Masterarbeit MAS: Bauliche Grossprojekte zwischen Protest und Akzeptanz

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Zürcher Fachhochschule Masterarbeit Master of Advanced Studies in Communication Management and Leadership 2013 ______________________________________________________ Bauliche Grossprojekte zwischen Protest und Akzeptanz Behördenkommunikation und Bürgerbeteiligung am Beispiel von zwei baulichen Grossprojekten in der Stadt St.Gallen vorgelegt am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft Departement Angewandte Linguistik ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Abgabetermin 31. Dezember 2013 Betreuerin lic. phil. Carola Etter-Gick Diplomand Roman Kohler Altwinkelnstrasse 13 9015 Winkeln [email protected] 079 935 32 34

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Behördenkommunikation und Bürgerbeteiligung am Beispiel von zwei baulichen Grossprojekten in der Stadt St.Gallen

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Zürcher Fachhochschule

Masterarbeit Master of Advanced Studies in Communication

Management and Leadership 2013

______________________________________________________

Bauliche Grossprojekte zwischen Protest und Akzeptanz –

Behördenkommunikation und Bürgerbeteiligung am Beispiel von zwei baulichen Grossprojekten in der Stadt St.Gallen

vorgelegt am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft

Departement Angewandte Linguistik ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Abgabetermin 31. Dezember 2013

Betreuerin

lic. phil. Carola Etter-Gick

Diplomand

Roman Kohler Altwinkelnstrasse 13

9015 Winkeln [email protected]

079 935 32 34

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Erklärung

Roman Kohler versichert hiermit, dass die Arbeit selbstständig und ohne fremde

Hilfe verfasst wurde und dass sämtliche Quellen im Text oder im Anhang nachge-

wiesen sind (Literatur und Quellenverzeichnis).

Ort, Datum: St.Gallen, 20. Dezember 2013

Unterschrift:

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Inhaltsverzeichnis/Gliederung

1. Einleitung .................................................................................................................... 5 1.1 Praktische Relevanz und forschungsleitendes Interesse ................................... 5 1.2 Fragestellung .................................................................................................... 6 1.3 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit .................................................................... 6

2. Politische Dimensionen in Bezug auf die Stadt St.Gallen ....................................... 7 2.1 Politischer Rahmen in der Stadt St.Gallen (Polity) ............................................. 7 2.2 Politischer Prozess bei baulichen Grossprojekten in der Stadt St.Gallen

(Politics) ............................................................................................................ 8 2.3 Neugestaltung Marktplatz (Policy) ................................................................... 10 2.4 Neugestaltung Bahnhofplatz (Policy) ............................................................... 12

3. Theoretische Grundlagen ........................................................................................ 15 3.1 Klärung des Begriffs BKom ............................................................................. 15 3.2 Definition BKom .............................................................................................. 16 3.3 Rechtliche Grundlagen und Grenzen der BKom .............................................. 16 3.4 Zentrale Aspekte der BKom ............................................................................ 17 3.5 Web 2.0 und Social Media in der BKom .......................................................... 19 3.6 Klärung des Begriffs BüBet ............................................................................. 20 3.7 Definition BüBet .............................................................................................. 21 3.8 Erfolgsfaktoren der BüBet ............................................................................... 21 3.9 BüBet-Formen bei baulichen Grossprojekten .................................................. 22 3.10 Online-BüBet ................................................................................................... 23 3.11 Fazit aus den theoretischen Grundlagen ......................................................... 24 3.12 Thesen ............................................................................................................ 25

4. Methode ..................................................................................................................... 26 4.1 Quantitative und qualitative Sozialforschung ................................................... 26 4.2 Wahl der Methoden und Zielsetzung ............................................................... 26 4.3 Leitfadeninterview ........................................................................................... 26 4.4 Inhaltsanalyse ................................................................................................. 29

5. Ergebnisse ................................................................................................................ 31 5.1 Rechtliche Rahmenbedingungen und zentrale Gebote der BKom ................... 32 5.2 Kriterien zur Förderung der BüBet ................................................................... 37 5.3 BüBet in den beiden Fallbeispielen ................................................................. 41 5.4 Medienberichterstattung während des zeitlichen Schutzbereiches .................. 45

6. Schlussteil................................................................................................................. 51 6.1 Zusammenfassung und Beantwortung der Fragestellung ................................ 51 6.2 Fazit: Einschätzung der Stärken und Schwächen der Masterarbeit ................. 53

7. Literaturangaben ...................................................................................................... 55

8. Anhang ...................................................................................................................... 61

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Begriffsverzeichnis

Behördenkommunikation BKom

Bürgerbeteiligung BüBet

individualbezogene Behördenkommunikation iBKom

mediengestützte Behördenkommunikation mBKom

Organisationskommunikation OKom

staatsbezogene Behördenkommunikation sBKom

Unternehmenskommunikation UKom

öffentlichkeitsbezogene Behördenkommunikation öBKom

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Politischer Prozess bei der Neugestaltung Marktplatz

Abbildung 2: Politischer Prozess bei der Neugestaltung Bahnhofplatz

Abbildung 3: Kommunikation bei der Neugestaltung Marktplatz

Abbildung 4: Kommunikation bei der Neugestaltung Bahnhofplatz

Abbildung 5: Einordnung und Unterteilung der BKom

Abbildung 6: Erfolgsfaktoren bei der Förderung von BüBet

Abbildung 7: Kategoriensystem zur Auswertung der Leitfadeninterviews

Abbildung 8: Kommunizierten die Behörden die Ziele der Neugestaltung Marktplatz respek-

tive Bahnhofplatz klar?

Abbildung 9: Beiträge in Print- und Onlinemedien zur Neugestaltung Marktplatz

Abbildung 10: Leserbriefe in Print- und Onlinemedien zur Neugestaltung Marktplatz

Abbildung 11: Beiträge in Print- und Onlinemedien zur Neugestaltung Bahnhofplatz

Abbildung 12: Leserbriefe in Print- und Onlinemedien zur Neugestaltung Bahnhofplatz

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Formen des Interviews

Tabelle 2: Systematik der quantitativen Inhaltsanalyse

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Management Summary

In der jüngeren Vergangenheit haben diverse bauliche Grossprojekte im In- und Ausland

gezeigt, dass sich Behörden in der Kommunikation mit ihren Bürgerinnen und Bürgern sowie

deren Beteiligung an Lösungsfindungsprozessen schwertun. Die vorliegende Masterarbeit

untersucht anhand von vier Thesen die Fragestellung, wie die Behördenkommunikation

(BKom) und die Bürgerbeteiligung (BüBet) bei baulichen Grossprojekten in der Stadt

St.Gallen optimiert werden können. Um das Themenfeld einzugrenzen und zu konkretisie-

ren, werden dabei zwei Fallbeispiele, die Neugestaltung Marktplatz aus dem Jahr 2011 und

die Neugestaltung Bahnhofplatz aus dem Jahr 2013, herangezogen.

In einem ersten Schritt werden die politischen Dimensionen in Bezug auf die Stadt St.Gallen

dargelegt und die beiden Fallbeispiele anhand des Policy-Cycle-Modells analysiert. In einem

zweiten Schritt helfen wissenschaftliche Theorien und Modelle, um die Themenfelder BKom

und BüBet zu erläutern. Ziel ist es dabei, Begriffe zu klären, Definitionsversuche vorzuneh-

men und rechtliche Rahmenbedingungen sowie zentrale Aspekte der beiden Themenfelder

aufzuzeigen. Anknüpfend an diese theoretischen Grundlagen folgen vier Thesen, welche bei

der Beantwortung der eingangs erwähnten Fragestellung helfen sollen. Die vier Thesen be-

ziehen sich auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und die zentralen Gebote der BKom,

auf Faktoren zur Förderung von BüBet, auf den Aspekt von dekorativer, symbolpolitischer

BüBet und darauf, welche Auswirkungen der dreiwöchige zeitliche Schutzbereich vor Ab-

stimmungen auf die Medienberichterstattung hat. Im anschliessenden Methodenteil werden

das Leitfadeninterview und die quantitative Inhaltsanalyse zur Untersuchung der vier Thesen

erläutert und begründet. Neben zehn Leitfadeninterviews mit Fachexperten und Sachkundi-

gen wird eine quantitative Inhaltsanalyse von insgesamt über 200 Beiträgen und Leserbrie-

fen durchgeführt.

Es kann festgehalten werden, dass herkömmliche, traditionelle Prozesse angepasst werden

müssen, um BüBet in einer möglichst frühen Projektphase zu ermöglichen. Die in einer frü-

hen Projektphase angestrebte BüBet soll helfen, Brennpunkte des Projekts rechtzeitig zu

erkennen. Diesen Brennpunkten kann anschliessend auf kommunikativer wie planerischer

Ebene mit adäquaten Massnahmen begegnet werden. Bei Grossprojekten zur Neugestal-

tung von öffentlichen Plätzen ist weiter zu überdenken, ob ein Wettbewerb nach SIA-Norm

sinnvoll ist und somit architektonische Kriterien dominieren sollen. Allgemein ist eine offene

und aktive BKom Grundlage für eine nutzenbringende BüBet.

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1. Einleitung

Kommunikation hat sich in den letzten 20 Jahren grundlegend verändert. Meist durch tech-

nologische Entwicklungen wie Internet, E-Mail, Web 2.0, Social Media und zuletzt Smart-

phones ist Kommunikation heute mehr denn je „eine wichtige Ressource einer modernen

Gesellschaft“ (Neuroni 2007, 18). Aufgrund dieser Entwicklung ist Kommunikation auch für

staatliche Akteure und Organisationen stets wichtiger und zentraler geworden (vgl. Czerwick

1998, 489). Von staatlichen Akteuren und Organisationen wird grundsätzlich erwartet, dass

sie sich für die gemeinsamen Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger einsetzen und diese

fördern (vgl. Olson 2004, 5 f.). In einer direkten Demokratie, wie sie die Schweiz kennt, ent-

scheidet in wichtigen Belangen das Volk darüber, wie gemeinsame Interessen gefördert

oder welche Allgemeingüter in welcher Menge und Qualität bereitgestellt werden sollen. Die

Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen ist daher für das Funktionieren dieser

direkten Demokratie unverzichtbar (vgl. Neuroni 2007, 18). Damit legitimiert sich die Behör-

denkommunikation (BKom) in einer Demokratie, obwohl ihre Ausprägung und die ihr zu-

grunde liegende Absicht im Einzelfall immer wieder zu Diskussionen und auch zu Kritik füh-

ren können. Dies zeigt sich auf kommunaler Ebene jeweils speziell im Vorfeld von Abstim-

mungen zu baulichen Grossprojekten.

1.1 Praktische Relevanz und forschungsleitendes Interesse

Die Praxis liefert zahlreiche Beispiele für Grossprojekte, die unter anderem an ungenügen-

der BKom oder mangelnder Bürgerbeteiligung (BüBet) gescheitert sind. Als Paradebeispiel

ist das Projekt Stuttgart 21 zu nennen, welches im Jahr 2010 zu heftigen Protesten von so-

genannten „Wutbürgern“ führte (vgl. Brettschneider/Schuster 2013, 7 ff.).

Zudem haben Web 2.0, soziale Medien und mobile Kommunikation in den letzten Jahren die

BKom beeinflusst und die Möglichkeiten der BüBet verändert. Durch neue Medien wie Fa-

cebook, YouTube und Twitter (vgl. socialswitzerland.ch), aber auch durch Web-2.0-

Plattformen wie mysg.ch und zueriwieneu.ch wurde insbesondere BüBet zu einem Trend,

gepflegt und gefördert von modernen Verwaltungen. Gerade für Verwaltungen stellen sich

bezüglich der Möglichkeiten moderner BKom und BüBet aber auch einige kritische Fragen:

Wie weit darf BKom gehen? Wo sind die Grenzen zwischen Information und Propaganda?

Was wird unter BüBet verstanden und wo, wie und wann findet sie statt? Wo ist eher eine

Scheinbeteiligung auszumachen? Welche Formen der BüBet funktionieren gut? Wie beein-

flusst BKom die BüBet?

Wollen Behörden auch zukünftig erfolgreich Grossprojekte realisieren, kommen sie nicht

darum herum, sich mit den Themen BKom und BüBet gezielt auseinanderzusetzen. Dabei

gilt es, die technologischen Entwicklungen, welche in immer kürzeren Innovationszyklen

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neue Möglichkeiten in der BKom und in der Online-BüBet bieten, zu berücksichtigen, sowie

sich den im Wandel begriffenen politischen Anforderungen durch den Einsatz dieser neuen

Technologien zu stellen (vgl. Bornschein 2010, 1; vgl. Jakobs-Woltering 2008, 118).

1.2 Fragestellung

Die folgende Fragestellung soll im Rahmen dieser Masterarbeit beantwortet werden.

1.3 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Ziel ist es, anhand von zwei Fallbeispielen aus der Praxis die BKom und die BüBet in Bezug

auf bauliche Grossprojekte in der Stadt St.Gallen zu untersuchen.

Der Hauptteil dieser Masterarbeit ist in sechs Kapitel gegliedert. Nach der Einleitung folgen

die Kapitel Politische Dimensionen in Bezug auf die Stadt St.Gallen, Theoretische Grundla-

gen, Methode, Ergebnisse und der Schlussteil. Da bezüglich staatlicher Kommunikation und

Information die konkreten politischen Dimensionen von zentraler Bedeutung sind, wird im

zweiten Kapitel auf das Gemeindegesetz, die Gemeindeordnung, ein städtisches Reglement

sowie Bundesgerichtsentscheide (BGE) eingegangen (Polity). Des Weiteren wird der politi-

sche Prozess bei baulichen Grossprojekten in der Stadt St.Gallen (Politics) aufgezeigt. Zur

Erläuterung der beiden Fallbeispiele (Policy) werden zudem die zugehörigen Stadtparla-

mentsvorlagen beigezogen. Im dritten Kapitel, den theoretischen Grundlagen, werden BKom

und BüBet aus wissenschaftlicher Perspektive beleuchtet. Anschliessend geht das Kapitel

Methode auf den empirischen Hintergrund der Arbeit ein. Im Mittelpunkt stehen das Leitfa-

deninterview und die Inhaltsanalyse. Im vierten Kapitel wird auf die Ergebnisse der Untersu-

chungen eingegangen. Im fünften und abschliessenden Kapitel wird die Masterarbeit zu-

sammengefasst, die Fragestellung beantwortet und ein Fazit gezogen.

Fragestellung

Wie können Behördenkommunikation (BKom) und Bürgerbeteiligung (BüBet) im Rahmen

baulicher Grossprojekte in der Stadt St.Gallen optimiert werden?

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2. Politische Dimensionen in Bezug auf die Stadt St.Gallen

Bevor in Kapitel 3 die Begriffe BKom und BüBet aus einer wissenschaftlichen Perspektive

beleuchtet werden, müssen die politischen Dimensionen in Bezug auf die Stadt St.Gallen

und die beiden Fallbeispiele geklärt werden. Dabei kann zwischen der Polity, welche die

formale Dimension oder den Rahmen von Politik bezeichnet, den Politics, die den politi-

schen Prozess beschreiben, und der Policy, welche auf die konkreten Inhalte der Politik fo-

kussiert, unterschieden werden (vgl. Jarren/Donges 2011, 17). Diese drei politischen Di-

mensionen sind in der Praxis nicht immer trennscharf voneinander abgrenzbar (vgl. ebd.).

Zudem müssten sie typischerweise auf beide Fallbeispiele einzeln angewendet werden. Da

die Polity-Dimension aber für beide Fallbeispiele identisch ist, wird sie nur einmal unter Kapi-

tel 2.1 abgehandelt. Die Politics- und Policy-Dimensionen werden hingegen einzeln pro Fall-

beispiel beleuchtet.

2.1 Politischer Rahmen in der Stadt St.Gallen (Polity)

Gestützt auf das kantonale Gemeindegesetz (vgl. Kanton St.Gallen 2009, Art. 3), bildet die

Gemeindeordnung aus dem Jahr 2004 den politischen Rahmen für die Stadt St.Gallen. In

der Gemeindeordnung werden die drei Organe der Stadt definiert: die Bürgerschaft, das

Stadtparlament und der Stadtrat (vgl. Stadt St.Gallen 2004a, Art. 2). In einem Anhang der

Gemeindeordnung sind die finanziellen Kompetenzen der drei Organe geregelt. Bei den im

Rahmen dieser Arbeit untersuchten Fallbeispielen handelt es sich um einmalige Ausgaben

mit Investitionscharakter. Ausgaben dieser Art können bis CHF 300‘000 durch den Stadtrat

beschlossen werden. Über Beträge zwischen CHF 300‘001 und CHF 750‘000 beschliesst

das Stadtparlament, während Ausgaben von CHF 750‘001 bis CHF 15 Millionen dem fakul-

tativen Referendum und Ausgaben über CHF 15 Millionen dem obligatorischen Referendum

unterliegen (vgl. Stadt St.Gallen 2004b, 1). Damit unterstehen die beiden Fallbeispiele die-

ser Masterarbeit dem obligatorischen Referendum, welches zwingend eine Volksabstim-

mung verlangt (vgl. Stadt St.Gallen 2004a, Art. 7).

Die BKom ist unter Art. 51 der Gemeindeordnung und detailliert im Reglement über die

Kommunikation des Stadtrates und der städtischen Verwaltung geregelt (vgl. Stadt St.Gallen

2004a; vgl. Stadt St.Gallen 2001). Gemäss diesem Reglement besteht die Absicht, die Be-

ziehung zur Öffentlichkeit zu fördern und Grundlagen für die politische Meinungs- und Wil-

lensbildung zu vermitteln. Das Reglement geht unter anderem auf Kommunikationsgrund-

sätze, Kommunikationsträger und Kommunikationsmittel ein. Dabei werden auch wesentli-

che Punkte, wie zum Beispiel die Wirtschaftlichkeit und Verhältnismässigkeit, die unter Kapi-

tel 3 aus einer theoretischen Perspektive beleuchtet werden, geregelt (vgl. Stadt St.Gallen

2001, Art. 24). Unter Art. 11 ist zudem festgehalten, dass Stadtrat und Verwaltung den zeitli-

chen Schutzbereich im Vorfeld von Abstimmungen einhalten. Es fällt auf, dass das Regle-

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ment zwar auf E-Government und Internet hinweist, jedoch nicht weiter auf die damit zu-

sammenhängenden neuen Anforderungen an die BKom und BüBet eingeht (vgl. Stadt

St.Gallen 2001, Art. 26). Das dürfte daran liegen, dass es auf einem Kommunikationskon-

zept aus dem Jahre 2000 basiert (vgl. Stadt St.Gallen 2001).

Auf das Thema der BüBet geht die Gemeindeordnung nur am Rande ein. So ist unter dem

Titel Partizipation festgehalten, dass in Belangen, die ein Quartier besonders betreffen, die

dortige Bevölkerung angemessen einzubeziehen ist (vgl. Stadt St.Gallen 2004a, Art. 3).

Weiter steht, dass die Stadt Institutionen schaffen oder unterstützen kann, welche der Mit-

sprache der Bevölkerung an der Planung und der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben dient

(vgl. ebd.).

2.2 Politischer Prozess bei baulichen Grossprojekten in der Stadt St.Gallen (Politics)

Ein bauliches Grossprojekt können sowohl die Stadtverwaltung selbst als auch die Politik

oder die Bevölkerung anstossen, wobei es sich meist weniger um einen konkreten Anstoss,

sondern vielmehr um eine Entwicklung handelt, welche dann in einem formalen Projektstart

mündet. Entwickelt sich ein bauliches Bedürfnis also entsprechend oder wird es angestos-

sen, so nimmt der Stadtrat dieses in die mehrjährige Investitionsplanung auf. Soll das Vor-

haben dann konkret angegangen werden, gilt es zunächst die planerischen Grundlagen –

das Programm für den Wettbewerb – zu erarbeiten. Wenn das Programm steht, folgt an-

schliessend ein Projektwettbewerb. Dabei gibt es verschiedene Formen von Projektwettbe-

werben, wobei in den beiden Fallbeispielen jeweils offene Wettbewerbe, also ohne Bewer-

bungsverfahren und Teilnehmerbegrenzung, nach SIA-Norm durchgeführt wurden. Die

Wettbewerbsergebnisse werden von einer Fachjury bewertet. Nachdem diese ein Ge-

winnerprojekt erkoren hat, muss der Stadtrat dieses genehmigen. Der Stadtrat hat an dieser

Stelle die Möglichkeit, das Siegerprojekt abzulehnen, was in den beiden hier untersuchten

Beispielen aber nicht der Fall war. Genehmigt der Stadtrat das Gewinnerprojekt, so wird ein

Projektierungskredit für das Vorprojekt im Stadtparlament beantragt, wobei sich hier in den

Fallbeispielen Unterschiede zeigen (vgl. Kapitel 2.2.1; vgl. Kapitel 2.2.2). Mit diesem Projek-

tierungskredit wird auf der Basis des Gewinnerprojekts das eigentliche Projekt erarbeitet.

Dieses ist so detailliert, dass sich Parlament und Volk eine Meinung darüber bilden können.

Es ist aber noch kein Ausführungsprojekt, da nicht unnötig Planungskosten generiert werden

sollen, ohne die Sicherheit zu haben, dass das Projekt auch effektiv umgesetzt wird. Das

Detailprojekt geht anschliessend zuerst in den Stadtrat und danach in das Stadtparlament.

Stimmen diese zu und belaufen sich die Projektkosten wie in den hier vorliegenden Fallbei-

spielen auf über CHF 15 Millionen Franken, kommt die Vorlage zwingend vor das Volk.

Stimmen Bürgerinnen und Bürger dem Projekt in einer Volksabstimmung zu, wird ein Aus-

führungsprojekt erarbeitet, welches anschliessend zur Realisierung kommt.

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Wie die beiden folgenden Abschnitte 2.2.1 und 2.2.2 zeigen, gibt es – je nach Projekt – Un-

terschiede bezüglich Anzahl, Inhalt und Einreichungszeitpunkt der einzelnen Parlamentsvor-

lagen. Grundsätzlich müssen Kredite, die CHF 300‘000 übersteigen, durch das Stadtparla-

ment verabschiedet werden (vgl. Kapitel 2.1).

2.2.1 Politischer Prozess Neugestaltung Marktplatz

Bei der Neugestaltung Marktplatz kann weniger von einem konkreten Anstoss, sondern eher

von einer Entwicklung gesprochen werden. So wurde die Programmerstellung ohne Kredit

des Parlaments realisiert. Anschliessend wurde in einem Schritt für die Wettbewerbsdurch-

führung und das Vorprojekt ein Kredit im Parlament beantragt. Erst nachdem Wettbewerb

und Vorprojekt abgeschlossen waren, kam die definitive Vorlage Neugestaltung Marktplatz

ins Stadtparlament und anschliessend vor das Volk (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Politischer Prozess bei der Neugestaltung Marktplatz (eigene Darstellung)

2.2.2 Politischer Prozess Neugestaltung Bahnhofplatz

Anders als bei der Neugestaltung Marktplatz wurde bei der Neugestaltung Bahnhofplatz

bereits für die Programmerarbeitung ein Kredit im Stadtparlament beantragt. Danach wurde

das Wettbewerbsergebnis im Parlament vorgestellt und ein Kredit für das Vorprojekt einge-

holt. Abschliessend wurde das Vorprojekt von Stadtrat und Stadtparlament verabschiedet

und dem Volk vorgelegt (vgl. Abbildung 2).

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Abbildung 2: Politischer Prozess bei der Neugestaltung Bahnhofplatz (eigene Darstellung)

2.3 Neugestaltung Marktplatz (Policy)

Die Neugestaltung von Bohl, Marktplatz und Blumenmarkt – kurz Neugestaltung Marktplatz

– ist ein städtebauliches Grossprojekt, welches die Stadt St.Gallen seit Jahren beschäftigt.

Folgend wird eine Politikfeldanalyse mit Hilfe des Policy-Cycle-Modells durchgeführt, um die

konkreten Inhalte des Projekts zu veranschaulichen (vgl. Blum/Schubert 2011, 104).

2.3.1 Problemwahrnehmung und Agenda Setting

Einig sind sich alle Parteien, dass der Marktplatz das Herz der St.Galler Altstadt ist und da-

mit eine entsprechende städtebauliche Relevanz hat. Einig ist man sich auch, dass auf dem

und um den Marktplatz

- dringend grosszügige Freiflächen für Flanieren, Begegnung und Verweilen im Alltag

wie an Veranstaltungen und Festen nötig sind,

- die Einkaufsmöglichkeiten attraktiv bleiben müssen, damit die Kundschaft nicht an

die grossen Einkaufszentren an der Peripherie verloren geht,

- die Parkplatzsituation für den Individualverkehr gelöst werden muss,

- Verbesserungen für den öffentlichen Verkehr erreicht werden müssen.

Wie so oft ist man sich aber nicht einig, wie diese gemeinsamen Ziele erreicht werden sol-

len. Dabei scheint vor allem die zu lösende Parkplatzsituation für den Individualverkehr die

politischen Parteien wie auch die Bevölkerung zu spalten. Während der Marktplatz in den

letzten 30 Jahren kontinuierlich vom Individualverkehr befreit wurde, scheiden sich an der

Aufhebung der letzten oberirdischen Parkplätze die Geister.

Die Neugestaltung Marktplatz schaffte es aufgrund der allgemein anerkannten Problemlage,

nach mehreren Anstossversuchen von verschiedenen Seiten, im Januar 2008 auf die politi-

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sche Agenda. Zu diesem Zeitpunkt kam die Vorlage für die Programmerarbeitung und den

Wettbewerb in das Stadtparlament (vgl. Stadt St.Gallen 2007).

2.3.2 Politikformulierung und Entscheidungsfindung

Aufgrund der erwähnten Parkplatzproblematik entstand bereits im Jahr 2005 seitens einer

privaten Gruppierung die Idee eines zentralen Parkhauses direkt unter dem Marktplatz (vgl.

Gehrig 2005). Obwohl der damalige Stadtrat die private Initiative begrüsste, äusserte er

Vorbehalte bezüglich „der Belastbarkeit des umliegenden Strassennetzes“ (Stadt St.Gallen

2007, 3). Um diesen Vorbehalten Rechnung zu tragen, schlug der Stadtrat in seiner eigenen

Vorlage ein Parkhaus Schibenertor westlich des Marktplatzes vor. Zu diesem Zeitpunkt

stand bereits fest, dass der Ersatz der öffentlichen oberirdischen Parkplätze auf dem Markt-

platz Voraussetzung für eine Neugestaltung sein würde. Deshalb sollte das Cityparking

Schibenertor von der Stadt zusammen mit privaten Investoren erstellt werden. Mit dem

St.Galler Parkplatzkonsens aus dem Jahr 2010 haben dann im Rahmen der Neugestaltung

Marktplatz alle Fraktionen des Stadtparlaments und die betroffenen Verbände vereinbart,

„dass sämtliche öffentliche Parkplätze im Einzugsgebiet des neuen Parkhauses aufgehoben

werden“ (Stadt St.Gallen 2010a, 5). Obwohl auf politischer Ebene und Verbandsebene eine

Lösung gefunden schien, wurde das Cityparking Schibenertor im Abstimmungskampf kont-

rovers diskutiert. Die Vorlage wurde schliesslich am 15. Mai 2011 an der Urne abgelehnt.

2.3.3 Politikimplementierung

Da die 36-Millionen-Franken-Vorlage im Jahr 2011 an der Urne scheiterte, kam das Projekt

nicht über die Entscheidungsfindungsphase hinaus und es fand bis heute seitens Politik und

Verwaltung keine Implementierung einer vom Volk abgesegneten Gesamtlösung statt.

2.3.4 Evaluierung

Eine VOX-Analyse nach der Abstimmung vom Mai 2011 zeigte, dass das Grossprojekt nicht

an inhaltlicher Überforderung der Stimmbürger scheiterte, sondern daran, „dass das Parla-

ment etwas beschlossen hatte, welches die Stimmbürgerschaft nicht teilte“ (VOX-Analyse

2011, 3). Die Ablehnung der Vorlage sei die Folge der Kritik an den Kosten, dem Parkplatz-

konsens und dem Abbruch der Calatrava-Haltestelle gewesen (vgl. ebd.).

2.3.5 Kommunikation Neugestaltung Marktplatz

Im Rahmen der Neugestaltung Marktplatz verfügte die Stadt St.Gallen über kein Budget für

die Öffentlichkeitsarbeit. Trotzdem wurden einige wenige Kommunikationsmassnahmen

realisiert. Neben der üblichen Abstimmungsbroschüre wurde ein Informationsstand beim

Marktplatz installiert und kurz vor der Abstimmung fanden drei Rundgänge mit den zustän-

digen Stadträten statt. Innerhalb des zeitlichen Schutzbereiches wurde zudem auf Fehlin-

formationen seitens Gegnerschaft reagiert sowie über die kurzfristig bekannt gewordene

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finanzielle Beteiligung des Bundes informiert. Einen Überblick der wenigen städtischen

Kommunikationsaktivitäten liefert die Abbildung 3.

Abbildung 3: Kommunikation bei der Neugestaltung Marktplatz (eigene Darstellung)

2.3.6 Aktueller Stand

Im September 2013 stellte der Stadtrat eine Konzession für das Parkhaus Union+ westlich

des Marktplatzes beim Schibenertor in Aussicht. Dieses soll ohne Beteiligung der Stadt von

Privaten realisiert werden. Der Entscheid führte in der Öffentlichkeit zu der Kritik, der Stadt-

rat würde die Ergebnisse der VOX-Analyse missachten und am Volk vorbei entscheiden.

Aktuell ist seitens der Verwaltung zudem ein neues Marktplatz-Projekt in Planung. Mit dem

vorweggenommenen Entscheid für das Parkhaus Union+ hat sich vor allem bezüglich der

Parkplatzsituation die Ausgangslage verändert.

2.4 Neugestaltung Bahnhofplatz (Policy)

Die Neugestaltung Bahnhof und Bahnhofplatz St.Gallen – kurz Neugestaltung Bahnhofplatz

– dient als zweites Fallbeispiel im Rahmen dieser Masterarbeit und soll ebenfalls nach dem

Policy-Cycle von Blum und Schubert analysiert werden (vgl. Blum/Schubert 2011, 104). Er-

gänzend werden die Kommunikationsaktivitäten kurz aufgeführt.

2.4.1 Problemwahrnehmung und Agenda Setting

Der Bahnhofplatz St.Gallen ist die öV-Drehscheibe der Ostschweiz und wird täglich von rund

80'000 Menschen genutzt (vgl. Stadt St.Gallen 2012, 1). Der Platz erhielt sein „heutiges Ge-

sicht“ (ebd., 1) 1978 und genügt den aktuellen Anforderungen, speziell bezüglich Personen-

und öV-Verkehr, nicht mehr. Da Bahnhofplatz und Bahnhof eng miteinander verbunden sind,

wurde seitens der Stadt und der SBB ein gemeinsames Projekt zur Neugestaltung erarbei-

tet. Dabei übernimmt die Stadt St.Gallen Kosten von rund 37 Millionen Franken.

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Die wichtigsten Aspekte der Neugestaltung sind:

- Neue Regelung des öffentlichen Verkehrs

- Anpassungen bezüglich der massiv gestiegenen Personenströme

- Neugestaltung des Bahnhofplatzes mit dem Ziel, eine gute Visitenkarte der Stadt zu

schaffen

- Neue Regelung des motorisierten Individualverkehrs

- Verbesserungen für Taxis und Velos

Aufgrund ihrer Bedeutung für den Standort St.Gallen kam die Neugestaltung Bahnhofplatz

im Februar 2007 mit der Vorlage zur Ausarbeitung eines Wettbewerbsprogramms in das

Stadtparlament und damit auf die politische Agenda (vgl. Stadt St.Gallen 2006).

2.4.2 Politikformulierung und Entscheidungsfindung

Nachdem das überarbeitete Wettbewerbsprojekt in der Öffentlichkeit zu kontroversen Dis-

kussionen führte, wurde in einem „öffentlichen Partizipationsverfahren“ (Stadt St.Gallen

2012, 2) die Meinung der Bürgerinnen und Bürger zum Projekt erfragt. Diese kritisierten in

dem Verfahren, bei dem insgesamt rund 300 Personen befragt wurden, den geplanten Ku-

bus der Ankunftshalle sowie das Fehlen einer Unterführung unter den Bushaltestellen hin-

durch auf den Kornhausplatz. Der Kubus wurde unter anderem aufgrund dieser Anregungen

verkleinert und die Verlängerung der Unterführung in Form einer Grundsatzabstimmung in

die Abstimmungsvorlage aufgenommen. Weiter wurde in der Kommunikation gezielt auf die

Bedenken der Öffentlichkeit eingegangen. Dies war im Gegensatz zur Neugestaltung Markt-

platz unter anderem daher möglich, weil bereits im städtischen Verpflichtungskredit für das

Vorprojekt rund CHF 120'000 für die Öffentlichkeitsarbeit, Modelle und Visualisierungen vor-

gesehen waren (vgl. Stadt St.Gallen 2010b, 14). Die SBB stellten ebenfalls CHF 120‘000 für

die Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen des Vorprojekts zur Verfügung.

Am 9. Juni 2013 wurde das Projekt zur Neugestaltung des Bahnhofplatzes im Rahmen einer

Volksabstimmung angenommen. In der Grundsatzabstimmung zur Unterführungsverlänge-

rung wurde diese vom Volk deutlich abgelehnt. Die Volksabstimmung hätte bereits im Jahr

2012 stattfinden sollen, verzögerte sich aber aufgrund des Beteiligungsverfahrens (Umfrage)

um ein Jahr (vgl. Abbildung 2).

2.4.3 Politikimplementierung und Evaluierung

Aktuell wird das Ausführungsprojekt erarbeitet, welches dann bis 2018 etappenweise reali-

siert werden soll. Da die Umsetzung des Projekts noch nicht abgeschlossen ist respektive

erst folgt, kann bezüglich des eigentlichen Projekts noch keine Evaluation vorgenommen

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 14

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werden. Es kann aber festgehalten werden, dass auf politischer Ebene eine mehrheitsfähige

Lösung gefunden wurde und diese sich nun in der Umsetzungsphase befindet.

2.4.4 Kommunikation Neugestaltung Bahnhofplatz

Die Kommunikation zur Neugestaltung Bahnhofplatz war ursprünglich auf einen Abstim-

mungstermin im Sommer 2012 ausgelegt. Daher gab es seitens der Behörde nicht nur in

den Monaten vor der Abstimmung vom 9. Juni 2013 konzentrierte Kommunikationsmass-

nahmen, sondern bereits im Jahr 2012. Konkret wurden 2012 vier Pressekonferenzen zum

Thema abgehalten und drei Medienmitteilungen verschickt. Die Info-Tafeln auf dem Bahn-

hofplatz wurden bereits Mitte 2011 aufgestellt und blieben – jeweils auf den aktuellen Stand

gebracht – bis über die Abstimmung hinaus stehen. Die Behörde hat mit dem Perron 9

zweimal eine Zeitung herausgebracht, welche in alle Haushalte verschickt und öffentlich

aufgelegt wurde. Die Auflage belief sich auf jeweils 60‘000 Exemplare. Am 13. März 2013

wurde zudem eine Ausstellung in der Hauptpost, direkt beim Bahnhofplatz, eröffnet, welche

öffentlich zugänglich war, jedoch auch für angemeldete Führungen, Veranstaltungen und

politische Anlässe genutzt wurde. Die letzte Veranstaltung aus der Serie Brennpunkte fand

sogar knapp innerhalb des zeitlichen Schutzbereiches, nämlich am 21. Mai 2013, statt. Im

Abstimmungsjahr fanden zwei Pressekonferenzen statt: eine im März zur Eröffnung der

Ausstellung in der Hauptpost und eine zum Versand der Abstimmungsunterlagen am 6. Mai.

Erwähnenswert ist weiter die Medienmitteilung Stadtrat stellt richtig, mit welcher innerhalb

des zeitlichen Schutzbereiches auf Fehlinformationen der Gegnerschaft reagiert wurde. Das

Budget für die Kommunikation im Rahmen der Neugestaltung Bahnhofplatz belief sich bis

zum Abstimmungstermin auf insgesamt CHF 450‘000, je zur Hälfte von der Stadt St.Gallen

und von den SBB getragen. Bis zur Volksabstimmung vom 9. Juni 2013 wurden rund CHF

350‘000 dieses Budgets für BKom und BüBet ausgegeben (vgl. Abbildung 4).

Abbildung 4: Kommunikation bei der Neugestaltung Bahnhofplatz (eigene Darstellung)

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 15

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3. Theoretische Grundlagen

Nachdem in Kapitel 2 die politischen Dimensionen in Bezug auf die Stadt St.Gallen und die

beiden Fallbeispiele dargelegt wurden, werden folgend die Begriffe BKom und BüBet ge-

klärt, Definitionsversuche unternommen sowie spezielle Aspekte, Formen und Eigenschaf-

ten beleuchtet.

3.1 Klärung des Begriffs BKom

Die direkte Schweizer Demokratie setzt ein Entscheidungsverfahren voraus, bei dem ein

möglichst breit abgestützter Konsens angestrebt wird. Habermas spricht diesbezüglich auch

von Republikanismus, wobei nicht nur „in der Form von Kompromissen, sondern auch nach

dem Modell von öffentlichen Diskursen, die auf die rationale Akzeptabilität von Regelungen

im Lichte verallgemeinerter Interessen, geteilter Wertorientierung und begründeter Prinzi-

pien abzielen“ (Habermas 1999, 165 f.), nach Lösungen gesucht wird. In einem solchen

System hat Kommunikation eine hohe Bedeutung, da sie idealtypisch „einen intensiven poli-

tischen Diskurs“ (Wuerth 1999, 356) initiiert. Die BKom ist daher eine wichtige Stütze der

schweizerischen Demokratie.

In der Wissenschaft wird die Kommunikation in und von Organisationen als Organisations-

kommunikation (OKom) bezeichnet (vgl. Theis-Berglmair 2003, 18). Nach dem Modell von

Bornschein ist BKom wie auch Unternehmenskommunikation (UKom) als eine Untergruppe

von OKom zu verstehen (vgl. Bornschein 2010, 48; vgl. Mast 2008, 12). Sie „umfasst die

von Regierung und Verwaltung ausgehenden Informations- und Kommunikationsprozesse in

allen politischen Phasen mit den jeweiligen externen und internen Bezugsgruppen“ (Neuro-

ni/Zielmann 2004, 4). Nach Feik kann die BKom in individual-, staats- und öffentlichkeitsbe-

zogene Aktivitäten unterteilt werden (vgl. Feik 2007, 35). Während unter der individualbezo-

genen Informationstätigkeit (iBKom) die Auskunft und die Beratung verstanden werden, be-

zieht sich die staatsbezogene Informationstätigkeit (sBKom) auf den Informationstransfer

zwischen den staatlichen Gliederungen – wie zum Beispiel zwischen Verwaltung und Par-

lament – sowie auf die Informationsvorsorge. Im Rahmen dieser Masterarbeit wird haupt-

sächlich auf die öffentlichkeitsbezogene Informationstätigkeit, welche die Öffentlichkeitsar-

beit sowie die informationellen Steuerungsmittel Aufklärung, Empfehlung und Warnung be-

inhaltet (vgl. ebd.), eingegangen. Wobei die informationellen Steuerungsmittel an dieser

Stelle nicht detaillierter erläutert werden. Die Abbildung 5 stellt die beschriebene Einordnung

und Unterteilung der BKom grafisch dar.

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Masterarbeit Roman Kohler 12.02.2014 16

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Abbildung 5: Einordnung und Unterteilung der BKom (vgl. Bornschein 2010, Mast 2008 und Feik 2007)

Um bezüglich des Begriffs BKom Missverständnisse zu vermeiden, sei angemerkt, dass oft

auch von staatlicher Öffentlichkeitsarbeit (vgl. Feik 2007, 21; vgl. Schwarzer 1999, 10 ff.),

Staatskommunikation (vgl. Neuroni/Zielmann 2004, 4) oder Regierungs- und Verwaltungs-

kommunikation gesprochen wird (vgl. Gebaur 1998, 464; vgl. Czerwick 1998, 489).

3.2 Definition BKom

BKom kann als Kommunikation in und von Verwaltungsbetrieben verstanden werden, die

auf das Erreichen der Behördenziele ausgerichtet ist (vgl. Bornschein 2010, 24). Dabei lässt

sich BKom in individual-, staats- und öffentlichkeitsbezogene Aktivitäten unterteilen (vgl.

Feik 2007, 35). In der Regel sollte BKom auf der Adressatenseite zu einem Zuwachs an

Informationsvermögen führen und damit im Optimalfall bei den Rezipienten die seitens der

Behörden gewünschten Verhaltensweisen auslösen (vgl. Bornschein 2010, 24). Weiter hat

sich BKom an rechtliche Rahmenbedingungen zu halten (vgl. Stadt St.Gallen 2001).

3.3 Rechtliche Grundlagen und Grenzen der BKom

BKom bewegt sich seit jeher auf einem schmalen Grat zwischen Information und Propagan-

da. Staatliche Selbstdarstellung konnte schon zu Zeiten absolutistischer Könige und römi-

scher Kaiser oder später in Form nationalsozialistischer Propaganda im Zweiten Weltkrieg

sowie in den 1990er Jahren in der Live-Kriegsberichterstattung ausgemacht werden (vgl.

Feik 2007, 7). Dieses informationelle Handeln von staatlichen Institutionen ist also nicht al-

lein dem Informationszeitalter zuzuschreiben, sondern ist „im Wesentlichen seit jeher beste-

hende Handlungsform des Staates“ (ebd., 7). So stehen die Notwendigkeit und die Grenzen

der BKom auch heute immer wieder im Zentrum vieler Debatten (vgl. Neuroni 2007, 20). In

der Schweiz beziehen sich diese Debatten meist auf die BKom im unmittelbaren Vorfeld von

Abstimmungen, wobei in der Bundesverfassung die Wahl- und Abstimmungsfreiheit als Teil-

gehalt des Schutzes der politischen Rechte verankert ist (vgl. Besson 2003, 6). Gemäss

neuerer Lehre stellt sich heute allerdings nicht mehr die Frage, ob Behörden an Abstim-

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 17

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mungskämpfen teilnehmen, sondern vielmehr diejenige nach der Art und Weise, wie sie das

tun (vgl. Besson 2003, 179). Dabei ist gemäss Bundesgerichtsentscheid jede direkte Ein-

flussnahme der Behörden, welche die freie Willensbildung der Stimmbürgerinnen und

Stimmbürger im Vorfeld von Abstimmungen verfälschen würde, grundsätzlich unzulässig

(vgl. BGE 1991, E. 5a). Behörden haben im Vorfeld von Abstimmungen objektiv zu informie-

ren, dürfen nicht falsch orientieren und ebenso nicht mit unverhältnismässigem Einsatz öf-

fentlicher Mittel in den Abstimmungskampf eingreifen (vgl. BGE 2008, E. 5; vgl. BGE 1982,

E. 3b). Zudem besteht ein zeitlicher Schutzbereich im Vorfeld von Abstimmungen, während

dessen Behörden grundsätzlich nicht in den Abstimmungskampf eingreifen dürfen (vgl. Bes-

son 2003, 71). Auf der anderen Seite haben die Behörden ihrer Informationspflicht nachzu-

kommen, indem sie Bürgerinnen und Bürger über ihre aktuellen Tätigkeiten auf dem Lau-

fenden halten und zu diesem Zweck auch aktive Öffentlichkeitsarbeit betreiben (vgl. Jar-

ren/Sarcinelli/Saxer 1998, 658 f.). Zudem sehen Behörden ihre Bürgerinnen und Bürger

heute nicht mehr als Untertanen, sondern als Anspruchsberechtigte, gegenüber denen sie

bemüht sind, das eigene Handeln zu rechtfertigen (vgl. Czerwick 1998, 489). In der Praxis

zeigt sich gerade im Vorfeld von Abstimmungen immer wieder, dass sich die BKom oft in

einem Graubereich bewegt. Schnell ist von Propaganda oder auf der anderen Seite von

Nicht-Erfüllen der Informationspflicht die Rede. Dies führt nicht selten zu Beschwerden sei-

tens Parteien, oppositioneller Organisationen, Interessengemeinschaften und Politikvertre-

tern.

3.4 Zentrale Aspekte der BKom

Nach Klärung des Begriffs BKom, einem Definitionsversuch und dem Skizzieren der rechtli-

chen Rahmenbedingungen werden folgend die wichtigsten Aspekte der BKom aufgegriffen

und detaillierter thematisiert.

3.4.1 Gebote der BKom

Allgemein und speziell im Vorfeld von Abstimmungen hat BKom den Geboten der Sachlich-

keit, Verhältnismässigkeit, Transparenz und – zumindest im Ansatz – der Neutralität zu ge-

nügen (vgl. Besson 2003, 169; vgl. Feik 2007, 325):

- Sachlichkeit ist dann gegeben, wenn inhaltlich korrekt, ausgewogen, kurz, nicht lü-

ckenhaft sowie klar und verständlich kommuniziert wird. Das Gebot der Sachlichkeit

gilt nicht nur für den Inhalt, sondern auch für die Aufmachung (vgl. Besson 2003,

196).

- Die Verhältnismässigkeit wird dann verletzt, wenn unverhältnismässig hohe finanziel-

le Mittel für die BKom aufgewendet werden, wobei sich die Verhältnismässigkeit an

der Grösse der Bürgerschaft, der Grösse und Komplexität des konkreten Informati-

onsgegenstands sowie an der Ausgabenhöhe anderer Akteure misst. In einer Stadt

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 18

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mit 70‘000 Einwohnern darf also mehr Geld in die BKom fliessen als in einer 500-

Seelen-Gemeinde. In die Kommunikation für ein komplexes bauliches Grossprojekt

darf demnach ebenfalls mehr Geld fliessen als in ein kleines Projekt zur Sanierung

eines Schulhauses. Im Sinne der freien Willensbildung hat sich das behördliche

Budget für die Kommunikation bei einer Abstimmungsvorlage zudem an dem Budget

der anderen Akteure, insbesondere an jenem der Projektgegner, zu orientieren (vgl.

Besson 2003, 208 ff.).

- Transparenz ist gegeben, wenn die Behörden nicht verdeckt Einfluss nehmen. Das

heisst, investierte Gelder sowie personelle und infrastrukturelle Ressourcen müssen

im Detail offengelegt werden. Zudem ist es Behörden im Rahmen von Abstimmun-

gen verboten, private Komitees finanziell zu unterstützen oder mit ihnen zusammen-

zuarbeiten mit dem Ziel, so die Abstimmung zu gewinnen. Eine Zusammenarbeit

zwischen Behörden und Privaten ist nur mit dem Ziel möglich, „einen Beitrag zu einer

‚besseren‘ Willensbildung der Stimmbürger“ zu leisten (Besson 2003, 207).

Im Gegensatz zu Wahlen ist im Vorfeld von Abstimmungen dem Gebot der Neutralität ge-

mäss Bundesgericht ein etwas geringeres Gewicht zuzuschreiben. So sollen sich Behörden

im Vorfeld von Abstimmungen nicht ausschliesslich neutral verhalten, „es kommt ihnen viel

mehr eine Beratungsfunktion zu“ (vgl. Besson 2003, 126 f.), wobei sich diese Beratungs-

funktion auf die behördlichen Abstimmungserläuterungen beschränkt. Autoren wie Tschan-

nen sind aber seit längerem der Ansicht, dass ein Neutralitätsgebot dem grundsätzlichen

Anspruch des Dialogs und des Diskurses mit dem Staat widerspricht (vgl. Tschannen 1995,

425 ff.). Dieser von Tschannen bereits 1995 genannte Widerspruch hat sich durch die heuti-

ge Mediengesellschaft sowie Web 2.0 und Social Media wohl weiter zugespitzt (vgl. Bernet

2010, 17).

3.4.2 Zeitlicher Schutzbereich der Abstimmungsfreiheit

Der zeitliche Schutzbereich der Abstimmungsfreiheit stellt sicher, dass im Vorfeld von Ab-

stimmungen keine unzulässige Beeinflussung der Willensbildung durch die Behörden statt-

findet (vgl. Besson 2003, 71). Es ist jedoch nicht klar geregelt, was unter Vorfeld zu verste-

hen ist (vgl. ebd., 71 ff.). Während nach Besson der Schutzbereich mit der Abstimmungsrei-

fe, also dem Zeitpunkt der endgültigen Verabschiedung der Vorlage durch das Parlament,

beginnt (vgl. ebd., 82), wird in der Stadt St.Gallen traditionell die Ankunft der Abstimmungs-

unterlagen in den Haushalten, drei Wochen vor dem Abstimmungstermin, als Schutzbereich

definiert. In den drei Wochen vor dem Abstimmungstermin dürfen die St. Galler Behörden

also nicht mehr aktiv in den Abstimmungskampf eingreifen. Ausnahmen bilden die Richtig-

oder Klarstellung irreführender Informationen von Privaten oder den Behörden selbst (vgl.

ebd., 117). Unter Umständen trifft die Behörden in einem solchen Fall, ebenfalls im Sinne

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 19

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einer freien Meinungs- und Willensbildung, sogar „eine Pflicht zur Abgabe zusätzlicher In-

formationen“ (vgl. Besson 2003, 117). Weiter kann ein Eingreifen in diesem zeitlichen

Schutzbereich gerechtfertigt sein, wenn neue, für den Entscheid erhebliche, Tatsachen be-

kannt werden oder wenn „die Komplexität des Abstimmungsgegenstandes Zusatzinformati-

onen notwendig macht“ (ebd., 118). Zusammengefasst rechtfertigen also in Umlauf geratene

irreführende Informationen, neue erhebliche Tatsachen für den Entscheid sowie eine hohe

Komplexität des Abstimmungsgegenstandes ein Eingreifen der Behörden in den Abstim-

mungskampf. Hingegen bildet „allein die Tatsache, dass eine Vorlage besonders umstritten

ist, […] keinen triftigen Grund für eine zusätzliche Information der Behörden“ (ebd., 119).

3.4.3 Teilnahmepflicht der Behörden

Im Rahmen dieser Masterarbeit soll auch auf das Konzept der responsiven Demokratie

(responsive government) eingegangen werden, nach dessen Verständnis mit Hilfe eines

„ständigen, gegenseitigen Dialogs zwischen Behörden und Bürgern“ die „Offenheit, Porosität

und Lernfähigkeit des politischen Systems gewährleistet, erhalten und gestärkt“ werden soll

(Besson 2003, 147). Dieses Konzept von Demokratie setzt einen ständigen Informations-

fluss zwischen Behörden und Bürgern voraus und widerspricht damit zum Teil der älteren

Lehre, wonach die Willensbildung unter Ausschluss von behördlichen Kommunikationsaktivi-

täten stattzufinden hat (vgl. ebd., 2). Gerade im unmittelbaren Vorfeld von Abstimmungen ist

das öffentliche Interesse an der Abstimmungsvorlage aber am grössten und damit auch der

Bedarf nach einem Dialog mit den Behörden am dringlichsten. Sieht man von einer klas-

sisch-liberalen Trennung von Staat und Gesellschaft ab, besteht im Rahmen dieses respon-

siven Demokratieverständnisses sogar die staatliche Pflicht zum Abbau von Informationslü-

cken seitens der Bürgerinnen und Bürger (vgl. ebd., 157 f.), denn in Bezug auf die Willens-

bildung sind Informationslücken genauso problematisch wie auf der anderen Seite die un-

rechtmässige Beeinflussung durch Kommunikationsaktivitäten der Behörden. Zudem kann

BKom aufgrund des grossen Wissensreservoirs der Verwaltung zu einer „quantitativen Ver-

tiefung der öffentlichen Debatte“ (ebd., 167 ff.) beitragen, was sich wiederum positiv auf den

freien Meinungsbildungsprozess auswirken dürfte.

3.5 Web 2.0 und Social Media in der BKom

In den letzten Jahren haben technische Weiterentwicklungen die BKom stark beeinflusst.

Nach dem Internet kamen das Web 2.0, die sozialen Medien und zuletzt die Smartphones.

Dieser Entwicklung der Kommunikationsdigitalisierung begegnen Behörden seit Anfang des

dritten Jahrtausends mit dem Begriff E-Government.

Während zu Beginn mit E-Government lediglich die Digitalisierung von Verwaltungsprozes-

sen gemeint war, wird der Begriff heute wesentlich breiter verstanden. So wird unter E-

Government heute der Gebrauch des Internets oder anderer digitaler Kanäle zur Erbringung

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 20

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von Verwaltungsdienstleistungen und zur Information der Bürgerinnen und Bürger sowie zur

Förderung der E-Democracy und Partizipation verstanden (vgl. West 2005, 1; vgl. Neuroni

2007, 33 ff.). Unter diesen Gesichtspunkten könnte heute jegliche digitale BKom sowie auch

die Online-BüBet als Teil des E-Governments der Verwaltung bezeichnet werden. Born-

schein spricht im Zusammenhang mit digitaler BKom auch von mediengestützter BKom

(mBKom) (vgl. Bornschein 2010, 24).

Diese technisch rasanten Entwicklungen in den letzten Jahren führten zu einer Medienge-

sellschaft, in welcher die politische Kommunikation zu einer immer „wichtigeren Ressource

von Regierung und Parteien“ (Novy/Schwickert 2009, 13) geworden ist. Das Internet, allen

voran die sozialen Plattformen, wird zunehmend zum anerkannten Massenmedium (vgl.

Dowe 2009, 47). Der Schlüsselbegriff lautet Web 2.0 und Nutzer konsumieren nicht mehr

nur Inhalte, sondern produzieren diese selbst (vgl. ebd., 48). Damit werden Web 2.0 und

soziale Plattformen vor allem auch für die BüBet interessant, indem sie neue Möglichkeiten

der Partizipation bieten (vgl. Kapitel 3.10). Abschliessend kann festgehalten werden, dass

eine auf Dialog und Glaubwürdigkeit basierende öBKom heute Voraussetzung für politi-

schen Erfolg ist (vgl. Bertelsmann Stiftung 2009, 8).

3.6 Klärung des Begriffs BüBet

Unter BüBet wird der Einbezug von Bürgerinnen und Bürgern in die politische Entschei-

dungsfindung und in die öffentliche Planung verstanden (vgl. Jarren/Sarcinelli/Saxer 1998,

642). Dabei kann zwischen formellen, gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren

und informellen, diskursiven Beteiligungsverfahren unterschieden werden (vgl. Albrecht et

al. 2013, 14). Die formellen, vom Gesetz vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren sind von

den Behörden einzuhalten und werden daher nicht weiter vertieft. Der Fokus soll folglich auf

den informellen Beteiligungsverfahren liegen.

Da Bürgerinnen und Bürger in der jüngsten Vergangenheit immer wieder eine stärkere Be-

teiligung an politischen Entscheidungsprozessen sowie an Planungs- und Gestaltungspro-

zessen geäussert haben, gewinnen informelle Beteiligungsformen als Ergänzung zu den

gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsformen an Einfluss (vgl. Albrecht et al. 2013, 10),

obwohl die Behörden mit den existierenden formellen Beteiligungsverfahren weitestgehend

zufrieden sind (vgl. ebd., 10). Der Druck, der seitens der Bevölkerung mit drohenden Protes-

ten und Widerstand aufgebaut wird, scheint die Behörden aber geradezu zu zwingen, infor-

melle Beteiligungsformen zu fördern. Dabei müssen sich die Behörden des Partizipationspa-

radoxons bewusst sein, welches besagt, dass die Einflussnahme auf ein Projekt im Vorfeld

des eigentlichen, formellen Planungsverfahrens am grössten, das Interesse der Bevölkerung

zu diesem Zeitpunkt allerdings noch sehr gering ist. Reziprok verhält es sich mit einem fort-

schreitenden Planungsverfahren, bei dem die Möglichkeit der Einflussnahme stetig ab-

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Masterarbeit Roman Kohler 12.02.2014 21

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nimmt, das Interesse der Bevölkerung bezüglich Beteiligung aber steigt, da Ergebnis und

Folgen des Projekts konkret werden (vgl. Albrecht et al. 2013, 10 f.). Daraus lässt sich ablei-

ten, dass BüBet vor allem bei direkter und unmittelbarer Betroffenheit von der Bevölkerung

gewünscht wird. Behörden hingegen verzichten weniger aufgrund finanzieller Mehrkosten

als aufgrund befürchteter zeitlicher Restriktionen auf BüBet-Verfahren (vgl. ebd., 11), obwohl

BüBet ein Hebel zur Gestaltung von Themen und damit mehr als dekorative Symbolpolitik

sein kann (vgl. Oldenburg 2008, 16).

3.7 Definition BüBet

Das zentrale Ziel von BüBet liegt in der Schaffung der Legitimation von politischen Ent-

scheidungen und ermöglicht eine Rückkopplung zwischen Regierenden und Regierten (Alb-

recht et al. 2013, 16). Dabei kann zwischen formeller, gesetzlich vorgeschriebener BüBet

und informeller, diskursiver BüBet unterschieden werden (vgl. ebd., 14).

3.8 Erfolgsfaktoren der BüBet

Wie neuere Studien zeigen, gibt es konkrete Faktoren, die BüBet positiv beeinflussen oder

erst möglich machen. Grundsätzlich ist es wichtig, die Bürgerinnen und Bürger während des

ganzen Prozesses miteinzubeziehen. Es ist eine kontinuierliche und allgemeinverständliche

Kommunikation anzustreben, welche die Grundlage für BüBet bildet. Denn BüBet schafft

nicht nur neues Wissen, sie setzt auch Wissen voraus (vgl. Gohl/Wüst 2008, 259; vgl. Alb-

recht et al. 2013, 39). Neben Verständlichkeit und Kontinuität der Kommunikation ist gemäss

deutschen Kommunen auch Transparenz eine wichtige Anforderung an die Beteiligung (vgl.

Albrecht et al. 2013, 50). So zeigt die Studie von Albrecht et al., dass aus der Sicht von Be-

hörden frühe und umfassende Information, klar formulierte Ziele und Transparenz sowie die

Bereitschaft zur Umsetzung von Bürgervorschlägen wichtige Erfolgsfaktoren der BüBet sind

(vgl. Abb. 6).

Abbildung 6: Erfolgsfaktoren bei der Förderung von BüBet (vgl. Albrecht et al. 2013)

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 22

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3.9 BüBet-Formen bei baulichen Grossprojekten

Neben der bereits erwähnten, grundsätzlichen Differenzierung formeller und informeller

BüBet gibt es unzählige Verfahren und Methoden der Beteiligung. Folgend werden zwei

Verfahren aus dem Bereich der informellen BüBet vorgestellt, welche sich speziell im Rah-

men baulicher Grossprojekte anbieten.

3.9.1 Planning for Real

Die BüBet-Form Planning for Real wurde in den 1970er Jahren in England entwickelt und

kann mit Planung von unten übersetzt werden (vgl. Vehrkamp/Hierlemann/Wohlfarth 2011,

29 ff.). Das Verfahren soll zu einer Verbesserung der Lebensqualität an konkreten Orten

führen, wie zum Beispiel dem Markt- oder Bahnhofplatz in St.Gallen. Es handelt sich um ein

sehr niederschwelliges und für alle Interessierten offenes Verfahren der Beteiligung, wel-

ches sich in die drei Phasen Initiative, Modell und Modellpräsentation gliedern lässt (vgl.

ebd.). Das ganze Verfahren erstreckt sich über mehrere Wochen. In der ersten Phase tref-

fen sich Bürgerinnen und Bürger und geben öffentlich bekannt, dass sie sich eine Verände-

rung eines Ortes wünschen, sie fordern andere Interessierte auf, sich zu beteiligen, und

sammeln dann Ideen und Veränderungswünsche. Adaptiert auf das schweizerische Politik-

system wäre es durchaus denkbar, dass diese erste Phase nicht zwingend von Bürgern,

sondern allenfalls auch durch Akteure aus der Politik oder durch die Verwaltung selbst ein-

geleitet werden könnte. Wichtig scheint lediglich, dass die Teilnahme niederschwellig und für

alle Interessierten möglich ist. In einer zweiten Phase bauen die teilnehmenden Bürgerinnen

und Bürger ein Modell. Hier geht es darum, sich mit den unterschiedlichen Interessen der

Beteiligten sowie mit dem Ort selbst auseinanderzusetzen. In der dritten und letzten Phase

wird das Modell auf verschiedenen Veranstaltungen möglichst vielen Personen präsentiert.

Ziel ist es, eine Diskussion zu forcieren und sich der allfälligen Schwächen des Modells und

der Herausforderungen des Ortes bewusst zu werden. Aufgrund dieser Erkenntnisse sollen

Fehler korrigiert und weitere Ideen gesammelt werden. Die Beteiligungsform Planning for

Real lässt auch eine Begleitung durch Experten zu, welche die Bürgerinnen und Bürger in

der Lösungsfindung unterstützen können (vgl. ebd.).

3.9.2 Planungszelle

Das Ziel einer Planungszelle ist die Verbesserung von kommunalen Planungsentscheidun-

gen durch die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Das Beteiligungsverfahren stammt

ebenfalls aus den 1970er Jahren und wurde in Deutschland entwickelt (vgl. Vehr-

kamp/Hierlemann/Wohlfarth 2011, 32 ff.). Anders als bei Planning for Real ist die Teilneh-

merzahl grundsätzlich begrenzt. So versuchen 25 Bürgerinnen und Bürger in wechselnden

Kleingruppen und begleitet durch Experten und Moderatoren während vier Tagen eine Lö-

sung für eine konkrete Fragestellung zu finden. Die 25 Teilnehmenden werden nach dem

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 23

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Zufallsprinzip ausgewählt, müssen persönlich betroffen, aber nicht in einer entsprechenden

Interessensgruppe sein. Ziel des Prozesses ist ein Bürgergutachten, „das auf den Erfahrun-

gen und dem Wissen der Bürger beruht“ (vgl. Vehrkamp/Hierlemann/Wohlfarth 2011, 32).

Diese Beteiligungsform wird dann kostspielig, wenn die Teilnehmerzahl zur Gewinnung ei-

ner breiteren Akzeptanz erhöht wird. Eingeleitet wird das Verfahren typischerweise durch die

zuständigen Behörden und es eignet sich speziell für Probleme, die kurzfristig gelöst werden

sollen.

3.10 Online-BüBet

Moderne Informations- und Kommunikationstechniken haben unsere Gesellschaft in den

vergangenen Jahren fundamental verändert. Web 2.0 ermöglicht es, „sowohl die herkömmli-

chen Beteiligungs- und Partizipationsformen kostengünstiger und effizienter“ zu gestalten

als auch „neue Formen der Beteiligung“ hervorzubringen (Habbel/Huber 2008, 3). Dabei

sollte Online-BüBet mehr sein als ein digitales Abbild herkömmlicher BüBet. Die zentrale

Frage, die sich stellt, ist: „Was können wir im Internet tun, was wir offline nicht tun können?“

(Oldenburg 2008, 18). Nachdem die Behörden diese Frage für sich beantwortet haben, gilt

es, Online-Beteiligungsverfahren sinnvoll mit herkömmlichen Offline-Beteiligungsverfahren

zu verknüpfen (vgl. ebd.). So können Bürgerinnen und Bürger an die ihnen meist noch un-

bekannten Online-Beteiligungsverfahren herangeführt werden und die Stärken von online

und offline optimal kombiniert werden (vgl. Albrecht et al. 2013, 45; vgl. Oldenburg 2008,

18 f.). Dabei ist stets darauf zu achten, dass die Beteiligungsangebote möglichst nieder-

schwellig sind (vgl. Vetter 2008, 23). Ergänzend zu den allgemeinen Erfolgskriterien der

BüBet (vgl. Kapitel 3.8) können die folgenden Erfolgskriterien für die Online-BüBet festgehal-

ten werden:

- Sinnvolle Nutzung des Internets

- Verknüpfung mit der realen Welt

- Niederschwellige Beteiligungsverfahren

Das Internet und im Speziellen Web 2.0 bieten durch ihr Interaktivitätspotenzial und die de-

zentrale Kommunikationsstruktur neuen Raum für einen diskursiven Austausch (vgl. Bräu-

er/Seifert/Wolling 2008, 204). Auf der anderen Seite stellten Bräuer et al. auch fest, dass

wenig dafür spreche, „dass das Web 2.0 in kurzer Zeit zu grundlegend neuen Mustern und

Strukturen der politischen Beteiligung führen wird“ (ebd., 205). Diese Feststellung scheint –

zumindest im deutschsprachigen Raum – auch im Jahr 2013 noch nicht völlig haltlos zu

sein. So zeigt eine Studie, dass Online-BüBet den Bürgerinnen und Bürgern relativ wenig

bekannt ist und von Behörden auch kaum genutzt wird (vgl. Albrecht et al. 2013, 44).

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 24

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3.11 Fazit aus den theoretischen Grundlagen

BKom ist ein Teilbereich der OKom. Sie ist zentral für den Prozess der freien Meinungsbil-

dung und damit eine wichtige Stütze der schweizerischen Demokratie. Sie ist zudem stark

abhängig von rechtlichen Rahmenbedingungen, welche die freie Meinungs- und Willensbil-

dung schützen sollen. Aus eben diesen rechtlichen Rahmenbedingungen sowie aus der

neueren Lehre lassen sich zentrale Aspekte der BKom ableiten. Diese sind ein zeitlicher

Schutzbereich im Vorfeld von Abstimmungen, die Gebote der Sachlichkeit, der Verhältnis-

mässigkeit, der Transparenz und der Neutralität sowie eine Teilnahmepflicht der Behörden

am Meinungsbildungsprozess in Bezug auf Abstimmungen und eine grundsätzliche Informa-

tionspflicht über die aktuellen Tätigkeiten der Verwaltung. Diese zentralen Aspekte gelten

grundsätzlich auch für die mBKom. In der heutigen Mediengesellschaft ist BKom, offline wie

online, ein wichtiges Instrument zur Erreichung politischer Ziele. Durch die neuen Medien

sind Glaubwürdigkeit und Dialog zu Schlüsselbegriffen moderner öBKom geworden.

BüBet setzt informierte Bürgerinnen und Bürger voraus und ist daher eng an die BKom ge-

knüpft. Es gibt formelle, gesetzlich vorgeschriebene und informelle Beteiligungsverfahren,

wobei der Fokus im Rahmen dieser Arbeit auf den in der jüngeren Vergangenheit seitens

Bürgerinnen und Bürgern oft geforderten und von den Behörden viel diskutierten informellen

Beteiligungsverfahren liegt. BüBet soll helfen, politische Entscheidungen zu legitimieren,

indem Bürgerinnen und Bürger in die Lösungsfindung miteinbezogen werden. Sie ist damit

mehr als nur dekorative Symbolpolitik. Es gibt verschiedene Faktoren, von denen eine er-

folgreiche BüBet abhängt. So sind eine frühe und umfassende Information, klar formulierte

Ziele, Transparenz sowie die Bereitschaft zur Umsetzung von Bürgervorschlägen entschei-

dend für den Erfolg der BüBet.

Es gibt eine Vielzahl von Beteiligungsformen und -methoden, wobei in Bezug auf die beiden

Fallbeispiele mit Planning for Real und Planungszelle zwei vorgestellt werden, die sich spe-

ziell für bauliche Grossprojekte anbieten. Die beiden Methoden, das sei gesagt, können

durchaus den konkreten Gegebenheiten angepasst werden.

Abschliessend wird auch auf die Online-BüBet eingegangen, welche die herkömmliche

BüBet in den letzten Jahren aufgrund ihrer neuen Möglichkeiten etwas in den Hintergrund

gedrängt hat. Dies geschah insofern zu Unrecht, als die Online-BüBet auch heute noch stark

auf die herkömmliche BüBet angewiesen ist. So profitieren im Idealfall beide von den Stär-

ken des anderen, was eine Verknüpfung im Sinne eines bestmöglichen Beteiligungsverfah-

rens unverzichtbar macht. Das zeigen auch die Erfolgsfaktoren der Online-BüBet, welche

eine sinnvolle Nutzung des Internets, die Verknüpfung mit Offline-Beteiligungsverfahren so-

wie den niederschwelligen Zugang umfassen.

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 25

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3.12 Thesen

Im Rahmen dieser Masterarbeit werden die vier Thesen auf der folgenden Seite untersucht.

Die Thesen leiten sich aus dem Fazit der theoretischen Grundlagen (vgl. Kapitel 3.11) ab

und sollen aufgrund von empirisch erhobenen Daten (Leitfadeninterviews/Inhaltsanalyse)

untersucht werden und zur Beantwortung der Fragestellung beitragen.

These 1

In den beiden untersuchten Fallbeispielen bewegt sich die öffentlichkeitsbezogene Be-

hördenkommunikation (öBKom) im Bereich der rechtlichen Rahmenbedingungen und

beachtet die zentralen Gebote.

These 4

Die Gegnerschaft profitiert von dem zeitlichen Schutzbereich im Vorfeld von Abstimmun-

gen und gewinnt in den drei Wochen vor dem Abstimmungstermin an Gewicht in den

Print- und Onlinemedien.

These 3

Die Bürgerbeteiligung (BüBet) im Rahmen der beiden Fallbeispiele hat dekorativen, sym-

bolpolitischen Charakter und bringt damit kaum Nutzen.

These 2

Eine umfassende Information, klar formulierte Ziele, Transparenz sowie die Bereitschaft

zur Umsetzung von Bürgervorschlägen sind in beiden Fallbeispielen gegeben. Damit sind

wichtige Aspekte zur Förderung der Bürgerbeteiligung (BüBet) erfüllt.

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 26

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4. Methode

4.1 Quantitative und qualitative Sozialforschung

Quantitative und qualitative Methoden sind spätestens seit Mitte der 1920er Jahre als zwei

getrennte Traditionen in der Sozialforschung wahrnehmbar (vgl. Lamnek/Krell 2010, 4).

Während in der quantitativen Forschung Fragen gestellt werden, „deren Antworten entweder

aus Zahlen bestehen oder in Zahlen transformiert werden können“ (Aeppli et al. 2011, 107),

ist die qualitative Forschung stärker auf die ganzheitliche Wahrnehmung, Beschreibung und

Interpretation ausgerichtet (vgl. ebd.). Ohne an dieser Stelle genauer auf die Vor- und Nach-

teile der beiden Traditionen einzugehen, werden folgend die gewählten Methoden begründet

und beschrieben.

4.2 Wahl der Methoden und Zielsetzung

Da es sich bei der Untersuchung der ersten drei Thesen um komplexe Sachverhalte und

Zusammenhänge handelt, werden sie mit Hilfe einer qualitativen Methode bearbeitet. Konk-

ret werden Leitfadeninterviews mit Fachexperten oder Sachkundigen bezüglich der konkre-

ten Fallbeispiele geführt. Der Fokus liegt auf der Beschreibung und Deutung von Sachver-

halten (vgl. Aeppli et al. 2011, 107 f.).

Zur Untersuchung der vierten These wird eine quantitative Inhaltsanalyse durchgeführt. Ziel

der Inhaltsanalyse ist es, zu untersuchen, ob die Gegnerschaft im jeweiligen Fallbeispiel von

dem zeitlichen Schutzbereich im Vorfeld der Abstimmung profitieren und während dieser

Zeit mehr Erwähnungen in Print- und Online-Medien verzeichnen konnte.

4.3 Leitfadeninterview

Bei der angewandten Methode handelt es sich nach Lamnek um ein analytisch-

informatorisches Interview, welches den ermittelnden Interviews der qualitativen Sozialfor-

schung zuzuordnen ist (vgl. Lamnek/Krell 2010, 304 f.). Analytisch ist es deswegen, weil

Äusserungen der Befragten aufgrund theoretischer Überlegungen und Konzepte analysiert

und beschrieben werden, und informatorisch, da die Befragten alle als Experten und Infor-

mationslieferanten für Sachverhalte verstanden werden, welche den Interviewer interessie-

ren (vgl. ebd., 305). Denn „im Zentrum qualitativer Interviews steht die Frage, was die be-

fragten Personen für relevant erachten, wie sie ihre Welt beobachten und was ihre Lebens-

welt charakterisiert“ (Froschauer/Lueger 2003, 16). Nawratil hingegen geht von der Struktur

des Interviews aus und spricht bei halb- oder nichtstandardisierten Befragungen von qualita-

tiven Methoden, deren wichtigste Formen das narrative Interview sowie das Leitfadeninter-

view darstellen (vgl. Nawratil 2009, 321). Wobei die hier vorliegende Arbeit aufgrund der zu

untersuchenden Thesen auf das Leitfadeninterview setzt und daher das narrative Interview

nicht weiter vertieft wird.

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Um den Ansprüchen qualitativer Sozialforschung nach Lamnek und im Speziellen dem Leit-

fadeninterview nach Nawratil gerecht zu werden, kommen im Rahmen dieser Arbeit halb-

standardisierte, mündliche Einzelinterviews mit hauptsächlich offenen Fragen zur Anwen-

dung (vgl. Lamnek/Krell 2010, 303). Die Tabelle 1 zeigt anhand verschiedener Dimensionen

übersichtlich die konkreten Formen des gewählten Leitfadeninterviews auf.

Dimensionen gewählte Formen

Intention des Interviews ermittelnd

Standardisierung halb-standardisiert

Struktur der zu Befragenden Einzelinterview

Form der Kommunikation mündlich

Stil der Kommunikation, Interviewverhalten neutral bis weich

Art der Fragen offen

Kommunikationsmedium Face-to-Face, persönlich

Tabelle 1: Formen des Interviews (vgl. Lamnek/Krell 2010)

Nach Merton und Kendall (1979) sind zudem die Nicht-Beeinflussung, die Spezifität, die

Erfassung eines breiten Spektrums sowie die Tiefgründigkeit wichtige Kriterien zur Güteprü-

fung von Leitfadeninterviews (vgl. Nawratil 2009, 325). Sie werden daher bei den im Rah-

men dieser Arbeit durchgeführten Leitfadeninterviews berücksichtigt.

4.3.1 Interviewpartner und Fragebogen

Die Leitfadeninterviews werden mit Sachkundigen in Bezug auf die beiden Fallbeispiele und

mit Experten aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und der Medienwelt – welche im Rah-

men einer Stakeholder-Analyse identifiziert wurden (vgl. Kapitel 8.1) – geführt. Seitens der

Verwaltung werden die Projekt- und Kommunikationsverantwortlichen befragt. Konkret sind

das Urs Weishaupt und Esther Räber, Verantwortliche für die Kommunikation in beiden Pro-

jekten, Alfred Kömme, Stabschef Direktion Bau und Planung, sowie die Altstadträtin der Di-

rektion Bau und Planung Elisabeth Beéry, sowie die aktuelle Stadträtin der Direktion Bau

und Planung, Patrizia Adam. Weiter wird der städtische Rechtskonsulent Stephan Staub

befragt. Seitens der Gegnerschaft werden Tek Berhe als Vertreter des Komitees vernünfti-

ger Marktplatz sowie Karl Güntzel, SVP Kantonsrat und Kritiker der öBKom, im Rahmen der

Neugestaltung Bahnhofplatz interviewt. Da Medienschaffende eine zentrale Zielgruppe der

öBKom sind, wird der Leiter der Stadtredaktion des St.Galler Tagblatts St.Gallen/Gossau,

Andreas Nagel, interviewt. Abschliessend wird mit Hans-Dieter Zimmermann ein Fachmann

bezüglich Online-BüBet der Fachhochschule St.Gallen (FHSG) befragt. Insgesamt werden

damit zehn Leitfadeninterviews geführt. Detaillierte Angaben zu den interviewten Personen

finden sich in den Transkriptionen der Leitfadeninterviews im Anhang (vgl. Kapitel 8.4).

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4.3.2 Transkription und Auswertung

Die Leitfadeninterviews werden in Form von Mundart-Tonspuren aufgezeichnet und an-

schliessend transkribiert. Konkret findet eine Übertragung in normales Schriftdeutsch statt,

welche die thematisch relevanten Aussagen festhalten soll (vgl. Nawratil 2008, 329 f.)

Die Auswertung der Leitfadeninterviews wird gemäss der strukturierenden qualitativen In-

haltsanalyse nach Mayring vorgenommen (vgl. Mayring 2002, 118ff.). Dabei kommt für die

Leitfadeninterviews ein auf die Thesen ausgelegtes und auf den theoretischen Grundlagen

basierendes Kategoriensystem zur Anwendung, welches sicherstellt, dass nach den zu un-

tersuchenden Aspekten gefragt wird und die Leitfadeninterviews anschliessend auch nach-

vollziehbar ausgewertet werden können (vgl. Abbildung 7; vgl. Anhang 8.2).

Kategorien zu These 1

Rechtliche Rahmenbedingungen der BKom und zentrale Gebote

Zeitlicher Schutzbereich vor Abstimmungen (Frage 1.3)

Sachlichkeit (Frage 1.4)

Verhältnismässigkeit (Frage 1.5)

Transparenz (Frage 1.6)

Neutralität (Frage 1.7)

Teilnahmepflicht der Behörden (Frage 1.8)

Kategorien zu These 2

Kriterien zur Förderung der BüBet

Umfassende Information (Frage 2.1)

Klar formulierte Ziele (Frage 2.2)

Transparenz (Frage 1.6)

Bereitschaft zur Umsetzung von Bürgervorschlägen (Frage 2.3)

Kategorien zu These 3

BüBet in den beiden Fallbeispielen

BüBet mit dekorativem, symbolpolitischem Charakter (Frage 3.2)

Formen der BüBet im Rahmen der beiden Fallbeispiele (Frage 3.3)

Nutzen der Bübet in Bezug auf die beiden Fallbeispiele (Frage 3.4/3.5)

Abbildung 7: Kategoriensystem zur Auswertung der Leitfadeninterviews (eigene Darstellung in Anlehnung an

Mayring 2002)

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4.4 Inhaltsanalyse

In Anbetracht der zu untersuchenden vierten These wird im Rahmen dieser Arbeit eine

quantitative Inhaltsanalyse durchgeführt. Geht es doch darum, grössere Datenmengen zu

untersuchen, deren Indikatoren hinreichend bekannt sind (vgl. Nawratil/Schönhagen 2008,

335). Die Inhaltsanalyse beschränkt sich auf Print- und Onlinemedien, da eine rückwirkende

Analyse von sozialen Medien sowie lokalen Radio- und TV-Beiträgen aufgrund technischer

Gegebenheiten kaum mehr möglich ist. Dabei handelt es sich nach Lamnek und Krell um

eine Analyse monologischer Texte (vgl. Lamnek/Krell 2010, 448).

Bei der quantitativen Inhaltsanalyse gilt es, wie bereits bei der qualitativen, die Objektivität

zu wahren. Im Idealfall kommen dabei mehrere Forscher, „die einen bestimmten Text mit ein

und demselben Instrumentarium analysieren, zum selben Ergebnis“ (Lamnek/Krell 2010,

449). Folgend wird die der quantitativen Inhaltsanalyse zugrunde liegende Systematik erläu-

tert, welche das Instrumentarium für die Untersuchung bildet. Sie besteht aus der Grundge-

samtheit, der Analyseeinheit, der Analysedimension und den Analysekategorien (vgl. ebd.,

452; vgl. Tabelle 2).

Grundgesamtheit Alle Beiträge und Leserbriefe aus Print- und Onlinemedien mit Be-

zug zu den beiden Fallbeispielen, welche in den sechs Wochen vor

der Abstimmung publiziert wurden. Mit Bezug sind Beiträge und

Leserbriefe gemeint, welche das Suchwort Marktplatz oder Bahn-

hofplatz beinhalten. Alle Beiträge ist insofern zu relativieren, da nur

Beiträge untersucht werden konnten, welche im Rahmen des Moni-

torings erfasst oder im Rahmen der Recherchearbeit der vorlie-

genden Masterarbeit online aufgefunden werden konnten. Konkret

schliesst dieses Vorgehen die St.Galler Nachrichten und den Blick

am Abend per se aus, da diese im Monitoring nicht berücksichtigt

wurden und die Beiträge online mit angemessenem Aufwand nicht

mehr auffindbar sind. Schlussendlich wurden 53 Beiträge und 100

Leserbriefe bei der Neugestaltung Marktplatz sowie 46 Beiträge

und 35 Leserbriefe bei der Neugestaltung Bahnhofplatz untersucht.

Analyseeinheiten Bei den Beiträgen:

- Titel

- Lead

- Untertitel

- Text

Bei den Leserbriefen:

- Text

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Analysedimensionen - Argumente, die gegen die Vorlage ins Feld geführt werden.

- Argumente, die zugunsten der Vorlage ins Feld geführt werden.

- Bei Leserbriefen zusätzlich die Abstimmungsbotschaft.

Deskriptive Kategorien

Kontra:

Beiträge, in denen mehrheitlich die Gegnerschaft und ihre Argu-

mente erwähnt werden.

Leserbriefe, die gegen das Projekt gerichtet sind.

Pro:

Beiträge, in denen mehrheitlich die Befürworter und ihre Argumen-

te erwähnt werden.

Leserbriefe, die sich für das Projekt aussprechen.

Neutral:

Beiträge, in denen sowohl Befürworter wie auch Gegnerschaft so-

wie deren Argumente gleichermassen erwähnt werden.

Leserbriefe, die weder für noch gegen das Projekt votieren.

Tabelle 2: Systematik der quantitativen Inhaltsanalyse (eigene Darstellung in Anlehnung an Lamnek/Krell

2010)

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 31

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5. Ergebnisse

Folgend werden die wichtigsten Ergebnisse aus den Interviews und der Inhaltsanalyse in

Bezug auf die einzelnen Thesen dargelegt. Die Ergebnisse werden, wo sinnvoll, auch gra-

fisch dargestellt. Da es sich allerdings um qualitative Interviews handelt, ist dies nicht immer

angemessen, da die Antworten der Befragten oft sehr detailliert und damit nur schwierig

messbar und grafisch darstellbar sind.

Zur Bearbeitung der Thesen 1 bis 3 werden im Sinne einer besseren Lesefreundlichkeit die

interviewten Personen nicht mit ihrem vollen Namen und ihrer Funktion, sondern lediglich

mit ihren Initialen aufgeführt:

Alfred Kömme (AK)

Stabschef Direktion Bau und Planung

Andreas Nagel (AN)

Leiter St.Galler Tagblatt, St.Gallen/Gossau

Elisabeth Beéry (EB)

bis 31. Dezember 2012 Stadträtin Direktion Bau und Planung

Esther Maria Räber-Schönenberger (EMR)

Mitarbeiterin Fachstelle Kommunikation Stadt St.Gallen, Kommunikationsverantwortliche

Neugestaltung Bahnhofplatz

Hans-Dieter Zimmermann (HDZ)

Dozent für Wirtschaftsinformatik und Experte im Bereich von Online-BüBet

Karl Güntzel (KG)

Initiant des „Komitees für einen besseren Bahnhofplatz“ und Beschwerdeführer bei der

Neugestaltung Bahnhofplatz, Kantonsrat, Anwalt, Geschäftsführer des Hauseigentümer-

Verbandes und Einwohner der Stadt St.Gallen

Patrizia Adam (PA)

seit 1. Januar 2013 Stadträtin Direktion Bau und Planung, vorher Stadtparlamentarierin

Stephan Staub (SS)

Rechtskonsulent Stadt St.Gallen

Tek Berhe (TB)

Mitglied „Komitee vernünftiger Marktplatz“ und Einwohner der Stadt St.Gallen

Urs Weishaupt (UW)

Leiter Fachstelle Kommunikation Stadt St.Gallen

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 32

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5.1 Rechtliche Rahmenbedingungen und zentrale Gebote der BKom

Folgend werden die Ergebnisse aus den Interviews zur Untersuchung der ersten These dar-

gelegt. Die Ergebnisse sind analog den theoretischen Grundlagen strukturiert und gehen

zuerst kurz auf die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen sowie anschliessend auf

die zentralen Gebote der BKom ein (vgl. Kapitel 3.3; vgl. Kapitel 3.4).

5.1.1 Allgemeine Einschätzung zur Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen

Wie in Kapitel 3.3 erläutert, hat sich die BKom an rechtliche Rahmenbedingungen zu halten.

Ob diese in den beiden Fallbeispielen eingehalten wurden, sollten die zehn interviewten

Personen im Rahmen der Untersuchung der ersten These beurteilen.

Jeweils neun der zehn befragten Personen sind der Meinung, die öBKom habe sich in bei-

den Fallbeispielen an die rechtlichen Rahmenbedingungen gehalten. Es fällt auf, dass die

befragte Person, welche die öBKom als nicht genügend einordnet, jeweils der Gegnerschaft

der konkreten Vorlage angehörte. So finden TB und KG, dass die öBKom – bei der jeweils

von ihnen bekämpften Vorlage – nicht den rechtlichen Rahmenbedingungen entsprochen

habe. TB begründet seine Ansicht damit, dass bei der öBKom zur Neugestaltung Marktplatz

laufend „neue Aspekte hinzu kamen“ und sie als Gegner des Projekts als „Feinde“ angese-

hen wurden. KG begründet seine allgemeine Einschätzung an dieser Stelle nicht, tut dies

aber in den folgenden Abschnitten zu den einzelnen Geboten der BKom (vgl. Kapitel

5.1.2 ff.).

5.1.2 Zeitlicher Schutzbereich vor Abstimmungen

Der dreiwöchige zeitliche Schutzbereich vor Abstimmungen ist ein wesentlicher Bestandteil

der rechtlichen Rahmenbedingungen der BKom. In dieser Zeit dürfen Behörden nicht mehr

aktiv kommunizieren (vgl. Kapitel 3.4.2). Die zehn interviewten Personen wurden über den

Sinn oder Unsinn dieses zeitlichen Schutzbereiches befragt und darüber, ob er im Rahmen

der beiden Fallbeispiele eingehalten worden sei.

Gerade bei der Frage, ob sich die öBKom in den beiden Fallbeispielen an den zeitlichen

Schutzbereich vor Abstimmungen gehalten habe, gehen die Meinungen auseinander. Sei-

tens der Stadt ist man der Ansicht, den zeitlichen Schutzbereich eingehalten zu haben, wo-

bei Altstadträtin EB diesen so auslegt, dass Behörden ihre Kommunikation so aufgleisen,

dass vor dem zeitlichen Schutzbereich alle Fakten auf dem Tisch liegen und damit auch

keine taktischen Spiele in den letzten drei Wochen vor der Abstimmung gespielt werden. TB

als Gegner der Vorlage Neugestaltung Marktplatz sieht hingegen einen Verstoss gegen den

zeitlichen Schutzbereich, wenn die Behörden in den letzten drei Wochen vor der Abstim-

mung „einzelne Argumente“ aus einem Flyer „rauspicken“, auf diese eingehen und dabei die

Gegner als „die Bösen und die Schlechten“ hinstellen.

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Dem entgegnet die damals zuständige Stadträtin EB, dass eine Medienmitteilung innerhalb

des zeitlichen Schutzbereiches rechtlich zulässig sei, „um eine Berichtigung von offensicht-

lich falschen Äusserungen der Gegnerschaft vorzunehmen“. Der befragte Journalist AN

meint dazu, dass eine „Richtigstellung seitens der Behörden bei Fehlinformationen auch in

diesem zeitlichen Schutzbereich“ richtig ist und auch allfällige Fragen von Medienschaffen-

den beantwortet werden sollen. Die Befragten scheinen sich also einig zu sein, dass zwar

nicht mehr aktiv kommuniziert und neue Argumente ins Feld geführt werden dürfen, eine

Reaktion auf Anfragen und falsche Argumente aber möglich sein soll. UW, Leiter Fachstelle

Kommunikation Stadt St.Gallen, ist der Ansicht, dass sich Bürgerinnen und Bürger „vor al-

lem in den drei Wochen vor der Abstimmung“ mit einer Vorlage beschäftigen. Er findet es

daher „gelinde gesagt eine Dummheit“, wenn Behörden gerade in dieser Zeit nicht mehr

kommunizieren dürfen. Dies führe dazu, dass „irgendwelche Komitees aufmunitioniert“ und

mit Adressen und Unterlagen beliefert würden. Er würde es daher offener, transparenter und

ehrlicher finden, wenn der Stadtrat bis zum Samstag vor der Abstimmung für seine Meinung,

seine Einstellung und sein Projekt kämpfen könne.

5.1.3 Sachlichkeit

Mit der Frage nach der Sachlichkeit der öBKom wurde in den Leitfadeninterviews ein weite-

res zentrales Gebot behördlicher Kommunikation angesprochen (vgl. Kapitel 3.4.1). Dabei

fällt auf, dass jeweils die Gegner der konkreten Vorlage die öBKom in den Fallbeispielen als

nicht sachlich bezeichnen würden. Konkret heisst das, dass TB die öBKom bei der Neuge-

staltung Marktplatz als „nicht wirklich“ sachlich bezeichnet, jene bei der Neugestaltung

Bahnhofplatz dann aber als sachlich empfand. Genau umgekehrt beantwortete KG die Fra-

gen nach der Sachlichkeit der öBKom in den beiden Fallbeispielen. Konkret empfand er die

Zeitung Perron 9, die von den Behörden wie eine Gratiszeitung in Boxen aufgelegt wurde,

als nicht sachlich. KG störte sich an der Seitenüberschrift 7 gute Gründe und reichte eine

Beschwerde ein, welche allerdings von dem kantonalen Departement des Innern abgelehnt

wurde (vgl. Kanton St.Gallen 2013, 22).

Die interviewten Personen seitens Behörde wiesen zudem auf die Schwierigkeit hin, dass

die Gegnerschaft oft auf das Element der Emotionalisierung setze und es nicht immer ein-

fach sei, diesem Umstand sachlich zu begegnen. Während EMR in sachlichen Argumenten

ein gutes Mittel sieht, emotionalen Parolen zu begegnen, hält sie auch fest, dass es bei der

Neugestaltung Marktplatz nicht gelungen sei, Sachlichkeit in den Diskurs zu bringen. Einig

ist man sich seitens der Behörden, dass eine gewisse Emotionalität im Sinne eines „wir wis-

sen, was wir wollen“ durchaus nötig und auch erlaubt ist.

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5.1.4 Verhältnismässigkeit

Auch das Gebot der Verhältnismässigkeit, an welchem sich die BKom gemäss den theoreti-

schen Grundlagen zu orientieren hat (vgl. Kapitel 3.4.1), wurde in den Leitfadeninterviews

angesprochen. Dabei lohnt es sich, die beiden Fallbeispiele getrennt zu betrachten.

Bei der Neugestaltung Marktplatz können die Antworten auf die Frage der Verhältnismäs-

sigkeit der öBKom in drei Gruppen unterteilt werden: nicht verhältnismässig in dem Sinne,

dass man zu wenig gemacht hat, nicht verhältnismässig in dem Sinne, dass man zu viel

gemacht hat, und verhältnismässig im Sinne einer angemessenen öBKom. Während Jour-

nalist AN, die damalige Stadtparlamentarierin PA, die Kommunikationsverantwortlichen UW

und EMR sowie HDZ, Sachkundiger für Online-BüBet, finden, man habe zu wenig gemacht,

stufen die Projektverantwortlichen, Stadträtin EB und Stabschef AK, sowie Kantonsrat KG

die öBKom als verhältnismässig ein. Lediglich TB, Gegner der Vorlage und Mitglied des

Komitees vernünftiger Marktplatz, ist der Ansicht, dass die öBKom übertrieben und über-

haupt nicht verhältnismässig war. Man habe „zum Teil mit Kanonen auf Spatzen geschos-

sen“, meint TB. Er bezieht sich bei seiner Antwort auch auf den Umstand, dass sie als Geg-

ner keinen Marktstand für ihre Aktionen mieten durften, die Stadt kurz darauf aber selber

einen Marktstand in einen Infostand für das Projekt umfunktionierte. Sie als Gegner hätten

dann mit null Franken einige Sammelaktionen durchgeführt, um an das Porto für ihren Flyer-

Versand zu kommen.

Grundsätzlich sind sich alle befragten Personen einig, dass bei der Neugestaltung Bahnhof-

platz im Rahmen der öBKom sowohl online als auch offline bedeutend mehr gemacht wurde

als noch bei der Neugestaltung Marktplatz. Obwohl man sich nach Stadträtin PA „an der

oberen Grenze“ bewegte und gemäss UW, Leiter Fachstelle Kommunikation, auch nicht in

jedem Projekt so viel machen könne, ist nur KG als Gegner der Vorlage der Meinung, die

Stadt habe bezüglich öBKom zu viel gemacht. Während für den Journalisten und Leiter des

St. Galler Tagblatts St.Gallen/Gossau AN die Zeitung Perron 9 mindestens „grenzwertig“

war, findet KG, dass sie schlicht nicht mehr verhältnismässig gewesen sei und allgemein

„eine halbe Million Budget für die Kommunikation“ in einem solchen Projekt einfach zu viel

sei. Dass TB seitens Komitee vernünftiger Marktplatz die öBKom im Rahmen der Neugestal-

tung Marktplatz als unverhältnismässig – im Sinne von zu viel – einschätzt und jene bei der

Neugestaltung Bahnhofplatz als angemessen empfindet, widerspricht der Meinung aller an-

deren Interviewten. Für diese steht klar fest, dass die Behörden bei der Neugestaltung

Bahnhofplatz bedeutend mehr kommunizierten als noch bei der Neugestaltung Marktplatz.

Grundsätzlich einig waren sich die Befragten auch, dass im Rahmen komplexer Vorlagen

mehr Geld in die öBKom fliessen darf als bei einfachen und kleinen Projekten. Das Kriteri-

um, wonach sich das Budget für die öBKom in den beiden Fallbeispielen an jenem der Geg-

nerschaft hätte orientieren müssen, wurde zumindest von den Behörden verneint.

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Dies scheint insofern problematisch, als die Gesetzgebung im Sinne der freien Meinungs-

und Willensbildung verlangt, dass sich das behördliche Budget an jenem der Gegnerschaft

orientiert (vgl. Kapitel 3.4.1). Die Behörden argumentierten, dass dies in der Praxis gar nicht

möglich sei, da sie gemäss Rechtskonsulent SS zum Beispiel auf Polemik von der Gegner-

schaft reagieren können müssen. Zudem würde SS im Rahmen der beiden Fallbeispiele das

Kriterium der Komplexität höher gewichten als das Kriterium der Mittel der Gegnerschaft.

5.1.5 Transparenz

Transparenz wurde in den theoretischen Grundlagen ebenfalls als wichtiges Gebot der

BKom identifiziert (vgl. Kapitel 3.4.1) und in den Leitfadeninterviews thematisiert. So haben

die Befragten die öBKom in beiden Fallbeispielen grundsätzlich als transparent empfunden.

Bei der Neugestaltung Marktplatz kritisiert Gegner TB, dass die Kosten bis zum Erscheinen

des Abstimmungsbüchleins unklar gewesen seien und damit die Kommunikation in einem

wichtigen Punkt lange intransparent geblieben sei. Der Journalist AN findet die öBKom zwar

in beiden Fallbeispielen grundsätzlich transparent, merkt jedoch an, dass in einigen Fragen

noch mehr Transparenz wünschenswert gewesen wäre. Konkret spricht er die Frage der

Unterführungsverlängerung bei der Neugestaltung Bahnhofplatz an, bei welcher er das Ge-

fühl hatte, dass die Behörden lange nicht auf die Wünsche der Bevölkerung eingehen woll-

ten. KG, Gegner der Vorlage Neugestaltung Bahnhofplatz, meint zudem, dass die Grund-

satzabstimmung über die Unterführungsverlängerung für die Transparenz und Verständlich-

keit nicht förderlich gewesen sei.

5.1.6 Neutralität

Die Frage nach der Neutralität der BKom wurde in den theoretischen Grundlagen kurz an-

geschnitten (vgl. Kapitel 3.4.1) und in den Interviews angesprochen. Es zeigte sich, dass es

unterschiedliche Ansichten darüber gibt, was neutral bedeutet und inwiefern öBKom diesem

Gebot gerecht werden sollte. KG sagt in Bezug auf die Neugestaltung Bahnhofplatz, die

öBKom sei nicht neutral gewesen, da sie nicht informiert, sondern beeinflusst habe. In der

Einschätzung, dass Beeinflussung nicht neutral ist, stimmen ihm auch die anderen Befrag-

ten zu. Diese sind allerdings nicht der Meinung, dass die Bürgerinnen und Bürger beein-

flusst wurden. Altstadträtin EB definiert Neutralität in der öBKom denn auch so: „Wenn man

Neutralität im Sinne von offen sein für ein Ja oder Nein versteht, dann nicht.“ Sie sagt weiter:

„Wenn man aber Neutralität so versteht, dass auch Fakten, die eventuell gegen das Projekt

sprechen, transparent gemacht werden sollen, dann müssen Behörden neutral sein.“ TB als

Gegner der Vorlage Neugestaltung Marktplatz unterscheidet bei der Frage nach der Neutra-

lität der öBKom zwischen Behörde (Stadtrat) und Verwaltung (beispielsweise Hochbauamt)

und meint, dass der Stadtrat nicht neutral, aber fair sein müsse, und dass auf der anderen

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Seite die Verwaltung eine Lösung nicht per se ablehnen dürfe, nur weil diese ihr „nicht

passt“.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Begriff Neutralität für eine genauere Klä-

rung näher definiert werden müsste. Grundsätzlich sind sich die Befragten aber einig, dass

der Stadtrat eine Vorlage vertreten und sich für diese einsetzen soll. Dabei wird der Sach-

lichkeit der öBKom aber eine wichtige Bedeutung zugesprochen.

5.1.7 Teilnahmepflicht der Behörden

Wie in Kapitel 3.4.3 dargelegt wird, sprechen sich modernere Ansätze für einen regelmässi-

gen und intensiven Informationsaustausch zwischen Behörden und Bevölkerung aus. Sie

widersprechen damit der älteren Lehre, nach welcher die öffentliche Willensbildung unter

Ausschluss von behördlichen Kommunikationsaktivitäten stattzufinden habe (vgl. Kapitel

3.4.3). Um einen Eindruck ihres Grundverständnisses von öBKom zu erhalten und um Er-

kenntnisse darüber zu gewinnen, wo sie die öBKom in naher Zukunft sehen, wurden die

Interviewteilnehmenden auf diesen Ansatz angesprochen.

Dass sich Behörden in der heutigen Kommunikations- und Mediengesellschaft aktiver und

stärker für ihre Vorlagen und Projekte einsetzen sollen und müssen, steht für neun von zehn

Befragten fest. Lediglich KG ist der Meinung, dass es gerade bei der heutigen Informations-

flut keinen Grund gibt, „warum auch noch die Behörden eine Kampagne fahren sollten“. Er

ist der Meinung, das Abstimmungsbüchlein genüge und wenn dieses eine Vorlage nicht gut

erkläre, dann sei es einfach „schlecht gemacht“. Die anderen neun Befragten sind sich einig,

dass neue Medien berücksichtigt werden müssen und die Behörden ihr Wissen den Bürgern

im Sinne einer freien Meinungsbildung möglichst aktiv und niederschwellig zugänglich ma-

chen sollten. Bezüglich des zeitlichen Schutzbereiches gehen die Meinungen wieder ausei-

nander. Während für UW, Leiter Fachstelle Kommunikation Stadt St.Gallen, die

öBKom gerade in den drei Wochen vor der Abstimmung zentral ist, da sich in dieser Zeit die

meisten Bürgerinnen und Bürger mit dem Thema auseinandersetzen würden, ist für AN,

Leiter St. Galler Tagblatt St.Gallen/Gossau, klar, dass sich der Stadtrat in der heissen Phase

des Abstimmungskampfes nicht mehr aktiv einbringt, da dies „unseren politischen Gepflo-

genheiten“ widersprechen würde. Dass eine Behörde innerhalb des zeitlichen Schutzberei-

ches auf „unerwartete Wendungen“ und Fehlinformationen reagieren darf und soll, steht für

AN und alle anderen Befragten aber ausser Frage.

5.1.8 Ergebnisse zu These 1

Folgend werden die Erkenntnisse aus dem Kapitel 5.1 zusammengefasst und ein Fazit be-

züglich der ersten These gezogen.

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 37

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Der erste Aspekt der These 1 kann klar mit Ja beantwortet werden. Die öBKom hielt sich in

beiden Fallbeispielen an die rechtlichen Rahmenbedingungen. Dies wird unter anderem

durch das Abweisen einer Beschwerde von KG durch das kantonale Department des Innern

in Zusammenhang mit der Neugestaltung Bahnhofplatz gestützt. Die geführten Interviews

bestätigen zudem, dass die Gebote der BKom, wenn auch nicht vollständig und abschlies-

send, von den Behörden respektiert wurden. Bezüglich der Gebote widersprechen zumin-

dest die beiden Gegner der jeweiligen Vorlage, TB und KG, in mehreren Punkten. Für TB

mangelte es bei der öBKom zur Neugestaltung Marktplatz sowohl an der Verhältnismässig-

keit wie auch an Transparenz. KG stört sich vor allem an der seiner Meinung nach fehlen-

den Sachlichkeit und ebenfalls an der fehlenden Verhältnismässigkeit. Dass TB die

öBKom bei der Neugestaltung Marktplatz als unverhältnismässig empfindet, zeigt, dass es

bei dem Gebot der Verhältnismässigkeit nicht nur darum geht, wie viel, sondern auch, wie

kommuniziert wird.

Des Weiteren scheinen sich die Kommunikationsverantwortlichen auf Seiten der Behörden

und der Journalist AN über den Sinn oder Unsinn des zeitlichen Schutzbereiches nicht einig

zu sein. Während UW als Behördenvertreter klar der Auffassung ist, dass ein zeitlicher

Schutzbereich nicht mehr zeitgemäss sei und lediglich der Transparenz schade, hält AN

entgegen, dass sich die Behörden aus dem „heissen Abstimmungskampf“ herauszuhalten

haben.

5.2 Kriterien zur Förderung der BüBet

Zur Untersuchung der zweiten These wurden anhand der beiden Fallbeispiele die Kriterien

zur Förderung von BüBet analysiert.

5.2.1 Umfassende Information

Ein wichtiges Kriterium zur Förderung von BüBet ist eine frühe und umfassende Information

der Bürgerschaft (vgl. Kapitel 3.8). Bei der Frage danach, wie umfassend die öBKom in den

beiden Fallbeispielen war, zeigen sich klare Unterschiede. Während bei der Neugestaltung

Bahnhofplatz neun von zehn befragten Personen von einer umfassenden öBKom sprechen,

ist nur KG der Meinung, die Behörde hätte „weniger machen können“ und sie habe nicht den

Auftrag, über die Abstimmungsbroschüre hinaus zu kommunizieren – den nehme sie sich

einfach. Das trifft gemäss KG auch auf die Neugestaltung Marktplatz zu. Neben KG findet

These 1

In den beiden untersuchten Fallbeispielen bewegt sich die öffentlichkeitsbezogene Be-

hördenkommunikation (öBKom) im Bereich der rechtlichen Rahmenbedingungen und

beachtet die zentralen Gebote.

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 38

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lediglich TB, Mitglied des Komitees vernünftiger Marktplatz, dass bei der Neugestaltung

Marktplatz „sogar zu viel“ gemacht wurde. Die anderen acht Befragten sind je zur Hälfte der

Meinung, die öBKom sei in diesem Projekt zu wenig umfassend oder genügend umfassend

gewesen. Kritisiert wird aber auch von ihnen, dass die öBKom bei der Neugestaltung Markt-

platz, auch wenn sie denn umfassend war, immer reaktiv und nie aktiv stattgefunden habe.

Weiter wird kritisiert, dass es sehr viele Richtungswechsel und Unklarheiten bis kurz vor der

Abstimmung gegeben habe. UW weist zudem auf einen – für ihn wichtigen – Unterschied

zwischen UKom und BKom hin, indem er sagt, in der Unternehmenskommunikation müsse

man nicht alles sagen, aber was man sage, müsse richtig sein. Das hingegen genüge für die

BKom nicht: „In der Behördenkommunikation muss ich alles sagen und die Fakten auf den

Tisch legen.“ Er meint weiter, dass es in jedem Projekt „Kröten“ gebe. Die Frage sei, wie

viele „Kröten“ der Bürger bereit sei zu schlucken. Bezüglich der Neugestaltung Marktplatz

hätte sich HDZ zudem gewünscht, dass die Behörde stärker auf die gegnerischen Face-

book-Seiten reagiert hätte. „Die konnten ja fast behaupten, was sie wollten“, hält er im Inter-

view fest.

5.2.2 Klar formulierte Ziele

Klar formulierte Ziele sind ebenfalls ein wichtiger Aspekt bei der Förderung von BüBet (vgl.

Kapitel 3.8), wobei angemerkt werden muss, dass die Frage, ob die Ziele in den beiden

Fallbeispielen klar kommuniziert worden sind, sich eigentlich nur beantworten lässt, indem

die breite Bevölkerung befragt wird. Dies war aus verschiedenen Gründen – zeitlicher Ab-

stand und Umfang einer solchen Befragung – im Rahmen dieser Masterarbeit nicht möglich.

Da zwei Projektgegner sowie ein Fachmann bezüglich Online-BüBet und der Leiter des

St. Galler Tagblatts St.Gallen/Gossau befragt wurden, sollte es aber dennoch möglich sein,

eine – wenn auch nicht repräsentative – Antwort auf die Frage zu bekommen.

Wie bei den vorgängigen Fragen sind auch bezüglich der klaren Formulierung der Ziele die

jeweiligen Projektgegner der Meinung, dass dies der öBKom nicht gelungen sei. Bei der

Neugestaltung Marktplatz finden zudem auch die Kommunikationsfachleute UW und EMR,

dass dieses Ziel nicht erreicht wurde. Den Grund dafür sehen sie darin, dass das Fuder

überladen wurde. Wobei diese Einschätzung in Widerspruch zur VOX-Analyse steht, wo-

nach nicht eine inhaltliche Überforderung zur Ablehnung an der Urne führte, sondern der

Fakt, dass das Parlament etwas entschieden habe, was die Bevölkerung nicht teile (vgl.

Kapitel 2.3.4). Journalist AN stützt die Feststellung von UW und EMR und sieht diese nicht

als Vorwurf an die Behörde, sondern als Vorwurf an den politischen Prozess im Allgemei-

nen. Gemäss den Interviewten zeigt sich, dass Vorlagen mit vielen Teilaspekten eine klare

Kommunikation der Ziele erschweren, wobei unter den verschiedenen Teilaspekten vor al-

lem jene von Bedeutung sind, welche von der Bürgerschaft emotional stark gewichtet wer-

den. Von diesen emotional stark gewichteten Teilaspekten gab es in der Neugestaltung

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Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 39

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Marktplatz mehr als in der Neugestaltung Bahnhofplatz (vgl. Kapitel 2.3; vgl. Kapitel 2.4).

Das zeigt sich, wie bereits erwähnt, auch bei den Befragten, von denen bei der Neugestal-

tung Bahnhofplatz lediglich KG als Gegner der Vorlage sagte, die Ziele seien nicht klar

kommuniziert worden (vgl. Abbildung 8).

Abbildung 8: Kommunizierten die Behörden die Ziele der Neugestaltung Marktplatz respektive Bahnhofplatz

klar? (eigene Darstellung)

5.2.3 Transparenz

Neben früher und umfassender Information sowie klar formulierter Ziele ist Transparenz ein

entscheidender Erfolgsfaktor bei der Förderung von BüBet (vgl. Kapitel 3.8). Das Gebot der

Transparenz ist sowohl zur Untersuchung von These 1 wie auch zur Untersuchung von

These 2 von Bedeutung und wurde daher bereits unter Abschnitt 5.1.5 behandelt.

In Bezug auf die Wichtigkeit von Transparenz für die BüBet sei an dieser Stelle angemerkt,

dass dieses Gebot eng mit anderen wichtigen Aspekten zur Förderung der BüBet in Zu-

sammenhang steht. Aus den Interviews geht hervor, dass immer dann, wenn die Ziele nicht

klar kommuniziert werden, auch die Transparenz der öBKom in Frage gestellt wird. Zudem

ist ungenügende Transparenz nach Ansicht von Journalist AN oft auf die fehlende Bereit-

schaft zur Umsetzung von Bürgervorschlägen seitens der Behörden zurückzuführen. Konk-

ret führt AN das Beispiel der Unterführungsverlängerung ins Feld, bei der die Behörde lange

nicht auf den Wunsch der Bevölkerung habe eingehen wollen und daher auch nicht immer

transparent informiert habe. UW, Leiter Fachstelle Kommunikation Stadt St.Gallen, sagt wei-

ter: „Transparenz ist das Zentralste. Denn sie ist so eng mit Ehrlichkeit verbunden.“ Trans-

parenz wird von allen Befragten als wichtige Voraussetzung zur Förderung von BüBet aner-

kannt.

5.2.4 Bereitschaft zur Umsetzung von Bürgervorschlägen

Zum Schluss ist auch die glaubwürdige Bereitschaft der Behörden zur Umsetzung von Bür-

gervorschlägen ein wichtiges Kriterium zur Förderung von BüBet (vgl. Kapitel 3.8).

Während die Bereitschaft der Behörden zur Umsetzung von Bürgervorschlägen bei der

Neugestaltung Marktplatz in den Interviews noch sehr umstritten ist, sind sich die Befragten

einig, dass sie zwei Jahre später bei der Neugestaltung Bahnhofplatz definitiv vorhanden

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war. Als Beispiele für diese Bereitschaft werden denn auch die Grundsatzabstimmung über

die Unterführungsverlängerung sowie die Verkleinerung des Kubus der Ankunftshalle aufge-

führt. Interessant scheint bezüglich der Neugestaltung Marktplatz, dass die direkten Projekt-

verantwortlichen EB und AK durchaus der Meinung sind, es sei, soweit Partizipation betrie-

ben wurde, ganz intensiv versucht worden, die Vorschläge aus diesen Beteiligungsverfahren

auch aufzunehmen. Allerdings handelte es sich da primär nicht um Bürgervorschläge, son-

dern um Vorschläge aus der Politik, der Verwaltung, von Verbänden, von Vereinen oder

einzelnen direkt Betroffenen. Das Problem schien zudem in der Kommunikation dieser ein-

zelnen Beteiligungsverfahren zu liegen: Es war schlicht nicht transparent, bezüglich welcher

Teilaspekte mit welchen Gruppen welche Beteiligungsverfahren durchgeführt wurden. Somit

war es auch nicht möglich, die Bevölkerung ins Boot zu holen. Dies schien bei der Neuge-

staltung Bahnhofplatz mit einer öffentlichen Umfrage besser zu gelingen, obwohl diese nicht

repräsentativ war. HDZ sieht solche – informellen und meist nicht repräsentativen – Umfra-

gen als gutes Mittel, um herauszufinden, wo Probleme liegen. Werden die Inputs dann in

einem formellen Beteiligungsverfahren – wie bei der Neugestaltung Bahnhofplatz in einer

Grundsatzabstimmung – bewertet, sind solche Umfragen nach HDZ eine sinnvolle Form der

BüBet.

Wenn nun der Fokus für einmal weg von der öBKom auf die iBKom – also die individualbe-

zogenen Kommunikationsaktivitäten der Behörde – gelegt wird, dann sind gemäss Journalist

AN zukünftig Schulungen für Verwaltungsmitarbeitende nötig, welche Kontakt mit Journalis-

ten haben oder für Bürgeranfragen zuständig sind. AN bemängelt konkret, dass es nicht

akzeptierbar sei, wenn er als Journalist mit einer „derartigen Negativhaltung“ eines Stadtin-

genieurs konfrontiert werde, welcher die Unterführungsverlängerung das „Hinterletzte“ fän-

de. Intern könne man bei den Behörden für oder gegen eine Lösung sein. Nach aussen ha-

be man aber offen, transparent und sachlich zu argumentieren.

Die Behörden weisen in den Interviews auch darauf hin, dass es meist nicht an der Bereit-

schaft zur Umsetzung fehle, sondern die Behörden oft schlicht den Spielraum gar nicht hät-

ten, um Bürgervorschläge umzusetzen.

5.2.5 Ergebnisse zu These 2

Es folgt eine Zusammenfassung des Kapitels 5.2 und das Fazit zur zweiten These.

These 2

Eine umfassende Information, klar formulierte Ziele, Transparenz sowie die Bereitschaft

zur Umsetzung von Bürgervorschlägen sind in beiden Fallbeispielen gegeben. Damit sind

wichtige Aspekte zur Förderung der Bürgerbeteiligung (BüBet) erfüllt.

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Die zweite These bestätigt sich aufgrund der Ergebnisse aus den Interviews nur teilweise.

Dabei muss zwischen den beiden Fallbeispielen unterschieden werden. Während sich die

These im Rahmen der Neugestaltung Bahnhofplatz klar bestätigt, zeigt sich, dass sie in Be-

zug auf die Neugestaltung Marktplatz verneint werden muss. Ausser den direkt Verantwortli-

chen EB und AK sind alle Befragten der Meinung, dass es bezüglich der klar formulierten

Ziele, der Transparenz sowie der Bereitschaft zur Umsetzung von Bürgervorschlägen, auf

Seiten der Behörden bei der Neugestaltung Marktplatz Defizite gab. Obwohl für diese Defizi-

te nicht allein die Behörden, sondern der ganze politische Prozess verantwortlich gemacht

wird, zeigt sich, dass nach Meinung der Interviewten bestimmte Fehler hätten vermieden

werden können. So litten vor allem die Kommunikation der Ziele sowie die Transparenz un-

ter der von Beginn an stets reaktiven öBKom. Erschwerend kam hinzu, dass die Vorlage

nach Meinung aller Befragten überladen war und damit die Kernbotschaft in den vielen Teil-

botschaften unterging, wie es TB formulierte. Anders als bei der Neugestaltung Bahnhof-

platz, bei der die Bereitschaft der Behörden zur Umsetzung von Bürgervorschlägen in einer

Grundsatzabstimmung gipfelte, beteiligte man bei der Neugestaltung Marktplatz zwar viele

einzelne Anspruchsgruppen am Lösungsfindungsprozess, kommunizierte dies der allgemei-

nen Öffentlichkeit nach Ansicht der Befragten aber nur ungenügend.

Abschliessend kann festgehalten werden, dass aus den Fehlern in Bezug auf die öBKom bei

der Neugestaltung Marktplatz gelernt wurde. Bei der Neugestaltung Bahnhofplatz sind sich

denn auch bis auf den Gegner KG alle einig, dass aufgrund einer gelungenen – wenn auch

an der oberen Grenze bezüglich der Verhältnismässigkeit liegenden – öBKom wichtige As-

pekte zur Förderung von BüBet gegeben waren. Diese seien für zukünftige bauliche

Grossprojekte zwar noch entwicklungs- und ergänzungsfähig, eine solide Basis zur Förde-

rung von BüBet – so ist man sich grundsätzlich einig – bestehe aber schon heute.

5.3 BüBet in den beiden Fallbeispielen

Folgend werden die Ergebnisse aus den Leitfadeninterviews zur Untersuchung der dritten

These dargelegt. Basierend auf den theoretischen Grundlagen stehen die Fragen nach de-

korativer, symbolpolitischer BüBet, konkreten Formen der BüBet sowie dem Nutzen von

BüBet im Vordergrund (vgl. Kapitel 3.6; vgl. Kapitel 3.9; vgl. Kapitel 3.10). Übergeordnetes

Ziel ist eine Analyse der BüBet in den beiden Fallbeispielen, um Erkenntnisse für zukünftige

bauliche Grossprojekte zu gewinnen (vgl. Kapitel 5.5).

5.3.1 BüBet mit dekorativem, symbolpolitischem Charakter

Eines vorneweg: Der BüBet in einem der beiden Fallbeispiele dekorativen und symbolpoliti-

schen Charakter vorzuwerfen, würde – wie sich in den Interviews zeigte – zu kurz greifen. In

beiden Projekten wurde gemäss den befragten Personen versucht, mittels Beteiligungsver-

fahren zu einer besseren Lösung zu kommen. Während Journalist AN der Meinung ist, bei

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der Neugestaltung Marktplatz sei es vor allem noch „viel Gemauschel“ gewesen, sind sich

die Befragten einig, dass bei der Neugestaltung Bahnhofplatz die BüBet konkreten Einfluss

auf die Vorlage hatte. Sie wird daher von allen als vorbildlich bezeichnet. Lediglich KG ist

der Meinung, dass BüBet, die über die formellen Beteiligungsformen hinausgeht, nicht nötig

ist. Er merkt zudem an, dass auch das Parlament gerne mehr mitbestimmen würde, im End-

effekt aber oftmals auch nur noch Ja oder Nein sagen könne – genau wie die Bürger. Ob

Bürgerinnen und Bürger in den Beteiligungsverfahren der beiden Fallbeispiele mehr sehen

als Dekoration und Symbolpolitik, konnte im Rahmen dieser Masterarbeit nicht untersucht

werden. Schliesst man aber von den Interviewten auf eine breitere Öffentlichkeit, scheint es

unter anderem von den konkret gewählten Beteiligungsformen in den beiden Fallbeispielen

abzuhängen, ob die BüBet als dekorativ und symbolpolitisch wahrgenommen wurde oder

nicht (vgl. Kapitel 5.3.2). Die Kommunikationsfachleute UW und EMR sind zudem der Mei-

nung, dass BüBet helfen kann, Hotspots oder Brennpunkte eines Projekts frühzeitig zu er-

kennen. Dies sei wichtig, da solche sowohl in der Kommunikation wie auch planerisch zu

berücksichtigen wären.

5.3.2 Formen der BüBet im Rahmen der beiden Fallbeispiele

Während bei der Neugestaltung Marktplatz einzelne Aspekte mit den direkt Betroffenen be-

sprochen wurden, richtete sich die Umfrage bei der Neugestaltung Bahnhofplatz an eine

breitere Öffentlichkeit. Obwohl die Umfrage gemäss den befragten Personen besser funktio-

nierte und zweckmässiger war als die Gespräche mit einzelnen Gruppierungen, wäre es

wohl verfehlt zu sagen, dass Gespräche mit konkreten Anspruchsgruppen per se eine un-

geeignete Beteiligungsform seien. Es zeigt sich aber, dass der Informationstransfer der Er-

gebnisse an die breite Öffentlichkeit von zentraler Bedeutung ist, wenn Gespräche mit ein-

zelnen Gruppen geführt werden. Die Befragten sehen denn bei der Neugestaltung Markt-

platz auch hier das Problem. EMR formulierte es so: „Ich weiss heute, dass man mit vielen

Gruppierungen gesprochen hat – zum Teil vorbildlich – und dann hat man Änderungen vor-

genommen. Diese wurden aber zu wenig kommuniziert“. Da halfen nach UW auch die drei

Rundgänge kurz vor der Abstimmung mit der damaligen Stadträtin EB, bei denen man vor

Ort Fragen stellen konnte, nichts mehr (vgl. Abbildung 3).

AK, Stabschef Direktion Bau und Planung, ist der Meinung, primär das Parlament als Volks-

vertretung müsse miteinbezogen werden, und es habe zudem ein Problem des Marktplatz-

Projekts darin bestanden, „dass es eine Summe aus sehr vielen verschiedenen Teilen“ war,

wodurch die BüBet massiv erschwert worden wäre. Journalist AN merkt weiter an, dass man

zwar nicht „mit dem ganzen Volk“ einen Workshop machen könne, aber man könne noch

stärker auf das Potenzial jener Opinion Leader zurückgreifen, welche sich politisch zwar

nicht engagieren wollen, aber „sehr viel zu sagen haben“. Für HDZ steht zudem fest, dass

man bei der Neugestaltung Marktplatz die Online-Kommunikation – speziell im Bereich

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Social Media – vernachlässigt habe. Diese sei ein wichtiges Mittel zur Mobilisierung der

Gegnerschaft gewesen, und im Zusammenhang mit Abstimmungen sei die Mobilisierung ein

entscheidendes Element.

Wie bei der öBKom sind sich die Befragten auch bezüglich BüBet einig, dass bei der Neu-

gestaltung Bahnhofplatz bedeutend mehr gemacht wurde als noch bei der Neugestaltung

Marktplatz. Dies gelte nach Meinung der Befragten sowohl für die Online- wie auch für die

Offline-Kommunikation.

5.3.3 Nutzen der BüBet in Bezug auf die beiden Fallbeispiele

Über den konkreten Nutzen von BüBet sind sich die Befragten nicht einig. Zwar sieht eine

Mehrheit in der heutigen Kommunikations- und Mediengesellschaft durchaus die Notwen-

digkeit, formelle Beteiligungsverfahren durch informelle ergänzen zu müssen, man scheint

aber doch auch Respekt – um nicht zu sagen Angst – vor dieser Entwicklung zu haben, wie

aus den Interviews hervorgeht, auch nicht zu Unrecht. Zeigen sich doch die Rahmenbedin-

gungen bei baulichen Grossprojekten oft als so eng, dass kaum Spielraum für „Wunschkon-

zerte“ bleibt, wie Rechtskonsulent SS festhält. Während bei der Neugestaltung Marktplatz

mit einzelnen Gruppierungen bezüglich einzelner Aspekte des Projekts – man denke an den

Parkplatzkonsens – Lösungen gefunden wurden, gelang es trotzdem nicht, die verschiede-

nen Beteiligungsverfahren unter einen Hut zu bringen und transparent zu machen. Damit

war der Nutzen der BüBet bei der Neugestaltung Marktplatz sehr gering.

Anders sieht es hingegen bei der Neugestaltung Bahnhofplatz aus. Die angewendeten Be-

teiligungsverfahren wurden transparent gemacht sowie besser kommuniziert und flossen

direkt in die Lösung ein. Der Nutzen der BüBet zeigt sich konkret in einem verkleinerten Ku-

bus der Ankunftshalle und der Grundsatzabstimmung über die Unterführungsverlängerung.

Anders als noch bei der Neugestaltung Marktplatz kann also bei der Neugestaltung Bahn-

hofplatz von einem konkreten Nutzen der BüBet gesprochen werden.

Für den Nutzen von BüBet scheint neben der passenden Beteiligungsform auch der richtige

Zeitpunkt von grosser Bedeutung zu sein. UW, Leiter Fachstelle Kommunikation Stadt

St.Gallen, meint denn auch, dass man eben nicht im stillen Kämmerlein einen Projektwett-

bewerb durchführen und dann das Ergebnis vorstellen solle, sondern sehr früh zu einem

Workshop einladen und auf Basis der Ergebnisse ein Projekt planen soll. Stadträtin PA ist

hingegen der Meinung, dass man den Architekten nicht zu viele Grenzen – zum Beispiel im

Sinne von Wünschen aus der Bürgerschaft – auferlegen solle, damit diese mal frei zu einem

„Höhenflug“ ansetzen könnten, da man sonst nie zu einem „guten Wurf“ komme. UW gibt

PA insofern Recht, als er sagt, dass die Stadt St.Gallen keinen Roten Platz hätte, wenn da-

mals das Projekt vorgängig den Bürgerinnen und Bürgern vorgelegt worden wäre.

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Um dem Partizipationsparadoxon zu begegnen (vgl. Kapitel 3.6) schlägt Behördenvertreter

UW vor, nicht die üblichen Projektwettbewerbe durchzuführen, sondern der Bürgerschaft im

Sinne einer Aufbereitung von Rahmenbedingungen einen „Knochen hinzuwerfen“, welcher

dann diskutiert werden könne. Dass dies grundsätzlich möglich wäre und auch schon ge-

macht wurde, bestätigt AK, Stabschef Direktion Bau und Planung. Nach AK wurden die

Wettbewerbe in den beiden Fallbeispielen zudem nach SIA-Norm durchgeführt. Dies hat zur

Folge, dass die Ergebnisse in beiden Fällen durch die Jurymitglieder der SIA dominiert wur-

den. Das mag in rein architektonischen Projekten durchaus sinnvoll sein. Bei der Gestaltung

von öffentlichen Plätzen sieht AK hier aber auch Probleme und könnte sich gut vorstellen,

zukünftige Wettbewerbe für bauliche Grossprojekte nicht mehr nach SIA-Norm durchzufüh-

ren. Das könnte neue Möglichkeiten für die BüBet bringen und womöglich deren Nutzen

steigern.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass man grundsätzlich den Nutzen – oder zumin-

dest die Notwendigkeit – von BüBet erkannt hat. Wie man sie in konkreten Projekten fördern

und zur Erreichung besserer Lösungen nutzen soll, darin besteht – auch aufgrund geringer

Erfahrung – noch keine Einigkeit. Mit der Neugestaltung Bahnhofplatz scheint man aber ein

Beispiel für positive BüBet gefunden zu haben. Darin besteht bei den Befragten, abgesehen

von KG als Gegner der Vorlage, Konsens.

5.3.4 Ergebnisse zu These 3

Es folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus Kapitel 5.3 in Form des Fazits zur drit-

ten These.

Die BüBet im Rahmen der beiden Fallbeispiele hatte keinen – zumindest keinen absichtli-

chen – dekorativen, symbolpolitischen Charakter, was aber nicht heisst, dass in beiden Fall-

beispielen ein konkreter Nutzen aus den Beteiligungsbemühungen resultierte. Bezüglich der

Frage nach dem Nutzen muss zwischen den beiden Fallbeispielen differenziert werden.

Während bei der Neugestaltung Marktplatz viele Einzelgespräche geführt und diese der

breiten Öffentlichkeit gegenüber nicht oder nur ungenügend transparent gemacht wurden,

setzte die Behörde bei der Neugestaltung Bahnhofplatz auf eine offene Umfrage, an welcher

über verschiedene Kanäle – online und offline – teilgenommen werden konnte. Die Ergeb-

nisse aus dieser Umfrage flossen – für die Öffentlichkeit nachvollziehbar – in das Projekt

ein. Bei der Neugestaltung Bahnhofplatz kann also sicher von einem Nutzen der BüBet ge-

sprochen werden. Man schien aus den Fehlern der 2011 an der Urne gescheiterten Neuge-

These 3

Die Bürgerbeteiligung (BüBet) im Rahmen der beiden Fallbeispiele hat dekorativen, sym-

bolpolitischen Charakter und bringt damit kaum Nutzen.

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staltung Marktplatz gelernt zu haben. Obwohl damals ein parteiübergreifender Parkplatz-

konsens zustande kam, verhalf dieses erfolgreiche Beteiligungsverfahren der Vorlage nicht

zu einem Erfolg an der Urne.

Bezüglich der Beteiligungsformen in den beiden Fallbeispielen kann festgehalten werden,

dass sich offene, möglichst an die breite Öffentlichkeit gerichtete Verfahren wohl am besten

eignen, um Transparenz zu schaffen. Dabei können sich die Befragten neben einer Umfra-

ge, wie bei der Neugestaltung Bahnhofplatz, durchaus auch Beteiligungsformen wie Plan-

ning for Real oder eine Planungszelle vorstellen. Ob solche offenen Beteiligungsverfahren

auch zu besseren Lösungen führen, sei dahingestellt. Schlussendlich geht es in baulichen

Grossprojekten aber wohl weniger um die beste Lösung, sondern mehr um den besten

Kompromiss. Und um zu besseren Kompromissen zu kommen, müssen bestehende, traditi-

onelle Prozesse angepasst und BüBet konsequent umgesetzt werden. Zukünftige bauliche

Grossprojekte werden dadurch zwar länger dauern, wenn man aber die beiden Fallbeispiele

vergleicht, zeigt sich, dass sich das Projekt Neugestaltung Bahnhofplatz aufgrund von BüBet

zwar um ein Jahr verzögerte, bevor es an der Urne angenommen wurde, ein Nein des Vol-

kes bei der Neugestaltung Marktplatz im Endeffekt aber bedeutend mehr Zeit kostet.

Gerade die befragten Kommunikationsfachleute weisen zudem darauf hin, dass BüBet hel-

fen könne, Brennpunkte eines Projekts frühzeitig zu erkennen. Werden Brennpunkte frühzei-

tig erkannt, könne ihnen kommunikativ wie auch planerisch rechtzeitig und angemessen

begegnet werden.

5.4 Medienberichterstattung während des zeitlichen Schutzbereiches

Folgend werden die Ergebnisse aus der Inhaltsanalyse zur Medienberichterstattung in den

beiden Fallbeispielen dargelegt. Die Untersuchung bezieht sich jeweils auf Beiträge und

Leserbriefe, welche in den sechs Wochen vor der Abstimmung publiziert wurden. Der Zeit-

bereich von sechs Wochen setzt sich aus dem dreiwöchigen zeitlichen Schutzbereich sowie

der genauso langen Kontrollperiode davor zusammen. Die Ergebnisse werden pro Fallbei-

spiel aufgeführt und abschliessend zur Klärung der vierten These zusammengeführt.

5.4.1 Medienbeiträge zur Neugestaltung Marktplatz

Für die sechs Wochen vor der Abstimmung zur Neugestaltung Marktplatz wurden 53 Beiträ-

ge untersucht, welche in lokalen Print- und Onlinemedien zum Thema publiziert wurden. Die

Berichterstattung kann als sehr neutral bezeichnet werden. 18 Beiträge äusserten sich eher

kritisch zur Neugestaltung Marktplatz, 19 Beiträge äusserten sich eher positiv zur Neugestal-

tung Marktplatz und 16 Beiträge wurden als neutral eingestuft. Von den 53 untersuchten

Beiträgen erschienen 31 innerhalb des dreiwöchigen zeitlichen Schutzbereiches. Von diesen

31 Beiträgen votierten zehn gegen und zehn für die Neugestaltung Marktplatz. Elf Beiträge

wurden für neutral befunden. In den drei Wochen vor dem zeitlichen Schutzbereich wurden

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22 Beiträge zum Thema Neugestaltung Marktplatz publiziert. Davon waren acht eher gegen

und neun eher für die Annahme der Vorlage. Fünf Beiträge wurden als neutral eingestuft.

Abbildung 9 fasst die Ergebnisse der Inhaltsanalyse aller Beiträge zur Neugestaltung Markt-

platz zusammen.

Abbildung 9: Beiträge in Print- und Onlinemedien zur Neugestaltung Marktplatz (eigene Darstellung)

Der zeitliche Schutzbereich vor der Abstimmung zur Neugestaltung Marktplatz scheint also

keinen Einfluss auf die Tendenz der Medienberichterstattung zu haben. Während der gan-

zen sechs Wochen vor der Abstimmung wurde über alle Beiträge gesehen ausgewogen

berichtet. Es zeigt sich aber, dass in den drei Wochen vor der Abstimmung, welche in den

zeitlichen Schutzbereich fallen, die Anzahl der Beiträge und damit wohl das Gewicht des

Themas in der Öffentlichkeit zugenommen haben.

5.4.2 Leserbriefe zur Neugestaltung Marktplatz

In dem Zeitraum von sechs Wochen vor der Abstimmung zur Neugestaltung Marktplatz,

nämlich vom 2. April 2011 bis zum 14. Mai 2011, wurden zudem 100 Leserbriefe aus lokalen

Print- und Onlinemedien untersucht. Von den 100 untersuchten Leserbriefen enthielten 51

eine Botschaft, welche nicht im Interesse der Behörden und damit gegen die Neugestaltung

Marktplatz war. 43 Leserbriefe äusserten sich zugunsten der Neugestaltung Marktplatz und

sechs enthielten keine klare Botschaft für oder gegen das Projekt.

Es zeichnet sich damit ein Übergewicht jener Leserbriefe ab, in denen sich die Verfasserin-

nen und Verfasser gegen eine Neugestaltung des Marktplatzes aussprechen. 88 der 100

Leserbriefe wurden während des zeitlichen Schutzbereiches publiziert und lediglich 12 Le-

serbriefe wurden in den drei Wochen davor veröffentlicht. Das Verhältnis zwischen pro und

kontra ist aber über die beiden Zeiträume ausgeglichen. So votierten während des zeitlichen

Schutzbereiches 45 Leserbriefe gegen, 38 für und in den drei Wochen davor 6 gegen und 5

für eine Annahme der Vorlage zur Neugestaltung des Marktplatzes. Abbildung 10 gibt einen

Überblick der untersuchten Leserbriefe zur Neugestaltung Marktplatz.

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Abbildung 10: Leserbriefe in Print- und Onlinemedien zur Neugestaltung Marktplatz (eigene Darstellung)

Wie bereits bei den redaktionellen Beiträgen ist auch bei den Leserbriefen keine Auswirkung

des zeitlichen Schutzbereiches auszumachen. Es zeigt sich aber auch bei den Leserbriefen,

dass sich die Bürgerinnen und Bürger umso mehr mit der Vorlage zu befassen scheinen, je

näher der Abstimmungstermin rückt.

5.4.3 Medienbeiträge zur Neugestaltung Bahnhofplatz

Im Rahmen der Neugestaltung Bahnhofplatz wurden 46 Beiträge, welche alle in den sechs

Wochen vor der Abstimmung in meist lokalen Print- und Onlinemedien erschienen sind, un-

tersucht. Dabei war die Medienberichterstattung bei der Neugestaltung Bahnhofplatz noch

ausgewogener als bei der Neugestaltung Marktplatz. Je 17 Beiträge äusserten sich eher

kritisch respektive eher positiv zur Neugestaltung Bahnhofplatz und 12 Beiträge wurden als

neutral eingestuft. Bei einem etwas detaillierteren Blick auf die Beiträge fällt auf, dass die

Titel eher pro Neugestaltung Bahnhofplatz waren, sich die Leads, Untertitel und Fliesstexte

hingegen wieder ausgewogen zwischen pro und kontra bewegten, was zu der letztlich sehr

ausgewogenen Gesamtbeurteilung führte.

Auch bei der Neugestaltung Bahnhofplatz können zwischen dem zeitlichen Schutzbereich

und der dreiwöchigen Kontrollperiode keine Unterschiede in der Medienberichterstattung

festgestellt werden. Während des zeitlichen Schutzbereiches wurden acht Beiträge, die eher

gegen, und acht Beiträge, die eher für die vorgesehene Neugestaltung waren, publiziert.

Hinzu kamen sechs neutrale Beiträge, was zu einem Total von 22 Beiträgen während des

zeitlichen Schutzbereiches führte. In den drei Wochen vor dem zeitlichen Schutzbereich

erschienen neun Beiträge kontra und neun Beiträge pro Neugestaltung Bahnhofplatz. Bei

wiederum sechs neutralen Beiträgen resultieren 24 Beiträge für die drei Wochen vor dem

zeitlichen Schutzbereich. Damit erschienen bei der Neugestaltung Bahnhofplatz, anders als

bei der Neugestaltung Marktplatz, weniger Beiträge während des zeitlichen Schutzbereiches

als in den drei Wochen davor. Abbildung 11 fasst die Ergebnisse der untersuchten redaktio-

nellen Beiträge zur Neugestaltung Bahnhofplatz zusammen.

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Abbildung 11: Beiträge in Print- und Onlinemedien zur Neugestaltung Bahnhofplatz (eigene Darstellung)

5.4.4 Leserbriefe zur Neugestaltung Bahnhofplatz

Zur Neugestaltung Bahnhofplatz wurden in den sechs Wochen vor der Abstimmung vom

9. Juni 2013 35 Leserbriefe im St. Galler Tagblatt publiziert. Von diesen 35 Leserbriefen

waren neun gegen und 22 für die Neugestaltung Bahnhofplatz. Zwei Leserbriefe waren in

ihren Ausführungen neutral und zwei äusserten sich nur zur Grundsatzabstimmung. Damit

hatten die Befürworter der Vorlage Neugestaltung Bahnhofplatz klar die Oberhand. Neben

dem Ja oder dem Nein zur Neugestaltung Bahnhofplatz wurde auch untersucht, welche

Tendenzen die Leserbriefe in Bezug auf die Unterführungsverlängerung, also hinsichtlich

der Grundsatzabstimmung, aufzeigen, wobei lediglich in 13 von 35 Leserbriefen auf die

Grundsatzabstimmung eingegangen wurde. Neun Leserbrief-Schreibende sprachen sich für

und vier gegen eine Unterführungsverlängerung aus. Folgend fasst die Abbildung 12 die

Ergebnisse der untersuchten Leserbriefe zur Neugestaltung Bahnhofplatz zusammen.

Abbildung 12: Leserbriefe in Print- und Onlinemedien zur Neugestaltung Bahnhofplatz (eigene Darstellung)

Während in den drei Wochen vor dem zeitlichen Schutzbereich fünf Leserbriefe gegen und

vier Leserbriefe für eine Neugestaltung des Bahnhofplatzes warben, votierten in den drei

Wochen des zeitlichen Schutzbereiches vier Leserbriefe gegen und 18 für die Neugestal-

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tung Bahnhofplatz. Die Anzahl der befürwortenden Leserbrief-Schreibenden nahm also wäh-

rend des zeitlichen Schutzbereiches massiv zu.

5.4.5 Ergebnisse zu These 4

Folgend werden die Erkenntnisse aus der Inhaltsanalyse in einem Fazit zur vierten These

gebündelt.

Die These 4 hat sich aufgrund der Untersuchungen nicht bewahrheitet. Die Gegnerschaft

profitierte im Rahmen der beiden Fallbeispiele nicht von dem zeitlichen Schutzbereich und

gewann in den drei Wochen vor der Abstimmung nicht an Gewicht in den Print- und Online-

medien. Die quantitative Inhaltsanalyse zeigte jedoch auf, dass

- die Berichterstattung während des zeitlichen Schutzbereiches im Vergleich zu den

drei Wochen davor klar zunimmt,

- in den redaktionellen Beiträgen in beiden Fallbeispielen sehr ausgewogen für und

gegen die Vorlagen argumentiert wurde,

- die Leserbriefe, anders als die redaktionellen Beiträge, ein Indikator für die Akzep-

tanz einer Vorlage in der Öffentlichkeit sein können. Sie können aber auch als ein-

flussreiches Mittel von Komitees und allenfalls sogar von Behörden gesehen werden,

welche es geschickt verstehen, diese öffentliche Plattform im Vorfeld von Abstim-

mungen für ihre Interessen zu nutzen.

Während die Leserbriefe zur Neugestaltung Marktplatz konstant eher kritisch waren, er-

schienen im Vorfeld der Neugestaltung Bahnhofplatz innerhalb des zeitlichen Schutzberei-

ches massiv mehr Leserbriefe, die sich für die Vorlage aussprachen, als in der dreiwöchigen

Kontrollperiode davor. Konkret votierten 18 Leserbriefschreibende für eine Neugestaltung

und nur vier dagegen. Man könnte nun mutmassen, dass die Behörden in dieser Zeit zwar

nicht mehr aktive BKom betrieben, sich jedoch im Hintergrund mehr oder weniger stark da-

rum bemühten, dass Leserbriefe in ihrem Sinne bei der Redaktion des St. Galler Tagblatts

eingereicht wurden. Dies wäre insofern problematisch, da Behörden nicht mit dem Ziel, eine

Abstimmung zu gewinnen, private Komitees finanziell unterstützen oder mit ihnen zusam-

menarbeiten dürfen (vgl. Kapitel 3.4.1). Will man auf solche Mutmassungen verzichten,

könnte man argumentieren, dass bei der Neugestaltung Bahnhofplatz allein das aktive Ja-

Komitee für diese vielen Leserbriefe verantwortlich ist.

These 4

Die Gegnerschaft profitiert von dem zeitlichen Schutzbereich im Vorfeld von Abstimmun-

gen und gewinnt in den drei Wochen vor dem Abstimmungstermin an Gewicht in den

Print- und Onlinemedien.

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Abschliessend kann gesagt werden, dass aufgrund der zunehmenden Berichterstattung in

den drei Wochen vor der Abstimmung für Behörden zumindest das Risiko besteht, weniger

Aufmerksamkeit in den Medien zu erhalten als die Gegnerschaft, da nicht mehr aktiv kom-

muniziert werden darf. Zumindest im Rahmen der beiden untersuchten Fallbeispiele ist die-

ser für die Behörden durchaus problematische Umstand nicht eingetreten. Dies ist nicht zu-

letzt der durchwegs ausgeglichenen redaktionellen Berichterstattung der Medien zuzu-

schreiben (vgl. Kapitel 5.4.1; vgl. Kapitel 5.4.3)

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6. Schlussteil

Im sechsten und letzten Kapitel werden die Erkenntnisse zusammengefasst, die Fragestel-

lung beantwortet und eine selbstkritische Einschätzung der Stärken und Schwächen der

Masterarbeit vorgenommen.

6.1 Zusammenfassung und Beantwortung der Fragestellung

Folgend werden die wesentlichen Erkenntnisse und Ergebnisse der Masterarbeit zusam-

mengefasst und zur Beantwortung der Fragestellung herangezogen.

Die beiden im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Fallbeispiele zeigen, dass die Stadt

St.Gallen in Bezug auf die öBKom und die BüBet in den letzten Jahren sehr aktiv war und

bereits viel unternommen wurde, um die öBKom und zumindest in Ansätzen auch die BüBet

zu optimieren. Dabei hielt sich die Stadt St.Gallen stets an die rechtlichen Rahmenbedin-

gungen. Aufgrund der verlorenen Abstimmung zur Neugestaltung Marktplatz im Jahr 2011

wurden die öBKom und die BüBet für das folgende bauliche Grossprojekt, die Neugestal-

tung Bahnhofplatz, neu aufgegleist. So wurde in den Vorlagen zur Neugestaltung Bahnhof-

platz im Parlament Geld für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen. Während bei der

Neugestaltung Marktplatz kein einziger Franken für die Öffentlichkeitsarbeit budgetiert war,

wurden bei der Neugestaltung Bahnhofplatz CHF 450‘000, je zur Hälfte durch die Stadt und

die SBB, für Öffentlichkeitsarbeit eingeplant. Dieser Umstand führte auch dazu, dass zumin-

dest die öBKom im Projektablauf stärker berücksichtigt und in diesen miteinbezogen wurde.

Mit der Anerkennung der Wichtigkeit von öBKom in solchen baulichen Grossprojekten wur-

den auch neuen, offenen Beteiligungsverfahren die Türen – zumindest einen Spalt weit –

geöffnet. Während bei der Neugestaltung Marktplatz mit vielen einzelnen Anspruchsgruppen

separate Gespräche geführt wurden, setzte man bei der Neugestaltung Bahnhofplatz mit

einer Umfrage auf ein offeneres und vor allem auch transparenteres Beteiligungsverfahren.

Da mit einer zusätzlichen Grundsatzabstimmung auch die Bereitschaft zur Aufnahme von

Bürgervorschlägen bewiesen wurde und die Abstimmung schlussendlich im Sinne der Be-

hörden verlief, kann sicher von erfolgreicher BüBet gesprochen werden. Zudem wurden bei

der Neugestaltung Bahnhofplatz in der öBKom Online- und Offline-Massnahmen sinnvoll

aufeinander abgestimmt. Auch diesbezüglich scheint man aus Fehlern bei der Neugestal-

tung Marktplatz gelernt zu haben.

Fragestellung

Wie können Behördenkommunikation (BKom) und Bürgerbeteiligung (BüBet) im Rahmen

baulicher Grossprojekte in der Stadt St.Gallen optimiert werden?

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Neben diesen, bereits in den letzten Jahren vorgenommenen, massiven Optimierungen in

den Bereichen öBKom und BüBet müssen nun in einem nächsten Schritt die traditionellen

und teils nicht mehr zeitgemässen Prozesse bei baulichen Grossprojekten angegangen

werden. Gerade im Hinblick auf BüBet gibt es diesbezüglich sicher noch Optimierungspo-

tenzial. So scheint es sinnvoll, wie es auch in einem Leitfadeninterview erwähnt wurde, dass

für bauliche Grossprojekte, die nicht aus einem einzelnen Gebäude bestehen, wie zum Bei-

spiel die öffentlichen Plätze in den beiden Fallbeispielen, zukünftig nicht mehr Wettbewerbe

nach SIA-Norm durchgeführt werden und damit nicht mehr architektonische Kriterien domi-

nieren. Vor allem die Neugestaltung Marktplatz zeigte, dass in solchen Projekten architekto-

nische Qualität alleine nicht genügt, um die breite Öffentlichkeit von einer Lösung zu über-

zeugen.

Ziel muss es zudem sein, die Prozesse so zu gestalten, dass BüBet bereits in einer sehr

frühen Projektphase möglich wird. Konkret wäre es sinnvoll, bereits bei der Wettbewerbs-

programmerarbeitung die Bürgerinnen und Bürger miteinzubeziehen. Neben einem Prozess,

der eine frühe Beteiligung zulässt, gilt es diesbezüglich auch das Partizipationsparadoxon zu

berücksichtigen, welches in den theoretischen Grundlagen erwähnt wurde (vgl. Kapitel 3.6).

Hier stellt sich den Behörden nämlich das Problem, dass die Bürgerschaft in der Phase der

Wettbewerbsprogrammerarbeitung noch kaum Interesse an einem Projekt zeigt. Das öffent-

liche Interesse entsteht erst, wenn etwas Konkretes vorliegt – meist in Form von Visualisie-

rungen (vgl. ebd.). Von den Behörden ist hier Mut gefragt, wenn sie der Öffentlichkeit zu-

künftig bereits Visualisierungen von nicht definitiven Entscheiden präsentieren, um eine frü-

he Diskussion zu ermöglichen. So können erste Bürgervorschläge bereits in die Rahmenbe-

dingungen für einen Wettbewerb – der, wie angemerkt, nicht nach SIA-Norm zu erfolgen hat

– aufgenommen werden.

Weiter ist festzuhalten, dass – wie die Leitfadeninterviews gezeigt haben – eine frühe Er-

kennung von Brennpunkten absolut entscheidend für den Erfolg von baulichen Grossprojek-

ten ist. Werden, wie oben vorgeschlagen, eine frühe BüBet ermöglicht und darauf ausgerich-

tete Prozesse etabliert, dann hilft dies massgeblich, Brennpunkte frühzeitig zu erkennen und

in der öBKom zu berücksichtigen. Dieser Ansatz ist im Rahmen der Neugestaltung Bahn-

hofplatz bereits deutlich zu erkennen, könnte aber mit einer frühen BüBet weiter gefördert

und noch konsequenter umgesetzt werden.

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Zusammengefasst besteht in der Stadt St.Gallen bei baulichen Grossprojekten bezüglich

öBKom und BüBet folgendes Optimierungspotenzial:

Optimierungsempfehlungen bezüglich des zeitlichen Schutzbereiches vor Abstimmungen

werden keine abgegeben, da die Stadt St.Gallen diesen nicht direkt beeinflussen kann. Wei-

ter sei angemerkt, dass die Leitfadeninterviews bezüglich der iBKom und der sBKom eben-

falls Erkenntnisse geliefert haben. Da sich diese Masterarbeit aufgrund des knappen Um-

fangs aber auf die öBKom konzentriert, wurden diese Aspekte nicht weiter vertieft. Konkret

ging es bei der iBKom darum, dass städtische Mitarbeitende, die mit der Öffentlichkeit in

Kontakt stehen, bezüglich Kommunikation besser geschult werden. Bei der sBKom ging es

darum, die Kommunikation zwischen Behörde und Stadtparlament auszubauen und zu ver-

bessern. Hier zeigten sich bereits in den Fallbeispielen Unterschiede, wie in der Politics-

Analyse unter Kapitel 2.2 ersichtlich ist. Beides sind wichtige Punkte, die – wenn auch nur

kurz – erwähnt sein sollen.

6.2 Fazit: Einschätzung der Stärken und Schwächen der Masterarbeit

BKom bildet – selbst wenn sie nur auf die öBKom beschränkt wird – zusammen mit BüBet

ein sehr umfangreiches Themengebiet. Mit der Fokussierung auf zwei Fallbeispiele wurde

es zwar eingegrenzt, trotzdem war es eine Herausforderung, dieses Themengebiet auf 50

Seiten adäquat abzuhandeln. So nimmt die wichtige Erläuterung der politischen Dimensio-

nen viel Platz ein, auf welchen dann im Ergebnisteil verzichtet werden musste. Das führte

dazu, dass die Ergebnisse aus den zehn Leitfadeninterviews stark zusammengefasst, zum

Teil sogar interessante Aspekte weggelassen werden mussten, um den vorgegebenen Um-

fang der Masterarbeit nicht zu überschreiten. Anschlussthemen wie mBKom und Online-

3. Je nach Art des baulichen Grossprojekts ist zu überdenken, ob ein Wettbewerb

nach SIA-Norm sinnvoll ist. Konkret stellt sich die Frage, ob architektonische oder

öffentliche Interessen in einem Projekt dominieren sollen.

2. BüBet in einer frühen Projektphase gezielt nutzen, um Brennpunkte zu identifizie-

ren und ihnen rechtzeitig mit adäquaten kommunikativen, aber auch planerischen

Massnahmen zu begegnen.

1. Anpassung der herkömmlichen, traditionellen Prozesse mit dem Ziel, BüBet in

einer möglichst frühen Projektphase zu ermöglichen. Seitens der Behörden ist der

Mut gefragt, bereits zu einem frühen Zeitpunkt mit Visualisierungen und anderen

zeitgemässen Darstellungsformen an die Öffentlichkeit zu treten.

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BüBet kamen dadurch eher zu kurz. Weiter erwies es sich als Herausforderung, aktuelle

wissenschaftliche Literatur zur BKom mit Bezug zum Schweizer Politiksystem zu finden.

Während zum Themenfeld BüBet auch auf Literatur aus Deutschland und auf Ansätze aus

Übersee zurückgegriffen werden konnte, war dies für die BKom nicht möglich. Das führte im

Endeffekt dazu, dass sich die Masterarbeit für das Themenfeld BKom auf wenige Autoren

und deren Werke stützt, welche aber das politische System der Schweiz berücksichtigen.

Trotzdem wurden die vier Thesen fundiert untersucht, die Fragestellung angemessen be-

antwortet und damit die zu Beginn der Masterarbeit definierte Zielsetzung erfüllt. Dies war

nur möglich, da mit einer detaillierten Analyse der politischen Dimensionen der Stadt

St.Gallen sowie der Anwendung des Policy-Cycle in Bezug auf die beiden Fallbeispiele eine

solide und nachvollziehbare Ausgangslage geschaffen werden konnte. Diese Analyse war

mit grossem zeitlichen Aufwand verbunden und gerade bei der Neugestaltung Marktplatz

kam der zeitliche Abstand sowie die nicht sehr ausführliche Dokumentation erschwerend

hinzu. Im Verlauf der Arbeit zeigten sich zudem neue, nicht von Beginn an offensichtliche

Themenbereiche, welche es wert gewesen wären, genauer untersucht zu werden. Speziell

zu erwähnen ist an dieser Stelle das Thema des zeitlichen Schutzbereiches und seine Aus-

wirkungen auf die Meinungs- und Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger. Hier wäre es

interessant, vertiefte Untersuchungen zu unternehmen, um über die zwei Fallbeispiele hi-

naus feststellen zu können, welche Auswirkungen der zeitliche Schutzbereich auf die BKom

effektiv hat. Die vorgenommene Inhaltsanalyse greift diesbezüglich sicher zu kurz. Sie half

aber zumindest, einige wichtige Fragen zum Thema des zeitlichen Schutzbereiches aufzu-

werfen. Auch wenn diese – zum Beispiel über den Sinn oder Unsinn des zeitlichen Schutz-

bereiches – nicht beantwortet werden konnten, spiegeln sich in den Leitfadeninterviews der

vorliegenden Masterarbeit trotzdem die unterschiedlichen Haltungen zu diesem Thema wi-

der.

Insgesamt liefert die vorliegende Masterarbeit eine nachvollziehbare, von der Ausgangslage

über die theoretischen Grundlagen bis hin zu den Ergebnissen und dem Schlussteil strin-

gente Abhandlung der Themenbereiche öBKom und BüBet in Bezug auf bauliche Grosspro-

jekte in der Stadt St.Gallen.

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be des Namens der Vorlage ersichtlich.

http://stadtsg.ch/18W2RfJ

Page 62: Masterarbeit MAS: Bauliche Grossprojekte zwischen Protest und Akzeptanz

Masterarbeit Roman Kohler 20.12.2013 61

ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft

8. Anhang

Da der Anhang 30 Seiten übersteigt, wurde er gemäss den formalen Vorgaben separat ge-

bunden.