Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen...

41
Munich Business School Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis Munich Business School Working Paper 2007-03 Tobias Kesting School of International Business Hochschule Reutlingen Alteburgstraße 150 D-72762 Reutlingen Carsten Rennhak Munich Business School Elsenheimerstraße 61 D-80687 München E-Mail: [email protected] Munich Business School Working Paper Series, ISSN 2367-3869

Transcript of Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen...

Page 1: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Munich Business School

Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis

Munich Business School Working Paper

2007-03

Tobias Kesting School of International Business Hochschule Reutlingen Alteburgstraße 150 D-72762 Reutlingen

Carsten Rennhak Munich Business School Elsenheimerstraße 61 D-80687 München E-Mail: [email protected]

Munich Business School Working Paper Series, ISSN 2367-3869

Page 2: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

1 Einführung und theoretische Vorüberlegungen

Es ist ein wesentliches Charakteristikum einer kunden- und marktorientierten

Unternehmensführung, dass nicht das jeweilige Leistungsangebot, sondern der Kunde mit

seinen Wünschen und Bedürfnissen die Grundlage für unternehmerische Entscheidungen

bildet. Je kundenorientierter ein Anbieter agiert, desto größer ist der hierdurch erzielbare

Wettbewerbsvorteil.1

Das Marktsegmentierungskonzept berücksichtigt im Sinne des Marketing-Grundgedankens –

nämlich der Ausrichtung aller Unternehmensaktivitäten am Kunden – spezifische Bedürfnisse

verschiedener Nachfragergruppen.2 Unter Marktsegmentierung versteht man „(...) die

Aufteilung des (heterogenen) Gesamtmarktes für ein Produkt in (homogene) Teilmärkte oder

Segmente und die gezielte Bearbeitung eines Segmentes (bzw. mehrerer Segmente) mit Hilfe

segmentspezifischer Marketing-Programme (...)“.3 Reines Produktvarianten-Marketing fällt

demnach nicht unter diese Definition.4 In der Literatur wird das empfohlene Vorgehen zur

1 Vgl. Tomczak/Sausen (2003), S. 50.

2 Vgl. Meffert (2000), S. 181.

3 Freter (1983), S. 18. Der Detaillierungsgrad von Segmentierungen kann dabei bis hin zu

Individual-Marketing reichen, das auf atomisierter Segmentierung beruht und den Markt bis

auf den individuellen Kunden zerlegt. Vorwiegend bedingt durch zunehmende

Individualisierungstendenzen bei Abnehmern sowie durch den technischen Fortschritt hat

sich ein strategisches Konzept herausgebildet, das Pine (1994) als „Mass Customization“

bezeichnet. Mittels dieser maßgeschneiderten Massenfertigung werden in großem Umfang

individuell gestaltete Produkte erstellt (vgl. Pine 1994, zitiert nach Kotler/Bliemel 2006, S.

422, Becker 2006, S. 297 und Kotler/Bliemel 2006, S. 422).

4 Zwar wird eine Produktkategorie im Falle von Produktdifferenzierungen in verschiedenen

Varianten (z. B. in unterschiedlicher Größe und Qualität) angeboten, die allerdings zumeist

mit einem einzigen Marketing-Mix vermarktet werden. Produktvarianten-Marketing ist daher

lediglich als Weiterentwicklung des undifferenzierten Massenmarketing anzusehen und

bezweckt eine verbesserte Bedürfnisbefriedigung von Massenzielgruppen mit

Differenzierungsansprüchen. Es wird daher auch als differenziertes Massenmarketing

bezeichnet (vgl. Becker 2006, S. 295 und Kotler/Bliemel 2006, S. 418).

Page 3: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Segmentierung von Märkten häufig anhand des STP5-Ansatzes beschrieben, der den

Segmentierungsprozess in drei Hauptschritte unterteilt, die in einer chronologischen

Reihenfolge abzuwickeln sind. An erster Stelle steht dabei die eigentliche Segmentierung, d. h.

die Aufteilung des Gesamtmarktes in einzelne Segmente durch den Einsatz geeigneter

Segmentierungsvariablen. Diese Segmente stellen optimalerweise möglichst klar abgrenzbare

Käufergruppen dar, die jeweils mit einem spezifischen Leistungsangebot6 angesprochen

werden sollen. Um seine Chancen in jedem der Teilmärkte einzuschätzen, muss ein Anbieter

die Attraktivität der Segmente bewerten und auf Basis dieser Evaluation diejenigen festlegen,

die er bedienen möchte. Für jeden Zielmarkt wird im dritten Schritt zum Aufbau einer

tragfähigen Wettbewerbsposition ein Positionierungskonzept entwickelt und gegenüber

Nachfragern signalisiert.7

Das Marktsegmentierungskonzept wurde in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts

zunächst für das Konsumgüter-Marketing entwickelt.8 Die Unterschiede, die zwischen

Transaktionsprozessen mit Privatpersonen und organisationalen Nachfragern bestehen, sind

5 Segmenting (Segmentierung), Targeting (Zielmarktfestlegung), Positioning (Positionierung).

6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix.

7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

amerikanischer und britischer Wissenschaftler dar, wohingegen deutsche Autoren

Marktsegmentierungen zumeist als zweistufiges Konzept aus Markterfassung und

Marktbearbeitung verstehen (vgl. Sausen 2006, S. 20f.). Die Markterfassung repräsentiert

dabei die Informationsseite der Marktsegmentierung und fokussiert Aspekte der

Informationsgewinnung und -verarbeitung sowie der Erklärung des Käuferverhaltens. Sie

bezieht sich einerseits auf Marktforschungsaktivitäten und andererseits auf den Einsatz der

Art und Anzahl von Segmentierungskriterien. Somit entspricht sie prinzipiell dem

„Segmenting“-Schritt des STP-Ansatzes. Die Marktbearbeitung kann als Aktionsseite der

Marktsegmentierung verstanden werden. Sie umfasst schwerpunktmäßig die Auswahl von

Zielsegmenten und die Ausgestaltung segmentspezifischer Marketing-Mix-Programme für

die ausgewählten Teilmärkte (vgl. Freter 1983, S. 14ff. und Meffert 2000, S. 183ff.).

Verglichen mit dem STP-Ansatz beinhaltet die Marktbearbeitungsseite demnach die beiden

Schritte „Targeting“ und „Positioning“.

8 Vgl. Kleinaltenkamp (2002), S. 194.

Page 4: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

allerdings oftmals beträchtlich.9 Daher erfordern die Charakteristika des B2B-Bereichs

(teilweise) auch spezifische Segmentierungskriterien. Becker (2006, S. 281) unterscheidet

hierbei zwischen organisations-bezogenen, organisationsmitglieder-bezogenen und

organisationsverhaltens-bezogenen Kriterien. Diese Gliederung ist analog zur gängigen

Kategorisierung von Kriterien für B2C-Märkte gestaltet und ermöglicht daher eine

vergleichsfähige Gegenüberstellung von Segmentierungsvariablen im B2B- und B2C-Bereich

(vgl. Abb. 1).

Gegenüberstellung von B2B- und B2C-Segmentierungskriterien

B2B B2C

Organisations-bezogene

Kriterien

Geographische und

soziodemographische Kriterien

Organisationsmitglieder-bezogene

Kriterien

Psychographische

Kriterien

Organisationsverhaltens-bezogene

Kriterien

Verhaltensorientierte

Kriterien

Abbildung 1: Gegenüberstellung von B2B- und B2C-Segmentierungskriterien10

Organisations-bezogene Variablen sind sehr gut mit den klassischen Segmentierungskriterien

des B2C-Bereichs11 vergleichbar und repräsentieren eher formale Unterscheidungsmerkmale12.

9 Vgl. Backhaus et al. (2004), S. 25. Wesentliche segmentierungsrelevante Differenzen

zwischen B2B- und B2C-Märkten bestehen insbesondere auf der Nachfrager- und

Anbieterseite sowie hinsichtlich der Beziehungen zwischen den Marktpartnern (vgl. hierzu

Meffert 2000, S. 1204f. für weiterführende Informationen).

10 Vgl. Meffert (2000), S. 188 und Becker (2006), S. 281.

11 Als klassische B2C-Segmentierungskriterien werden geographische und

soziodemographische Kriterien bezeichnet. Letztere lassen sich nochmals unterteilen, und

zwar in demographische (z. B. Geschlecht, Alter, Familienstand) und sozioökonomische

Kriterien (z. B. Ausbildung, Beruf, Einkommen). Für weiterführende Informationen hierzu

vgl. u. a. Bruns (2000), S. 50f. und Meffert (2000), S. 192ff.

Page 5: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Organisationsmitglieder-bezogene Variablen bilden psychische Charakteristika der Mitglieder

bzw. Entscheidungsträger in Nachfrager-Organisationen ab. Somit stehen sie in Analogie zu

den psychographischen Variablen des B2C-Bereichs13 und stützen sich auch auf vergleichbare

Aspekte wie diese.14 Organisationsverhaltens-bezogene Kriterien ziehen das Kaufverhalten von

Organisationen als Segmentierungsgrundlage heran. Insofern sind sie mit den

verhaltensorientierten B2C-Segmentierungskriterien15 vergleichbar. Da das Einkaufsverhalten

im Investitionsgütermarketing zumeist durch Mehrpersonenentscheidungen gekennzeichnet

ist, bildet dieses kollektive Einkaufsverhalten den Hauptanknüpfungspunkt.16

Für Marktsegmentierungszwecke sind zahlreiche spezielle Modelle entwickelt worden, wobei

sich ein direkter Vergleich von B2B- und B2C-Segmentierungsansätzen aufgrund deren völlig

unterschiedlicher Konzeptionen allerdings nicht als sinnvoll erweist. Beide Märkte werden

daher getrennt betrachtet.

Zunächst soll kurz auf die wichtigsten B2C-Segmentierungsansätze eingegangen werden: Die

soziale Schichtung und der Familien-Lebenszyklus zeichnen sich jeweils durch eine

12 Z. B. den Organisationsstandort, die Organisationsgröße, die Branchenzugehörigkeit, das

Marktvolumen oder den Organisationstyp (vgl. Becker 2006, S. 281).

13 Psychographische Variablen zielen darauf ab, Konsumenten in psychisch verwandte

Gruppierungen zu klassifizieren. Gängige hierfür herangezogene Kriterien sind z. B.

Einstellungen, Motive, Wahrnehmungen, Präferenzen und Kaufabsichten (vgl. hierzu Freter

1983, S. 46 und Becker 2006, S. 255f.).

14 Beispiele für organisationsmitglieder-bezogene Variablen sind Wahrnehmung, Motivation,

Innovationsfreudigkeit, Informationsgewinnung, Einstellungen oder

Persönlichkeitsmerkmale (vgl. Becker 2006, S. 281).

15 Verhaltensorientierte Kriterien beziehen sich auf das Kaufverhalten von Endverbrauchern

und lassen sich in die Kategorien Produktwahl, Preisverhalten, Mediennutzung und

Einkaufsstättenwahl untergliedern. Ein produktwahlbezogenes Merkmal ist z. B. das

Kaufvolumen (vgl. hierzu Freter 1983, S. 46, 87ff.).

16 Vgl. Becker (2006), S. 281. Bedeutsame verhaltensorientierte Kriterien im B2B-Bereich sind

dementsprechend u. a. Größe, Zusammensetzung oder interpersonale Beziehungen von

Buying Centers. Hinzu kommen weitere Verhaltensaspekte wie Auftragsgrößen,

Auftragsvorgabekriterien, Kaufzeitpunkte, Produktverwendungen, Verwendungsintensitäten

oder Lieferantentreue (vgl. Becker 2006, S. 281).

Page 6: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Kombination soziodemographischer Segmentierungskriterien aus. Während der sozialen

Schichtung die drei Variablen Ausbildung, Beruf und Einkommen zugrunde liegen,17 kommen

im Rahmen des Lebenszyklus-Konzepts üblicherweise das Alter der Haushaltsmitglieder bzw.

Ehepartner, der Familienstand und die Zahl der Kinder als Kriterien zum Einsatz.18 Komplexer

gestaltet sich hingegen der Ansatz der mikrogeographischen Segmentierung. Er entwickelt die

Grundidee der geographischen Segmentierung weiter und beruht auf der so genannten

Neighbourhood-Affinität, nach der sich Konsumenten mit ähnlichem Sozialstatus, Lebensstil

und Kaufverhalten räumlich konzentrieren. Endverbraucher werden in möglichst kleine

Wohngebiete aufgeteilt, wobei Informationen mittels Heranziehung zusätzlicher

soziodemographischer, psychographischer und verhaltensorientierter Daten konkretisiert

werden können.19 Lifestyle-Typologien setzen am Lebensstil von Konsumenten an und

basieren auf einem käufertypologischen Ansatz. Grundsätzlich stellen sie eine

Weiterentwicklung der psychographischen Segmentierung dar, können darüber hinaus aber

auch weitere Segmentierungsvariablen20 mit berücksichtigen.21 Ein weiteres

Segmentierungskonzept ist die Nutzensegmentierung (Benefit Segmentation), die den von

(potenziellen) Kunden wahrgenommenen Nutzen eines Angebots als Grundlage zur

Segmentbildung heranzieht. Üblicherweise erfolgt die Nutzenmessung in Form eines

dekompositionellen Ansatzes, der aus Gesamtnutzenurteilen die Nutzenbeiträge der einzelnen

Komponenten zu erfassen versucht.22 Ferner kann auch der Single-Source-Ansatz mittels

Verbraucherpanel zur Segmentierung von B2C-Märkten eingesetzt werden. Wie die

Bezeichnung „Single Source“ bereits impliziert, stammen alle hierzu verwendeten

Informationen aus einer einzigen Quelle – nämlich dem Panel. Ein solches liegt vor, wenn

mehrfach und in gewissen zeitlichen Abständen eine Befragung zu ein und demselben

Themenkreis bei denselben Untersuchungseinheiten – in diesem Fall bei den Endverbrauchern

17 Vgl. hierzu u. a. Meffert (2000) S. 193f. und Becker (2006), S. 254.

18 Vgl. z. B. Freter (1983), S. 54 und Meffert (2000), S. 193.

19 Vgl. hierzu u. a. Holland (2000), S. 127ff. und Meffert (2000), S. 189ff.

20 Z. B. verhaltensorientierte Kriterien.

21 Vgl. hierzu u. a. Becker (2006), S. 257f. und Berekoven et al. (2006), S. 245f.

22 Vgl. hierzu u. a. Gutsche (1995), S. 75, zitiert nach Meffert (2000), S. 205, Meffert (2000),

S. 205 und Perrey/Hölscher (2003), S. 8.

Page 7: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

– durchgeführt wird. Dieses Verbraucherpanel ermöglicht für Segmentierungszwecke die

Kombination kaufverhaltensbezogener Kriterien23 mit zusätzlichen Merkmalen24 der

Panelteilnehmer.25

Im B2B-Bereich kann grundsätzlich zwischen einstufigen, mehrstufigen, mehrdimensionalen

sowie Kaufphasensegmentierungen unterschieden werden. Einstufige Segmentierungsansätze

sind dadurch gekennzeichnet, dass sie jeweils nur einzelne Aspekte organisationalen

Beschaffungsverhaltens als Unterscheidungskriterium für Segmente heranziehen.26 Beim

Einsatz dieser Ansätze besteht allerdings die Gefahr, dass wichtige kaufverhaltensrelevante

Faktoren unberücksichtigt bleiben. Dies kann zu Fehleinschätzungen bezüglich der Nachfrager

und letztlich zu einer weitreichenden Fehlsteuerung der Marketingaktivitäten führen. Für den

B2B-Bereich sind nicht zuletzt deshalb mehrstufige Segmentierungsmodelle entwickelt

worden,27 deren Grundprinzip in einer Abprüfung verschiedener Hierarchien von

Einflussfaktoren in einem stufenweisen Filterungsprozess besteht.28 Konkret bedeutet dies,

dass zunächst anhand einer oder mehrerer Variablen segmentiert wird. Ergeben sich dadurch

noch keine homogenen ansprechbaren Segmente, so wird die Segmentierung mittels weiterer

Kriterien fortgesetzt.29 Mehrstufige Segmentierungen weisen allerdings den Nachteil auf, dass

23 Einkaufsdaten.

24 Z. B. soziodemographischen oder psychographischen Variablen.

25 Vgl. Sander (2004), S. 175 und Berekoven et al. (2006), S. 250f.

26 Ein typisches Beispiel hierfür ist die häufig eingesetzte branchenbezogene Segmentierung,

die sich lediglich auf eine einzige organisations-bezogene Variable stützt. Als deutlich

aussagekräftiger gelten hingegen prozessorientierte Ansätze, die Nachfrager mit gleichen

bzw. ähnlich ablaufenden Wertschöpfungsprozessen in einem Segment

zusammenzufassen. Auch Konzepte der Ländersegmentierung können im B2B-Bereich

durchaus als sinnvolle einstufige Segmentierungsansätze angesehen werden. Dies ist

immer dann der Fall, wenn die jeweiligen Länder, in denen nachfragende Organisationen

angesiedelt sind, wesentliche Einflüsse auf deren Kaufverhalten haben (vgl. Kleinaltenkamp

2002, S. 198ff.).

27 Vgl. Kleinaltenkamp (2002), S. 201f.

28 Vgl. Becker (2006), S. 281.

29 Vgl. Vossebein (2000), S. 36. Einer der ersten mehrstufigen Ansätze war bzw. ist das

Modell von Wind/Cardozo (vgl. hierzu Wind/Cardozo 1974, S. 156, zitiert nach

Page 8: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

sie zwangsläufig zum Auftreten so genannter Baumstrukturen führen. Eine einmal erfolgte

Einordnung einer Organisation in ein bestimmtes Segment kann demnach bei der

Durchführung weiterer Segmentierungsschritte nicht wieder aufgehoben werden. Diese

Problematik versuchen mehrdimensionale Ansätze zu umgehen.30 Prinzipiell greifen sie dabei

auf die gleichen Segmentierungskriterien wie mehrstufige Modelle zurück, vermeiden jedoch

Baumstrukturen,31 indem sie kein stufenorientiertes Vorgehen aufweisen, sondern simultan

mehrere Segmentierungsvariablen verwenden.32 Ein weiteres B2B-Segmentierungskonzept

stellt die Kaufphasensegmentierung dar, deren Grundidee die Ausrichtung der

Backhaus/Voeth 2007, S. 121), das sich in Makro- und Mikro-Segmentierung gliedert. Die

Makro-Segmentierung bildet dabei die erste Segmentierungsstufe und orientiert sich an

Charakteristika einer beschaffenden Organisation – in erster Linie organisations-

bezogenen, aber auch organisationsverhaltens-bezogenen Kriterien. Führt die Bewertung

der Makro-Segmente jedoch zu keinem akzeptablen Segmentierungsergebnis, so kommt

Mikro-Segmentierung als zweite Segmentierungsstufe zum Tragen. Sie knüpft am Buying

Center bzw. dessen Mitgliedern an und bedient sich daher vorwiegend

organisationsmitglieder-bezogener Kriterien (vgl. Becker 2006, S. 282f. und

Backhaus/Voeth 2007, S. 122). Scheuch (1975) und Gröne (1977) haben jeweils dreistufige

Segmentierungskonzepte entwickelt, die prinzipiell nach dem gleichen Grundschema wie

das Modell von Wind/Cardozo konzipiert worden sind (vgl. hierzu Scheuch 1975 und Gröne

1977, jeweils zitiert nach Backhaus/Voeth 2007, S. 123 und Backhaus/Voeth 2007, S. 122).

Der Schalenansatz („Nested Approach“) von Bonoma/Shapiro umfasst hingegen fünf

Segmentierungsstufen. Demographische Merkmale bilden dabei die äußere Ebene.

Reichen sie für eine aussagekräftige Segmentbildung nicht aus, so kann weiter segmentiert

werden über leistungsbezogene Merkmale, Beschaffungsmerkmale und situative Faktoren

bis hin zu individuellen Charakteristika der Buying Center-Mitglieder der

Nachfragerorganisation (vgl. Bonoma/Shapiro 1992, S. 270ff., zitiert nach Backhaus/Voeth

2007, S. 124 und Backhaus/Voeth 2007, S. 122ff.).

30 Vgl. Becker (2006), S. 285.

31 Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 123.

32 Vgl. Becker (2006), S. 285f. Ein mehrdimensionales Segmentierungskonzept ist das Modell

von Horst (1988), das am Beispiel des Marktes für Bürokommunikation illustriert wird. Es

basiert auf drei Segmentierungsdimensionen bzw. -kategorien (Interaktionspotenzial,

konstitutiven und situativen Merkmalen der Beschaffungspolitik), die spezifische

Verhaltensweisen von Nachfragersegmenten erfassen sollen (vgl. hierzu Horst 1988, S.

324f., zitiert nach Vossebein 2000, S. 38 und Becker 2006, S. 286).

Page 9: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Marketingaktivitäten in Abhängigkeit von der jeweils aktuellen Kaufphase ist.33 Das Modell

fokussiert auf der Makro-Ebene Abnehmerorganisationen und auf der Mikro-Ebene einzelne

Entscheidungsbeteiligte eines Buying Centers als Segmentierungsobjekte.34 Auf der Mikro-

Ebene wird beleuchtet, wie sich die Entscheidungsbeteiligten in Abhängigkeit der jeweiligen

Phase des Beschaffungsprozesses verhalten. Änderungen ergeben sich in diesem Kontext

insbesondere dadurch, dass je nach Phase der relative Einfluss der Beteiligten und/oder die

Besetzung des Buying Centers variieren kann. Aus diesem Blickwinkel heraus können

Segmente innerhalb einer nachfragenden Organisation aus den jeweils maßgeblichen

„Entscheidungseinheiten“ gebildet und mit einem phasendifferenzierten Marketing-Mix

angesprochen werden.35

Zur Unterstützung von Marktsegmentierungsaktivitäten können verschiedene multivariate

Analysemethoden herangezogen werden. Diese Verfahren der deskriptiven Statistik

betrachten im Gegensatz zu univariaten und bivariaten Verfahren mindestens drei Variablen

und analysieren deren Zusammenhänge untereinander.36 An erster Stelle ist hier die

Clusteranalyse zu nennen, deren Hauptanwendungsgebiet im Marketing auch

Segmentierungen sind. Sie zielt auf die Bildung von Gruppen durch Zusammenfassung von

Objekten37 mit ähnlichen Merkmalsausprägungen ab. Die so entstehenden Cluster bzw.

Marktsegmente sollen in sich möglichst homogen, untereinander aber möglichst heterogen

sein.38 Auch die Faktorenanalyse bietet sich für Marktsegmentierungszwecke an. Sie

ermöglicht die Verdichtung einer Vielzahl von Segmentierungsvariablen zu wenigen Faktoren

und kann so z. B. zur Beschreibung von mittels einer Clusteranalyse identifizierten Segmenten

33 Vgl. Vossebein (2000), S. 39.

34 Die Kaufphasensegmentierung weist damit gewisse Parallelen zu zweistufigen B2B-

Segmentierungsansätzen auf.

35 Vgl. Backhaus (2003), S. 236f.

36 Vgl. Berekoven et al. (2006), S. 198.

37 Z. B. Personen oder Unternehmen.

38 Vgl. Sander (2004), S. 198 und Berekoven et al. (2006), S. 221f.

Page 10: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

genutzt werden.39 Neben diesen beiden Methoden eignen sich noch eine Reihe weiterer

Verfahren für Marktsegmentierungszwecke.40

39 Vgl. Sander (2004), S. 239.

40 Zu nennen sind hier insbesondere die Multidimensionale Skalierung (MDS), die

Kontrastgruppenanalyse, Neuronale Netze, die Diskriminanzanalyse sowie das Conjoint

Measurement. Die Multidimensionale Skalierung (MDS) ermöglicht die Erfassung von

Ähnlichkeits- oder Präferenzurteilen bezüglich Produkten bzw. Dienstleistungen. Mittels

Ähnlichkeitsurteilen lassen sich Gruppen aufdecken, die Objekte in ähnlicher Weise

wahrnehmen, wohingegen Präferenzurteile zur Identifizierung von Personengruppen mit

gleichen bzw. ähnlichen Präferenzen dienen können (vgl. Meffert 2000, S. 213 und Sander

2004, S. 240). Die Kontrastgruppenanalyse ist u. a. auch unter der Bezeichnung AID

(Automatic Interaction Detector) bekannt und wird generell zur Aufdeckung einer

Beziehungsstruktur zwischen einer abhängigen und mehreren unabhängigen Variablen

herangezogen. Sie lässt sich als sequenzielles Suchverfahren charakterisieren, bei dem ein

Datensatz ausgehend von einer Variablen sukzessive in immer mehr Gruppen aufgeteilt

wird. Zur Beendigung dieses Verfahrens können Kriterien wie die minimal erforderliche

Segmentgröße oder maximale Endgruppenzahlen definiert werden (vgl. Pepels 1995, S.

331, Hildebrandt 2001, S. 1156 und Tietz 2001, S. 32f.). Neuronale Netze bieten sich als

Alternative bzw. Ergänzung zu den klassischen multivariaten Analyseverfahren an. Ihre

Methodik ist an biologische Informationsverarbeitungsprozesse im Gehirn angelehnt.

Neuronale Netze eignen sich u. a. zur Klassifikation von Kunden sowie für Fragestellungen

in Bezug auf Analyse und Prognose des Kaufverhaltens (vgl. Gierl/Schwanenberg 2001, S.

1181 und Backhaus et al. 2006, S. 14). Die Diskriminanzanalyse dient zur Analyse von

Gruppenunterschieden und kann auch zur Klassifizierung von Elementen herangezogen

werden. Sie ist bei Segmentierungen einerseits zur Analyse von Abhängigkeiten einsetzbar,

sodass sich feststellen lässt, welche Segmentierungsmerkmale am besten zur

Unterscheidung von Käufergruppen beitragen. Anderseits dient sie bei

Klassifikationsanwendungen auch zur Prognostizierung der Segmentzugehörigkeit eines

Objekts anhand seiner Merkmalsausprägungen (vgl. Böhler 1977, S. 173 und Backhaus et

al. 2006, S. 10). Das Conjoint Measurement (Conjoint Analyse), ein Analyseinstrument im

Rahmen der Präferenzforschung, kann u. a. zur Neuproduktplanung eingesetzt werden. Es

ermöglicht die Identifizierung von Personengruppen, die gleiche oder ähnliche

Nutzenvorstellungen in Bezug auf bestimmte Produkte und deren Eigenschaften aufweisen

(vgl. Sander 2004, S. 208, 240). Für weiterführende Informationen – insbesondere

bezüglich Fragen der konkreten Anwendung multivariater Analysemethoden – sei in erster

Linie auf das Standardwerk von Backhaus et al. (2006) verwiesen.

Page 11: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Insgesamt gesehen konzentriert sich die Fachliteratur zum Thema Marktsegmentierung sehr

stark auf die verschiedenen Möglichkeiten zur Bildung von Segmenten und bietet hierzu eine

Vielzahl von Segmentierungskriterien und -ansätzen für B2B- und B2C-Märkte an.41 Auch der

Entwicklung statistischer Methoden wird ein hoher Stellenwert beigemessen.42 Konkrete

Leitlinien für Praktiker bezüglich des Vorgehens bei Segmentierungen liefert die Literatur

hingegen kaum.43 Generell widmet sie vielen praxisrelevanten Segmentierungsfragen keine

bzw. zu wenig Aufmerksamkeit.

Seit einigen Jahren befasst sich die Wissenschaft zumindest etwas intensiver mit Aspekten

praktischer Marktsegmentierungen. So wurden in der jüngeren Vergangenheit mehrere

Studien durchgeführt, die das Segmentierungsverhalten von Unternehmen beleuchten. Dabei

zeigt sich, dass das Segmentierungspotenzial häufig nicht ausgeschöpft wird, denn trotz der

Vielfalt an komplexeren Segmentierungskonzepten überwiegt in der Praxis der Einsatz

einfacherer Segmentierungsvariablen.44 Ferner verdeutlichen empirische Untersuchungen,

dass wissenschaftliche Modelle wie der STP-Ansatz zumeist nicht in der Lage sind, die Realität

umfassend abzubilden. Das STP-Konzept erscheint auf den ersten Blick zwar schlüssig und in

sich logisch, ist jedoch nicht universell in der Praxis einsetzbar. Es berücksichtigt z. B. keine

Branchenunterschiede und vermag darüber hinaus auch nicht, den Anforderungen spezifischer

Märkte umfassend Rechnung zu tragen. Außerdem wird die Größe segmentierender

Unternehmen bei diesem Modell nicht in Betracht gezogen.45 Weitere Studien ermitteln,

41 Für Segmentierungen im Dienstleistungsbereich sowie im Einzelhandel gibt es allerdings

kaum spezifische Segmentierungskriterien bzw. -ansätze. Vielmehr schlagen

Wissenschaftler den Einsatz der für B2C-Sachgütermärkte entwickelten Konzepte auch für

an Endverbraucher gerichtete Dienstleistungen sowie für Einzelhandelsunternehmen vor

(vgl. hierzu z. B. Bruhn 2004, S. 61 bzw. Müller-Hagedorn 2005, S. 95). Analog können zur

Segmentierung von Märkten für B2B-Dienstleistungen die Segmentierungskriterien für

Investitionsgütermärkte herangezogen werden (vgl. z. B. Vossebein 2000, S. 39 und Bruhn

2004, S. 61).

42 Vgl. Freter et al. (2006), S. 74.

43 Vgl. Dibb/Simkin (2001), S. 624.

44 Vgl. hierzu u. a. Cross et al. (1990), S. 532ff. und Kesting et al. (2006), S. 53ff.

45 Vgl. hierzu u. a. Cross et al. (1990), S. 532ff. und Danneels (1996), S. 36ff.

Page 12: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

welche Segmentierungsbarrieren in der Praxis auftreten können.46 Insgesamt zeigen die

Erkenntnisse bisheriger Untersuchungen, dass oftmals eine erhebliche Kluft zwischen

Segmentierungstheorie und -praxis besteht.

Das Segmentierungsverhalten in Deutschland ansässiger Unternehmen war bislang nur

vereinzelt Gegenstand wissenschaftlicher Studien. Lediglich Kesting et al. (2006)47 und Freter et

al. (2006)48 haben sich in der jüngeren Vergangenheit mit Segmentierungsaktivitäten in der

deutschen Unternehmenspraxis befasst. Während Erstere B2C-Unternehmen aus

verschiedenen Branchen des Konsumgüter- und Dienstleistungsbereichs untersuchen,

konzentrieren sich Letztere mit dem Damenoberkleidungsmarkt auf eine spezielle Branche.

Generell mangelt es noch an Vergleichen von Segmentierungsaktivitäten in verschiedenen

Bereichen.49 Die Segmentierungspraxis auf B2B-Märkten und im Einzelhandel wurde bislang

noch nicht näher beleuchtet, sodass in Deutschland noch kein direkter Vergleich zwischen

Segmentierungen von B2B-, B2C- und Einzelhandelsunternehmen vorgenommen wurde. Hinzu

kommt noch, dass die Studien von Kesting et al. und Freter et al. jeweils in Form einer

standardisierten schriftlichen Befragung durchgeführt wurden und somit einen quantitativen

Charakter aufweisen. Sie liefern praktisch keine tieferen Einblicke über Gründe für das

ermittelte Segmentierungsverhalten der untersuchten Unternehmen.

2 Empirische Studie

Der aufgezeigte Forschungsstand impliziert die Notwendigkeit einer qualitativen,

bereichsübergreifenden Untersuchung der Segmentierungspraxis in Deutschland. Hauptziel

dieser Feldstudie ist die Gewinnung von Erkenntnissen über Stellenwert, Vorgehen und

Herausforderungen bei der Entwicklung und Umsetzung von Segmentierungskonzepten aus

46 Vgl. hierzu u. a. Meadows/Dibb (1998), S. 266ff. und Dibb/Simkin (2001), S. 609ff.

47 Vgl. Kesting et al. (2006), S. 53ff.

48 Vgl. Freter et al. (2006), S. 74ff.

49 Eine direkte Gegenüberstellung von Segmentierungen auf B2B- und B2C-Märkten wurde

bisher lediglich von Cross et al. (1990, S. 532ff.) in den USA vorgenommen.

Sausen/Tomczak (2003, S. 2ff.) vergleichen Segmentierungsaspekte bei in der Schweiz

ansässigen Anbietern von B2C-Sachgütern und -Dienstleistungen und Unternehmen aus

dem Bereich Handel/Distribution miteinander, wobei B2B-Unternehmen jedoch nicht

Gegenstand ihrer Untersuchung sind.

Page 13: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Unternehmenssicht. Sie soll tiefere Einsichten in die Segmentierungsaktivitäten von

Unternehmen ermöglichen und dadurch weitere Anhaltspunkte zur Konkretisierung der Kluft

zwischen Segmentierungstheorie und -praxis ermitteln. Neben Konsum- und

Investitionsgüterherstellern und Anbietern konsumtiver und investiver Dienstleistungen

werden auch Einzelhandelsunternehmen in die Untersuchung miteinbezogen. Durch die

Beleuchtung wesentlicher praxisrelevanter Aspekte der Marktsegmentierung soll ein möglichst

klares und umfassendes Bild des Segmentierungsverhaltens von in Deutschland ansässigen

Unternehmen verschiedener Bereiche, Branchen und Größenklassen entstehen. Abbildung 2

gibt einen Überblick über die Schwerpunkte der Befragung.

Schwerpunkte der Befragung

Stellenwert von

Segmentierungen

Zielgruppenorientierung der Segmentabgrenzung

Organisatorische Verankerung

Segmentierungsziele und strategische Bedeutung

Professionalitäts-, Komplexitäts- und Intensitätsgrad der Segmentierungsaktivitäten

Berücksichtigung potenzieller Kunden

Segmentierungsvorgehen

Grundsätzliche Vorgehensweise

Einsatz unterstützender Hilfsmittel bzw. Informationsquellen

Einsatz von Segmentierungsvariablen und -ansätzen sowie multivariater Analysemethoden

Segmentspezifische Gestaltung des Marketing-Mix

Überprüfung und Überarbeitung von Segmentierungskonzepten

Mögliche Anhaltspunkte

für Herausforderungen

bei Segmentierungen

Klare Segmentdefinitionen und -abgrenzungen

Kunden- und Marktorientierung

Erfassung bzw. Beschaffung relevanter Daten

Ressourcenverfügbarkeit

Interner Austausch und Interessensabgleich

Kommunizierung der Segmentlösungen Abbildung 2: Schwerpunkte der Befragung

Aus Gründen der Erhebungsökonomie soll die Befragung telefonisch durchgeführt werden. Da

die Teilnahme an der Feldstudie seitens der Befragten einer gewissen Vorbereitung bedarf und

zudem aufgrund des vorgesehenen Zeitrahmens von etwa 25 bis 30 Minuten pro Interview

terminlich eingeplant werden muss, wurden ab Anfang Oktober 2006 per E-Mail

Teilnahmeanfragen an Unternehmen aus den fünf zu untersuchenden Bereichen versandt.

Insgesamt 29 Unternehmensvertreter erklärten sich schließlich zur Teilnahme an der

Page 14: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Untersuchung bereit.50 Die Telefoninterviews mit ihnen wurden zwischen dem 20. November

2006 und 22. Januar 2007 durchgeführt. Sie dauerten im Durchschnitt zwischen 35 und 40

Minuten, was auf das hohe Interesse der Befragungsteilnehmer an der Thematik zurückgeführt

werden kann und sich auch entsprechend positiv auf den Umfang und die Qualität der

gewonnenen Einsichten in die Segmentierungspraxis ausgewirkt hat.

Von den Studienteilnehmern gehören jeweils 24,1% dem Konsum- und dem

Investitionsgüterbereich an. Insgesamt knapp 38% der befragten Unternehmen sind dem

klassischen Dienstleistungssektor zuzuordnen – 10,3% dem Bereich konsumtiver und 27,6%

dem Bereich investiver Dienstleistungen. Aus dem Einzelhandel konnten 13,8% der

Interviewpartner gewonnen werden. Differenziert nach den Adressaten der angebotenen

Produkte bzw. Dienstleistungen bedienen über 51,7% der Befragten (nahezu) ausschließlich

B2B-Märkte und knapp 48,3% Märkte, deren Nachfragergruppen sich jeweils ausschließlich

bzw. überwiegend aus Endverbrauchern zusammensetzen. 24,1% der Befragten beschäftigen

bis zu 50 und 17,2% der Teilnehmer mehr als 50, aber höchstens 250 Mitarbeiter. 58,6% der

Interviews wurden mit Vertretern von Anbietern mit über 250 Beschäftigten geführt.

Die Auswertung der Studienergebnisse erfolgt für jeden der fünf beleuchteten Bereiche

separat. Dadurch lassen sich sowohl bereichsspezifische Besonderheiten bzw. wesentliche

Unterschiede zwischen den einzelnen Bereichen sowie bereichsübergreifende

Gemeinsamkeiten des Segmentierungsverhaltens ermitteln und klar herausstellen.

2.1 Sachgüterbereich

Zunächst werden die Ergebnisse für den Sachgüterbereich dargestellt und miteinander

verglichen. Die Definition der von einem Anbieter bedienten Segmente lässt bereits gewisse

Rückschlüsse auf den Grad der Markt- und Kundenorientierung zu. Im Hinblick auf die

50 Kategorisiert nach den einzelnen Bereichen stammen die Teilnehmer der Studie aus

folgenden Branchen: Konsumgüterhersteller: Bekleidung, Computerzubehör, alkoholfreie

Getränke, Haushaltsgeräte, Heizungsprodukte, Lebensmittel; Investitionsgüterhersteller:

Halbleiterindustrie, Maschinenbau, Nutzfahrzeuge, Software; Anbieter konsumtiver

Dienstleistungen: Banken, Versicherungen; Anbieter investiver Dienstleistungen:

Beratungsdienstleistungen, konzerninterne Beratung und Marktforschung,

Eventorganisation und -durchführung, IT-Dienstleistungen, Personaldienstleistungen,

technische Dienstleistungen; Einzelhandel: Bekleidung, Buchhandel, Freizeitsport,

Parfümerie.

Page 15: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Aufspaltung des jeweils relevanten Marktes kann zwischen einer Marktabgrenzung nach

Produkt-/Leistungsmerkmalen51, einer Marktabgrenzung nach Bedürfnismerkmalen bzw.

Funktionen52 und einer Marktabgrenzung nach Kundenmerkmalen53 unterschieden werden.

Bei markt- bzw. kundenorientierten Unternehmen steht der Kunde auch bei Segmentierungen

im Zentrum der Planungen.54 Erfolgt die Abgrenzung der einzelnen Segmente untereinander

auf Basis von Kundenmerkmalen, so ist dies demnach als Anhaltspunkt für einen hohen

Stellenwert von Marktsegmentierung anzusehen. Auch eine Segmentabgrenzung nach

Bedürfnismerkmalen weist prinzipiell einen höheren Grad an Kundenorientierung auf als

primär auf Produktmerkmalen basierende Segmentdefinitionen.

Die Untersuchungsteilnehmer aus der Konsumgüterindustrie nehmen zwar grundsätzlich

Segmentabgrenzungen auf Basis von Zielgruppen vor. Mehrfach decken sich angebotene

Produktgruppen jedoch mit Zielgruppen. Als Segmentabgrenzungsmerkmale dienen häufig

Marken, die sich an durch soziodemographische und/oder psychographische Merkmale

beschreibbare Konsumentengruppen richten. Speziell im Lebensmittel- und Getränkebereich

gestalten sich klare Teilmarktabgrenzungen allerdings etwas schwieriger, da sich die

betreffenden Anbieter mit ihren Low-Involvement-Produkten bewusst an eine möglichst breite

Zielgruppe wenden. Dementsprechend ist auch der Stellenwert von Marktsegmentierung bei

diesen Unternehmen eher gering. Die Ausschöpfung von Marktpotenzial wird sehr häufig als

segmentierungsbezogenes Ziel genannt. Ebenfalls von mehreren Befragten angestrebt werden

die Erschließung neuer Kundengruppen sowie die Gewinnung neuer Kunden in bereits

bedienten Segmenten. Große Konsumgüterhersteller verfolgen mit ihren Segmentierungen

neben diesen kunden- und marktbezogenen auch unternehmensintern orientierte

51 Z. B. eine Aufteilung des Stahlmarktes in Segmente auf Basis von Güteklassen (15mm,

20mm, 30mm Stahl) oder eine Klassifizierung des Marktes für alkoholfreie Getränke nach

Limonaden, Säften und Wasser.

52 Z. B. eine Untergliederung des Kosmetikmarktes in dekorative, pflegende und reinigende

Kosmetik oder eine Kategorisierung des Reisemarktes in Segmente für Abenteuerreisen,

Bildungsreisen, Erholungsreisen usw.

53 Z. B. eine Marktaufteilung auf Basis des Alters der Nachfrager in Senioren- und

Jugendmarkt oder auf Basis von Verhaltenstypen wie „Häusliche“, „Sportliche“, „Trendige“

usw.

54 Vgl. Steffenhagen (2000), S. 59, zitiert nach Bruhn (2004), S. 59 und Bruhn (2004), S. 59.

Page 16: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Zielsetzungen55. Marktsegmentierungsaktivitäten sind bei B2C-Herstellerunternehmen

überwiegend im Marketing und/oder Vertrieb organisatorisch verankert. Bei kleineren

Anbietern wird das Thema tendenziell abteilungsübergreifend gehandhabt, wobei neben der

Geschäftsleitung auch die Marketing- und/oder Vertriebsleitung involviert ist. Eine starke

strategische Verankerung von Segmentierung, die zumeist auch durch regelmäßige

segmentierungsbezogene Meetings gekennzeichnet ist, ist bei vier der sieben Anbieter

festzustellen.56

Gemäß der untersuchten Stichprobe erfolgen Segmentierungen in der Konsumgüterindustrie

in der Regel im Rahmen konkreter Projekte und mittels professioneller Marktanalysen.

Überwiegend kommt dabei eine Kombination aus internen und externen Dienstleistungen zum

Einsatz, wobei bei der Mehrheit der Befragten der interne Anteil dominiert. Größere

Unternehmen überarbeiten ihre Segmentlösungen regelmäßig und berücksichtigen auch

explizit Nicht-Kunden, wobei Letzteres auch bei vielen kleineren Anbietern der Fall ist. Als

Hauptinformationsquelle für Segmentierungen dienen in der Konsumgüterindustrie in der

Regel Absatzdaten des Handels, zumal der Vertrieb der Befragten vorwiegend indirekt erfolgt.

Interpretieren B2C-Herstellerunternehmen ihre Absatzmittler als Kunden, so ist das

Marktsegmentierungskonzept auch auf diese Abnehmerschaft anwendbar.57 Teilweise wird

auch konkret eine solche Absatzmittlersegmentierung vorgenommen. Ein klarer Trend im

Hinblick auf bestimmte Branchen ist jedoch nicht zu erkennen.58 Relativ ausgewogene und

differenzierte zweistufige Segmentierungskonzepte mit Absatzmittlern und Endkunden als

Segmentierungsobjekten sind bei einem Unternehmen aus der Heizungsbranche und einem

Bekleidungshersteller festzustellen. Es ist grundsätzlich festzustellen, dass Märkte für B2C-

55 Z. B. Organisationsentwicklungsziele und/oder ein besseres Marktverständnis.

56 Hierbei handelt es sich vorwiegend um große Unternehmen.

57 Vgl. hierzu Freter (1983), S. 149. Eine Segmentierung der Absatzmittler ist als B2B-

Segmentierung aufzufassen (vgl. hierzu Böhm et al. 2006, S. 261f. und Freter et al. 2006,

S. 74).

58 Es sind diesbezüglich z. B. innerhalb des Lebensmittel- und Getränkebereichs

unterschiedliche Schwerpunktsetzungen festzustellen. Teilweise spielen in diesen

Branchen Absatzmittler als Segmentierungsobjekte eine größere Rolle als Endkunden,

teilweise verhält es sich genau umgekehrt.

Page 17: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Sachgüter teilweise sehr unterschiedlich segmentiert werden.59 Bei Lebensmitteln und

Getränken wird eine Segmentierung anhand psychographischer Merkmale prinzipiell als

weniger sinnvoll erachtet. Dies ist vor allem auf die meist relativ breiten Zielgruppen sowie auf

die begrenzten Möglichkeiten der Differenzierbarkeit von Angeboten im Low-Involvement-

Sektor zurückzuführen. Bei höherwertigen Gebrauchsgütern spielen psychographische

Segmentierungsvariablen hingegen eine wesentlich größere Rolle. Zudem setzen größere

Unternehmen eher spezielle Segmentierungsansätze60 und multivariate Analysemethoden61

zur Segmentierung ein.62 Schwerpunkte der segmentspezifischen Differenzierung des

Marketing-Mix im Konsumgüterbereich bilden die Produkt- und die Kommunikationspolitik.

Generell ist bei einigen Unternehmen zu beobachten, dass sehr breite Zielgruppen quasi eine

Segmentierungsbarriere darstellen, da sie intensivere Segmentierungsbemühungen nicht als

sinnvoll und zielführend erscheinen lassen. Weiterhin treten mehrfach Defizite bei

segmentierungsbezogenem Informationsaustausch auf. Bei kleineren Anbietern verhindern

Ressourcenbeschränkungen mitunter eine intensivere Überprüfung und Überarbeitung der

Segmentierungskonzepte. Kannibalisierungseffekte der Produkte werden von B2C-

Herstellerunternehmen zumeist zugunsten von Vertriebssynergien in Kauf genommen. Eine

ganz wesentliche Herausforderung für viele untersuchte Konsumgüterunternehmen besteht

hingegen in der konsequenten Abgrenzung gegenüber Billiganbietern.

59 Zu einem gewissen Anteil ist dies jedoch auch auf die relativ heterogene

Zusammensetzung der Stichprobe zurückführen.

60 Z. B. das Familien-Lebenszyklus-Konzept oder den Single-Source-Ansatz mittels

Verbraucherpanel.

61 So kommt bei insgesamt vier der sieben Befragten die Clusteranalyse für

Segmentierungszwecke zum Einsatz. Ein Unternehmen greift zusätzlich zur Clusteranalyse

auch noch auf die Faktorenanalyse zurück.

62 Diejenigen Anbieter, die keine speziellen Ansätze und multivariaten Methoden zur

Segmentierung einsetzen, geben an, dass ihre jeweiligen Zielgruppen zu breit seien, um

den Einsatz derartiger Modelle und Verfahren als sinnvoll erscheinen zu lassen. Zudem

wird die Erhebung spezieller Kundeninformationen als problematisch angesehen und/oder

die Marktstruktur bedingt aus Sicht der Anbieter keine so intensiven

Segmentierungsaktivitäten.

Page 18: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Bei den Untersuchungsteilnehmern aus der Investitionsgüterindustrie haben

Marktsegmentierungen insgesamt einen sehr hohen Stellenwert. Dies spiegelt sich bereits in

zumeist klar definierten und auf Kundenmerkmalen basierenden Haupt-

Segmentabgrenzungen63, zusätzlichen „Parallel-“ bzw. „Nebensegmenten“64 sowie in der

Vielschichtigkeit der verfolgten Segmentierungsziele wider. Ein wesentliches

Segmentierungsziel der befragten B2B-Herstellerunternehmen ist eine spezifische Ansprache

und Bedienung ihrer jeweiligen Nachfragergruppen, mit der vorrangig eine

Potenzialausschöpfung bei bestehenden Kunden in Kombination mit Kundenbindung

angestrebt wird. Mehrfach genannt werden auch intraorganisationale Aspekte, die durch

Segmentierungen vorangetrieben bzw. intensiviert werden sollen65.

Marktsegmentierungsaktivitäten sind bei keinem Investitionsgüterhersteller bei der Geschäfts-

bzw. Geschäftsbereichsleitung organisatorisch verankert, sondern bei über 50% der Befragten

in der Marketingabteilung angesiedelt.66 Eine starke strategische Verankerung von

Marktsegmentierung ist bei den meisten Anbietern eindeutig gegeben und die jeweils mit den

63 Als primäres Segmentabgrenzungskriterium dient sehr häufig die Branche der

organisationalen Nachfrager. Sekundäre und tertiäre Abgrenzungsmerkmale sind z. B.

Anwendungsmerkmale oder Produktgruppen.

64 Ein Unternehmen nimmt beispielsweise parallel zu seinen Kundengruppen-Segmenten eine

Kategorisierung nach seinen zwei Marken vor, die beiden Gruppen angeboten werden.

„Nebensegmente“ sind z. B. für Vertriebszwecke relevant. So bedienen einige Anbieter

kleinere Kunden nur über Vertriebspartner.

65 Z. B. eine an den Segmenten ausgerichtete Organisationsstruktur des Unternehmens oder

die Schaffung von Transparenz bezüglich der eigenen Produktstruktur.

66 Daraus ist jedoch keinesfalls auf eine geringe Unterstützung von Segmentierungen seitens

des Top-Managements zu schließen. Vielmehr liegt z. B. eine Ansiedelung im Marketing

oder Vertrieb vorwiegend in der Größe und Organisationsstruktur der befragten

Unternehmen begründet. Hierbei ist auch anzumerken, dass sich die Stichprobe der B2B-

Herstellerunternehmen nur aus Unternehmen bzw. Geschäftsbereichen mit über 250,

zumeist sogar mehreren Tausend Beschäftigten zusammensetzt.

Page 19: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Segmentierungsaktivitäten betrauten Abteilungen stehen diesbezüglich zumeist in engem und

regelmäßigem Austausch mit der Geschäfts(bereichs)leitung.67

Marktsegmentierungen basieren bei den untersuchten B2B-Herstellerunternehmen in der

Regel auf konkreten Segmentierungsprojekten, deren Konzepte sehr regelmäßig überprüft und

gegebenenfalls überarbeitet werden und auch potenzielle Kunden mit berücksichtigen.

Praktisch alle Investitionsgüteranbieter betreiben intensives CRM, in erster Linie auf Basis von

Außendienstinformationen. Sie verfügen daher oft selbst über fast alle benötigten

segmentierungsrelevanten Informationen und Ressourcen.68 Diese Ausgangssituation wirkt

sich deutlich auf die Intensität der Segmentierungsaktivitäten aus und zeigt sich in Form

komplexer Segmentierungen. Die Befragten setzen vor allem organisations-bezogene69 und

organisationsverhaltens-bezogene70 Variablen ein. Merkmale bzw. Charakteristika der

Kaufentscheider kommen hingegen nur bei vier der sieben Teilnehmern explizit als

organisationsmitglieder-bezogene Kriterien zur Anwendung. Klassische wissenschaftliche

Segmentierungsansätze aus der Literatur werden von B2B-Herstellerunternehmen kaum

herangezogen.71 Dies bedeutet aber keineswegs, dass im Investitionsgüterbereich nicht

professionell segmentiert wird. Vielmehr haben die Befragten zumeist eigene

Segmentierungsansätze entwickelt, welche die für sie relevanten Aspekte anhand

67 Explizit segmentierungsbezogene Meetings werden jedoch nicht in allen Unternehmen

durchgeführt. Dies wird von zwei Befragten damit begründet, dass ihr

Segmentierungskonzept ein feststehendes Modell sei.

68 Fünf Untersuchungsteilnehmer führen daher Segmentierungsaufgaben überwiegend selbst

durch, drei von ihnen nutzen dabei praktisch keinerlei externe Dienstleistungen.

69 Standardmäßig werden aus dieser Kategorie Merkmale wie die Branche oder Größe der

organisationalen Nachfrager für Segmentierungen eingesetzt.

70 Besonders häufig werden Anwendungsmerkmale sowie die Auftragsgröße als

Segmentierungskriterien eingesetzt.

71 Lediglich ein Anbieter von Nutzfahrzeugen setzt das Modell der Kaufphasensegmentierung

ein. Andere Konzepte finden in der Praxis hingegen so keine Anwendung. Tendenziell

sehen die Teilnehmer die in der Literatur beschriebenen Ansätze als zu praxisfern an.

Weitere Argumente gegen deren Verwendung sind zu spezielle Märkte oder ein den

Unternehmensvertretern persönlich bekannter Kundenstamm. Letzterer Umstand macht

den Einsatz derartiger Ansätze aus Sicht eines Befragten quasi obsolet.

Page 20: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

zieladäquater Kombinationen mehrerer Segmentierungskriterien abbilden.72 Insgesamt fünf

Studienteilnehmer aus dem Investitionsgüterbereich nutzen die Clusteranalyse für

Marktsegmentierungszwecke.73 Eine Differenzierung des Marketing-Mix erfolgt bei

Investitionsgüterherstellern vorwiegend im Rahmen der Produktpolitik, aber auch sehr intensiv

im Bereich der Kommunikationspolitik.

Aufgrund der starken Kunden- und Marktorientierung und der fortgeschrittenen

Segmentierungskonzepte ergeben sich für B2B-Sachgüteranbieter zumeist die

Herausforderungen, Zielgruppenkonzepte und Kundenansprache noch zu optimieren sowie die

Datenbankarchitektur zu erweitern und/oder zu vereinheitlichen. Verbesserungsbedarf ergibt

sich zudem bei einigen Teilnehmern insbesondere im Hinblick auf Informationsaustausch und

Interessensabgleich zwischen den an Segmentierungsaktivitäten beteiligten Personen und

Abteilungen. Bezüglich der externen Kommunizierung der Segmentlösungen besteht eine

weitere Herausforderung darin, Kannibalisierungseffekte zu minimieren bzw. zu vermeiden.

Tendenziell ist bei den Segmentabgrenzungen von B2C-Herstellerunternehmen eine etwas

stärkere Produktmerkmalsorientierung auszumachen als bei den Studienteilnehmern aus dem

Investitionsgüterbereich. Eine entscheidende Gemeinsamkeit zwischen Konsumgüter- und

Investitionsgüteranbietern besteht hingegen darin, dass Segmentierungsaktivitäten in beiden

Bereichen zumeist im Rahmen konkreter Projekte erfolgen. Ferner setzen sowohl B2C- als auch

B2B-Herstellerunternehmen mehrheitlich interne Dienstleistungen für Segmentierungszwecke

ein. In beiden Bereichen dominiert die Clusteranalyse im Hinblick auf den

segmentierungsbezogenen Einsatz multivariater Analysemethoden. Außerdem ist zu

konstatieren, dass größere Anbieter höherwertiger B2C-Gebrauchsgüter häufig auch

unternehmensintern ausgerichtete Segmentierungsziele verfolgen und schwerpunktmäßig

72 Diese Konzepte weisen prinzipiell den Charakter mehrstufiger wissenschaftlicher

Segmentierungsmodelle auf, sind aber unternehmensindividuell und marktspezifisch

entwickelt worden.

73 Andere multivariate Methoden spielen hingegen keine Rolle. Diejenigen Befragten, die

keinerlei derartige Verfahren einsetzen, geben als Begründung an, einen abgrenzten

Spezialmarkt zu bedienen und ihre Kunden persönlich zu kennen bzw. dass ihr

Segmentierungskonzept nicht unbedingt eine Clusteranalyse erfordere, deren Einsatz

jedoch erwogen werde.

Page 21: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

eine Optimierung ihrer Konzepte anstreben – ebenso wie die meisten der befragten B2B-

Herstellerunternehmen.

Ältere Praxisstudien zum Thema deuten darauf hin, dass Segmentierungen in der

Konsumgüterindustrie tendenziell weiter fortgeschritten sind als im Investitionsgüterbereich.74

Die vorliegende Untersuchung kommt allerdings zu einem anderen Ergebnis. So nehmen B2B-

Herstellerunternehmen nicht nur sehr häufig primär zielgruppenbezogene

Segmentabgrenzungen vor, sondern weisen zumeist auch komplexe Segmentierungskonzepte

auf. Professionelle Datenbankarchitekturen zur Erfassung und Analyse umfangreicher

Informationen bilden dabei die Basis für den Einsatz einer Vielzahl von

Segmentierungskriterien und die häufige segmentierungsbezogene Anwendung der

Clusteranalyse. Demnach erreichen Segmentierungsaktivitäten großer B2B-

Herstellerunternehmen inzwischen klar das Komplexitäts- und Professionalitätsniveau

größerer Konsumgüteranbieter.

Aus Sicht von Kroeber-Riel/Weinberg (2003, S. 125) wird emotionale Erlebnisvermittlung

zukünftig auch auf Investitionsgütermärkten eine entsprechende Bedeutung erlangen.75

Prinzipiell bestätigt die Praxisstudie diese Einschätzung. Bedingt durch den materiellen

Charakter der Hauptleistung verfügen B2B-Herstellerunternehmen grundsätzlich über zwei

Ebenen zur emotionalen Ansprache potenzieller Abnehmer. So spielen insbesondere in den

Bereichen Maschinenbau und Nutzfahrzeuge Aspekte wie ein ansprechendes Produktdesign

oder Besitzerstolz durchaus eine Rolle und werden von mehreren Befragten auch im Rahmen

74 So zeigen Dibb/Simkin (2001, S. 614, 616) in ihrer Studie über B2B-Unternehmen, dass

Investitionsgüterhersteller Segmente häufig auf Basis von Produktkategorien und nicht auf

der Grundlage von Zielgruppen definieren. Ferner ermittelt die Untersuchung von Cross et

al. (1990, S. 534) anhand der Gegenüberstellung von Segmentierungen im B2B- und B2C-

Bereich, dass B2C-Unternehmen im Hinblick auf die Verwendung von

Segmentierungskriterien tendenziell intensiver segmentieren. Demnach setzen B2C-

Herstellerunternehmen deutlich häufiger aussagekräftigere Segmentierungskriterien wie

Verwendungsintensität oder Kaufsituation ein als Untersuchungsteilnehmer aus dem B2B-

Sachgüterbereich.

75 An dieser Stelle ist anzumerken, dass sich emotionale Erlebnisvermittlung nicht nur auf

Werbung und Produktgestaltung bezieht, sondern auf alle absatzpolitischen Instrumente,

beispielsweise auch auf Firmen- und Produktinszenierungen auf Ausstellungen und Messen

(vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 125f.).

Page 22: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

organisationsmitglieder-bezogener Kriterien zur Segmentierung von Kaufentscheidern

eingesetzt. Wenngleich die Bedeutung dieser primär produkt- bzw. markenbezogenen Aspekte

insgesamt gesehen noch keinen so hohen Stellenwert wie im Konsumgüterbereich einnimmt,

so wird dennoch von mehreren Interviewpartnern vermutet, dass sie zukünftig steigen werde.

Darüber hinaus kann die Vermittlung von Emotionen auf Investitionsgütermärkten auch noch

über eine andere Ebene erfolgen, nämlich über ausschließlich intangible Faktoren wie

Vertrauens- und Reputationsaufbau. Dies kann sich beispielsweise in der Entstehung einer

persönlichen Bindung zwischen Verkäufern bzw. Außendienstmitarbeitern und Kunden

äußern.76 Dieser persönliche, emotionale Kontakt zu Kunden ist für B2B-

Herstellerunternehmen deutlich wichtiger als emotionale Erlebnisvermittlung über die

angeboten Leistung selbst.

2.2 Dienstleistungsbereich

Nach der Darstellung der Ergebnisse bei Sachgüterherstellern werden im Folgenden die im

Rahmen der Interviews mit Anbietern konsumtiver und investiver Dienstleistungen

gewonnenen Erkenntnisse dargestellt und anschließend mit denen des Sachgüterbereichs

verglichen.

Die befragten B2C-Dienstleistungsunternehmen befinden sich teilweise noch im Übergang von

einer produktgruppenbezogenen hin zu einer kundenorientierten Segmentabgrenzung. Alle

drei Untersuchungsteilnehmer weisen bereits einen sehr hohen Marktabdeckungsgrad auf.

Nicht zuletzt deshalb bedient keiner dieser Anbieter aus Gründen der Kapazitätsauslastung

weitere Segmente.77 Was segmentierungsbezogene Ziele betrifft, spielen insbesondere

76 Ein Anbieter von Heizungsprodukten für Endverbraucher, der eine

Absatzmittlersegmentierung bei Installateuren vornimmt, gibt an, dass weder für diese noch

für die Endkunden das Design der Produkte eine Rolle spiele. Eine intensive persönliche

Betreuung der Installateure mit umfangreichen Serviceangeboten und regelmäßigem

Austausch sei hingegen von elementarer Bedeutung.

77 Somit ist der Aussage von Haller (2000, S. 297), wonach viele Dienstleistungsanbieter

infolge der Nicht-Lagerfähigkeit ihrer Leistungen neben ihrer Kernzielgruppe zur Auslastung

ihrer Kapazitäten weitere Zielgruppen bedienen müssen, in Bezug auf die befragten B2C-

Dienstleister nicht zuzustimmen. Die Untersuchungsteilnehmer aus dem Bereich

konsumtiver Dienstleistungen wollen mit ihren umfassenden Leistungsspektren möglichst

alle Kundengruppen bedienen. Zudem macht die jeweils sehr hohe Anzahl an Kunden

Page 23: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Kundenbindung, die Ausschöpfung von Kundenpotenzial und der Erhalt der

Wettbewerbsposition für die Befragten eine wichtige Rolle. Eine explizite organisatorische

Verankerung ist lediglich bei einem Unternehmen festzustellen.78 Bei allen Befragten finden

zwar regelmäßige Meetings und/oder Segmentierungsaktivitäten statt, aber eine konkrete

strategische Verankerung von Marktsegmentierung ist nur bei dem Unternehmen

festzustellen, in dem das Thema auch organisatorisch verankert ist. Der Stellenwert von

Segmentierungen im B2B-Dienstleistungsbereich ist daher insgesamt betrachtet als

ausbaufähig zu bezeichnen. Allerdings sind alle Befragten im Hinblick auf Datenbanken und

segmentierungsrelevante Informationen relativ gut ausgestattet und verfügen auch über

entsprechende finanzielle Mittel, um bei Bedarf externe Dienstleistungsanbieter für

Segmentierungsaktivitäten hinzuzuziehen.

Segmentierungen im Bereich konsumtiver Dienstleitungen gestalten sich überwiegend als

kontinuierliche und regelmäßig überprüfte Aktivitäten, wobei nur ein

Untersuchungsteilnehmer dabei auch potenzielle Kunden mit berücksichtigt. Geographische

Segmentierungskriterien kommen grundsätzlich bei allen Befragten zum Einsatz. Generell als

bedeutsam angesehen werden auch verhaltensorientierte Daten, die bei zwei Anbietern schon

sehr intensiv bei Segmentierungen verwendet werden. Soziodemographische Informationen

werden teilweise als Rahmeninformationen, teilweise als Hauptkriterien für Segmentierungen

eingesetzt. Mitunter kommen bei den Untersuchungsteilnehmern auch aussagekräftigere

dieser Unternehmen das Argument der Kapazitätsauslastung in der Regel obsolet. Eine

Bedienung weiterer Zielgruppen aus Kapazitätsauslastungsüberlegungen steht somit gar

nicht zur Debatte.

78 Bei diesem großen Anbieter ist Marktsegmentierung in der Produktvorstand-Sparte

verankert, da das Zielgruppenmanagement gemäß der Organisationsstruktur nicht komplett

zentralisiert ist. Ein Unternehmen führt derzeit noch sein erstes Segmentierungsprojekt

durch, sodass eine organisatorische Verankerung noch nicht erfolgt ist. Der dritte Anbieter

konsumtiver Dienstleistungen hat hingegen seine gesamte Organisationsstruktur an seinen

Zielgruppen ausgerichtet und Segmentierungen daher nicht zusätzlich explizit

organisatorisch verankert. Sausen/Tomczak (2003, S. 3) stellen hingegen in einer Studie

über Segmentierungen bei Schweizer Unternehmen fest, dass Segmentierungsaufgaben

bei Anbietern konsumtiver Dienstleistungen mehrheitlich bei der Geschäfts(bereichs)leitung

organisatorisch verankert sind. Dies trifft somit auf die Stichprobe der drei Teilnehmer aus

dem B2C-Dienstleistungsbereich nicht zu.

Page 24: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Segmentierungsansätze79 sowie multivariate Analysemethoden80 zum Einsatz. Eine

ausgeprägte kundengruppenspezifische Differenzierung des Marketing-Mix wird von B2C-

Dienstleistungsanbietern nur im Bereich der Kommunikationspolitik vorgenommen.

Diesbezüglich sind bei allen Anbietern kundengruppenbezogene Direktmailings mit

spezifischer Ansprache von großer Bedeutung.

Insgesamt ist zu konstatieren, dass bei den untersuchten B2C-Dienstleistungsanbietern noch

Segmentierungspotenzial brach liegt. Professionelle Datenbankarchitekturen sind zwar bei den

Studienteilnehmern vorhanden. Die unterschiedlichen internen Sichtweisen zwischen

Produktgruppen auf der einen und Kundengruppen auf der anderen Seite bergen jedoch

teilweise Konfliktpotenzial. Gerade bei Versicherungen ist tendenziell noch eine erhebliche

Dominanz der Produktorientierung festzustellen. Die Notwendigkeit einer verstärkten

Zielgruppenorientierung wird aber erkannt und diese Herausforderung auch sukzessive

angegangen. Generell ist auch festzustellen, dass die sehr breite Aufstellung bzw. hohe

Marktabdeckung sich als etwas unvorteilhaft für Kundensegmentierungen erweist und eher

grob gefasste Segmente zur Folge hat, zumal die Befragten auch ihre Position als

Generalanbieter nicht durch eine zu starke Spezialisierung auf bestimmte Zielgruppen

verwässern wollen.81

Bei den befragten Unternehmen aus dem Bereich investiver Dienstleistungen haben

Marktsegmentierungen insgesamt gesehen einen relativ geringeren Stellenwert. Lediglich die

Hälfte der Anbieter nimmt primär an Kundenmerkmalen orientierte Segmentabgrenzungen

vor82. Zudem verfolgen die Befragten jeweils nur eher wenige Segmentierungsziele. Bei

kleineren Firmen richtet sich der Fokus vor allem auf die Gewinnung neuer Kunden und damit

auf Wachstum. Die Berücksichtigung potenzieller Kunden spielt hingegen bei fast allen

79 So setzen z. B. zwei Anbieter Lifestyle-Typologien ein, wobei ein Unternehmen diese neben

weiteren psychographischen Variablen nur indirekt segmentierungsbezogen verwendet. Der

Einsatz psychographischer Kriterien ist insgesamt gesehen daher von eher geringer

Praxisrelevanz.

80 Z. B. Clusteranalyse oder Multidimensionale Skalierung (MDS).

81 Ähnliche Problemen ermitteln auch Meadows/Dibb (1998, S. 266ff.) im Rahmen einer

praxisbezogenen Segmentierungsstudie bei B2C-Finanzdienstleistungsanbietern.

82 Hierbei dient zumeist die Branche organisationaler Nachfrager als primäres

Segmentabgrenzungsmerkmal.

Page 25: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Unternehmen eine wichtige Rolle – gerade auch im Hinblick auf Neukundengewinnung als

definiertes Segmentierungsziel mehrerer Studienteilnehmer. Nur Anbieter mit geringen

Marktabdeckungsgrad bedienen aus Gründen der Kapazitätsauslastung teilweise zusätzliche

Zielgruppen.83 Die häufige Ansiedelung von Segmentierungsaufgaben bei der Geschäftsleitung

ist grundsätzlich nicht ausschlaggebend für den Stellenwert des Themas und zumeist durch die

geringe Beschäftigtenzahl bzw. die Organisationsstruktur bedingt. Bei den meisten Befragten

ist die strategische Verankerung von Segmentierung eher schwach ausgeprägt. Die Mehrheit

der Anbieter betreibt bisher kein professionelles Database-Marketing und nur zwei der acht

untersuchten Unternehmen überprüfen ihre Segmentierungen regelmäßig.

Lediglich ein Studienteilnehmer hat ein konkretes Segmentierungsprojekt durchgeführt.

Marktsegmentierung verläuft demnach bei fast allen untersuchten Anbietern als

kontinuierlicher Prozess, der aufgrund von Ressourcenbeschränkungen oftmals nur informell

nebenher betrieben werden kann und sich teilweise in sehr einfachen

Segmentierungskonzepten widerspiegelt. Bei B2B-Dienstleistern dominiert der Einsatz

organisations-bezogener Variablen84. Organisationsmitglieder-bezogene Kriterien werden im

Bereich investiver Dienstleistungen hingegen seltener genutzt, zumindest aber von zwei

Unternehmen explizit zur Segmentierung von Kaufentscheidern eingesetzt.85 Teilweise ziehen

83 Bei denjenigen Unternehmen, die zur Auslastung ihrer Kapazitäten zusätzliche Segmente

bedienen, handelt es sich überwiegend um kleinere Anbieter, die gerade dabei sind, sich

einen Kundenstamm aufzubauen. Insbesondere in dieser Wachstumsphase werden

teilweise zusätzliche Zielgruppen aus Gründen der Kapazitätsauslastung bedient. Andere

B2B-Dienstleistungsanbieter sprechen hingegen eher aus Motiven der Risikostreuung oder

aufgrund sehr heterogener Kundengruppierungen mehrere Segmente an. Für die befragten

konzerninternen Dienstleister spielt die Bedienung zusätzlicher Segmente aus

Kapazitätsauslastungsgründen ebenfalls keine Rolle. Dies ist u. a. darauf zurückzuführen,

dass explizite Segmentierungsüberlegungen bei diesen Unternehmen bisher nur

ansatzweise zum Tragen kommen und eine Spezialisierung auf bestimmte Kundengruppen

nicht von Relevanz ist. Ein konzerninterner Dienstleistungsanbieter gibt darüber hinaus an,

dass seine Kapazitäten ohnehin ausgelastet seien.

84 Z. B. Nachfragerstandort, Abnehmerbranche oder Kundengröße.

85 Dennoch spielt emotionale Erlebnisvermittlung in Form der direkten Kundenansprache

ebenso wie bei B2B-Herstellerunternehmen eine sehr wichtige Rolle. Da Anbieter investiver

Dienstleistungen aufgrund der Immaterialität der Leistung grundsätzlich nicht über Design

und Besitzerstolz Emotionen vermitteln können, konzentrieren sich emotionale Aspekte in

Page 26: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

die Befragten auch organisationsverhaltens-bezogene Variablen wie Auftragsgröße oder

Auftragsvergabeverhalten heran. Keines der befragten Unternehmen nutzt allerdings spezielle

Segmentierungsansätze aus der B2B-Marketing-Literatur und nur ein großer Anbieter greift für

Segmentierungszwecke auf die Clusteranalyse zurück.86 Abgesehen von der Leistungspolitik

wird in anderen Mix-Bereichen relativ selten konkret segmentspezifisch differenziert. So

führen die meisten Befragten bisher z. B. noch keine segmentspezifische

Kommunikationsmaßnahmen wie zielgruppenbezogene Direktmailings durch, wobei mehrere

Teilnehmer zumindest planen, ihre Segmente künftig spezifisch anzusprechen.

Bei vielen kleinen Anbietern und besonders bei konzerninternen Dienstleistern ist noch

erhebliches Segmentierungspotenzial vorhanden. Erstere segmentieren oftmals nur implizit,

teilweise zumindest informell. Ein wesentlicher Grund hierfür sind Ressourcenbeschränkungen

– vor allem in Form von Zeit- und Personalmangel. Aus Sicht konzerninterner

Dienstleistungsanbieter sind konkrete Segmentierungsüberlegungen eher eine neuere

Entwicklung, wobei auch hier grundsätzlich die Notwendigkeit verstärkter Kundenorientierung

erkannt wird.87 Bei den Teilnehmern aus dem Bereich investiver Dienstleistungen wird

diesem Bereich auf den persönlichen Kontakt zu den Kunden. Viele Befragte betonen, dass

es überaus wichtig sei, Vertrauen und Sympathie zu Nachfragern aufzubauen, auf sie

einzugehen, Problemlösungskompetenz zu vermitteln und ihre Bedürfnisse genau zu

erfassen. Diese emotionalen Aspekte, insbesondere ein persönliches Kennenlernen der

Geschäftspartner und gegenseitige Sympathie, haben aus Sicht mehrerer

Interviewteilnehmer sogar einen höheren Stellenwert als die angebotene Leistung selbst –

nicht zuletzt im Hinblick auf mögliche Weiterempfehlungen durch sehr zufriedene Kunden.

86 Größere B2B-Dienstleistungsanbieter setzen spezielle Segmentierungskonzepte aus

Gründen mangelnder Flexibilität sowie fehlender Pragmatik aufgrund zu starker

wissenschaftlicher Ausrichtung nicht ein. Bei den übrigen Befragten aus dem Bereich

konzerninterner Dienstleistungen sowie kleinen Firmen ist in erster Linie der geringe

Intensitätsgrad der Segmentierungen ausschlaggebend dafür, dass komplexere Ansätze

nicht zur Anwendung kommen. Zudem geben diese Unternehmen an, derartige Konzepte

nicht einsetzen zu können, da es hierfür vor allem an Zeit und Personal mangle. Mit aus

denselben Gründen sowie infolge einer häufig noch sehr geringen Kundenanzahl kommen

auch multivariate Methoden bei den Studienteilnehmern kaum zum Einsatz.

87 Ein Ansatzpunkt für eine Intensivierung der Segmentierung interner Kunden bietet die

Organisation konzerninterner Dienstleistungsanbieter als Shared Service-Center. Das

Shared Services-Konzept bezeichnet einen Organisationsansatz zur Bereitstellung interner

Dienstleistungen für mehrere Organisationseinheiten mittels gemeinsamer

Page 27: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

insgesamt sehr stark deutlich, dass die Datenerfassung und Auswertung sowie die Größe der

Unternehmen einen erheblichen Einfluss auf das Segmentierungsverhalten haben. Kleinere

Anbieter verfügen ebenso wie konzerninterne Dienstleistungsanbieter oft noch nicht über

entsprechende Datenbankarchitekturen. Ihre Segmentierungen sind nicht zuletzt deshalb sehr

einfach gestaltet und erfolgen zumeist nur auf Basis einzelner Kriterien und ohne den Einsatz

spezieller Segmentierungsansätze und multivariater Analysemethoden. Gerade bei kleineren

Unternehmen hat die Etablierung auf dem jeweiligen Markt zudem Vorrang vor der

Ausarbeitung konkreter, formaler Segmentierungskonzepte.

Verglichen mit den Studienteilnehmern aus dem Sachgüterbereich basieren

Segmentierungsaktivitäten bei den befragten Dienstleistungsanbietern sehr selten auf

konkreten Projekten. Vielmehr erfolgen Segmentierungen bei diesen Unternehmen in der

Regel in Form kontinuierlicher Prozesse. Insgesamt betrachtet sind die

Segmentierungsaktivitäten der untersuchten Sachgüteranbieter deutlich weiter

fortgeschritten.

In der Fachliteratur wird angeführt, dass der Prozess der Dienstleistungserstellung häufig eine

aktive Beteiligung der Kunden erfordert, wodurch der räumlichen Nähe von Anbietern und

Nachfragern und somit Aspekten geographischer bzw. regionaler Segmentierung ein höherer

Stellenwert als auf Sachgütermärkten zukommt.88 In der Tat spielt räumliche Nähe und somit

persönlicher Kontakt zu den Abnehmern für die befragten Dienstleistungsanbieter eine

elementare Rolle.89 Die Nähe zu Nachfragern wird im B2B-Dienstleistungsbereich z. B. durch

Ressourcennutzung innerhalb einer Organisationseinheit. Shared Service-Center müssen

sich im Wettbewerb mit externen Anbietern messen und daher auch eine hohe Service- und

Kundenorientierung aufweisen (vgl. Kagelmann 2001, S. 49ff.; vgl. ebd. für weiterführende

Informationen zu diesem Thema). Ein Befragter, dessen Beratung nach diesem Ansatz

organisiert ist, bestätigt, dass die Konkurrenzsituation zu externen Anbietern im Hinblick auf

die Auftragsvergabe von Konzerneinheiten eine stärkere proaktive Positionierung innerhalb

des Konzerns und PR-Aktivitäten gegenüber internen Kunden vorantreibe.

88 Vgl. hierzu Haller (2000), S. 298, Freter (2001), S. 291 und Meffert/Bruhn (2006), S. 158.

89 Zwar wird dieser Faktor teilweise durch modernere Kommunikationsmöglichkeiten wie

Telefonkonferenzen oder Online-Banking etwas abgeschwächt, ist aber dennoch bei fast

allen Anbietern investiver und konsumtiver Dienstleistungen von sehr hoher Relevanz.

Page 28: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

regionale Niederlassungen90 und im Bereich konsumtiver Dienstleistungen durch dichte Filial-

oder Geschäftsstellennetze hergestellt. Der Vergleich dieser Erkenntnisse mit dem

Sachgüterbereich erfordert eine differenzierte Betrachtung. Für B2B-Herstellerunternehmen

ist räumliche Nähe zu Abnehmern von gleichermaßen hoher Bedeutung wie für Anbieter

konsumtiver und investiver Dienstleistungen. Wie bei Letzteren spielt in der

Investitionsgüterindustrie der Vertrieb über regionale Niederlassungen bzw. Vertretungen,

verbunden mit regelmäßigen Besuchen beim Kunden vor Ort ebenfalls eine überaus wichtige

Rolle.91 Anders verhält es sich hingegen bei den befragten Konsumgüterherstellern. Eine

gewisse Bedeutung kommt dem Aspekt der räumlichen Nähe zwar bei Regionalmarken aus

dem Lebensmittel- und Getränkebereich zu, deren Verbreitung bewusst auf bestimmte

Gebiete konzentriert ist. In diesen Fällen ist der Aspekt der räumlichen Nähe zum Absatzgebiet

jedoch primär durch das jeweilige Produkt an sich92 und weniger durch die Erforderlichkeit der

Nähe des Anbieters zum Endkunden begründet. Räumliche Nähe zu den Konsumenten ist für

die untersuchten B2C-Herstellerunternehmen prinzipiell kaum relevant, da der Absatz

überwiegend indirekt erfolgt und Absatzmittler wie der Handel die Nähe zu den Kunden

herstellen.93

Ferner weisen Autoren darauf hin, dass viele Dienstleistungen einen individualistischen,

personalintensiven und schwer standardisierbaren Charakter aufweisen und daher im

90 Kleinere Anbieter investiver Dienstleistungen, die bisher nur über eine Hauptniederlassung

verfügen, konzentrieren sich bewusst auf ein regional begrenztes Gebiet, sodass sie ihre

Kunden schnell erreichen können.

91 Dies ist u. a. auf die oftmals hohen Transaktionswerte, die Komplexität der angebotenen

Leistungen und dem damit verbundenem Erklärungsbedarf sowie auf den teilweise

erheblichen Umfang produktbegleitender Zusatzdienstleistungen wie z. B. Montage oder

Inbetriebnahmen, zurückzuführen.

92 So bietet ein Hersteller von Teigwaren seine Produkte schwerpunktmäßig im süddeutschen

Raum an, da dort wesentlich mehr Teigwaren konsumiert werden als in anderen Regionen.

93 Auf der Trade-Marketing-Ebene ist räumliche Nähe hingegen von sehr hoher Relevanz. So

haben B2C-Herstellerunternehmen in der Regel einen eigenen Außendienst bzw. regionale

Betreuer für ihre Absatzmittler. Dieser Aspekt tangiert jedoch die

Absatzmittlersegmentierung und somit den B2B-Bereich.

Page 29: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Gegensatz zu vielen Sachgütern häufig maßgeschneidert angeboten werden.94 Für die

befragten B2B-Dienstleister sind kundenspezifische Leistungsangebote tatsächlich sehr

bedeutsam. In diesem Bereich bieten auch fast alle kleineren Firmen ihren Kunden individuell

zugeschnittene Leistungen an.95 Hier liegt jeweils eine Form von Individual-Marketing vor,

wobei anzumerken ist, dass dieses bei kleineren Anbietern in der Regel nicht mit einem

professionellen, sondern zumeist nur sehr einfachen, informellen Segmentierungskonzept

unterlegt ist.96 Vergleicht man nun Anbieter investiver Dienstleistungen mit B2B-

Herstellerunternehmen, so ist wie schon im Hinblick auf den Stellenwert der räumlichen Nähe

zu Kunden eine gewisse Parallele erkennbar. In der Investitionsgüterindustrie sind

kundenindividuell gestaltete Angebote ebenfalls überaus bedeutsam. Insbesondere Anbieter

von Nutzfahrzeugen betreiben bereits in sehr hohem Maße Mass Customization und tragen

individuellen Kundenwünschen auf Basis einer Art Baukastenprinzip gezielt Rechnung. Ein

Investitionsgüteranbieter aus der Halbleiterindustrie gibt an, individuell zugeschnittene

Leistungen überwiegend für strategisch wichtige Großkunden zu konzipieren. Bei den

befragten B2C-Dienstleistungsanbietern ist die Relevanz maßgeschneiderter Angebote

hingegen deutlich geringer als bei Unternehmen aus dem Bereich investiver Dienstleistungen

und der Investitionsgüterindustrie. Die untersuchten Banken und Versicherungen bedienen

jeweils eine sehr hohe Anzahl an Kunden und bieten überwiegend standardisierte Leistungen97

an. Letztere werden zwar kundenspezifisch ausgestaltet, zumeist aber nur in relativ geringem

94 Vgl. hierzu Haller (2000), S. 297 und Meffert (2000), S. 1162.

95 Auch Pleitner weist darauf hin, dass kleinere Unternehmen im Regelfall durch eine

besondere Fähigkeit zur Leistungserstellung nach Maß gekennzeichnet sind (vgl. Pleitner

1986, S. 7, zitiert nach Thommen/Achleitner 2006, S. 67).

96 Insofern ist zu konstatieren, dass individuelle Angebotsausgestaltung nicht zwangsläufig mit

professionellen und intensiven Segmentierungsaktivitäten einhergeht. Bei einem größeren

B2B-Dienstleistungsanbieter basiert der Fokus auf maßgeschneiderte Leistungen jedoch

eindeutig auf einem professionellen Segmentierungskonzept, zumal diese Leistungen nur

einen Teil des Angebotsspektrums umfassen. In diesem Fall wird also gezielt differenziert

zwischen Leistungen, die eine kundenspezifische Anpassung rechtfertigen und solchen, die

eher standardisiert angeboten werden.

97 Insofern ist bezogen auf B2C-Dienstleistungsanbieter der Aussage von Meffert/Bruhn

(2006, S. 158) zuzustimmen, nach der Filialisierung eine Standardisierung von Leistungen

bedingt.

Page 30: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Maße, wie die Befragten angeben. Zwei dieser Unternehmen weisen allerdings darauf hin,

dass bei bestimmten Leistungen der Individualitätsgrad höher sei. Dies bezieht sich tendenziell

auf Angebote, die sich an zahlenmäßig kleinere Kundengruppen richten und eine

umfassendere Beratung erfordern. Für die untersuchten B2C-Herstellerunternehmen haben

maßgeschneiderte Angebotsausgestaltungen praktisch keine Bedeutung, da der Vertrieb

überwiegend über Absatzmittler erfolgt. Auch die großen Produktionsmengen sind

ausschlaggebend dafür, dass keine Maßschneiderungen, sondern vielmehr klassische

Massenproduktion erfolgt. Hinzu kommt noch, dass sich die meisten Produkte dieser Anbieter

an einen anonymen Markt mit einer nahezu unüberschaubaren Vielzahl an potenziellen

Abnehmern richten und die Konsumenten den Unternehmen häufig nicht namentlich bekannt

sind. Zudem ist insbesondere bei Low-Involvement-Gütern eine kundenindividuelle

Ausgestaltung wirtschaftlich nicht rentabel. Letztendlich ist zu konstatieren, dass

maßgeschneiderte Angebote im B2B-Bereich tendenziell von höherer Bedeutung sind als im

B2C-Bereich. Insbesondere drei, häufig miteinander zusammenhängende Aspekte scheinen

einen Einfluss auf die Relevanz individueller Angebotsausgestaltungen zu haben: Die Art der

Leistung, die Anzahl der Nachfrager einer Leistung und die Bedeutung bestimmter

Kundengruppen aus Sicht der Anbieter. So ist bei höherwertigen Leistungen mit einer

geringeren Anzahl an potenziellen Abnehmern ein höherer Spezifitätsgrad zu erkennen, der in

der Regel auf die Art des Angebots zurückzuführen ist. Manche Leistungen werden zudem von

bestimmten Kundengruppen in Anspruch genommen, denen seitens des Anbieters eine

besonders hohe Bedeutung beigemessen wird.

2.3 Einzelhandel

Die Studienteilnehmer aus dem Einzelhandel vertreiben ihre Sortimente vorwiegend über

Einkaufsstätten, wobei drei von ihnen auch einen Warenversand anbieten. Die Konzentration

aller vier Befragten auf bestimmte Branchen kann gemäß Oehme (2000, S. 225) bereits als

Marktsegmentierung im weiteren Sinne aufgefasst werden. Allerdings ist damit zumeist noch

keine klar definierte Zielgruppenausrichtung begründet.

Bei Herstellerunternehmen und klassischen Dienstleistungsanbietern stehen Produkte bzw.

Dienstleistungen im Zentrum der Marketingaktivitäten. Eines der wesentlichsten Kennzeichen

von Handelsunternehmen ist hingegen, dass sie nicht einzelne Produkte, sondern Sortimente

Page 31: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

anbieten. Letztere stehen dementsprechend im Mittelpunkt des Handelsmarketing.98 Im

Einzelhandel kann somit die Bedarfsorientierung des Sortimentsaufbaus als Indikator für den

Grad der Kundenorientierung bzw. der kundenorientierten Ausrichtung des Sortiments

herangezogen werden. Hierbei unterscheidet man zwischen einer Ausrichtung nach

Bedarfsarten bzw. Branchen, Erlebnis- bzw. Bedarfskomplexen und Bedarfsträgern. Eine

Orientierung an Bedarfsarten ist durch eine Strukturierung des Sortiments nach

Warengruppen99 gekennzeichnet. Bei Erlebniskomplexen erfolgt eine Zusammenfassung

mehrerer komplementärer Waren unter einem gemeinsamen Oberbegriff. Allerdings ist auch

in diesem Fall eine starke Warenorientierung festzustellen, sodass die beiden ersten

Ausrichtungen kaum zur gezielten Ansprache bestimmter Kundengruppen beitragen. Dies ist

letztlich nur durch eine Ausrichtung des Sortimentsaufbaus an Bedarfsträgern realisierbar.100

Bei allen befragten Einzelhändlern zeigen sich Mischformen bezüglich der Bedarfsorientierung

des Sortimentsaufbaus.101 Der Stellenwert von Segmentierungen bei den untersuchten

Einzelhändlern ist als verhältnismäßig gering einzustufen. Zwar wird von allen Befragten eine

klare Positionierung gegenüber Herstellern und Konkurrenten zur Generierung einer

eigenständigen Markenidentität des jeweiligen Einzelhandelsunternehmens angestrebt.102

98 Vgl. Oehme (2000), S. 218, 224f.

99 Z. B. Spielwaren, Elektrogeräte oder Schmuck.

100 Vgl. Baum (1994), S. 202f.

101 Bei zwei Befragten setzt sich das Sortiment jeweils überwiegend aus Bedarfskomplexen auf

Basis der Bedarfsträger „Damen“ und „Herren“ zusammen. Darüber hinaus sind in den

Einkaufsstätten der Studienteilnehmer häufig auch nicht-zielgruppenspezifische Artikel

erwerbbar, die dann entweder als Bedarfskomplexe zusammengefasst oder nach

Warengruppen kategorisiert sind. Neben einer auf der Bedarfsorientierung des

Sortimentsaufbaus basierenden Zielgruppenabgrenzung werden mitunter parallel noch

weitere Kundengruppendifferenzierungen vorgenommen. So unterscheidet ein

Einzelhändler noch zwischen Filial-, Versand- und Hybridkunden (diese erwerben Artikel

sowohl in den Einkaufsstätten als auch über den Versandweg).

102 Oehme (2000, S. 226) vertritt in diesem Kontext die Auffassung, dass ein kreativ gestaltetes

und von der Konkurrenz deutlich unterscheidbares Sortiment ein eigenes Marktsegment

begründen könne („Sortimentssegmentierung“) und Einzelhändler parallel dazu streben, ihr

gesamtes Unternehmen zu einem Markenartikel zu machen

(„Unternehmenssegmentierung“). Die „Sortimentssegmentierung“ wird dabei im Regelfall in

Page 32: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Insgesamt ist bei den meisten Unternehmen jedoch eine vergleichsweise schwach ausgeprägte

Zielgruppenorientierung bzw. eine Ausrichtung an sehr breiten Zielgruppen festzustellen. So

weisen die Anbieter aus dem Einzelhandel trotz ihrer Konzentration auf eine bestimmte

Branche zumeist keine klare bzw. einheitliche Haupt-Zielgruppenabgrenzung auf – u. a. auch

deshalb, weil sie eher die breite Masse bedienen und keine Konsumenten ausschließen

möchten. Potenzielle Kunden werden nur von einem Einzelhändler indirekt bei

Segmentierungen berücksichtigt. Dies ist vermutlich vor allem auf die hohe Bedeutung der

Kundenselbstselektion im Zuge des Residenzprinzips103 zurückzuführen.104 Überprüfungen der

Konzepte finden bei kleineren Anbietern eher sporadisch statt. Eine eindeutige strategische

Verankerung zeigt sich nur bei einem größeren Unternehmen. Insgesamt gesehen werden

jeweils nur wenige und vergleichsweise allgemein gehaltene Segmentierungsziele105 verfolgt.

Gemäß der Befragungsergebnisse gestalten sich Segmentierungen im Einzelhandel unabhängig

von der Professionalität der Segmentierungsaktivitäten als kontinuierliche Prozesse und sind

bei keinem der Teilnehmer an konkrete Projekte gekoppelt. Als Datenbasis für

Segmentierungen dienen vor allem Branchenstudien und Kundenkarteninformationen.

Geographische Segmentierungsmerkmale sind gerade aufgrund der Standortfrage sehr

Kombination mit bzw. zur Unterstützung der „Unternehmenssegmentierung“ eingesetzt.

Dies zeigt sich bei den Studienteilnehmern aus dem Einzelhandel darin, dass die Schärfung

ihres Profils teilweise auch mittels eines gewissen Eigenmarkenanteils im Sortiment

unterstrichen und vorangetrieben wird.

103 Gemäß diesem Prinzip – ein Charakteristikum des ladengebundenen Einzelhandels – sucht

der Kunde die Einkaufsstätte auf und nimmt dort Warenbesichtigungen und -vergleiche

sowie schlussendlich auch den Kauf von Waren vor. Das Residenzprinzip erschwert

Marksegmentierungsaktivitäten insofern, als sich Kundendifferenzierungen aufgrund des

offenen Angebots als problematisch erweisen. Ferner impliziert dieses Prinzip eine

Selbstselektion bzw. Selbstauswahl durch die Konsumenten, sodass darüber hinaus oft

Streuverluste einkalkuliert werden müssen (vgl. Baum 1994, S. 166, 170f.).

104 Diese Erkenntnisse (Schwierigkeiten bei der Segmentabgrenzung, sehr breit definierte

Zielgruppen, unzureichende Berücksichtigung potenzieller Kunden) decken sich

grundsätzlich mit den Ergebnissen der Studie von Danneels (1996, S. 36ff.) im belgischen

Bekleidungseinzelhandel.

105 Z. B. eine erhöhte Kundenorientierung oder eine differenzierte Kundenansprache zur

Gewährleistung einer besseren Befriedigung der Kundenbedürfnisse.

Page 33: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

bedeutsam.106 Soziodemographische Variablen werden einerseits als Rahmendaten,

andererseits aber auch häufig direkt zur Zielgruppen- bzw. Sortimentsabgrenzung

herangezogen. Verhaltensbezogene Kriterien werden mittels Kundenkarten erfasst.

Psychographische Kriterien und spezielle Segmentierungsansätze kommen teilweise zum

Einsatz, werden aber im Hinblick auf die breiten Zielgruppen oft als weniger relevant

erachtet.107 Im Einklang stehend mit den teilweise sehr einfachen Segmentierungskonzepten,

kommen multivariate Analysemethoden im Einzelhandel kaum zur Anwendung.108 Ein

konsequent segmentspezifischer Marketing-Mix gestaltet sich einerseits im Hinblick auf breite

Zielgruppen und die hohe Bedeutung der Kundenselbstselektion in Einkaufsstätten als

schwierig und steht andererseits in Konkurrenz zur Entwicklung einer eigenständigen Identität

eines Einzelhandelsunternehmens als Ganzes im Sinne einer Unternehmensmarke.

Differenzierungen werden daher vorwiegend im Bereich der Sortimentspolitik vorgenommen.

Insgesamt ist festzustellen, dass die klare Positionierung des Unternehmens gegenüber

Herstellern und Konkurrenten bei den Befragten deutlich Vorrang hat gegenüber konkreten

Zielgruppenkonzepten innerhalb der bedienten Branche. Mitunter scheint es auch deshalb

Probleme bei der Abstimmung und Kombinierung von „Haupt- und Nebensegmentierungen im

weiteren Sinne“ zu geben.

106 So nehmen fast alle Befragten eine professionelle Standortplanung vor. In der

Grobbetrachtung sind Ballungsräume ein wesentlicher Faktor bei der Festlegung weiterer

Standorte für Einkaufsstätten. Die Berücksichtigung regionaler bzw. internationaler Aspekte

spielt teilweise ebenfalls eine Rolle, z. B. im Hinblick auf Modifizierungen der

Sortimentszusammensetzungen. In der Feinbetrachtung ist zumeist die Lage der

Einkaufsstätten in Fußgängerzonen oder Einkaufszentren maßgebend.

107 Psychographische Kriterien und Lifestyle-Typologien stellen den Einzelhandel mitunter vor

gewisse Probleme. Ein Befragter gibt an, beide Segmentierungsmöglichkeiten teilweise zu

nutzen, auch wenn diese bei seiner breiten Zielgruppe nicht sonderlich sinnvoll seien und

daher eher indirekt zu Segmentierungszwecken herangezogen werden. Andere Teilnehmer

verweisen auf die Schwierigkeit der Erhebung solcher Informationen. So würde ein

Unternehmen das Transaktionsverhalten seiner Kunden gerne in Ziel- und Spontankäufe

klassifizieren, hat aber bisher noch keine Möglichkeit gefunden, diese Unterschiede zu

erfassen.

108 Nur ein großer Anbieter setzt die Clusteranalyse ein.

Page 34: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Die grundsätzliche Herausforderung für viele Einzelhandelsunternehmen liegt letztlich in der

Entwicklung eines adäquaten integrierten Konzepts aus „Unternehmens-“ und

Zielgruppensegmentierung. Es bestehen offensichtlich Reibungspunkte zwischen der

„Unternehmenssegmentierung“ auf der einen und der Gestaltung konkreter

Zielgruppenkonzepte auf der anderen Seite. Prinzipiell konzentrieren sich die befragten

Anbieter auf bestimmte Produkte bzw. Bedarfskomplexe. Eine weitere Feinsegmentierung

innerhalb des jeweiligen bedienten Bereichs im Sinne von Kundendifferenzierung und

spezifischer Zielgruppenansprache ist jedoch innerhalb einer Einkaufsstätte nur in Ansätzen

möglich.109 Zudem verfügen kleinere und mittelgroße Anbieter zumeist nicht über die

erforderliche Datenbankarchitektur sowie über entsprechende zeitliche, finanzielle und

personelle Ressourcen zur Intensivierung ihrer Segmentierungsaktivitäten. Ferner spielt es

sicherlich auch eine gewisse Rolle, dass Marktsegmentierung im Einzelhandel in der Literatur

noch stark unterrepräsentiert ist. Der Einsatz klassischer B2C-Segmentierungskonzepte scheint

lediglich in Ansätzen auch für Einzelhändler geeignet zu sein. Den Besonderheiten des

Einzelhandels kann letztlich nur durch zusätzliche Kriterien und spezifische Modelle besser

Rechnung getragen werden. Daher kann das weitgehende Fehlen derartiger Konzepte mit als

Grund für ungenutztes Segmentierungspotenzial im Einzelhandel angesehen sehen.

Die Feldstudie hat gezeigt, dass Marktsegmentierung in der Investitionsgüterindustrie einen

besonders hohen Stellenwert hat. Hier erfolgt sehr häufig eine Segmentabgrenzung nach

Zielgruppen. Bedingt durch die Verfügbarkeit entsprechender Datenbanken und Ressourcen

sowie einer starken strategischen Verankerung weisen Segmentierungen in diesem Bereich

einen hohen Komplexitäts-, Professionalitäts-, und Intensitätsgrad auf. Ähnliches trifft im

Grundsatz auch auf sehr große Anbieter aus den vier anderen betrachteten Bereichen zu. Im

109 Üblicherweise sind Sortimente u. a. nach Altersklassen und/oder geschlechtsspezifisch

kategorisiert, sodass Kundendifferenzierungen in ein und derselben Einkaufsstätte bei den

untersuchten Einzelhandelsunternehmen allenfalls anhand von soziodemographischen

Segmentierungskriterien bzw. Unterscheidungsmerkmalen erfolgen. Damit bestätigt die

Feldstudie die Ausführungen von Fachautoren. Letztere weisen darauf hin, dass zu starke

Kundendifferenzierungen durch segmentspezifische Abteilungsbildungen innerhalb einer

Einkaufsstätte die Gefahr einer Verwässerung der Positionierung von Einzelhändlern

bergen. Ein weiteres bedeutsames, in diesem Kontext angeführtes Argument ist, dass

Konsumenten überwiegend warengruppenspezifische Gliederungen gewohnt sind und

durch segmentspezifische Abteilungsbildungen verwirrt würden (vgl. Unkelbach 1979, S.

239, zitiert nach Baum 1994, S. 223 und Baum 1994, S. 223).

Page 35: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Gegensatz dazu weisen Segmentierungen bei kleineren Unternehmen oftmals eine weitaus

geringere Bedeutung auf, da es diesen Anbietern häufig an entsprechenden Datenbanken und

zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen zur Durchführung intensiverer

Segmentierungsaktivitäten mangelt. Eine organisatorische Verankerung von

Marktsegmentierungsaktivitäten liegt fast bei allen Studienteilnehmern vor, wobei der Ort der

Verankerung aber grundsätzlich keine direkten Rückschlüsse auf den Stellenwert von

Segmentierungen zulässt.

Im Hinblick auf das Vorgehen zeigten sich im Grundsatz zwei Methoden. Entweder basieren

Segmentierungsaktivitäten auf konkreten Projekten bzw. deren Ergebnissen oder sie weisen

den Charakter eines kontinuierlichen Prozesses auf. Erstere Vorgehensweise war insbesondere

bei Investitionsgüter-, aber auch bei vielen Konsumgüterherstellern festzustellen, wohingegen

sich Segmentierungen bei Anbietern aus den drei übrigen Bereichen überwiegend als

regelmäßige Aktionen gestalten. Wie bereits bei anderen Praxisstudien wurde auch im

Rahmen dieser Untersuchung die Dominanz einfacherer Segmentierungskriterien in allen

untersuchten Bereichen deutlich. Generell spielen sie als Rahmendaten für Segmentierungen

eine wichtige Rolle, sind aber bei vielen Anbietern Kernaspekte der Segmentierungskonzepte.

Aussagekräftigere Segmentierungen mit Kombinationen mehrerer Kriterien und dem

zusätzlichen Einsatz multivariater Analysemethoden waren überwiegend nur bei sehr großen

Unternehmen festzustellen. Bezogen auf alle fünf untersuchten Bereiche ist ein starker

Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße, Daten- und Ressourcenverfügbarkeit für

Segmentierungen und Professionalität und Komplexität der Segmentierungsaktivitäten

erkennbar. Größere Unternehmen, die oft auch in Konzerne eingebunden sind, verfügen

zumeist über eine professionelle Datenbankarchitektur, die im Regelfall die

Grundvoraussetzung zur Durchführung professioneller und intensiver

Segmentierungsaktivitäten bildet – selbst dann, wenn zu Segmentierungszwecken auch

externe Dienstleistungsanbieter herangezogen werden. Die Nutzung umfangreicher

Datenbanksysteme erfordert grundsätzlich bestimmte Ressourcen, über die kleinere Anbieter

häufig nicht verfügen. Somit fehlt ihnen u. a. auch eine wichtige Grundlage für komplexere

Segmentierungen. Sie segmentieren daher eher implizit und informell – sofern man hier schon

in allen Fällen von einer richtigen Segmentierung sprechen kann. Im Gegensatz dazu

segmentieren größere Unternehmen mit einem professionellen und umfangreichen

Datenbankmanagement zumeist intensiver und es ist bei ihnen in der Regel ein höherer

Professionalitätsgrad der Segmentierungen festzustellen. Bis auf eine Ausnahme bei B2C-

Herstellerunternehmen setzen Befragungsteilnehmer mit bis zu 250 Beschäftigen keine

Page 36: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

multivariate Analysemethoden für Segmentierungszwecke ein. In vier der fünf untersuchten

Bereiche greifen demnach ausschließlich Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern auf

derartige Verfahren zurück und setzen dabei vorzugsweise die Clusteranalyse ein.110 Nur

vereinzelt werden auch andere Methoden wie die Faktorenanalyse oder die Multidimensionale

Skalierung für Segmentierungszwecke herangezogen. Bereichsübergreifende

Gemeinsamkeiten hinsichtlich des Segmentierungsverhaltens wurden insbesondere bei B2B-

Herstellerunternehmen und Anbietern investiver Dienstleistungen festgestellt. In diesen

beiden Bereichen sind Aspekte wie räumliche Nähe und persönlicher Kontakt zum Kunden

sowie kundenspezifische Angebotsausgestaltung gleichermaßen von hoher Bedeutung.

Segmentspezifische Marketing-Mix-Gestaltung erfolgt insgesamt betrachtet

schwerpunktmäßig hinsichtlich der Produkt- bzw. Leistungs- bzw. Sortimentspolitik.

Abgesehen von einigen Anbietern investiver Dienstleistungen und Einzelhändlern spielt auch

zielgruppenspezifische Kommunikationspolitik bei vielen Unternehmen eine sehr wichtige

Rolle.

Die segmentierungsbezogenen Herausforderungen aus Sicht der Untersuchungsteilnehmer

sind unterschiedlicher Natur. Für bereits sehr professionell und intensiv segmentierende

Unternehmen liegen sie vor allem in der Optimierung und Verfeinerung bestehender

Segmentierungskonzepte. Bei diesen in der Regel sehr großen Anbietern wurde ferner

teilweise Verbesserungsbedarf in punkto Kommunikation, Daten- und Informationsaustausch

sowie Interessensabgleich festgestellt. Kleinere Unternehmen müssen sich mitunter erst in

ihrem Markt etablieren und verwenden aufgrund zumeist erheblicher

Ressourcenbeschränkungen und des häufigen Fehlens professioneller Datenbanken nur sehr

einfache Segmentierungskonzepte. Eine weitere Segmentierungsbarriere ist die Bedienung zu

breit gefasster Zielgruppen. Dieses Problem tritt in erster Linie bei Anbietern von Low-

Involvement-Produkten und Einzelhandelsunternehmen auf. Zu grobe

Zielgruppenabgrenzungen resultieren tendenziell in vergleichsweise einfacheren

Segmentierungskonzepten, zumal der Aufwand für intensivere Aktivitäten in diesen Fällen oft

nicht als sinnvoll erachtet wird. Zudem steht ein konkretes Zielgruppenkonzept bei

110 Dies deckt sich mit den Erkenntnissen von Kesting et al. (2006, S. 53ff.), deren Studie

allerdings nur den B2C-Bereich abdeckt. Die Clusteranalyse erweist sich somit nicht nur bei

B2C-Herstellerunternehmen und -Dienstleistungsanbietern, sondern auch bei in

Deutschland ansässigen Unternehmen anderer Bereiche als die am häufigsten für

Segmentierungszwecke eingesetzte multivariate Analysemethode.

Page 37: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Einzelhändlern offenbar in Konkurrenz zur „Unternehmenssegmentierung“. Bei

konzerninternen Dienstleistungsanbietern sind Segmentierungsüberlegungen bisher erst in

Ansätzen vorhanden, zumal Kunden- und Wettbewerbsorientierung im klassischen Sinne in

diesem Bereich lange Zeit keine Rolle gespielt hat. Hingegen ist bei einigen B2C-

Dienstleistungsanbietern insbesondere eine zu starke Produktgruppenorientierung

ausschlaggebend dafür, dass vorhandenes Segmentierungspotenzial trotz genereller Daten-

und Ressourcenverfügbarkeit noch nicht voll ausgeschöpft wird.

3 Fazit und Ausblick

Die Feldstudie hat einen weiteren Beitrag zur Konkretisierung der Kluft zwischen

Segmentierungstheorie und unternehmerischer Praxis geleistet. Es ist deutlich festzustellen,

dass insbesondere die Größe, der Bereich und/oder auch die Branche von Unternehmen

tendenziell einen erheblichen Einfluss auf die Art und Intensität der Segmentierungsaktivitäten

haben. Im Ergebnis zeigt sich, dass das Segmentierungspotenzial bei in Deutschland ansässigen

Unternehmen teilweise nur begrenzt ausgeschöpft wird, wofür auch konkrete Gründe

ermittelt werden konnten. Ungenutztes Potenzial wurde insbesondere bei kleineren

Unternehmen, konzerninternen Dienstleistungsanbietern und im Einzelhandel identifiziert. Die

im Zuge der Untersuchung gewonnenen Einsichten liefern der Wissenschaft zusätzliche

Anhaltspunkte zur Fortführung und Intensivierung der Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet

der Marktsegmentierung. Wissenschaftler sind in jedem Falle aufgefordert, Praktiker in

Unternehmen im Hinblick auf segmentierungsrelevante Aspekte besser zu unterstützen. Dazu

muss sich die Wissenschaft noch wesentlich stärker an der Praxis orientieren. Praxisbezogene

Segmentierungsstudien stellen dabei unbestritten die entscheidenden Ansatzpunkte für einen

intensiveren Austausch von Wissenschaftlern und Praktikern zum Thema Marktsegmentierung

dar.

Page 38: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Literaturverzeichnis

Backhaus, K. (2003): Industriegütermarketing, 7., erweiterte und überarbeitete Auflage,

München.

Backhaus, K./Bonus, T./Sabel, T. (2004): Industriegütermarketing im Spiegel der

internationalen Lehrbuchliteratur. In: Backhaus, K./Voeth, M. (Hrsg.): Handbuch

Industriegütermarketing. Strategien – Instrumente – Anwendungen, Wiesbaden 2004, S. 23-

46.

Backhaus, K./Erichson, B./Plinke, W./Weiber, R. (2006): Multivariate Analysemethoden. Eine

anwendungsorientierte Einführung, 11., überarbeitete Auflage, Berlin u. a.

Backhaus, K./Voeth, M. (2007): Industriegütermarketing, 8., vollständig neu bearbeitete

Auflage, München.

Baum, F. (1994): Marktsegmentierung im Handel, Diss., Göttingen.

Becker, J. (2006): Marketing-Konzeption. Grundlagen des ziel-strategischen und operativen

Marketing-Managements, 8. überarbeitete und erweiterte Auflage, München.

Berekoven, L./Eckert, W./Ellenrieder, P. (2006): Marktforschung. Methodische Grundlagen und

praktische Anwendung, 11., überarbeitete Auflage, Wiesbaden.

Böhler, H. (1977): Methoden und Modelle der Marktsegmentierung, Stuttgart.

Böhm, D.-N./Rennhak, C./Ebert, T. (2006): Kundenbindung in B2B-Beziehungen. In: Rennhak, C.

(Hrsg.): Herausforderung Kundenbindung, Wiesbaden 2006, S. 261-272.

Bonoma, T. V./Shapiro, B. P. (1992): How to Segment Industrial Markets. In: Dolan, R. J.

(Hrsg.), Strategic Marketing Management, Reprint of 1991, Boston 1992, S. 270-288.

Bruhn, M. (2004): Marketing. Grundlagen für Studium und Praxis, 7., überarbeitete Auflage,

Wiesbaden.

Bruns, J. (2000): Marktsegmentidentifizierung. In: Pepels, W. (Hrsg.): Marktsegmentierung.

Marktnischen finden und besetzen, Heidelberg 2000, S. 47-64.

Cross, J. C./Belich, T. J./Rudelius, W. (1990): How Marketing Managers Use Market

Segmentation: An Exploratory Study. In: Developments in Marketing Science 13/1990, S. 532-

536.

Page 39: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Danneels, E. (1996): Market segmentation: normative model versus business reality. An

exploratory study of apparel retailing in Belgium. In: European Journal of Marketing Vol. 30,

No. 6, S. 36-51.

Dibb, S./Simkin, L. (2001): Market Segmentation. Diagnosing and Treating the Barriers. In:

Industrial Marketing Management Vol. 30, S. 609-625.

Freter, H. (1983): Marktsegmentierung, Stuttgart u. a.

Freter, H. (2001): Marktsegmentierung im Dienstleistungsbereich. In: Bruhn, M./Meffert, H.

(Hrsg.), Handbuch Dienstleistungsmanagement. Von der strategischen Konzeption zur

praktischen Umsetzung, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Wiesbaden 2001, S. 279-

314.

Freter, H./Baumgarth, C./Quinke, C. (2006): Status Quo der Marktsegmentierung in der Praxis.

Diskutiert am Beispiel des Damenoberbekleidungsmarktes. In: Planung & Analyse 2/2006, S.

74-77.

Gierl, H./Schwanenberg, S. (2001): Neuronale Netze. In: Diller, H. (Hrsg.): Vahlens Großes

Marketinglexikon, 2. Aufl., München 2001, S. 1181-1183.

Gröne, A. (1977): Marktsegmentierung bei Investitionsgütern, Wiesbaden.

Gutsche, J. (1995): Produktpräferenzanalyse. Ein modelltheoretisches und methodisches

Konzept zur Marktsimulation mittels Präferenzerfassungsmodellen, Berlin.

Haller, S. (2000): Marktsegmentierung im Dienstleistungsbereich. In: Pepels, W. (Hrsg.):

Marktsegmentierung. Marktnischen finden und besetzen, Heidelberg 2000, S. 296-312.

Hildebrandt, L. (2001): Multivariatenanalyse (MVA). In: Diller, H. (Hrsg.): Vahlens Großes

Marketinglexikon, 2. Aufl., München 2001, S. 1155-1157.

Holland, H. (2000): Mikrogeographische Segmentierung. In: Pepels, W. (Hrsg.):

Marktsegmentierung. Marktnischen finden und besetzen, Heidelberg 2000, S. 127-143.

Horst, B. (1988): Ein mehrdimensionaler Ansatz zur Segmentierung von

Investitionsgütermärkten, Diss., Köln.

Kagelmann, U. (2001): Shared Services als alternative Organisationsform. Am Beispiel der

Finanzfunktion im multinationalen Konzern, Wiesbaden.

Kesting, T./Rennhak, C./Schütz, T. (2006): Marktsegmentierung als Voraussetzung für

Kundenverständnis. In: Rennhak, C. (Hrsg.): Herausforderung Kundenbindung, Wiesbaden

2006, S. 53-78.

Page 40: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Kleinaltenkamp, M. (2002): Marktsegmentierung. In: Kleinaltenkamp, M./Plinke, W.:

Strategisches Business-to-Business-Marketing, 2. Auflage, Berlin u. a. 2002, S. 191-234.

Kotler, P./Bliemel, F. (2006): Marketing-Management. Analyse, Planung und Verwirklichung,

10., überarbeitete und aktualisierte Auflage, München.

Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. (2003): Konsumentenverhalten, 8., aktualisierte und ergänzte

Auflage, München.

Meadows, M./Dibb, S. (1998): Assessing the implementation of market segmentation in retail

financial services. In: International Journal of Service Industry Management, Vol. 9, Nr. 3, S.

266-285.

Meffert, H. (2000): Marketing. Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung. Konzepte

– Instrumente – Praxisbeispiele, 9., überarbeitete und erweiterte Auflage, Wiesbaden.

Meffert, H./Bruhn, M. (2006): Dienstleistungsmarketing. Grundlagen – Konzepte – Methoden,

5., überarbeitete und erweiterte Auflage, Wiesbaden.

Müller-Hagedorn, L. (2005): Handelsmarketing, 4., überarbeitete Auflage, Stuttgart.

Oehme, W. (2000): Marktsegmentierung durch Absatzaktivitäten. In: Pepels, W. (Hrsg.):

Marktsegmentierung. Marktnischen finden und besetzen, Heidelberg 2000, S. 201-226.

Pepels, W. (1995): Käuferverhalten und Marktforschung. Eine praxisorientierte Einführung,

Stuttgart.

Perrey, J./Hölscher, A. (2003): Nutzenorientierte Kundensegmentierung – eine Zwischenbilanz

nach 35 Jahren. In: Thexis Nr. 4/2003, S. 8-11.

Pine, J. B. (1994): Maßgeschneiderte Massenfertigung: neue Dimensionen im Wettbewerb,

Wien.

Pleitner, H. J. (1986): Aspekte einer Managementlehre für kleinere Unternehmen.

Internationales Gewerbearchiv, Sonderheft 1, Berlin u. a.

Sander, M. (2004): Marketing-Management. Märkte, Marktinformationen und

Marktbearbeitung, Stuttgart.

Sausen, K. (2006): Development of a Resource-Based Model of Market Segmentation,

Dissertation an der Universität St. Gallen, St. Gallen.

Sausen, K./Tomczak, T. (2003): Status quo der Segmentierung in Schweizer Unternehmen. In:

Thexis Nr. 4/2003, S. 2-7.

Page 41: Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis · PDF file6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix. 7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise

Scheuch, F. (1975): Investitionsgüter-Marketing. Grundlagen, Entscheidungen, Maßnahmen,

Opladen.

Steffenhagen, H. (2000): Marketing. Eine Einführung, 4. Aufl., Stuttgart u. a.

Thommen, J.-P./Achleitner, A.-K. (2006): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Umfassende

Einführung aus managementorientierter Sicht, 5., überarbeitete und erweiterte Auflage,

Wiesbaden.

Tietz, W. (2001): AID (Automatic Interaction Detector). In: Diller, H. (Hrsg.): Vahlens Großes

Marketinglexikon, 2. Aufl., München 2001, S. 32-34.

Tomczak, T./Sausen, K. (2003): Integrierte Marktsegmentierung. In: persönlich - Die Zeitschrift

für Marketing und Unternehmensführung, Ausgabe August 2003, S. 50-51.

Unkelbach, W. (1979): Marktsegmentierung im Einzelhandel – Dargestellt am Beispiel des

modisch orientierten Damenoberbekleidungs-Einzelhandels, Hamburg.

Vossebein, U. (2000): Grundlegende Bedeutung der Marktsegmentierung für das Marketing. In:

Pepels, W. (Hrsg.): Marktsegmentierung. Marktnischen finden und besetzen, Heidelberg 2000,

S. 19-46.

Wind, Y./Cardozo, R. N. (1974): Industrial Market Segmentation. In: Industrial Marketing

Management, Vol. 3, 1974, S. 153-166.