    Felsen gebildet wird, der einst bis zum ersten Stock reichte und den

  • 4

    nutzbaren Innenraum damit maßgeblich verkleinerte. Natürlich war

    zu den Zeiten, als die Burg bewohnt war, das Innere des Wohnturms

    mittels Holzkonstruktionen in mehrere, wahrscheinlich drei Etagen

    untergliedert, die mehr oder weniger wohnlich eingerichtet waren.

    Die Wohnfläche jeder Etage betrug dabei ungefähr 38 Quadratmeter.

    Hier lebten die Mitglieder der Dynastien, denen einst die Burg ge-

    hörte. Man erkennt heute noch, daß sich im ersten Stockwerk zwei

    große Bogenfenster befanden, von denen eins in Richtung Nordosten

    und das andere in Richtung Südosten zeigte, jedes 4 Meter breit und

    zwei Meter hoch, worin einige steinerne Sitzbänke angebracht wa-

    ren.

    Hier sollte man einmal kurz innehalten und sich versuchen vorzustel-

    len, welche Kraftanstrengung es bedeutete, auf dieser unebenen fel-

    sigen Bergkuppe mit seinen rechts und links steil abfallenden Flan-

    ken einen solchen mächtigen Turm zu errichten.

    Begeben wir uns nun wieder zurück in dem nicht ganz so gut erhal-

    tenen Ostteil der Burgruine. Sie wird durch einen stärker zerstörten

    kleineren Wartturm dominiert, in dem wahrscheinlich einst das Ge-

    sinde und das Wehrvolk untergebracht waren. Dazwischen kann man

    noch einen beide Türme verbindenden Gebäudekomplex erahnen,

    von dem außer einem Teil der Seitenmauern nicht viel erhalten ge-

    blieben ist. Davor, ungefähr in Höhe der Burgpforte, befand sich der

    Burg- oder Versammlungsplatz, der heute aber durch die eingestürz-

    ten und verfüllten Keller und Gewölbe sehr uneben erscheint. Von

    ihm aus sind sehr schön die Reste der 2 Meter breiten Außenmauer,

    die vielleicht einmal einen hölzernen Wehrgang getragen hat, deut-

    lich zu erkennen.

    Im Vergleich zum Oybin, dem Dewin oder dem Bösig war die Roll-

    burg nicht besonders groß. Durch ihre steile und abgelegene Lage

    stellte sie trotzdem für ihre Besitzer eine sichere Feste dar, die mit

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    den Mitteln der Kriegskunst des Mittelalters kaum einzunehmen war.

    Hier lohnt es sich, etwas über die Geschichte dieser Burg und ihrer

    Besitzer zu erzählen, die bis weit in das 13. Jahrhunderts zurück

    reicht und die eine der ersten Burgen in Böhmen war, die nach deut-

    scher Art aus Stein erbaut wurde.

    Ihr Ursprung ist zugleich auch der Ursprung des einst mächtigen

    Adelsgeschlechts der Wartenberger, welches wiederum aus dem

    Geschlecht der noch älteren Markwartinger hervorgegangen ist. Vie-

    le Mitglieder dieser Familie haben in oftmals rühmlicher, manchmal

    aber auch unrühmlicher Weise ihre Spuren in der böhmischen Ge-

    schichte und der Geschichte der Oberlausitz hinterlassen, bis sie mit

    Johann Georg Wartenberg im Jahre 1625 erloschen ist. Der Name

    Wartenberg („Wart am Berg“) bezieht sich auf eine alte Feste am

    Fuße des Rolls im Bereich der heutigen Stadt Wartenberg (Straz pod

    Ralskem) am Rande des vor über 800 Jahren noch kaum zugängli-

    chen Grenzgebirge zur Lausitz und zu Schlesien, wo der Familien-

    clan seinen Anfang nahm.

    Hermann von Ralsko wird bereits in den Jahren 1175 bis 1197 erst-

    malig urkundlich erwähnt. Aus der wahrscheinlich zuerst überwie-

    gend aus Holz erbauten Burganlage entstand zu dieser Zeit eine feste

    steinerne Burg, die noch viele Jahrhunderte im Besitz der Warten-

    berger bleiben sollte. Viele Mitglieder dieser Familie sind den Ge-

    schichtsschreibern des alten Böhmens durchaus bekannt, obwohl

    Daten aus ihrem Leben oft nur bruchstückhaft überliefert sind. Auch

    wenn sie ab und an die Burg von Vasallen verwalten ließen, haben

    sie ihrem Namen immer „von Ralsko“ nachgestellt. So ist bekannt,

    das Johann von Wartenberg, Herr auf Ralsko, im Jahre 1380 seinem

    Dienstmann Hermann (der sich übrigens dann auch „von Ralsko“

    nannte) das Dorf Medney samt umliegender Waldung unter Vorbe-

    halt auf Lebenszeit zum Lehen gab. Zehn Jahre später übten die

  • 6

    Brüder Johann, Wenzel und Peter von Ralsko, wahrscheinlich die

    Söhne des 1360 erwähnten Wanko von Wartenberg, das Patronats-

    recht über die Kirche von Niemes aus. Was aus Wenzel und Peter

    von Ralsko geworden ist, weiß man nicht. Lediglich Johann taucht

    1405 wieder als Burgherr, als „Johann Chudoba von Wartenberg auf

    Ralsko“ in Erscheinung. Es wird berichtet, daß er der Pfarrkirche zu

    Wartenberg zu Fronleichnam einen neuen Altar sowie eine beachtli-

    che jährliche Rente gestiftet hat. Außerdem muß er sich mehrmals

    mit seinem König Wenzel (des IV, 1361-1419) überworfen haben.

    Gründe waren Besitzansprüche an der Stadt Weißwasser am Bösig,

    die in den Jahren 1406 und 1418 sogar zu ernsten kriegerischen Aus-

    einandersetzungen führten.

    In jener Zeit begann immer mehr das Hussitenunwesen in den Län-

    dern der böhmischen Krone Fuß zu fassen. Die Hussitenbewegung,

    die als Reaktion auf die Verbrennung des Prager Professors, Theolo-

    gen und Reformators Jan Hus (um 1370-1415) entstanden war und

    auf die der erste Prager Fenstersturz von 1419 zurückgeht, sollte

    schnell zu einer politischen und militärischen Kraft werden, welche

    die Mitte Europas in eine fast zwei Jahrzehnte anhaltende Krise

    stürzte.

    Johann Chudoba war alles andere als ein Hussitenfreund. Im Dienste

    der Witwe Sophie des kurz nach dem Prager Fenstersturz verstorbe-

    nen Königs Wenzel ging er mit seinem Kriegsvolk gegen die Auf-

    ständischen vor und besetzte im Frühjahr 1420 die Prager Burg. Dort

    wurde er kurze Zeit später von seinen eigenen Vettern, die dem neu-

    en böhmischen König Sigismund (1368-1437) untreu geworden sind,

    samt seinen Hauptleuten gefangengesetzt. Aber bereits ein Jahr dar-

    auf, so berichten die alten Aufzeichnungen, kämpfte er wieder auf

    kaiserlicher Seite gegen die Hussiten, die zu diesem Zeitpunkt bereits

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    einen großen Teil Böhmens und Mährens unter ihren unheilvollen

    Einfluß gebracht hatten.

    Ab dem Jahre 1426 begannen hussitische Armeen auch die Oberlau-

    sitz zu bedrohen, die in mehreren Wellen das Land und die Orte des

    Sechsstädtebundes heimsuchten. Daß sie da auch der Burg auf dem

    Rollberg einen Besuch abstatteten, ist dabei nicht verwunderlich,

    denn immerhin saß da oben einer ihrer ärgsten Feinde. Dieser „Be-

    such“ geschah in den letzten Apriltagen des Jahres 1426, nachdem

    die Hussiten die Stadt Niemes (Mimon) zerstört und völlig niederge-

    brannt hatten. Nur zu ihrem Pech war die Burgbesatzung auf der Hut

    und die Bestürmung der Felsenburg ging völlig schief und viele Hus-

    siten blieben tot oder verletzt auf den umliegenden Felsen liegen.

    Johann Choduba von Ralsko hat über diese Begebenheit selbst in

    einen Brief an die Besatzung der Burg Landeskrone bei Görlitz be-

    richtet: „und auf den Abend sy sich derhuben in den Pergk Rol und

    wolden sich versucht haben vorbas zu dem Haws, hoben Schaden

    genommen also sy von der meynen sint myt Schaden abgetrieben“.

    Noch im gleichen Jahr änderten sich die Besitzverhältnisse an der

    Burg und ein anderer „Johann“ von Wartenberg, der diesmal den

    Hussiten freundlich gesinnt war und sich ihnen sogar anschloß, zog

    in die Feste ein. Da die Loyalitätsverhältnisse der Mitglieder des

    Hauses Wartenberg gegenüber ihren König Sigismund unterschied-

    lich ausgeprägt waren, kam es oft vor, daß sich die Verwandten ge-

    genseitig bekriegten. So mußte z.B. Sigmund von Wartenberg eine

    zeitlang als Gefangener seines Vetters Johann des Älteren in einem

    Turm der Rollburg ausharren.

    Dieser „Johann“ beteiligte sich der Sitte der Zeit folgend zusammen

    mit den Hussiten auch maßgeblich an der Verwüstung der Lausitz

    und vielleicht sogar an der erfolglosen Belagerung des Oybins im

    Jahre 1429. Aus dem gleichen Jahr existiert noch eine Notiz, daß er

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    zusammen mit seinem Bruder Marquard die nahegelegene Burg De-

    win seinem Verwandten Benesch von Wartenberg vermachte und

    daß er bei der Veräußerung der Burg Struhanken an die Herren von

    Waldstein im Jahre 1432 als Zeuge aufgetreten ist. Unter welchen

    Bedingungen und warum diese Burgen verkauft wurden, wissen wir

    nicht, da sich darüber die Quellen ausschweigen.

    Bekannt ist jedoch, daß um das Jahr 1434 herum die Rollburg genau-

    so wie das Schloß Wartenberg an seinem nördlichen Fuß und der

    Grafenstein bei Grottau (Hradek) den Wartenbergern verlustig ging.

    Was die Rollburg betrifft, so soll sie ein gewisser Czapek von San

    übernommen und zu einem üblen Raubnest gemacht haben. Ein Be-

    schwerdebrief der Sechsstädter Bürger an den Kaiser Sigismund vom

    28. März 1435 weist auf die nicht mehr hinnehmbaren Schäden hin,

    welche die Raubritter in der Umgebung verursachten. Allein sein

    Mitkumpane Steffan Tlach mit seinen mehreren Dutzend Reitern, die

    sich auf Burg Grafenstein eingenistet hatten, war ein von Zittau bis

    Görlitz weithin gefürchteter Raubritter, von denen es in dem Brief

    heißt, daß seine Leute „reyten, börnen, heeren, morden, fohen die

    lute und legen H. Reichs Strasse gar darnieder“.

    Bereits 1433 begannen eine Reihe von Feindseligkeiten gegen den

    Sechsstädtebund, an denen viele Mitglieder der Familie Wartenberg,

    insbesondere aber Sigismund I von Wartenberg und seine Söhne,

    direkt beteiligt waren und die sich fast ein Jahrzehnt hinzogen.

    Grund war die Hinrichtung eines von Wartenberg auf Ralsko in

    Zittau am 21. Dezember 1433. Dieser war vom damaligen Lausitzer

    Landvogt Thimo von Kolditz festgesetzt worden, nachdem bei einer

    vereinbarten Übernahme der Burg Grafenstein durch die Zittauer 8

    von ihnen erschlagen und 26 gefangengenommen worden sind,

    obwohl Zittau den Kaufpreis von 400 Schock Prager Groschen ver-

    einbarungsgemäß bezahlt hatte. So gesehen war der Landvogt durch-

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    aus im Recht. Der kurze Prozeß gegen einen Wartenberger sollte

    aber für Zittau und für die anderen oberlausitzer Städte noch ein

    furchtbares Nachspiel haben, welches als „Wartenberger Fehde“ in

    die Geschichte eingegangen ist. Johann der Ältere von Wartenberg

    auf Ralsko und mit ihm seine ganze Sippe schworen nämlich blutige

    Rache für seinen Sohn, der in Zittau nach einem kurzen Prozeß nach

    einigen Quellen enthauptet und nach anderen zu Tode geschliffen

    und gevierteilt wurde und setzte sie auch in die Tat um. Besonders

    tragisch für Zittau war, daß im Jahre 1436 die Grenzfeste Karlsfried

    am Gabler Paß durch kaiserliche Schenkung an die Herren von Rals-

    ko kam, die sie dann zu permanenten Raubzügen zu den Dörfern und

    Städten am Fuße des Gebirges nutzten. Außerdem kam auf diese

    Weise der Handel über die wichtige Gabler Paßstraße nach Böhmen

    fast völlig zum Erliegen, was besonders den Zittauern großen finan-

    ziellen Schaden zufügte. Aber auch vom Tollenstein und vom Dewin

    machten sich immer wieder bewaffnete Reiterscharen auf, um das

    Gebiet der Oberlausitz zu überfallen und zu berauben. Man sagt so-

    gar, daß diese zehnjährige Fehde dem Sechsstädtebund mehr Scha-

    den zufügte als alle Hussiteneinfälle zusammen. Der am 25. Juli

    1440 unterzeichnete Landfriedensvertrag sollte eigentlich dem Rau-

    ben und Brandschatzen ein Ende setzen. Aber trotz dieser Vereinba-

    rung setzen die Wartenberger ihre Fehde fort, so daß sich im darauf-

    folgenden Jahr die Oberlausitzer zusammen mit ihren Meissner Ver-

    bündeten auf den Weg nach Böhmen machten, um die Burgen der

    Wartenberger ein für alle Mal zu schleifen und um sie so zum Frie-

    den zu zwingen. Im Ergebnis dieses Waffengangs mußten die War-

    tenberger schließlich die Grenzfeste Karlsfried und die Burg Winter-

    stein im Elbsandsteingebirge förmlich verkaufen. Karlsfried wurde

    im Folgejahr 1442 von Zittauer Bauleuten unbewohnbar gemacht

    und auch dem Winterstein (dessen Name „Hinteres Raubschloß“

    noch an jene Tage erinnert) ereilte das gleiche Schicksal.

  • 10

    1444 flammten die Feindseligkeiten zwischen dem Sechsstädtebund

    und Johann von Ralsko, der jetzt in Tetschen residierte, wieder auf.

    Dabei wurde die Burg auf dem Dewin einer langen, aber weitgehend

    erfolglosen Belagerung unterzogen und das oberlausitzer Heer mußte

    unverrichteter Dinge wieder abziehen. An der als uneinnehmbar

    geltenden Rollburg scheinen sie dagegen eine Belagerung gar nicht

    erst versucht zu haben.

    In der Folgezeit wechselte die Burg mehrfach ihre Besitzer, was

    nicht ohne Streitereien abgegangen ist. Auf jeden Fall weiß man, daß

    Johann von Wartenberg am 31. August 1457 die Burg zurück bekam.

    Johann von Wartenberg wurde ein begeisterter Anhänger des böhmi-

    schen Königs Georg von Podiebrad (1420-1471), dessen Mutter An-

    na selbst eine geborene Wartenberg war. Da er an der Königswahl

    zugunsten Georgs 1458 direkt mitwirkte, erhielt er 1460 das erbliche

    Amt des Mundschenks des Königs. Außerdem wurde er zum Land-

    vogt der Lausitz ernannt. 1664 verstarb er betagt in Bautzen und

    wurde mit großen Ehren in der Kirche des Barfüßerordens begraben.

    Nach seinem Tod erbte einer seiner Söhne, Christoph von Warten-

    berg neben dem Tollenstein, dem Habichtsstein und der Feste Dewin

    auch die Rollburg. Sein Bruder Sigismund dagegen weilte in Prag

    und übte dort das für die Versorgung des königlichen Hofs wichtige

    Amt des Mundschenks aus (oder besser, ließ es ausüben, denn der

    „Mundschenk“ war genaugenommen wie der Marschall oder

    Truchsess ein erbliches Ehrenamt am königlichen Hof).

    Als es im Jahre 1467 wieder zu Feindseligkeiten zwischen den War-

    tenbergern und dem Sechsstädtebund kam, begann auch der Anfang

    vom Ende der stolzen Burg auf dem Roll. Von diesem „Ende“ geben

    im Wesentlichen zwei Quellen Auskunft. Einmal findet diese Bege-

    benheit in einem Nebensatz in Carpzovs Chronik Erwähnung. Etwas

  • 11

    ausführlicher beschreibt sie Peter Eschenloher in seiner Geschichte

    der Stadt Breslau, weshalb seine Textstelle hier zitiert werden soll:

    „1468 umb Martini erstiegen 12 Trabanten aus der Stadt Zittaw das

    hohe feste Schloß Rol genannt, Meilen von der Zittau, bei Niemes,

    und schlugen dabei zu Tode den Herrn mit allem seinem Gesinde

    und funden dabei viel Güter, die die umbliegenden Ketzer umbs

    Frieden willen geführet hatten. Es war eine ungeheuer ritterliche

    That. Die Zittawer besetzten das Schloß wohl.“

    Dieses als „ungeheuerliche ritterliche Tat“ eingeschätzte Unterneh-

    men, an dem auch der Landvogt der Oberlausitz, Jaroslaw von

    Sternberg, beteiligt gewesen sein soll, muß zu seiner Zeit viel Aufse-

    hen in der nahen und ferneren Umgebung hervorgerufen haben, denn

    noch viele Jahrhunderte danach erzählte man sich von Mund zu

    Mund eine Sage darüber. Danach sollen die Zittauer am 10. Novem-

    ber 1468 den Roll bestiegen und sich über eine List Einlaß in das

    „feste Schloß“ verschafft haben. Die Sage erzählt, daß sie, nachdem

    sie den Viehhirten erschlagen hatten, in der Abenddämmerung zu-

    sammen mit dem Vieh in den Burghof gelangten. „Der Thorwächter

    öffnete bei dem ihm wohlbekannten Klange der Herdenglocken,

    nichts ahnend, das Einlaßpförtchen. Er wurde ebenso wie die in

    Schrecken versetzte Besatzung übermannt. „

    Der Feuerschein der brennenden Burg verkündete die Verwüstung

    der zu einem Raubnest verkommenden Stammburg der mächtigen

    Wartenberger. Von diesem Schlag hat sich die Rollburg nie wieder

    erholt. Sie wurde zwar kurz danach wieder in einen bewohnbaren

    Zustand versetzt. Die Wartenberger suchten sich aber eine bequeme-

    re Bleibe und nur eine Burgbesatzung verblieb auf dem nur schwer

    zugänglichen Felsen. Die Beziehungen zu den Sechsstädten scheinen

    sich auch dramatisch verbessert zu haben, denn der Magistrat von

  • 12

    Zittau verfügte 1479, daß ein „halbes Fuder Bier“ der Burgbesatzung

    zum Geschenk gemacht werden soll.

    Die restliche Geschichte der Burg ist eine Geschichte des Abstiegs

    und des Zerfalls. Am 10. Dezember 1481 wurde sie von Christoph

    von Wartenberg samt Meierhof und einem öden Dorf an seinem Fu-

    ße an Hans Zedlitz von Zedlitz verkauft, der aber damit auch nicht

    viel anfangen konnte. So wurde sie wieder zeitweise ein Ausgangs-

    punkt von Räuberbanden, welche die Umgebung heimsuchten. Spä-

    ter wechselte die Burg noch öfters ihren Besitzer. Sie kam abwech-

    selnd an die Herren von Waldstein, von Bieberstein und an andere,

    heute weitgehend unbekannte Herrschaften, was sich aber nicht zu

    ihrem Vorteil entwickelte. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war sie

    dann endgültig eine verlassene Ruine und völlig unbewohnbar ge-

    worden.

    Das edle Geschlecht der Wartenberger verabschiedete sich aus der

    Geschichte Böhmens an dem Tag, als im Jahre 1625 Heinrich Otto

    von Wartenberg zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern auf

    dem Schloß Rothenhof von rebellischen Bauern grausam erschlagen

    wurde.

    Denken sie an die wechselvolle Geschichte der Feste Roll, wenn Sie

    vom Schauenstein aus ihren Blick über die Landschaft schweifen

    lassen, so wie es einst auch Herrmann von Ralsko tat.

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    Struhanken bei Hammer am See

    In der unmittelbaren Nähe der Sommerfrische Bad Hammer am See

    (Hamr na Jezeře) gibt es neben der Burg Dewin noch eine weitere

    kleine Burg auf einen nicht allzu großen einzelnstehenden Sandstein-

    felsen, den Struhanken (Stohánek). Um dahin zu gelangen, muß man

    von Wartenberg (Stráž pod Ralskem) kommend kurz vor Hammer

    rechts einbiegen und solange die Ortsumgehungsstraße (die hinter

    dem Dewin übrigens in einer Sackgasse endet) folgen, bis an einer

    im Wald gelegenen Datschensiedlung ein schlecht asphaltierter Weg

    rechts abgeht. Diesen Weg kann man zu Fuß folgen, wobei man an

    einem sehr schönen langgestreckten Teich, an dem es im Sommer

    von Libellen und Wasserjungfern nur so wimmelt, vorbeikommt. Er

    nennt sich „Schwarzer Teich“.

    Er ist auch dahingehend interessant, da er an einem Ende eine ausge-

    dehnte moorige Verlandungszone besitzt, in der man Massenbestän-

    de von Wollgras und des sonst seltenen rundblättrigen Sonnentaus

    (Drosera rotundifolia), einer fleischfressenden Pflanze, beobachten

    kann.

    Am Ende des Weges gelangen wir an einen kleinen Platz, wo die von

    Niemes (Mimon) kommende Waldstraße mit unserem Weg zusam-

    men trifft. Am Rande des Platzes steht ein auffälliges Denkmal für

    den tschechischen General Antonin Sochor, der 1950 bei einem Ver-

    kehrsunfall unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist.

    Blickt man von dieser Stelle aus in Richtung Niemes (Mimon), dann

    erkennt man einen nicht sehr auffälligen Sandsteinmonolithen hinter

    den Bäumen herausragen, der auf dem Gipfel bewaldet ist. Diesen

    wollen wir jetzt besuchen. Der „Einstieg“ befindet sich etwas unter-

    halb der Straße und führt über einen Trampelpfad zum Fuß des Fel-

    sens. Wenn man möchte, kann man den Sandsteinblock auch einmal

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    ganz umrunden um zu sehen, daß es wirklich nur eine Aufstiegsmög-

    lichkeit gibt. Der Aufstieg besteht aus einer in eine Längsspalte des

    Felsens gehauene Treppe, die teilweise noch die Reste eines Gelän-

    ders aufweist. Die insgesamt 14 Nischen auf der rechten Seite ent-

    hielten einmal Heiligenbilder, als der Aufstieg noch als Kreuzweg

    genutzt wurde.

    Von der Felsenburg selbst ist nur noch ein rechteckig ausgehauener

    Raum erhalten geblieben. Alle Holzbauten der Burganlage sind na-

    türlich längst vergangen. Man kann sich deshalb nur sehr schwer

    vorstellen, wie sie einst ausgesehen haben mag. Man findet im Fels

    nur noch allenthalben Vertiefungen, welche ursprünglich die Balken

    aufgenommen und stabilisiert haben.

    Die Geschichte dieser kleinen Felsenburg muß man im Zusammen-

    hang mit der nicht weit entfernten Burg Dewin sehen. Sie wurde im

    Jahre 1427 von Benedict von Wartenberg angelegt und kurze Zeit

    später (1432) bereits wieder an Zbiněk von Waldstein verkauft. Ihre

    Funktion kann höchstens in einer Vorburg der bedeutend mächtige-

    ren Burg Dewin bestanden haben. Aber auch der Herr von Waldstein

    konnte sich nicht lange daran erfreuen. Aufzeichnungen berichten,

    daß sie 1441 durch Truppen des Sechsstädtebundes erobert und rest-

    los zerstört worden ist. Einige Jahrhunderte später (genauer von

    1740-1783) diente die geräumige Gipfelhöhle sowie eine davor be-

    findliche Kapelle (von der einige Wandnischen erhalten geblieben

    sind) noch eine Zeitlang als Behausung eines Eremiten, der wahr-

    scheinlich auch die Nischen der Heiligenbilder für den Kreuzgang

    angelegt hat.

    Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann man unter der Agide von

    Bergvereinen den Felsen touristisch zu erschließen. Dazu wurde der

    total verschlissene alte Zugang mit einer neuen Treppe und mit ei-

    nem eisernen Geländer ausgestattet. Im oberen Rondell vor der

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    Wohnhöhle haben sich die einheimischen Leute oft bei einem Lager-

    feuer getroffen und dabei das eine oder andere Bier getrunken. Heute

    dürfte das nicht viel anders sein, wie die permanent vorhandene Feu-

    erstelle beweist.

    Der knapp 40 Meter hohe Sandsteinfelsen steht seit 1995 unter

    Schutz. Auf ihm stockt ein lichter Kiefern-Eichen-Mischwald mit

    einer interessanten Bodenflora, von der z.B. der Alpenklee (Trifoli-

    um alpestre) und der Edel- Gamander (Teucrium chamaedrys) be-

    sonders zu erwähnen sind.

    Von seinem Gipfel hat man einen schönen Blick auf die gegenüber-

    liegende, ca. 250 Meter breite und 30 Meter hohe senkrechte „Lange

    Wand“ (Dlouhý kámen).

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    Die Burg Tollenstein bei St. Georgenthal

    Im Grenzgebirge zwischen der südlichen Oberlausitz und Böhmen

    gibt es eine ganze Anzahl von Burgen, die ihre größte Blütezeit im

    14. und 15. Jahrhundert erlebt haben. Von ihnen sind über die Jahr-

    hunderte hinweg meist nur noch spärliche Reste übriggeblieben

    (Karlsfried, Falkenstein, Schönbüchel, Roimund), aber von einigen

    haben sich doch noch größere Mauerreste erhalten (z.B. Oybin, Tol-

    lenstein, Dewin, Roll) die neugierig machen, mehr über sie zu erfah-

    ren. Neben dem Oybin (den neben einer Burg die beachtlichen Reste

    einer gotischen Klosteranlage ziert) ist der Tollenstein unweit von St.

    Georgenthal (Jiretin) ein gern aufgesuchtes Ziel für Wanderer und

    Mountain-Biker. Über diese ehemals sehr bedeutende Burganlage,

    die sich hoch über die alte Paßstraße nach Prag erhebt (Schöber),

    möchte ich nun etwas erzählen.

    Erst einmal darf man bei ihrem Besuch nicht allzuviel erwarten, denn

    es sind genaugenommen nur noch einige wenige, in ihrer Summe

    recht unbedeutende Mauerreste erhalten geblieben. Trotzdem lassen

    sie ein wenig erahnen, daß der Tollenstein in seiner Blütezeit einmal

    eine bedeutende und wehrhafte Anlage gewesen sein muß. Der

    Grundriß der Burg ist vom höchsten Punkt des Basaltfelsens, um den

    herum sie einst erbaut worden ist, noch recht gut zu erkennen. Da

    dieser „höchste Punkt“ (der über Treppen erreichbar ist) eine wun-

    derbare Aussicht auf die Umgebung liefert, hat man ihn seit ein paar

    Jahren nur noch zahlendem Publikum zugänglich gemacht. Die

    „Aufstiegskarte“ kann man für ein paar Kronen in der Bergbaude im

    Zentrum der Burganlage erwerben. Für die Burgreste selbst wagt

    man es offensichtlich nicht, Eintritt zu verlangen, da dadurch u.U.

    der Umsatz an böhmischen Knödeln und böhmischen Bier leiden

    könnte…

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    An diesen Ausführungen erkennt man schon ein wichtiges Alleinstel-

    lungsmerkmal des Tollensteins: Die Burg zierte nicht den Gipfel des

    steilen Phonolithfelsens (ein herausgewitterter Vulkanschlot aus der

    Zeit des Tertiärs), sondern wurde wie ein Kranz um diesen Gipfel

    herum errichtet. Man kann sich vorstellen, daß der Gipfelfelsen viel-

    leicht einmal einen kleinen hölzernen Wachturm beherbergt hat –

    beweisen läßt sich das jedoch nicht mehr.

    Am Fuße der Burganlage befindet sich auf der Seite in Richtung des

    Tannenberges das kleine Dorf Nieder- und Ober-Tollendorf (Rozh-

    led) und tief unten, an der Schöber-Paßstraße, Innozenzidorf (Lesne).

    Im Volksmund wurde es auch kurz „Buschdörfel“ genannt, weil sich

    dort am Goldflössel früher die „Buschmühle“ befand.

    Der Tollenstein (670 m) hängt in westlicher Richtung mit dem nahen

    Tannenberg (Jedlova, früher auch Dammberg genannnt, 774 m) zu-

    sammen, so daß er als Ausläufer desselben erscheint. Gegen Süden

    und Osten fällt der Abhang steil in Richtung der alten Prager Straße

    herab, zu deren Schutz und Überwachung die Burg einst errichtet

    wurde. In südlicher Richtung gelangt man zu dem malerisch gelege-

    nen, einsamen Waldbahnhof Tannenberg, der im Sommer sogar be-

    wirtschaftet wird. Zu erwähnen ist auch noch der unweit gelegene

    sogenannte Meisengrund zwischen Tollenstein und den Hirsch-

    Steinen, wo ehemals Bergbauversuche unternommen worden sind

    (der berühmte Historiker und Jesuit Bohuslav Balbin berichtet in

    seinen 1679 erschienen „Miscellen“ zur Böhmischen Geschichte, daß

    hier „Goldkörner“ gefunden worden seien).

    Doch begeben wir uns erst einmal in die Burg. Das Tor (genauge-

    nommen waren es ein äußeres und ein inneres Tor, die durch ein

    Gewölbe miteinander verbunden waren, über welchen sich wiederum

    ein Gebäude mit mehreren Stockwerken erhoben hat) ist nicht mehr

    vorhanden. Man erkennt aber, wenn man auf der linken Seite in die

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    Höhe schaut, die mächtigen Mauern des ehemaligen Zwingers, zu

    dem auch ein mächtiger viereckiger Turm gehörte. Von ihm ist aber

    nur noch die innere Wand mit dem seiner Sandsteinfassung beraub-

    ten Eingang erhalten geblieben. Die Reste der äußeren Wand zeigen

    noch die Lage der Schießscharten an, wo zur Zeit des Dreißigjähri-

    gen Krieges die Kanonen aufgestellt waren. Auch vom ehemaligen

    Brunnen, der sich hier befand, ist nicht mehr viel zu sehen. Die star-

    ke Ringmauer, der wir jetzt folgen, war einmal mit Brustwehren

    versehen. Löcher, in denen deren Balken ruhten, sind z.T. noch aus-

    zumachen.

    An diese Mauern reihen sich die übrigen Ruinen, die sich am besten

    vom Gipfelaussichtspunkt überblicken lassen. Während die Außen-

    mauern teilweise noch recht gut beschaffen sind, hat sich von den

    inneren Gebäuden so gut wie nichts erhalten, da man sie in Verken-

    nung einer zukünftigen touristischen Bedeutung als billiges und

    leicht beschaffbares Baumaterial für die Häuser der Umgebung abge-

    tragen hat. So findet man z.B. beim Abstieg ins Innozenzidörfel zwei

    in Sandstein gehauene Löwen (?)-Köpfe, die neben die Türe eines

    Kellerraums eingemauert sind.

    Also gehen wir entlang der Außenmauer weiter in die Burg hinein.

    Als nächstes gelangen wir zu einer hohen sechseckigen Bastion, in

    dessen oberen Geschoß sich der Rittersaal befunden haben soll. Die-

    ser Rittersaal hatte nach außen drei Fensterbögen, in deren mittleren

    Bereich noch die aus Sandstein herausgearbeiteten Fensterstöcke zu

    erkennen sind. Darüber befindet sich – so gut wie nicht mehr zu er-

    kennen – ein Wappen. Es zeigt drei sechsblättrige Rosen, was es als

    Familienwappen der Herren von Schleinitz identifizieren läßt. Es

    wird berichtet, daß man noch vor 200 Jahren auf den mit Kalk ver-

    putzten Wänden des Rittersaals Reste von Freskomalereien erkennen

    konnte, von denen heute freilich nichts mehr vorhanden ist.

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    Ein kleines Stück weiter gelangt man zu einer weiteren Bastion, des-

    sen oberes Stockwerk die von Mathias Berka auf Dauba (um 1116)

    gegründete Burgkapelle beherbergt haben soll und von der lediglich

    noch ein hohes Bogenfenster erhalten geblieben ist. Auch gab es hier

    ehemals eine kleine Pforte, über die man auf steilem Wege die Burg

    in Richtung St. Georgenthal verlassen konnte.

    Es folgt nun der auch heute noch stattliche, nach Norden gerichtete

    Hauptturm der Burg, dessen Umfassungsmauern noch weitgehend

    erhalten geblieben sind. Er muß einmal mindestens drei Stockwerke

    enthalten haben, wie man von Innen noch recht gut erkennen kann.

    Die Mauer, die sich dem Turm in westlicher Richtung anschließt,

    geht langsam in den natürlichen Felsen über, der an ihrer Stelle den

    Schutz der Burganlage übernommen hat.

    Auch wenn man es sich gar nicht mehr so richtig vorstellen kann, die

    Burg Tollenstein war im 14. Jahrhundert eine der größten und wehr-

    haftesten Grenzburgen Böhmens. Schon deshalb lohnt es sich, etwas

    über die bewegte Geschichte dieser heute in Trümmern liegenden

    Veste zu berichten. Leider ist es so, daß sich die überlieferte „Ge-

    schichte“ gewöhnlich nur auf eine Zusammenreihung von Herr-

    schernamen und Jahreszahlen reduziert, aber nur wenig über die

    Lebensverhältnisse der Menschen jener Zeit, auch der Menschen, die

    die Burg Tollenstein erbaut, bewohnt und verteidigt haben, preisgibt.

    Schriftlich dokumentiert wurden im Mittelalter meist nur außerge-

    wöhnliche Ereignisse, wie es z.B. in unserem Fall die Wartenberger

    Fehde oder die Hussittenkriege waren. Dazu kommt noch, daß viele

    Aufzeichnungen die Wirren der Jahrhunderte nicht überstanden ha-

    ben und verloren gegangen sind. So ist es nicht verwunderlich, daß

    auch vieles über die Burg Tollenstein im Dunkeln liegt und dort auch

    trotz intensiver Forschung bleiben wird. Das beginnt schon mit dem

    Namen. Allgemein wird angenommen, daß sich der Name aus dem

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    Namen „Dohlenstein“ entwickelt hat – nach dem Namen des Raben-

    vogels, der bekanntlich gerne Felsen und Türme bewohnt. Aber das

    ist nur eine, wenn auch nicht unwahrscheinliche Erklärung, denkt

    man an andere Burgen, die ebenfalls Vogelnamen in ihren Namen

    tragen: die Falkenburg bei Lückendorf, der Sperlingsstein südlich

    von Tetschen an der Elbe usw.

    Eine andere Deutung des Namens geht sehr weit in die Geschichte

    zurück, in die Zeit Karls des Großen. Wie wir aus der ostfränkischen

    Völkertafel wissen (Geographus Bavarus), waren zu jener Zeit die

    slawischen Daleminzier die östlichen Nachbarn der Sorbenslawen

    und es gibt Hinweise dafür, daß sie von der Elbe kommend bis in das

    Lausitzer Grenzgebirge gesiedelt haben könnten (um 900). In ihrer

    Sprache gibt es das Wort „Talam“ für „Gegend“ (es gibt auch ein

    böhmisches Geschlecht der „Talmbergs“), aus dem sich über „Da-

    lenstein“ und „Tolenstein“ letztendlich der Name „Tollenstein“ ent-

    wickelt haben soll. Aber wie gesagt, welche Deutung zutreffend ist,

    wird sich nicht mehr klären lassen.

    Im 10. Jahrhundert gehörte das nördliche Böhmen zusammen mit

    den nördlich davon gelegenen Sorbengebieten zu dem sagenhaften

    Gau Zagost. In jener Zeit standen in Böhmen zwei mächtige Herr-

    schergeschlechter im Kampf gegeneinander, die Premysliden und die

    Wrschowetze. Letztere verleibten sich Teile des Gau’s Zagost in ihr

    Herrschaftsgebiet ein und begannen die damals noch mit dichtem

    Urwald bewachsenen bergigen Gegenden mit aus anderen Landestei-

    len stammenden Menschen zu besiedeln. Zum Schutze dieser An-

    siedler wurden einzelne Befestigungen eingerichtet, von denen der

    Sage nach sich einer auf dem Tollenstein befunden haben soll. Wenn

    ja, dann war es sicher nur eine kleine, völlig aus Holz gebaute Anla-

    ge. Aber auf diese Weise war erst einmal eine Landmarke gesetzt,

    die in der Folgezeit schnell an Bedeutung gewinnen sollte.

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    Als sich die Wrschowetze mit den böhmischen Herzog Jaromir von

    Böhmen anlegten und dabei den kürzeren zogen, wurden sie von ihm

    gezwungen, den großen Landstrich zwischen Elbe, Jungbunzlau und

    dem Lausitzer Grenzgebirge dem Wladiken Berkowecz aus dem

    Stamme der Hronowicen zu übergeben, was im Jahre 1004 geschah.

    Berkowecz hatte sich sowohl bei dem deutschen Kaiser Heinrich II

    (973-1024) als auch bei Herzog Jaromir (gestorben 1035) große Ver-

    dienste erworben, weshalb er von Heinrich II in den Freiherrenstand

    erhoben wurde. Deshalb änderte er seinen Namen in Berka (d.h.

    „Birken“) und seine Nachfahren ab 1140 nach ihren Stammsitz Dub

    in „Berka auf Duba“) und begründete damit ein lokales Herrscherge-

    schlecht, welches die Geschichte zwischen dem 11. und 15. Jahrhun-

    dert von Nordböhmen und der Oberlausitz ganz wesentlich beein-

    flussen sollte. Sein Wappen zeigt zwei gekreuzte Eichenäste, die sich

    auch auf Burg Tollenstein wiedergefunden haben. Wie es dazu kam,

    erzählt eine alte Sage. Danach geriet ein Jägermeister eines Nach-

    kommen des Herzogs Jaromir im Jahre 1085 in die Hände der Man-

    nen der Wrschowetze, die ihn nackt an eine Eiche banden, um ihn

    mit Pfeilen zu erschießen. Als letzten Wunsch bat er sich aus, noch

    einmal auf seinem Horn blasen zu dürfen, was ihm auch gewährt

    wurde. Das Horn wurde von seiner Jagdgesellschaft erhört, die ihm

    sofort zu Hilfe eilte und auch noch rechtzeitig eintraf. Als Dankbar-

    keit für die Rettung seines Jägermeisters überhäufte der Herzog des-

    sen Diener mit Geschenken und verlieh ihnen den Ehrennahmen

    „Duba“, was soviel wie „Eiche“ bedeutet. Diesen Namen nahm spä-

    ter Friedrich Berka an, als er 1140 das Schloß Dub erbauen ließ.

    Doch zurück zum Tollenstein. Aus zweiter Hand hat sich überliefert,

    daß der Grundstein für die steinerne Burg im Jahre 1116 von einem

    gewissen Mathias Berka gelegt worden sei. Diese Annahme gründet

    sich auf einem nicht mehr vorhandenen Sandsteinblock, auf dem das

    Jahr 1116 sowie das Wappen der Berkas zu sehen war. Man muß das

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    einmal so stehen lassen, denn ansonsten ist von diesem Mathias Ber-

    ka nichts bekannt, außer daß er in jener Zeit gelebt haben soll.

    In der Folgezeit hat man die Burg sicher weiter ausgebaut, je mehr

    das unwirtliche Grenzgebirge urbar gemacht wurde. Einer ihrer fol-

    genden Besitzer war der königlich böhmische Oberlandesjägermei-

    ster Qual von Berka auf Leipa, dessen Untergebenen bekanntlich

    während der Verfolgung eines Bären um das Jahr 1250 den Oybin

    entdeckten, wie uns der Zittauer Geschichtsschreiber Johann von

    Guben überliefert hat.

    In der Zittauer Chronik taucht ein Heinrich Berka auf Leipa wieder

    im Jahre 1303 als Grundeigentümer der Stadt und des umgebenden

    Landes auf. In dieser Eigenschaft ließ er zu Pfingsten des Jahres

    1303 auf der „Viehweide“ vor Zittau zu Ehren des böhmischen Kö-

    nigs Wenzel II (1271-1305) ein pompöses Ritterturnier ausrichten.

    Zur illustren Schar, die diesem Ereignis beiwohnten, gehörten neben

    dem König allein sechs Fürsten und rund 500 Ritter. Dieses Ereignis

    war sicherlich auch eine große Ehre für Sittaw (Zittau), welches erst

    ein knappes halbes Jahrhundert davor ihr Stadtrecht erhalten hatte.

    Leider wurde das Ereignis durch eine Art Kriminalgeschichte über-

    schattet. Die Ritter Peter von Naptitz und Albrecht von Lomnitz, die

    zu jener Zeit Zittau pfandweise von den Berkas erhalten hatten, nutz-

    ten das Turnier um sich möglichst unauffällig an einem gewissen

    Grafen von Barby zu rächen – warum, weiß man nicht. Wie erwartet,

    erschien Barby in Begleitung seines Verwandten, dem Markgrafen

    Hermann von Brandenburg (1275-1308), in Zittau, um an dem kö-

    niglichen Turnier teilzunehmen. Als es ans „Lanzenstechen“ ging,

    hat nun Peter von Naptitz den Grafen von Barby mit geheuchelter

    Freundlichkeit eingeladen, eine Lanze mit ihm zu brechen. Und so

    kam es zu dem Zweikampf, nur daß Peter von Naptitz sich eine

    scharfe Lanze reichen ließ. Und so kam es, wie es kommen mußte.

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    Die Lanze durchbohrte den Grafen, der tot vom Roß sank. Dieser

    hinterhältige Mord erregte das ganze Turnier, welches sofort abge-

    brochen wurde. In der allgemeinen Verwirrung konnten die beiden

    Mörder entfliehen und es kam das Gerücht auf, daß ihr Lehnsherr,

    Heinrich Berka, ihr Auftragsgeber gewesen ist. Das führte zu einen

    tiefen Zerwürfnis mit dem anwesenden böhmischen König, in deren

    Ergebnis Heinrich neben Zittau auch die Burg Tollenstein verlor, die

    nun an die Familie von Wartenberg überging. Zwar erhielten die

    Berkas nach einiger Zeit die Zittauer Güter zurück und bekamen

    außerdem Ausgleich für Tollenstein durch Landbesitz in Mähren.

    Aber bereits kurze Zeit später, unter dem König Johann von Luxem-

    burg (1296-1346), verloren die Berken auf Leipa ihre Besitzungen in

    der Oberlausitz endgültig. Dafür gelangten die Wartenberger, deren

    Stammburg auf dem Berg Roll bei Niemes stand, immer mehr an

    politischer Bedeutung. Und hier beginnt die einigermaßen sicher

    überlieferte Geschichte der Veste Tollenstein.

    1310 wurde der mächtige königliche Statthalter von Mähren, Johann

    von Wartenberg, Abkömmling des Adelsgeschlechts der Mark-

    wartinger, nomineller Besitzer des Tollensteins. Seine Hauptburgen

    standen auf dem Roll sowie in dem Ort Wartenberg (Straz pod Rals-

    kem) am Fuße des Rollberges.

    Außerdem nannte er und seine Nachkommen noch eine Vielzahl

    weiterer Burgen ihr Eigen, wie z.B. den Dewin, Trosky sowie den

    Schreckenstein bei Aussig. 1305 erhielt er zusammen mit seinen

    Brüdern Tetschen, wo die Familie schließlich bis 1511 ihren Sitz

    nahm. Die Wartenberger waren in der böhmischen Geschichte immer

    mit dem königlichen bzw. kaiserlichen Hof in Prag verbunden, wo

    sie das erbliche Amt des Obermundschenks bekleideten.

    Als König Johann von Luxemburg (später der „Blinde“ genannt) in

    den Jahren 1336 und 1337 auf der Seite des Deutschen Ordens gegen

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    die Litauer kämpfte, tat sich besonders der böhmische Ritter Bohus-

    law von Wartenberg hervor. Während dieser Zeit hatte er einen gro-

    ßen Teil seiner böhmischen Burgen an Mitglieder des niedrigeren

    Adels verpfändet, so ab 1320 auch den Tollenstein. Dort residierte

    nun ein Ritter aus Thüringen, der sich selbst dann den Namen „Kurt

    von Tannenwald“ gab. Manche ältere Historiker meinen sogar, daß

    dieser Ritter Tannenwald in den Jahren 1316 bis 1319 nachweißlich

    Burghauptmann auf dem Oybin war und dann bei dem Wartenberger

    in Dienste getreten ist. Er übte das damals in Adelskreisen nicht ge-

    rade unehrenhafte Gewerbe eines Raubritters aus. Die Gegend war

    dafür nicht gerade ungeeignet. Im flachen Norden etablierten sich die

    ersten reichen Städte wie Budessin (Bautzen), Görlitz oder Zittau mit

    ihren Weichbildern als lohnende Raubziele. Direkt unterhalb der

    Burg zog sich die steile Bergstraße über den Schöberpaß in Richtung

    Prag hin – die alte Prager Straße. Und in den benachbarten Burgen

    Schönbüchel und zeitweise auf dem Oybin sowie auf der Burg

    Rohnau fand er nicht nur Mitstreiter im Geiste. Dadurch, daß der

    König oft auf Kriegszügen außerhalb seines Reiches weilte, liefen

    die Beschwerden der ausgeraubten Kaufleute und sogar der Städte

    weitgehend ins Leere. Zwar versuchten sich die Städte zu wehren,

    aber ihre Erfolge hielten sich in Grenzen oder wurden als persönliche

    Angriffe auf die Raubritter selbst angesehen, die sich, da von Adel,

    immer im Recht sahen. Insbesondere die Zittauer legten sich auf

    diese Weise mit den Tannwälder auf Tollenstein an, der nun deren

    Warenlieferungen nach Prag abfing und Gefangene machte, welche

    die Städte teuer auslösen mußten. Irgendwann platze dann dem

    Pfandherrn von Zittau, Herzog Heinrich von Jauer (1294-1346), der

    Kragen und er gab den Befehl, mit Waffengewalt gegen die Raubne-

    ster der Umgebung vorzugehen.

    Am Fastnachtstage des Jahres 1337 machte sich ein kleines Heer von

    Zittau aus auf den Weg zum Tollenstein, den sie in der Nacht vor

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    Aschermittwoch erreichten. Der Burgherr selbst war mit einem klei-

    nen Gefolge nach Tetschen geritten, um dort mit seinesgleichen lu-

    stig Fastnacht zu feiern. Man kann sich vorstellen, wie überrascht die

    Burgbesatzung war, als sie sich diesem Heerhaufen gegenübersah,

    welcher die Burg quasi im Handstreich eroberte und jeden, den sie

    dort vorfand, niederhaute. Nach der obligaten Plünderung wurden die

    Holzgebäude der Sitte der Zeit entsprechend angezündet und der

    Tollenstein zum ersten Mal bis auf die Mauern niedergebrannt. Der

    Zittauer Stadtschreiber Johann von Guben hat diese Begebenheit in

    seinem Jahrbuch kurz erwähnt: „By Herczoge Heynken geczyten

    MCCCXXXVII. iar czoch dese Stadt vz mit andern steten und ge-

    wunnen daz Hus Tolensteyn“. Bereits ein Jahr später (am 15. Okto-

    ber 1338) wiederfuhr auch dem Raubnest Schönbüchel das gleiche

    Schicksal. Am 8. Dezember 1343 fiel dann durch List auch das

    Raubnest auf dem ansonsten unüberwindlichen Oybin.

    Herzog Jauer war mit diesem Feldzug der Zittauer so zufrieden, daß

    er nach Carpzow’s Analecta als Belohnung der Stadt den schwarzen

    schlesischen Adler im gelben Schilde in ihr Wappen gab – wo er sich

    noch heute befindet.

    Bohuslaw von Wartenberg, der wie gesagt, gerade mit den Ordensrit-

    tern und seinem König im fernen Litauen Krieg führte, dürfte die

    Zerstörung seiner Burg kaum groß gejuckt haben, wenn er denn

    überhaupt davon erfahren hat. Erst unter seinem Sohn Wenzel

    (Wanko) von Wartenberg, Obermundschenk von Böhmen, erfolgte

    ein Neubau, wobei die Räumlichkeiten bequemer und die Mauern

    stärker befestigt wurden. Er wurde dabei wahrscheinlich von seinem

    Sohn Sigismund, der in Tetschen residierte, unterstützt. Weiterhin ist

    überliefert, daß seine drei Enkel Johann, Wenzel und Peter von War-

    tenberg als Besitzer der Herrschaft Tollenstein, die u.a. Schönlinde

    und Warnsdorf umfaßte, auftraten. Alle drei hatten jedoch ihre eige-

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    ne Burgen: Wenzel in Reichstadt, Peter den Dewin und Johann den

    Roll (und später Prag, wo er Oberburggraf war). Die Burg Tollen-

    stein scheint ab dem Zeitpunkt des Todes von Wenzel (Wanko) von

    Wartenberg (1368) von Johann von Prag aus verwaltet worden zu

    sein – zumindest bis 1382. Ab 1390 ging sie in den Alleinbesitz von

    Wenzel von Wartenberg auf Reichstadt über, der sich ab 1396 domi-

    nus in Tolsteyn nannte. Es scheint, daß er irgendwann zwischen den

    Jahren 1398 und 1404 die Burg dann den Berken von der Duba ver-

    machte.

    Die Ära der Raubritter hatte starke Auswirkungen auf die Etablie-

    rung und Organisation der Städte der Oberlausitz, die sich im Jahre

    1346 zu einem Schutz- und Trutzbündnis zusammenfanden, der im-

    merhin bis zum Jahre 1815, also über 469 Jahre Bestand hatte. Es

    handelt sich dabei um den Sechsstädtebund der Städte Bautzen, Löb-

    au, Kamenz, Görlitz, Zittau und Lauban.

    Das erste Drittel des aufkommende 15. Jahrhundert wurde nicht nur

    in Böhmen durch die Ereignisse geprägt, die auf die Verbrennung

    des calvinistischen Reformators, Theologen und Hochschullehrers

    Johannes Hus in Konstanz am 6. Juli 1415 folgten – die Hussiten-

    Kriege. Sie können in ihrer Gesamtheit und Komplexität hier natür-

    lich nicht weiter gewürdigt werden. Nur insofern sie das Gebiet der

    sechs Städte betreffen und damit auch Ereignisse, die mit der Burg

    Tollenstein im Zusammenhang stehen, berühren, sollen sie im Fol-

    genden Erwähnung finden.

    Die Jahre zwischen 1400 und 1414 liegen im Zeichen der Gebiets-

    ausweitung der auf der Burg Hohnstein in der Sächsischen Schweiz

    sitzenden Berken von der Duba, in dem sie sich die Herrschaft Tol-

    lenstein, zu der das Gebiet zwischen Rumburg, Schönlinde und

    Warnsdorf gehörte, einverleibten. So existiert z.B. eine auf den 18.

    April 1414 ausgestellte Patronatsurkunde über das Kirchspiel Schön-

  • 32

    linde, den Heinrich Berka von der Duba als Dominus Henricus Berca

    de Duba, dominus in Talemstein unterzeichnet hat. Von ihm stammt

    der in der Ruine des Tollensteins gefundene Siegelstock, der neben

    den gekreuzten Eichenstöcken die Inschrift „Segil hince berce“ trägt.

    Er wurde früher in Rumburg im sogenannten „Lichtenstein’schen

    Archiv“ aufbewahrt. Ob er noch vorhanden ist, weiß ich jedoch nicht

    zu sagen.

    Die Wirren der Hussitenkriege (1419-1439), welche die Oberlausitz

    stark zusetzten, sind in Bezug auf den Tollenstein mit dem Namen

    Johann Berka von Duba verbunden. Wenn die Nachrichtenlage auch

    nur sehr dürftig ist, so kann man sicher davon ausgehen, daß er ein

    entschiedener Gegner der Kelchbrüder war. So sandte am 23. Mai

    1421 „der von Tolnstein“ einen Brief an den Zittauer Rat mit dem

    Inhalt, daß die Feinde aus Böhmen sich immer mehr der Stadt näher-

    ten. Im Jahre 1423 wurde die Lage akut. Es zeigte sich, daß den Hus-

    siten nur die wenigsten Burgen kriegstechnisch gewachsen waren.

    Im Juni 1423 wurde z.B. die Burg Tetschen gebrandschatzt was dazu

    führte, daß sich die Hauptleute der Grenzburgen mit den Vertretern

    der Sechsstädte am 15. Juni in Löbau trafen um zu beraten, was zu

    tun sei. Als Ergebnis wurde ein Heer ausgestattet, welches eine Zeit-

    lang weitere hussitische Vorstöße in die Oberlausitz verhinderte. Ob

    die Hussiten jemals vor den Mauern Tollensteins erschienen sind,

    kann nicht mit Sicherheit bejaht werden.

    Im Jahre 1425 gab es dann eine Kehrtwende. Die meisten Warten-

    berger, aber auch Johann Berka von der Duba hatten sich den Kelch-

    brüdern angeschlossen und damit quasi dem oberlausitzer Sechsstäd-

    tebund den Krieg erklärt. Dies ergibt sich aus folgender Begebenheit,

    deren eine Protagonist der Amtshauptmann von Budessin, Nicolaus

    von Pönickau, war. Denn bald nach Ostern 1425 zog Johann Berka

    mit einer Schar ausgewählter Krieger vom Tollenstein aus nach

  • 33

    Deutsch-Ossig bei Görlitz, um auf dem Weg namentlich Schlacht-

    vieh und Pferde zu stehlen. Als Nicolaus von Pönickau in Zittau

    davon Kunde erhielt, organisierte er in der Nähe von Spitzkun-

    nersdorf einen Hinterhalt, der aber aufflog. So kam es bereits bei

    Schlegel zu dem Scharmützel, der für die Zittauer eine vollständige

    Niederlage brachte. Pönickau wurde auf die Burg Tollenstein ent-

    führt und dort gefangengesetzt. Aber erst nach vielen Wochen konn-

    ten die Lösegeldforderungen von Pönickau selbst, seiner Familie und

    leihweise der Städte Zittau und Görlitz aufgebracht werden. Die

    Übergabe erfolgte in Schluckenau, nach anderen Quellen etwas spä-

    ter, kurz vor Pfingsten, in Warnsdorf. Wahrscheinlich mußte sich der

    Amthauptmann, um die Freiheit wieder zu erlangen, sich selbst stark

    verschulden, denn es existiert ein Brief, in dem er von der Stadt Gör-

    litz aufgefordert wird „einzureiten in Görlitz um der Stadt Schuld

    willen“.

    Das folgende Jahr, 1426, brachte Zittau neuen Ärger mit dem Tollen-

    steiner. Damals lebte in Zittau ein reicher Jude mit dem Namen

    Smoyl in der Judengasse, der Johann Berka eine größere Menge

    Geldes geliehen hatte. Letzterer machte aber keine Anstalten, es ihm

    zurückzuzahlen. Also keine gute Ausgangslage für den Juden. So

    kam es aber, daß in der Stadt ein großer Transport Tuchwaren, die

    für den Tollensteiner bestimmt war, eingetroffen war, was dem Ju-

    den veranlaßte, den Rat zu dessen Pfändung zu veranlassen. Das

    geschah auch, aber – wie man sich denken kann – war das nicht im

    Sinne der Ritter auf dem Tollenstein. So begannen sie eine Fehde

    gegen die Stadt. Ihr kleiner Haufen wurde durch beutelustige hussiti-

    sche Krieger verstärkt und später stieß auch noch Johann’s Bruder

    Heinrich dazu, der mit rund 400 Reitern insbesondere den Ei-

    gen’schen Kreis und dann auch noch das Weichbild von Zittau, ins-

    besondere Olbersdorf, verheerte. Jedoch, als sie mit ihrer Beute wie-

    der heimwärts ziehen wollten, wurden sie von einer Zittauer Streit-

  • 34

    macht im Spittelholz gestellt und aufgerieben. Ein böhmischer Ritter

    und viele andere angesehene hussitische Krieger verloren ihr Leben.

    Aber auch 12 Zittauer blieben tot auf dem Schlachtfeld zurück. Auf

    jeden Fall war erst einmal eine gewisse Zeit Ruhe, bis 1428 ein neu-

    es hussitisches Heer in die Oberlausitz einfiel und die Sechsstadt

    Löbau belagerte. Sie zogen jedoch ab, als sich ihnen das Lausitzer

    Heer näherte und wurden dann bei Kratzau am 16. November ver-

    nichtend geschlagen. Damit war aber der Hussiten-Spuk noch lange

    nicht vorbei. Bereits im darauffolgenden Jahr erschienen die Hussi-

    ten wieder mordend, raubend und brandschatzend in der Oberlausitz,

    wobei einer ihrer Anführer der Besitzer der Rollburg bei Niemes

    war. Löbau, Bischofswerda, Pulsnitz, Königsbrück, Wittigenau und

    das Kloster Marienstern wurden niedergebrannt. Im Oktober fiel

    dann Kamenz den Hussiten zum Opfer. Die Stadt ging in Flammen

    auf und eine große Zahl der Einwohner wurde dabei umgebracht.

    1434 zeichnete sich langsam das Ende der Hussitenkriege ab. Am 30.

    Mai fand südlich des Dorfes Lipan die Entscheidungsschlacht zwi-

    schen den radikalen Hussiten unter Andreas Prokop und Jan Capek

    von San auf der einen Seite und der Allianz zwischen den gemäßig-

    ten Utraquisten und den Kaiserlichen auf der anderen Seite statt. Die

    Schlacht endete mit einem Massaker, bei dem der Großteil der radi-

    kalen Taboriten ausgelöscht wurde. Zeitzeugen berichten, daß allein

    knapp 1000 von ihnen in Scheunen verbrannt wurden. Insgesamt

    nahmen unter Prokop rund 12000 Männer an der Schlacht teil. Ein

    Teil davon lief nach der Niederlage zu den Utraquisten über, ein

    anderer Teil gelang die Flucht. In der Folgezeit kam es dann noch zu

    vereinzelten Scharmützeln. Der letzte bedeutende Hussit, Johann

    Rohac von Duba, wurde am 9. September 1437 in Prag gehenkt.

    Damit war erst einmal der Hussitenspuk in Zentraleuropa vorbei und

    die Menschen konnten wieder aufatmen.

  • 35

    In ungefähr die gleiche Zeit fällt eine lokale Begebenheit, die von

    Zittau ihren Ausgangspunkt nahm und die Sechsstädte die nächsten

    Jahre vor große Probleme stellen sollte. Sie ist als die „Wartenberger

    Fehde“ in die Geschichte eingegangen und das kam so: Ralsko von

    Wartenberg, Burgherr auf dem Rollberg bei Niemes, trat mit dem

    Landvogt der Oberlausitz, Thimo von Kolditz, in Verhandlungen um

    ihm die Burg Grafenstein bei Grottau für 400 Schock Prager Gro-

    schen zu veräußern – offensichtlich brauchte er wieder einmal Geld.

    Man wurde sich schnell einig und am Tag Mariä Himmelfahrt des

    Jahres 1433 erschienen die Zittauer zusammen mit ihrem Landvogt

    vor Grafenstein, um ihren neu erworbenen Besitz zu übernehmen.

    Um so überraschter waren sie, als die Burg mit Bewaffneten besetzt

    war, von denen sie sofort angegriffen wurden. Am Ende waren 8

    Zittauer tot und 26 wurden von den Grafensteinern gefangengenom-

    men. Thimo von Kolditz gelang in letzter Minute die Flucht. Außer

    sich wegen dieses Verrats versuchten die Zittauer Ralsko von War-

    tenberg habhaft zu werden, um ihn zu bestrafen. Das gelang schließ-

    lich auch und er wurde nach Zittau verbracht, dort eingesperrt und

    gefoltert (wie es damals üblich war) und schließlich von einem öf-

    fentlichen Gericht (welches zu dieser Zeit gewöhnlich unter freiem

    Himmel tagte) wegen Verräterei zum Tode verurteilt. Die Strafe, die

    auf diesem Delikt stand, war das Vierteilen. Sie wurde gerade wäh-

    rend der grausamen Hussitenkriege gerne zur Abschreckung appli-

    ziert, z.B. an dem Bautzener Stadtschreiber Peter Prischwitz, welcher

    sich von den Hussiten bestechen ließ. Im Oktober 1429 machte er

    einen Teil des eingelagerten Pulvers für die Kanonen mit Wasser

    unbrauchbar und zündete am nächsten Tag ein Haus an, um dem

    Feind während der dabei entstandenen Wirren ein Tor zu öffnen. Am

    6. Dezember hat man ihn „gevierteilt“ und seinen abgeschlagenen

    Kopf zur Schau gestellt. An der Nikoleipforte kann man ihn noch

    heute in Stein gehauen sehen.

  • 36

    Das Schicksal, welches Ralsko von Wartemberg wiederfuhr, war

    sicherlich nicht sonderlich angenehm. Denn beim Vierteilen wurden

    die Arme und die Beine des Verräters an Pferden befestigt, die dann

    den Körper des Delinquenten auseinanderrissen. Die Körperteile

    wurden dann gewöhnlich zur allgemeinen Abschreckung an den

    Stadttoren aufgehängt. All das geschah am 21. Dezember 1433 auf

    dem Marktplatz in Zittau.

    Johannes Guben oder einer seiner Nachfolger schrieb dazu in den

    Zittauer Jahrbüchern:

    „Item anno ut supra xxxiij supradictus traditor, Ralsko, der wart vns

    mit seinem halsse geanttwort, den lissen wir sleifen vnd virteilen

    noch seinem vordinem. factum quinta feria ante Thoma.“

    Man kann sich vorstellen, daß seine adeligen Anverwandten darüber

    nicht gerade begeistert waren, so daß durch diese voreilige Hinrich-

    tung nicht nur für Zittau, sondern für die gesamte Oberlausitz über

    die nächsten Jahre hinweg unberechenbarer Schaden entstand. Und

    so nahm die sogenannte „Wartenberger Fehde“ ihren Anfang. Schon

    wenige Tage nach der Hinrichtung erschienen, vom Tollenstein

    kommend, die Wartenberger und ihre Verbündeten vor Zittau und

    steckten am ersten Sonntag nach Weinachten die gesamte Webervor-

    stadt in Brand. Auch nahmen sie einige angesehene Zittauer Bürger,

    denen sie dabei habhaft werden konnten, mit auf dem Tollenstein,

    um sie dort einzukerkern und wahrscheinlich auch umzubringen.

    Diese Überfälle und Raubzüge mehrten sich im Folgejahr und auch

    die Weichbilder der anderen Sechsstädte waren mehr und mehr da-

    von betroffen. Insbesondere das Oberhaupt der Wartenberger, der auf

    Tetschen sitzende Sigismund von Wartenberg sowie der Vater von

    Ralsko, Johann von Wartenberg, forcierte die Streitereien immer

    weiter. 1434 war eine Anzahl von Pferdewagen von Görlitz nach

    Zittau das Ziel eines Überfalls von Sigismund von Wartenberg. Zu-

  • 37

    sammen mit Spießgesellen vom Tollenstein überfielen sie den

    Transport bei Rosenthal, wobei drei Zittauer getötet und 33 gefan-

    gengenommen wurden. Während man die Beute zum Tollenstein

    transportierte, zog Sigismund weiter in die Görlitzer Heide, um das

    Gebiet um Kohlfurt unsicher zu machen. Und so ging es hin und her.

    Erst 1435 kam es zu einem ersten Vergleich mit den Sechsstädten,

    bei dem aber Görlitz außen vor blieb. Auf jeden Fall konnte die Be-

    lagerung der Burg Landeskrone, die von einem Burghauptmann Je-

    rusalem von Bechern befehligt wurde, abgewendet werden. Aber

    dafür ging alles, was sich außerhalb der Stadtmauern von Görlitz

    befand, in Flammen auf.

    1439 gingen die Feindseligkeiten von neuem los und die Wartenber-

    ger, vereinigt mit den Berken aus Leipa, überzogen die Oberlausitz

    wieder mit Krieg. Erst im Juli 1440 erschienen Unterhändler der

    Wartenberger in Zittau, um mit dem Landvogt Thimo von Kolditz

    einen Friedensvertrag aufzusetzen. Dieser wurde dann auch am 22.

    Juli 1440 von beiden Seiten unterzeichnet. Aber auch dieser „Friede“

    war nicht von langer Dauer. Denn bereits am 16. Januar 1441 zünde-

    te Heinrich von Wartenberg, der Bruder des „Wartenbergs“, der auf

    dem Tollenstein saß, den Zittauern die Vorstädte an.

    Diese offensichtlich niemals endende Fehde veranlaßte die Sechs-

    städte einen eigenen Kriegszug auszurichten, um die böhmischen

    Burgen der Wartenberger und ihrer Verbündeten endgültig zu schlei-

    fen. Und so geschah es auch. 1442, am 4. August, wurde in Görlitz

    zwischen den Sechsstädten und den Freiherren von Bieberstein, von

    Friedland, Reichenberg und Seidenberg sowie weiteren Grundherren

    ein Bündnis wider „den Stehgreifrittern und Strauchdieben sowie

    den Rittern von Wartenberg sowie Dohna auf Grafenstein“ ein

    Bündnis geschlossen, welches die 1437 begonnen Züge gegen die

    Burgen der näheren und ferneren Umgebung schlagfertiger gestalte-

  • 38

    te. 1441 wurde die Burg Fredewald bei Böhmisch Kamnitz zerstört

    (was zur Errichtung der „neuen Burg“ auf dem Schloßberg führte).

    1442 konnten ein erfolgreicher Feldzug gegen die Burg Blankenstein

    (bei Aussig) unternommen werden, während die Belagerung des

    Kamnitzer Schloßberges erfolglos blieb. 1444 fiel das Stammschloß

    der Wartenberger in Tetschen unter den Streitkräften der Sechsstädte

    und im gleichen Jahr konnte auch die Burg Trosky im Böhmischen

    Paradies erobert werden. 1468 gelang dann auch noch die Eroberung

    der fast uneinnehmbaren Rollburg durch List, wie es Peter Eschenlo-

    her in seiner Chronik der Stadt Breslau beschrieben hat.

    Der Versuch, im Jahre 1444 auch die Burg Tollenstein zu erobern,

    schlug jedoch fehl. Vielmehr kam es zu eine Art von Friedensvertrag

    zwischen den Oberlausitzer Städten und den Burggrafen Wentsch

    von Dohna und Albrecht Berka vom Tollenstein, der, wie wäre es

    auch anders zu erwarten gewesen, brüchig wie ein alter Zwieback

    war. Es kam, so berichten die Geschichtsschreiber, bereits 1448 zu

    einer erfolgreichen Belagerung der Burg Grafenstein mit weitrei-

    chenden politischen Auswirkungen. So mußte Albrecht Berka von

    Tollenstein beeidigen, „sich nach Land und Städten der Oberlausitz

    mit ihren offenen Schlössern gegen alle ihre Feinde richten zu wol-

    len“.

    Die neue „Freundschaft“ der Berken auf Tollenstein mit den Sechs-

    städten wurde jedoch von der übrigen Verwandtschaft sehr mißtrau-

    isch aufgenommen. Auch scheint der neue Grundherr von Tollen-

    stein, „Albrecht von der Dauba, Her zu Tolnstein und Sluckenau“,

    gegen seinen Schwiegervater Wentsch von Dohna intregiert zu ha-

    ben, was zu neuen Fehden Anlaß kam. Andernfalls kann man den

    Brief, den der Burggraf von Dohna an den böhmischen Reichsverwe-

    ser und zukünftigen König (ab 1458) 1452 auf Grafenstein geschrie-

    ben hat, nicht recht deuten. Es heißt darin:

  • 39

    „Dem edlen und wolgebornen h.h. Girsick von der Cunstat und Po-

    diebrad, oberster vorweser der cronen zu Behmen mynen g.h. und

    günstigen guten forderer.

    Ich clage E.G. das mir solcher frede den mir E.G. befohlen und ge-

    heissen hat zuhalden, mit den sechs landen und steten, nicht gehal-

    den wird, und zuvoruß von der Zittau, die dann myne arme lüte man

    und frauen reublichen schinden, und nehmen was sie bey den finden

    uff den straßen, uff jren brogkin und vor der toren vor der stat Zittau,

    und haben mir auch in dem freden díe meynen gefangen, gestöcket

    und geschatzet, und weren mir und meynen lüten kauffens und ver-

    kauffens etc. und er Albrecht Birgke von dem Tholinstein, der hat

    syne helfer bie den von der Zittau, darum ich nichts anders verstehe

    dann das is sein getrib sey etc. siet der Zeyt ich von uwern g. von

    Prag abegescheiden bin etc. und ich bitte uver g. mir in den sachen

    beroten und beholffen zu sein etc.

    Gegeben am tage sente Katherine (25. November) 1452“

    Offensichtlich traten jetzt in Umkehrung der üblichen Lage die Städ-

    te als „Räuber und Placker“ gegenüber dem benachbarten Adel auf.

    So folgte auch relativ schnell eine Antwort auf diesen Brief, „gege-

    ben zu Melnick den Montag nach sante Barbaratag 1452“, diesmal

    direkt gerichtet an die Städte „Budissin, Gorlitz, Zittau, Luban, Löb-

    au und Camenz“ – den „lieben fründen“ des Reichsverwesers mit der

    Ermahnung, Ruhe und Frieden zu halten.

    Als 1457 auch Albrechts Nachfolger, Johann Berka von Duba ge-

    storben war, erbte „Albertus de Dube et de Tolstein“ die gesamte

    nicht unerhebliche Tollensteiner Herrschaft, zu der weit über ein

    Dutzend Dörfer gehörte, ja selbst Burkersdorf und Schlegel nördlich

    von Zittau. Zu einer echten Übergabe mit Lehnsurkunde kam es aber

    nicht, da der böhmische König Ladislaus Postumus am 23. Novem-

  • 40

    ber 1457 in Prag verstorben war und sein Nachfolger, der Ultraquist

    Georg Podiebrad von Kunstadt, alle früheren Vereinbarungen mit

    dem Katholiken Albrecht von Duba als nichtig erklären ließ. Das

    provozierte eine offene Feindschaft zwischen dem Tollensteiner und

    seinen neuen König, den er nur als „Ketzer“ zu titulieren pflegte.

    1463 war dann das Maß voll, und König Podiebrad erklärte das cri-

    men laesae majestatis, was bedeutete, daß Albrecht offiziell all seine

    Güter verlor und auch um sein Leben gebracht werden sollte. Am 29.

    Juni 1463 wurde dann eine königliche Order an die Räte der Sechs-

    städte erlassen, die folgenden Wortlaut hatte:

    „Nachdem Albrecht Berka zum Tolstein sich wider ayde, gelübde und

    alle pillikeit, damit er uns und unser cron vorpunden ist, understan-

    den hat, uns und dieselben unser cron unzimlichen fürzunehmen, und

    damit aus aller gehorsam gangen, das uns nicht unpillichen be-

    frembdt und zu dulden fast swere were. Dorumb so begeren wir an

    euch in ernst, so der edel Jan von Wartenberg unser voit der sechs

    stete und lieber getreuver euch von unsern wegen schreiben, tag, stat

    und zeit benennen wirdet, das jt denn mit puchsen, pleiden, wagen,

    zugehorungen und etlich den ewem jen unvorzihen zuzihete, solch

    sloß Tolstein umlegen helffet, und allda bey im 14 tag beharret, bis

    er mit sampt audern underthan dasselbe sloß versorget und umbla-

    gert habe.

    Geben zu Prag an sant Peters und Paulustag, unsers reichs im sech-

    sten jare.

    Ad relationem Jodici de Eynsidel secretarii“

    Es gilt aber als Zweifelhaft, daß sich die Sechsstädte, die ja streng

    katholisch waren, dieser Aufforderung nachgekommen sind. Belagert

    und eingenommen wurde Tollenstein trotzdem – durch den Landvogt

    Johann von Wartenberg (am 14. Juli 1463). Man berichtet, daß er

  • 41

    keine Gnade walten ließ und alle Burgleute, soweit sie ihm lebendig

    in die Hände fielen, einfach aufknüpfen ließ. Albrecht Berka von der

    Duba gelang jedoch die Flucht zu dem päpstlichen Legaten Hiero-

    nimus Landus, was ihm wahrscheinlich das Leben rettete.

    Auf diese Weise gelangte die Herrschaft Tollenstein wieder an die

    Wartenbergs, genauer an Johann von Wartenberg (Tetschen) und an

    Heinrich Berka von Duba. Sie hatten zwar bereits die Burg in ihrem

    Besitz, aber rechtlich bedurfte es noch einem Eintrag in die soge-

    nannte böhmische Landtafel, der dann auch im Juni 1464 erfolgte.

    Auch hier ist der Wortlaut der Eintragung erhalten geblieben:

    „m.Juni 1464. Georg, König von Böhmen, u. hat in die Landtafel

    einzutragen befohlen: Wie Albrecht Berka von Duba der Landesver-

    fassung entgegen sich mutwillig empört, welcher Schuld halber der

    König ihn bestrafen wollte. Welcher Berka nur die erste Missethat

    durch noch schlimmere zu vertheidigen suchend, den König Georg

    schändlich mit unwahren und schmählichen Reden und Berufen un-

    geziemender Weise beschimpft hat, weswegen er für solche Schuld in

    das crimen laesae majestatis verfallen sei, auf welches nach Recht

    der Verlust von Leben und Gut gesetzt ist. Und so ließ ihn der König

    für solches Verschulden strafen und nahm ihm die Burg Tolstein und

    Schluckenov und seine anderen freien und Lehengüter und hat den

    Herren Heinrich Berka von Duba und dem Johann von Wartenberg

    und Tetschen, Voigt der Sechsstädte, welche auf Befehl s. Majestät

    auf eigene Kosten die Burg Tolstein belagert haben, solche Güter in

    die Land und Lehentafel einlegen lassen nach dem in solchen Fällen

    üblichen Brauche.“

    Am 12. Juni 1464 gab Heinrich Berka alle seine verbrieften Rechte

    an Johann von Wartenberg ab, der ab diesem Zeitpunkt alleiniger

    Herr der Veste Tollenstein und der dazugehörigen Herrschaft wurde.

    Nur war ihm die Freude darüber nicht lange vergönnt, denn er ver-

  • 42

    starb bereits am 19. November 1464 in Bautzen, wo er auch in der

    Mönchskirche (die heute eine Ruine ist) beigesetzt wurde. Sein

    Nachfolger wurde sein Sohn Christoph.

    1467 kam es zu offenen Unruhen gegen den verhaßten König Georg,

    der von den Katholiken wegen seiner ultraquistischen, d.h. hussiti-

    schen Religion unter der Hand und manchmal auch offen – so z.B.

    vom Bischof von Breslau, Jodcusi von Rosenberg – als Ketzer ange-

    sehen wurde. So ist es nicht verwunderlich, daß sich katholische

    Bünde wider den Utraquisten bildeten. Auch ein Teil der Oberlausit-

    zer Städte (genaugenommen Budissin, Görlitz und Zittau) traten

    einem solchen Bündnis bei. Ja es wurde während eines Konvents in

    Zittau sogar offen zu einem Kreuzzug wider die Husitten aufgerufen.

    Neue Fehden folgten, insbesondere gegen die Wartenberger, die am

    königlichen Hof zu hohem Einfluß gelangt waren. Insbesondere der

    Bruder Christophs, Sigismund von Wartenberg ist hier zu nennen,

    der es bis zum Ober-Mundschenk des Königreichs Böhmen gebracht

    hat. Genauso wie sein Vater Johann wurde er auch zum Landvogt der

    Oberlausitz erhoben, was den Sechsstädten sicherlich gar nicht

    schmeckte. Auf diese Weise schaukelten sich die Spannungen zwi-

    schen den Burg- und Landbesitzern, die König Georg Podiebrad

    zugeneigt waren und den katholischen Städten immer mehr auf. Vom

    Tollenstein aus wurden wieder ausgedehnte Raubzüge in die Weich-

    bilder der Städte jenseits des Gebirges unternommen, wobei das na-

    heliegende Zittau am meisten darunter zu leiden hatte. Aus dieser

    Zeit hat sich eine Begebenheit überliefert, die in den Zittauer Jahrbü-

    chern des Johannes von Guben von einem seiner Nachfolger sehr

    ausführlich überliefert worden ist, denn die „Schlacht am Breiten

    Berge“ (zwischen Zittau und Großschönau) ging für die Stadt mehr

    als glücklich aus. Deshalb möchte ich kurz darüber berichten.

  • 43

    Ausgangspunkt war wieder eine Vielzahl von Einfällen der böhmi-

    schen Ritter in der Oberlausitz sowie in Schlesien. So wird berichtet,

    daß im September 1467 ein Haufen Kriegsvolk unter der Führung

    des Heinrich von Duba und seines Sohnes Jaroslaw zusammen mit

    den ultraquistischen Rittern Zarda von Utzke (Aussig), Felix von

    Scal sowie Benesch von Michelsberg unvermittelt in der Oberlausitz

    erschien und fast alle Dörfer in der Umgebung von Zittau verwüste-

    te. Ihr Ziel war es in erster Linie Vieh zu stehlen und in Richtung

    Tollenstein zu treiben. Außerdem versuchten sie eine Belagerung des

    Oybins, die sie aber verständlicherweise abbrechen mußten. Um die

    Cölestiner-Mönche trotzdem zu ärgern, haben sie ihnen die großen,

    im Hausgrund gelegenen Fischteiche abgestochen und deren Dämme

    zerstört. Daran soll übrigens Christoph von Wartenberg selbst mit

    beteiligt gewesen sein.

    Bereits acht Wochen später trafen die Anhänger König Podiebrads

    mit ~100 Reitern und ~800 Mann Fußvolk wieder in der Oberlausitz

    ein, um nun die Dörfer nördlich von Zittau, insbesondere Obersei-

    fersdorf und Großhennersdorf, niederzubrennen und auszuplündern.

    Ihre wichtigsten Anführer waren Christoph von Ronburg, Herr auf

    Blankenstein und wahrscheinlich amtierender Burghauptmann der

    Burg Tollenstein, sowie sein Vasall Hans von Lottitz, der in Schir-

    giswalde saß. Derweil schickte Zittau eine vorsorglich in ihren Mau-

    ern gesammelte Heerschar (die wiederum eine größere Anzahl soge-

    nannter „Kreuzler“ enthielt – Studenten und Magister aus Leipzig,

    die mit einem schwarzen Gewand mit weißem Kreuz bekleidet wa-

    ren und die in erster Linie für ihr „Seelenheil“ kämpften) in den nicht

    weit entfernten Breiteberg, wohlwissend, daß dort die Plünderer mit

    ihrer Beute vorbeikommen müssen, sollten sie den kürtesten Weg zur

    Veste Tollenstein wählen. Und so kam es auch. Am Mittwoch vor

    Elisabeth (19. November 1467), gegen Nachmittag, erschien die

    erste Vorhut und nach ihnen die Treiber mit dem geraubten Vieh.

  • 44

    Zuvor hatte man die Späher der Böhmen abgefangen und „peinlich“

    verhört, so daß man über deren Absichten Bescheid wußte und man

    selbst vom Gipfel des Berges das Signal für einen freien Durchzug

    geben konnte. Die Zittauer ließen die Vorhut vorsorglich vorbeizie-

    hen, da sie es ja auf die böhmischen Ritter abgesehen hatten. Erst als

    Christoph von Ronburg und seine adeligen Spießgesellen die Nord-

    seite des Berges passierten (der größte Teil der Reiterei nahm übri-

    gens einen anderen Weg), kam es zu dem Scharmützel, das über-

    schwenglich als „Schlacht am Breiten Berge“ in die Annalen einge-

    gangen ist. Die Böhmen müssen so überrascht worden sein, daß sie

    kaum zur Gegenwehr fähig waren. Denn die Chronik berichtet, daß

    am Abend 150 tote Böhmen, aber nur drei tote Zittauer (deren Na-

    men übrigens überliefert sind – ein Jacob Rawer, ein Hans Hentschel

    sowie ein Bauer aus der Gegend) auf dem „Schlachtfeld“ zurück-

    blieben. Letztere wurden später auf dem Kirchhof der Zittauer Jo-

    hanniskirche begraben, während man die gefallenen Ritter (darunter

    Hanns von Lottitz) und ihre Knappen und Söldner direkt an Ort und

    Stelle verscharrte. Noch Jahrhunderte später fand man hier noch

    Knochenreste, Schädel und Rüstungsteile.

    Durch diesen leichten Sieg bestärkt, ergriffen nun die Sechsstädte

    selbst die Initiative und marschierten im folgenden Frühjahr mit ei-

    nem eigenen Heer über das Lausitzer Grenzgebirge. Ihre Erfolge

    hielten sich aber in Grenzen und ohne viel erreicht zu haben (bis auf

    ein Waffenstillstandsabkommen mit dem Herrn Heinrich Berka von

    Duba) zogen sie im Herbst wieder zurück in die Lausitz. Während-

    dessen organisierten die Sechsstädte bereits eine neue Heerfahrt nach

    Böhmen, für die sie in großer Zahl Söldner warben. Auf diese Weise

    kamen unter der Befehlsführung eines Franz von Haag ungefähr

    2000 Fußsoldaten – darunter wieder viele „Kreuzler“ die darauf aus

    waren, „Hussitenschädel zu spalten“ – und rund 800 Reiter zusam-

    men. Ihr erster großer Erfolg war die Einnahme der Rollburg bei

  • 45

    Niemes (10. August 1469). Danach zogen sie unter Jaroslaw von

    Sternberg zum Tollenstein, um die dortige Burg zu schleifen. Für

    diese Unternehmung hatten sie sich von den Budissinern eine beson-

    ders große Kanone, eine sogenannte „Tetschner Büchse“, ausgelie-

    hen und vor Ort gebracht, um damit in die starken Burgmauern eine

    Bresche zu schlagen. Die Unternehmung lief auch ganz gut an und

    die Belagerung, die am 27. August 1469 ihren Anfang nahm, hätte

    sicherlich zum Erfolg geführt, wenn nicht ein anderes Ereignis die

    Kampftruppen zum Abzug nach Zittau gezwungen hätte. Und das

    kam so: Unbemerkt erreichte Ende August ein böhmisches Heer

    unter dem Herzog von Münsterberg mit insgesamt 6000 Kriegern

    über das Gebirge das Weichbild Zittaus, wo es auf der sogenannten

    Queckwiese (wahrscheinlich die heutigen Kaiserfelder) zu einer

    Schlacht kam, die für die Zittauer desaströs war. 60 von ihnen, so

    steht es in den Gubenschen Zittauer Jahrbüchern, wurden erschlagen

    und 246 gefangengenommen. Ihre Auslösung kostete der Stadt die

    damals beachtliche Summe von 3000 Gulden, für deren schnelle

    Beschaffung eine Vielzahl von Urkunden und Siegeln verpfändet

    werden mußten. Es war klar, daß die vor Tollenstein liegenden Sol-

    daten schnell nach Zittau eilten, um den Fall der Stadt noch im letz-

    ten Moment zu verhindern. Zwar wurden sie von den Truppen des

    Herzogs bei der sogenannten Neumühle gestellt, wobei an die Fünf-

    zig „Zittauer“ getötet worden sein sollen. Aber die hussitischen

    Heerhaufen hatten bereits begonnen die Belagerung Zittaus aufzuge-

    ben und sind weiter gezogen.

    Als Zeitzeugebericht sollen hier nur kurz die Notizen des Breslauer

    Chronographen Peter Eschenloher wiedergegeben werden, die sich

    inhaltlich weitgehend mit den Aufzeichnungen in den Gubenschen

    Jahrbüchern decken:

  • 46

    „Herr Jaroslaw von Sternberg mit den sechsstädten zogen vor den

    Tolnstein und beharreten davor fünf tage. Indes da die Behmen vor

    Budin höreten, daß die unseren nicht zu inen, sondern heim gezogen

    waren, da zogen sie mit einem starken heere gen Zittaw. Des die

    armen leute sich nicht besorgten, liefen aus der Stadt, mit den fein-

    den zu scharmeuseln als sie zuvor ofte getan hatten, sondern vom

    heere wussten sie nicht. Sondern da sie das sahen, da waren sie der

    stadt zu ferne und flohen bei 200 in die möle, darinnen sie überhaupt

    gewonnen, gefangen und gemorded wurden und hetten die ketzer zu

    der stat zu gestürmet, sie hetten sie ohne were genommen, wan die

    mannschaft gar draußen algereit gefangen waren, und die andern

    vor dem Tolenstein lagen; nicht hundert werlicher manne blieben in

    der stat, die got uf diesen tag wunderzeichlich erhielt. Das geschrei

    kam in das heer vor dem Tolenstein, das von stat an uf war unde

    zogen gen Zittau an die stat. Davon die Behmen und ketzer nicht

    wusten, sondern da sie das heer vor dem tolenstein hetten gewust, sie

    hetten es gar behalten. Bei tausend männer hatten kaum die Zittauer

    und übrigen Lausitzer vor dem Tolenstein und der ketzer heer wart

    gegen 6000 geschatzt. Da blieben die ketzer vier tage vor der Zittow

    und taten vil versuchen mit einlaufen, aber alles umsunst und nicht

    one schaden der ketzer, und hetten die ketzer nur gewaret, daß dies

    heer vom Tolenstein nicht vor die Zittow were komen, so hatten die

    ketzer one müh die Stadt Zittow gewonnen.“

    In welcher mißlichen Lage sich Zittau zu diesem Zeitpunkt befand,

    kann man auch den verzweifelten Bittbriefen des Zittauer Rates an

    die Lausitzer und schlesischen Landvogte entnehmen, in denen sie

    inständig um Entsatz baten. Dem wurde dann auch stattgegeben und

    ein Reiterheer von über 500 Pferden machte sich unter Franz von

    Hag nach Zittau auf, ohne freilich viel zu auszurichten. Denn die

    Hussiten waren längst weiter gen Lauban nach Schlesien gezogen.

  • 47

    Zuvor hatten sie noch die Orte Hirschfelde, Ostritz und S