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Munich Business School
Marktsegmentierung in der Unternehmenspraxis
Munich Business School Working Paper
2007-03
Tobias Kesting School of International Business Hochschule Reutlingen Alteburgstraße 150 D-72762 Reutlingen
Carsten Rennhak Munich Business School Elsenheimerstraße 61 D-80687 München E-Mail: [email protected]
Munich Business School Working Paper Series, ISSN 2367-3869
1 Einführung und theoretische Vorüberlegungen
Es ist ein wesentliches Charakteristikum einer kunden- und marktorientierten
Unternehmensführung, dass nicht das jeweilige Leistungsangebot, sondern der Kunde mit
seinen Wünschen und Bedürfnissen die Grundlage für unternehmerische Entscheidungen
bildet. Je kundenorientierter ein Anbieter agiert, desto größer ist der hierdurch erzielbare
Wettbewerbsvorteil.1
Das Marktsegmentierungskonzept berücksichtigt im Sinne des Marketing-Grundgedankens –
nämlich der Ausrichtung aller Unternehmensaktivitäten am Kunden – spezifische Bedürfnisse
verschiedener Nachfragergruppen.2 Unter Marktsegmentierung versteht man „(...) die
Aufteilung des (heterogenen) Gesamtmarktes für ein Produkt in (homogene) Teilmärkte oder
Segmente und die gezielte Bearbeitung eines Segmentes (bzw. mehrerer Segmente) mit Hilfe
segmentspezifischer Marketing-Programme (...)“.3 Reines Produktvarianten-Marketing fällt
demnach nicht unter diese Definition.4 In der Literatur wird das empfohlene Vorgehen zur
1 Vgl. Tomczak/Sausen (2003), S. 50.
2 Vgl. Meffert (2000), S. 181.
3 Freter (1983), S. 18. Der Detaillierungsgrad von Segmentierungen kann dabei bis hin zu
Individual-Marketing reichen, das auf atomisierter Segmentierung beruht und den Markt bis
auf den individuellen Kunden zerlegt. Vorwiegend bedingt durch zunehmende
Individualisierungstendenzen bei Abnehmern sowie durch den technischen Fortschritt hat
sich ein strategisches Konzept herausgebildet, das Pine (1994) als „Mass Customization“
bezeichnet. Mittels dieser maßgeschneiderten Massenfertigung werden in großem Umfang
individuell gestaltete Produkte erstellt (vgl. Pine 1994, zitiert nach Kotler/Bliemel 2006, S.
422, Becker 2006, S. 297 und Kotler/Bliemel 2006, S. 422).
4 Zwar wird eine Produktkategorie im Falle von Produktdifferenzierungen in verschiedenen
Varianten (z. B. in unterschiedlicher Größe und Qualität) angeboten, die allerdings zumeist
mit einem einzigen Marketing-Mix vermarktet werden. Produktvarianten-Marketing ist daher
lediglich als Weiterentwicklung des undifferenzierten Massenmarketing anzusehen und
bezweckt eine verbesserte Bedürfnisbefriedigung von Massenzielgruppen mit
Differenzierungsansprüchen. Es wird daher auch als differenziertes Massenmarketing
bezeichnet (vgl. Becker 2006, S. 295 und Kotler/Bliemel 2006, S. 418).
Segmentierung von Märkten häufig anhand des STP5-Ansatzes beschrieben, der den
Segmentierungsprozess in drei Hauptschritte unterteilt, die in einer chronologischen
Reihenfolge abzuwickeln sind. An erster Stelle steht dabei die eigentliche Segmentierung, d. h.
die Aufteilung des Gesamtmarktes in einzelne Segmente durch den Einsatz geeigneter
Segmentierungsvariablen. Diese Segmente stellen optimalerweise möglichst klar abgrenzbare
Käufergruppen dar, die jeweils mit einem spezifischen Leistungsangebot6 angesprochen
werden sollen. Um seine Chancen in jedem der Teilmärkte einzuschätzen, muss ein Anbieter
die Attraktivität der Segmente bewerten und auf Basis dieser Evaluation diejenigen festlegen,
die er bedienen möchte. Für jeden Zielmarkt wird im dritten Schritt zum Aufbau einer
tragfähigen Wettbewerbsposition ein Positionierungskonzept entwickelt und gegenüber
Nachfragern signalisiert.7
Das Marktsegmentierungskonzept wurde in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts
zunächst für das Konsumgüter-Marketing entwickelt.8 Die Unterschiede, die zwischen
Transaktionsprozessen mit Privatpersonen und organisationalen Nachfragern bestehen, sind
5 Segmenting (Segmentierung), Targeting (Zielmarktfestlegung), Positioning (Positionierung).
6 Bzw. einem spezifischen Marketing-Mix.
7 Vgl. Kotler/Bliemel (2006), S. 415f., 452. Der STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise
amerikanischer und britischer Wissenschaftler dar, wohingegen deutsche Autoren
Marktsegmentierungen zumeist als zweistufiges Konzept aus Markterfassung und
Marktbearbeitung verstehen (vgl. Sausen 2006, S. 20f.). Die Markterfassung repräsentiert
dabei die Informationsseite der Marktsegmentierung und fokussiert Aspekte der
Informationsgewinnung und -verarbeitung sowie der Erklärung des Käuferverhaltens. Sie
bezieht sich einerseits auf Marktforschungsaktivitäten und andererseits auf den Einsatz der
Art und Anzahl von Segmentierungskriterien. Somit entspricht sie prinzipiell dem
„Segmenting“-Schritt des STP-Ansatzes. Die Marktbearbeitung kann als Aktionsseite der
Marktsegmentierung verstanden werden. Sie umfasst schwerpunktmäßig die Auswahl von
Zielsegmenten und die Ausgestaltung segmentspezifischer Marketing-Mix-Programme für
die ausgewählten Teilmärkte (vgl. Freter 1983, S. 14ff. und Meffert 2000, S. 183ff.).
Verglichen mit dem STP-Ansatz beinhaltet die Marktbearbeitungsseite demnach die beiden
Schritte „Targeting“ und „Positioning“.
8 Vgl. Kleinaltenkamp (2002), S. 194.
allerdings oftmals beträchtlich.9 Daher erfordern die Charakteristika des B2B-Bereichs
(teilweise) auch spezifische Segmentierungskriterien. Becker (2006, S. 281) unterscheidet
hierbei zwischen organisations-bezogenen, organisationsmitglieder-bezogenen und
organisationsverhaltens-bezogenen Kriterien. Diese Gliederung ist analog zur gängigen
Kategorisierung von Kriterien für B2C-Märkte gestaltet und ermöglicht daher eine
vergleichsfähige Gegenüberstellung von Segmentierungsvariablen im B2B- und B2C-Bereich
(vgl. Abb. 1).
Gegenüberstellung von B2B- und B2C-Segmentierungskriterien
B2B B2C
Organisations-bezogene
Kriterien
Geographische und
soziodemographische Kriterien
Organisationsmitglieder-bezogene
Kriterien
Psychographische
Kriterien
Organisationsverhaltens-bezogene
Kriterien
Verhaltensorientierte
Kriterien
Abbildung 1: Gegenüberstellung von B2B- und B2C-Segmentierungskriterien10
Organisations-bezogene Variablen sind sehr gut mit den klassischen Segmentierungskriterien
des B2C-Bereichs11 vergleichbar und repräsentieren eher formale Unterscheidungsmerkmale12.
9 Vgl. Backhaus et al. (2004), S. 25. Wesentliche segmentierungsrelevante Differenzen
zwischen B2B- und B2C-Märkten bestehen insbesondere auf der Nachfrager- und
Anbieterseite sowie hinsichtlich der Beziehungen zwischen den Marktpartnern (vgl. hierzu
Meffert 2000, S. 1204f. für weiterführende Informationen).
10 Vgl. Meffert (2000), S. 188 und Becker (2006), S. 281.
11 Als klassische B2C-Segmentierungskriterien werden geographische und
soziodemographische Kriterien bezeichnet. Letztere lassen sich nochmals unterteilen, und
zwar in demographische (z. B. Geschlecht, Alter, Familienstand) und sozioökonomische
Kriterien (z. B. Ausbildung, Beruf, Einkommen). Für weiterführende Informationen hierzu
vgl. u. a. Bruns (2000), S. 50f. und Meffert (2000), S. 192ff.
Organisationsmitglieder-bezogene Variablen bilden psychische Charakteristika der Mitglieder
bzw. Entscheidungsträger in Nachfrager-Organisationen ab. Somit stehen sie in Analogie zu
den psychographischen Variablen des B2C-Bereichs13 und stützen sich auch auf vergleichbare
Aspekte wie diese.14 Organisationsverhaltens-bezogene Kriterien ziehen das Kaufverhalten von
Organisationen als Segmentierungsgrundlage heran. Insofern sind sie mit den
verhaltensorientierten B2C-Segmentierungskriterien15 vergleichbar. Da das Einkaufsverhalten
im Investitionsgütermarketing zumeist durch Mehrpersonenentscheidungen gekennzeichnet
ist, bildet dieses kollektive Einkaufsverhalten den Hauptanknüpfungspunkt.16
Für Marktsegmentierungszwecke sind zahlreiche spezielle Modelle entwickelt worden, wobei
sich ein direkter Vergleich von B2B- und B2C-Segmentierungsansätzen aufgrund deren völlig
unterschiedlicher Konzeptionen allerdings nicht als sinnvoll erweist. Beide Märkte werden
daher getrennt betrachtet.
Zunächst soll kurz auf die wichtigsten B2C-Segmentierungsansätze eingegangen werden: Die
soziale Schichtung und der Familien-Lebenszyklus zeichnen sich jeweils durch eine
12 Z. B. den Organisationsstandort, die Organisationsgröße, die Branchenzugehörigkeit, das
Marktvolumen oder den Organisationstyp (vgl. Becker 2006, S. 281).
13 Psychographische Variablen zielen darauf ab, Konsumenten in psychisch verwandte
Gruppierungen zu klassifizieren. Gängige hierfür herangezogene Kriterien sind z. B.
Einstellungen, Motive, Wahrnehmungen, Präferenzen und Kaufabsichten (vgl. hierzu Freter
1983, S. 46 und Becker 2006, S. 255f.).
14 Beispiele für organisationsmitglieder-bezogene Variablen sind Wahrnehmung, Motivation,
Innovationsfreudigkeit, Informationsgewinnung, Einstellungen oder
Persönlichkeitsmerkmale (vgl. Becker 2006, S. 281).
15 Verhaltensorientierte Kriterien beziehen sich auf das Kaufverhalten von Endverbrauchern
und lassen sich in die Kategorien Produktwahl, Preisverhalten, Mediennutzung und
Einkaufsstättenwahl untergliedern. Ein produktwahlbezogenes Merkmal ist z. B. das
Kaufvolumen (vgl. hierzu Freter 1983, S. 46, 87ff.).
16 Vgl. Becker (2006), S. 281. Bedeutsame verhaltensorientierte Kriterien im B2B-Bereich sind
dementsprechend u. a. Größe, Zusammensetzung oder interpersonale Beziehungen von
Buying Centers. Hinzu kommen weitere Verhaltensaspekte wie Auftragsgrößen,
Auftragsvorgabekriterien, Kaufzeitpunkte, Produktverwendungen, Verwendungsintensitäten
oder Lieferantentreue (vgl. Becker 2006, S. 281).
Kombination soziodemographischer Segmentierungskriterien aus. Während der sozialen
Schichtung die drei Variablen Ausbildung, Beruf und Einkommen zugrunde liegen,17 kommen
im Rahmen des Lebenszyklus-Konzepts üblicherweise das Alter der Haushaltsmitglieder bzw.
Ehepartner, der Familienstand und die Zahl der Kinder als Kriterien zum Einsatz.18 Komplexer
gestaltet sich hingegen der Ansatz der mikrogeographischen Segmentierung. Er entwickelt die
Grundidee der geographischen Segmentierung weiter und beruht auf der so genannten
Neighbourhood-Affinität, nach der sich Konsumenten mit ähnlichem Sozialstatus, Lebensstil
und Kaufverhalten räumlich konzentrieren. Endverbraucher werden in möglichst kleine
Wohngebiete aufgeteilt, wobei Informationen mittels Heranziehung zusätzlicher
soziodemographischer, psychographischer und verhaltensorientierter Daten konkretisiert
werden können.19 Lifestyle-Typologien setzen am Lebensstil von Konsumenten an und
basieren auf einem käufertypologischen Ansatz. Grundsätzlich stellen sie eine
Weiterentwicklung der psychographischen Segmentierung dar, können darüber hinaus aber
auch weitere Segmentierungsvariablen20 mit berücksichtigen.21 Ein weiteres
Segmentierungskonzept ist die Nutzensegmentierung (Benefit Segmentation), die den von
(potenziellen) Kunden wahrgenommenen Nutzen eines Angebots als Grundlage zur
Segmentbildung heranzieht. Üblicherweise erfolgt die Nutzenmessung in Form eines
dekompositionellen Ansatzes, der aus Gesamtnutzenurteilen die Nutzenbeiträge der einzelnen
Komponenten zu erfassen versucht.22 Ferner kann auch der Single-Source-Ansatz mittels
Verbraucherpanel zur Segmentierung von B2C-Märkten eingesetzt werden. Wie die
Bezeichnung „Single Source“ bereits impliziert, stammen alle hierzu verwendeten
Informationen aus einer einzigen Quelle – nämlich dem Panel. Ein solches liegt vor, wenn
mehrfach und in gewissen zeitlichen Abständen eine Befragung zu ein und demselben
Themenkreis bei denselben Untersuchungseinheiten – in diesem Fall bei den Endverbrauchern
17 Vgl. hierzu u. a. Meffert (2000) S. 193f. und Becker (2006), S. 254.
18 Vgl. z. B. Freter (1983), S. 54 und Meffert (2000), S. 193.
19 Vgl. hierzu u. a. Holland (2000), S. 127ff. und Meffert (2000), S. 189ff.
20 Z. B. verhaltensorientierte Kriterien.
21 Vgl. hierzu u. a. Becker (2006), S. 257f. und Berekoven et al. (2006), S. 245f.
22 Vgl. hierzu u. a. Gutsche (1995), S. 75, zitiert nach Meffert (2000), S. 205, Meffert (2000),
S. 205 und Perrey/Hölscher (2003), S. 8.
– durchgeführt wird. Dieses Verbraucherpanel ermöglicht für Segmentierungszwecke die
Kombination kaufverhaltensbezogener Kriterien23 mit zusätzlichen Merkmalen24 der
Panelteilnehmer.25
Im B2B-Bereich kann grundsätzlich zwischen einstufigen, mehrstufigen, mehrdimensionalen
sowie Kaufphasensegmentierungen unterschieden werden. Einstufige Segmentierungsansätze
sind dadurch gekennzeichnet, dass sie jeweils nur einzelne Aspekte organisationalen
Beschaffungsverhaltens als Unterscheidungskriterium für Segmente heranziehen.26 Beim
Einsatz dieser Ansätze besteht allerdings die Gefahr, dass wichtige kaufverhaltensrelevante
Faktoren unberücksichtigt bleiben. Dies kann zu Fehleinschätzungen bezüglich der Nachfrager
und letztlich zu einer weitreichenden Fehlsteuerung der Marketingaktivitäten führen. Für den
B2B-Bereich sind nicht zuletzt deshalb mehrstufige Segmentierungsmodelle entwickelt
worden,27 deren Grundprinzip in einer Abprüfung verschiedener Hierarchien von
Einflussfaktoren in einem stufenweisen Filterungsprozess besteht.28 Konkret bedeutet dies,
dass zunächst anhand einer oder mehrerer Variablen segmentiert wird. Ergeben sich dadurch
noch keine homogenen ansprechbaren Segmente, so wird die Segmentierung mittels weiterer
Kriterien fortgesetzt.29 Mehrstufige Segmentierungen weisen allerdings den Nachteil auf, dass
23 Einkaufsdaten.
24 Z. B. soziodemographischen oder psychographischen Variablen.
25 Vgl. Sander (2004), S. 175 und Berekoven et al. (2006), S. 250f.
26 Ein typisches Beispiel hierfür ist die häufig eingesetzte branchenbezogene Segmentierung,
die sich lediglich auf eine einzige organisations-bezogene Variable stützt. Als deutlich
aussagekräftiger gelten hingegen prozessorientierte Ansätze, die Nachfrager mit gleichen
bzw. ähnlich ablaufenden Wertschöpfungsprozessen in einem Segment
zusammenzufassen. Auch Konzepte der Ländersegmentierung können im B2B-Bereich
durchaus als sinnvolle einstufige Segmentierungsansätze angesehen werden. Dies ist
immer dann der Fall, wenn die jeweiligen Länder, in denen nachfragende Organisationen
angesiedelt sind, wesentliche Einflüsse auf deren Kaufverhalten haben (vgl. Kleinaltenkamp
2002, S. 198ff.).
27 Vgl. Kleinaltenkamp (2002), S. 201f.
28 Vgl. Becker (2006), S. 281.
29 Vgl. Vossebein (2000), S. 36. Einer der ersten mehrstufigen Ansätze war bzw. ist das
Modell von Wind/Cardozo (vgl. hierzu Wind/Cardozo 1974, S. 156, zitiert nach
sie zwangsläufig zum Auftreten so genannter Baumstrukturen führen. Eine einmal erfolgte
Einordnung einer Organisation in ein bestimmtes Segment kann demnach bei der
Durchführung weiterer Segmentierungsschritte nicht wieder aufgehoben werden. Diese
Problematik versuchen mehrdimensionale Ansätze zu umgehen.30 Prinzipiell greifen sie dabei
auf die gleichen Segmentierungskriterien wie mehrstufige Modelle zurück, vermeiden jedoch
Baumstrukturen,31 indem sie kein stufenorientiertes Vorgehen aufweisen, sondern simultan
mehrere Segmentierungsvariablen verwenden.32 Ein weiteres B2B-Segmentierungskonzept
stellt die Kaufphasensegmentierung dar, deren Grundidee die Ausrichtung der
Backhaus/Voeth 2007, S. 121), das sich in Makro- und Mikro-Segmentierung gliedert. Die
Makro-Segmentierung bildet dabei die erste Segmentierungsstufe und orientiert sich an
Charakteristika einer beschaffenden Organisation – in erster Linie organisations-
bezogenen, aber auch organisationsverhaltens-bezogenen Kriterien. Führt die Bewertung
der Makro-Segmente jedoch zu keinem akzeptablen Segmentierungsergebnis, so kommt
Mikro-Segmentierung als zweite Segmentierungsstufe zum Tragen. Sie knüpft am Buying
Center bzw. dessen Mitgliedern an und bedient sich daher vorwiegend
organisationsmitglieder-bezogener Kriterien (vgl. Becker 2006, S. 282f. und
Backhaus/Voeth 2007, S. 122). Scheuch (1975) und Gröne (1977) haben jeweils dreistufige
Segmentierungskonzepte entwickelt, die prinzipiell nach dem gleichen Grundschema wie
das Modell von Wind/Cardozo konzipiert worden sind (vgl. hierzu Scheuch 1975 und Gröne
1977, jeweils zitiert nach Backhaus/Voeth 2007, S. 123 und Backhaus/Voeth 2007, S. 122).
Der Schalenansatz („Nested Approach“) von Bonoma/Shapiro umfasst hingegen fünf
Segmentierungsstufen. Demographische Merkmale bilden dabei die äußere Ebene.
Reichen sie für eine aussagekräftige Segmentbildung nicht aus, so kann weiter segmentiert
werden über leistungsbezogene Merkmale, Beschaffungsmerkmale und situative Faktoren
bis hin zu individuellen Charakteristika der Buying Center-Mitglieder der
Nachfragerorganisation (vgl. Bonoma/Shapiro 1992, S. 270ff., zitiert nach Backhaus/Voeth
2007, S. 124 und Backhaus/Voeth 2007, S. 122ff.).
30 Vgl. Becker (2006), S. 285.
31 Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 123.
32 Vgl. Becker (2006), S. 285f. Ein mehrdimensionales Segmentierungskonzept ist das Modell
von Horst (1988), das am Beispiel des Marktes für Bürokommunikation illustriert wird. Es
basiert auf drei Segmentierungsdimensionen bzw. -kategorien (Interaktionspotenzial,
konstitutiven und situativen Merkmalen der Beschaffungspolitik), die spezifische
Verhaltensweisen von Nachfragersegmenten erfassen sollen (vgl. hierzu Horst 1988, S.
324f., zitiert nach Vossebein 2000, S. 38 und Becker 2006, S. 286).
Marketingaktivitäten in Abhängigkeit von der jeweils aktuellen Kaufphase ist.33 Das Modell
fokussiert auf der Makro-Ebene Abnehmerorganisationen und auf der Mikro-Ebene einzelne
Entscheidungsbeteiligte eines Buying Centers als Segmentierungsobjekte.34 Auf der Mikro-
Ebene wird beleuchtet, wie sich die Entscheidungsbeteiligten in Abhängigkeit der jeweiligen
Phase des Beschaffungsprozesses verhalten. Änderungen ergeben sich in diesem Kontext
insbesondere dadurch, dass je nach Phase der relative Einfluss der Beteiligten und/oder die
Besetzung des Buying Centers variieren kann. Aus diesem Blickwinkel heraus können
Segmente innerhalb einer nachfragenden Organisation aus den jeweils maßgeblichen
„Entscheidungseinheiten“ gebildet und mit einem phasendifferenzierten Marketing-Mix
angesprochen werden.35
Zur Unterstützung von Marktsegmentierungsaktivitäten können verschiedene multivariate
Analysemethoden herangezogen werden. Diese Verfahren der deskriptiven Statistik
betrachten im Gegensatz zu univariaten und bivariaten Verfahren mindestens drei Variablen
und analysieren deren Zusammenhänge untereinander.36 An erster Stelle ist hier die
Clusteranalyse zu nennen, deren Hauptanwendungsgebiet im Marketing auch
Segmentierungen sind. Sie zielt auf die Bildung von Gruppen durch Zusammenfassung von
Objekten37 mit ähnlichen Merkmalsausprägungen ab. Die so entstehenden Cluster bzw.
Marktsegmente sollen in sich möglichst homogen, untereinander aber möglichst heterogen
sein.38 Auch die Faktorenanalyse bietet sich für Marktsegmentierungszwecke an. Sie
ermöglicht die Verdichtung einer Vielzahl von Segmentierungsvariablen zu wenigen Faktoren
und kann so z. B. zur Beschreibung von mittels einer Clusteranalyse identifizierten Segmenten
33 Vgl. Vossebein (2000), S. 39.
34 Die Kaufphasensegmentierung weist damit gewisse Parallelen zu zweistufigen B2B-
Segmentierungsansätzen auf.
35 Vgl. Backhaus (2003), S. 236f.
36 Vgl. Berekoven et al. (2006), S. 198.
37 Z. B. Personen oder Unternehmen.
38 Vgl. Sander (2004), S. 198 und Berekoven et al. (2006), S. 221f.
genutzt werden.39 Neben diesen beiden Methoden eignen sich noch eine Reihe weiterer
Verfahren für Marktsegmentierungszwecke.40
39 Vgl. Sander (2004), S. 239.
40 Zu nennen sind hier insbesondere die Multidimensionale Skalierung (MDS), die
Kontrastgruppenanalyse, Neuronale Netze, die Diskriminanzanalyse sowie das Conjoint
Measurement. Die Multidimensionale Skalierung (MDS) ermöglicht die Erfassung von
Ähnlichkeits- oder Präferenzurteilen bezüglich Produkten bzw. Dienstleistungen. Mittels
Ähnlichkeitsurteilen lassen sich Gruppen aufdecken, die Objekte in ähnlicher Weise
wahrnehmen, wohingegen Präferenzurteile zur Identifizierung von Personengruppen mit
gleichen bzw. ähnlichen Präferenzen dienen können (vgl. Meffert 2000, S. 213 und Sander
2004, S. 240). Die Kontrastgruppenanalyse ist u. a. auch unter der Bezeichnung AID
(Automatic Interaction Detector) bekannt und wird generell zur Aufdeckung einer
Beziehungsstruktur zwischen einer abhängigen und mehreren unabhängigen Variablen
herangezogen. Sie lässt sich als sequenzielles Suchverfahren charakterisieren, bei dem ein
Datensatz ausgehend von einer Variablen sukzessive in immer mehr Gruppen aufgeteilt
wird. Zur Beendigung dieses Verfahrens können Kriterien wie die minimal erforderliche
Segmentgröße oder maximale Endgruppenzahlen definiert werden (vgl. Pepels 1995, S.
331, Hildebrandt 2001, S. 1156 und Tietz 2001, S. 32f.). Neuronale Netze bieten sich als
Alternative bzw. Ergänzung zu den klassischen multivariaten Analyseverfahren an. Ihre
Methodik ist an biologische Informationsverarbeitungsprozesse im Gehirn angelehnt.
Neuronale Netze eignen sich u. a. zur Klassifikation von Kunden sowie für Fragestellungen
in Bezug auf Analyse und Prognose des Kaufverhaltens (vgl. Gierl/Schwanenberg 2001, S.
1181 und Backhaus et al. 2006, S. 14). Die Diskriminanzanalyse dient zur Analyse von
Gruppenunterschieden und kann auch zur Klassifizierung von Elementen herangezogen
werden. Sie ist bei Segmentierungen einerseits zur Analyse von Abhängigkeiten einsetzbar,
sodass sich feststellen lässt, welche Segmentierungsmerkmale am besten zur
Unterscheidung von Käufergruppen beitragen. Anderseits dient sie bei
Klassifikationsanwendungen auch zur Prognostizierung der Segmentzugehörigkeit eines
Objekts anhand seiner Merkmalsausprägungen (vgl. Böhler 1977, S. 173 und Backhaus et
al. 2006, S. 10). Das Conjoint Measurement (Conjoint Analyse), ein Analyseinstrument im
Rahmen der Präferenzforschung, kann u. a. zur Neuproduktplanung eingesetzt werden. Es
ermöglicht die Identifizierung von Personengruppen, die gleiche oder ähnliche
Nutzenvorstellungen in Bezug auf bestimmte Produkte und deren Eigenschaften aufweisen
(vgl. Sander 2004, S. 208, 240). Für weiterführende Informationen – insbesondere
bezüglich Fragen der konkreten Anwendung multivariater Analysemethoden – sei in erster
Linie auf das Standardwerk von Backhaus et al. (2006) verwiesen.
Insgesamt gesehen konzentriert sich die Fachliteratur zum Thema Marktsegmentierung sehr
stark auf die verschiedenen Möglichkeiten zur Bildung von Segmenten und bietet hierzu eine
Vielzahl von Segmentierungskriterien und -ansätzen für B2B- und B2C-Märkte an.41 Auch der
Entwicklung statistischer Methoden wird ein hoher Stellenwert beigemessen.42 Konkrete
Leitlinien für Praktiker bezüglich des Vorgehens bei Segmentierungen liefert die Literatur
hingegen kaum.43 Generell widmet sie vielen praxisrelevanten Segmentierungsfragen keine
bzw. zu wenig Aufmerksamkeit.
Seit einigen Jahren befasst sich die Wissenschaft zumindest etwas intensiver mit Aspekten
praktischer Marktsegmentierungen. So wurden in der jüngeren Vergangenheit mehrere
Studien durchgeführt, die das Segmentierungsverhalten von Unternehmen beleuchten. Dabei
zeigt sich, dass das Segmentierungspotenzial häufig nicht ausgeschöpft wird, denn trotz der
Vielfalt an komplexeren Segmentierungskonzepten überwiegt in der Praxis der Einsatz
einfacherer Segmentierungsvariablen.44 Ferner verdeutlichen empirische Untersuchungen,
dass wissenschaftliche Modelle wie der STP-Ansatz zumeist nicht in der Lage sind, die Realität
umfassend abzubilden. Das STP-Konzept erscheint auf den ersten Blick zwar schlüssig und in
sich logisch, ist jedoch nicht universell in der Praxis einsetzbar. Es berücksichtigt z. B. keine
Branchenunterschiede und vermag darüber hinaus auch nicht, den Anforderungen spezifischer
Märkte umfassend Rechnung zu tragen. Außerdem wird die Größe segmentierender
Unternehmen bei diesem Modell nicht in Betracht gezogen.45 Weitere Studien ermitteln,
41 Für Segmentierungen im Dienstleistungsbereich sowie im Einzelhandel gibt es allerdings
kaum spezifische Segmentierungskriterien bzw. -ansätze. Vielmehr schlagen
Wissenschaftler den Einsatz der für B2C-Sachgütermärkte entwickelten Konzepte auch für
an Endverbraucher gerichtete Dienstleistungen sowie für Einzelhandelsunternehmen vor
(vgl. hierzu z. B. Bruhn 2004, S. 61 bzw. Müller-Hagedorn 2005, S. 95). Analog können zur
Segmentierung von Märkten für B2B-Dienstleistungen die Segmentierungskriterien für
Investitionsgütermärkte herangezogen werden (vgl. z. B. Vossebein 2000, S. 39 und Bruhn
2004, S. 61).
42 Vgl. Freter et al. (2006), S. 74.
43 Vgl. Dibb/Simkin (2001), S. 624.
44 Vgl. hierzu u. a. Cross et al. (1990), S. 532ff. und Kesting et al. (2006), S. 53ff.
45 Vgl. hierzu u. a. Cross et al. (1990), S. 532ff. und Danneels (1996), S. 36ff.
welche Segmentierungsbarrieren in der Praxis auftreten können.46 Insgesamt zeigen die
Erkenntnisse bisheriger Untersuchungen, dass oftmals eine erhebliche Kluft zwischen
Segmentierungstheorie und -praxis besteht.
Das Segmentierungsverhalten in Deutschland ansässiger Unternehmen war bislang nur
vereinzelt Gegenstand wissenschaftlicher Studien. Lediglich Kesting et al. (2006)47 und Freter et
al. (2006)48 haben sich in der jüngeren Vergangenheit mit Segmentierungsaktivitäten in der
deutschen Unternehmenspraxis befasst. Während Erstere B2C-Unternehmen aus
verschiedenen Branchen des Konsumgüter- und Dienstleistungsbereichs untersuchen,
konzentrieren sich Letztere mit dem Damenoberkleidungsmarkt auf eine spezielle Branche.
Generell mangelt es noch an Vergleichen von Segmentierungsaktivitäten in verschiedenen
Bereichen.49 Die Segmentierungspraxis auf B2B-Märkten und im Einzelhandel wurde bislang
noch nicht näher beleuchtet, sodass in Deutschland noch kein direkter Vergleich zwischen
Segmentierungen von B2B-, B2C- und Einzelhandelsunternehmen vorgenommen wurde. Hinzu
kommt noch, dass die Studien von Kesting et al. und Freter et al. jeweils in Form einer
standardisierten schriftlichen Befragung durchgeführt wurden und somit einen quantitativen
Charakter aufweisen. Sie liefern praktisch keine tieferen Einblicke über Gründe für das
ermittelte Segmentierungsverhalten der untersuchten Unternehmen.
2 Empirische Studie
Der aufgezeigte Forschungsstand impliziert die Notwendigkeit einer qualitativen,
bereichsübergreifenden Untersuchung der Segmentierungspraxis in Deutschland. Hauptziel
dieser Feldstudie ist die Gewinnung von Erkenntnissen über Stellenwert, Vorgehen und
Herausforderungen bei der Entwicklung und Umsetzung von Segmentierungskonzepten aus
46 Vgl. hierzu u. a. Meadows/Dibb (1998), S. 266ff. und Dibb/Simkin (2001), S. 609ff.
47 Vgl. Kesting et al. (2006), S. 53ff.
48 Vgl. Freter et al. (2006), S. 74ff.
49 Eine direkte Gegenüberstellung von Segmentierungen auf B2B- und B2C-Märkten wurde
bisher lediglich von Cross et al. (1990, S. 532ff.) in den USA vorgenommen.
Sausen/Tomczak (2003, S. 2ff.) vergleichen Segmentierungsaspekte bei in der Schweiz
ansässigen Anbietern von B2C-Sachgütern und -Dienstleistungen und Unternehmen aus
dem Bereich Handel/Distribution miteinander, wobei B2B-Unternehmen jedoch nicht
Gegenstand ihrer Untersuchung sind.
Unternehmenssicht. Sie soll tiefere Einsichten in die Segmentierungsaktivitäten von
Unternehmen ermöglichen und dadurch weitere Anhaltspunkte zur Konkretisierung der Kluft
zwischen Segmentierungstheorie und -praxis ermitteln. Neben Konsum- und
Investitionsgüterherstellern und Anbietern konsumtiver und investiver Dienstleistungen
werden auch Einzelhandelsunternehmen in die Untersuchung miteinbezogen. Durch die
Beleuchtung wesentlicher praxisrelevanter Aspekte der Marktsegmentierung soll ein möglichst
klares und umfassendes Bild des Segmentierungsverhaltens von in Deutschland ansässigen
Unternehmen verschiedener Bereiche, Branchen und Größenklassen entstehen. Abbildung 2
gibt einen Überblick über die Schwerpunkte der Befragung.
Schwerpunkte der Befragung
Stellenwert von
Segmentierungen
Zielgruppenorientierung der Segmentabgrenzung
Organisatorische Verankerung
Segmentierungsziele und strategische Bedeutung
Professionalitäts-, Komplexitäts- und Intensitätsgrad der Segmentierungsaktivitäten
Berücksichtigung potenzieller Kunden
Segmentierungsvorgehen
Grundsätzliche Vorgehensweise
Einsatz unterstützender Hilfsmittel bzw. Informationsquellen
Einsatz von Segmentierungsvariablen und -ansätzen sowie multivariater Analysemethoden
Segmentspezifische Gestaltung des Marketing-Mix
Überprüfung und Überarbeitung von Segmentierungskonzepten
Mögliche Anhaltspunkte
für Herausforderungen
bei Segmentierungen
Klare Segmentdefinitionen und -abgrenzungen
Kunden- und Marktorientierung
Erfassung bzw. Beschaffung relevanter Daten
Ressourcenverfügbarkeit
Interner Austausch und Interessensabgleich
Kommunizierung der Segmentlösungen Abbildung 2: Schwerpunkte der Befragung
Aus Gründen der Erhebungsökonomie soll die Befragung telefonisch durchgeführt werden. Da
die Teilnahme an der Feldstudie seitens der Befragten einer gewissen Vorbereitung bedarf und
zudem aufgrund des vorgesehenen Zeitrahmens von etwa 25 bis 30 Minuten pro Interview
terminlich eingeplant werden muss, wurden ab Anfang Oktober 2006 per E-Mail
Teilnahmeanfragen an Unternehmen aus den fünf zu untersuchenden Bereichen versandt.
Insgesamt 29 Unternehmensvertreter erklärten sich schließlich zur Teilnahme an der
Untersuchung bereit.50 Die Telefoninterviews mit ihnen wurden zwischen dem 20. November
2006 und 22. Januar 2007 durchgeführt. Sie dauerten im Durchschnitt zwischen 35 und 40
Minuten, was auf das hohe Interesse der Befragungsteilnehmer an der Thematik zurückgeführt
werden kann und sich auch entsprechend positiv auf den Umfang und die Qualität der
gewonnenen Einsichten in die Segmentierungspraxis ausgewirkt hat.
Von den Studienteilnehmern gehören jeweils 24,1% dem Konsum- und dem
Investitionsgüterbereich an. Insgesamt knapp 38% der befragten Unternehmen sind dem
klassischen Dienstleistungssektor zuzuordnen – 10,3% dem Bereich konsumtiver und 27,6%
dem Bereich investiver Dienstleistungen. Aus dem Einzelhandel konnten 13,8% der
Interviewpartner gewonnen werden. Differenziert nach den Adressaten der angebotenen
Produkte bzw. Dienstleistungen bedienen über 51,7% der Befragten (nahezu) ausschließlich
B2B-Märkte und knapp 48,3% Märkte, deren Nachfragergruppen sich jeweils ausschließlich
bzw. überwiegend aus Endverbrauchern zusammensetzen. 24,1% der Befragten beschäftigen
bis zu 50 und 17,2% der Teilnehmer mehr als 50, aber höchstens 250 Mitarbeiter. 58,6% der
Interviews wurden mit Vertretern von Anbietern mit über 250 Beschäftigten geführt.
Die Auswertung der Studienergebnisse erfolgt für jeden der fünf beleuchteten Bereiche
separat. Dadurch lassen sich sowohl bereichsspezifische Besonderheiten bzw. wesentliche
Unterschiede zwischen den einzelnen Bereichen sowie bereichsübergreifende
Gemeinsamkeiten des Segmentierungsverhaltens ermitteln und klar herausstellen.
2.1 Sachgüterbereich
Zunächst werden die Ergebnisse für den Sachgüterbereich dargestellt und miteinander
verglichen. Die Definition der von einem Anbieter bedienten Segmente lässt bereits gewisse
Rückschlüsse auf den Grad der Markt- und Kundenorientierung zu. Im Hinblick auf die
50 Kategorisiert nach den einzelnen Bereichen stammen die Teilnehmer der Studie aus
folgenden Branchen: Konsumgüterhersteller: Bekleidung, Computerzubehör, alkoholfreie
Getränke, Haushaltsgeräte, Heizungsprodukte, Lebensmittel; Investitionsgüterhersteller:
Halbleiterindustrie, Maschinenbau, Nutzfahrzeuge, Software; Anbieter konsumtiver
Dienstleistungen: Banken, Versicherungen; Anbieter investiver Dienstleistungen:
Beratungsdienstleistungen, konzerninterne Beratung und Marktforschung,
Eventorganisation und -durchführung, IT-Dienstleistungen, Personaldienstleistungen,
technische Dienstleistungen; Einzelhandel: Bekleidung, Buchhandel, Freizeitsport,
Parfümerie.
Aufspaltung des jeweils relevanten Marktes kann zwischen einer Marktabgrenzung nach
Produkt-/Leistungsmerkmalen51, einer Marktabgrenzung nach Bedürfnismerkmalen bzw.
Funktionen52 und einer Marktabgrenzung nach Kundenmerkmalen53 unterschieden werden.
Bei markt- bzw. kundenorientierten Unternehmen steht der Kunde auch bei Segmentierungen
im Zentrum der Planungen.54 Erfolgt die Abgrenzung der einzelnen Segmente untereinander
auf Basis von Kundenmerkmalen, so ist dies demnach als Anhaltspunkt für einen hohen
Stellenwert von Marktsegmentierung anzusehen. Auch eine Segmentabgrenzung nach
Bedürfnismerkmalen weist prinzipiell einen höheren Grad an Kundenorientierung auf als
primär auf Produktmerkmalen basierende Segmentdefinitionen.
Die Untersuchungsteilnehmer aus der Konsumgüterindustrie nehmen zwar grundsätzlich
Segmentabgrenzungen auf Basis von Zielgruppen vor. Mehrfach decken sich angebotene
Produktgruppen jedoch mit Zielgruppen. Als Segmentabgrenzungsmerkmale dienen häufig
Marken, die sich an durch soziodemographische und/oder psychographische Merkmale
beschreibbare Konsumentengruppen richten. Speziell im Lebensmittel- und Getränkebereich
gestalten sich klare Teilmarktabgrenzungen allerdings etwas schwieriger, da sich die
betreffenden Anbieter mit ihren Low-Involvement-Produkten bewusst an eine möglichst breite
Zielgruppe wenden. Dementsprechend ist auch der Stellenwert von Marktsegmentierung bei
diesen Unternehmen eher gering. Die Ausschöpfung von Marktpotenzial wird sehr häufig als
segmentierungsbezogenes Ziel genannt. Ebenfalls von mehreren Befragten angestrebt werden
die Erschließung neuer Kundengruppen sowie die Gewinnung neuer Kunden in bereits
bedienten Segmenten. Große Konsumgüterhersteller verfolgen mit ihren Segmentierungen
neben diesen kunden- und marktbezogenen auch unternehmensintern orientierte
51 Z. B. eine Aufteilung des Stahlmarktes in Segmente auf Basis von Güteklassen (15mm,
20mm, 30mm Stahl) oder eine Klassifizierung des Marktes für alkoholfreie Getränke nach
Limonaden, Säften und Wasser.
52 Z. B. eine Untergliederung des Kosmetikmarktes in dekorative, pflegende und reinigende
Kosmetik oder eine Kategorisierung des Reisemarktes in Segmente für Abenteuerreisen,
Bildungsreisen, Erholungsreisen usw.
53 Z. B. eine Marktaufteilung auf Basis des Alters der Nachfrager in Senioren- und
Jugendmarkt oder auf Basis von Verhaltenstypen wie „Häusliche“, „Sportliche“, „Trendige“
usw.
54 Vgl. Steffenhagen (2000), S. 59, zitiert nach Bruhn (2004), S. 59 und Bruhn (2004), S. 59.
Zielsetzungen55. Marktsegmentierungsaktivitäten sind bei B2C-Herstellerunternehmen
überwiegend im Marketing und/oder Vertrieb organisatorisch verankert. Bei kleineren
Anbietern wird das Thema tendenziell abteilungsübergreifend gehandhabt, wobei neben der
Geschäftsleitung auch die Marketing- und/oder Vertriebsleitung involviert ist. Eine starke
strategische Verankerung von Segmentierung, die zumeist auch durch regelmäßige
segmentierungsbezogene Meetings gekennzeichnet ist, ist bei vier der sieben Anbieter
festzustellen.56
Gemäß der untersuchten Stichprobe erfolgen Segmentierungen in der Konsumgüterindustrie
in der Regel im Rahmen konkreter Projekte und mittels professioneller Marktanalysen.
Überwiegend kommt dabei eine Kombination aus internen und externen Dienstleistungen zum
Einsatz, wobei bei der Mehrheit der Befragten der interne Anteil dominiert. Größere
Unternehmen überarbeiten ihre Segmentlösungen regelmäßig und berücksichtigen auch
explizit Nicht-Kunden, wobei Letzteres auch bei vielen kleineren Anbietern der Fall ist. Als
Hauptinformationsquelle für Segmentierungen dienen in der Konsumgüterindustrie in der
Regel Absatzdaten des Handels, zumal der Vertrieb der Befragten vorwiegend indirekt erfolgt.
Interpretieren B2C-Herstellerunternehmen ihre Absatzmittler als Kunden, so ist das
Marktsegmentierungskonzept auch auf diese Abnehmerschaft anwendbar.57 Teilweise wird
auch konkret eine solche Absatzmittlersegmentierung vorgenommen. Ein klarer Trend im
Hinblick auf bestimmte Branchen ist jedoch nicht zu erkennen.58 Relativ ausgewogene und
differenzierte zweistufige Segmentierungskonzepte mit Absatzmittlern und Endkunden als
Segmentierungsobjekten sind bei einem Unternehmen aus der Heizungsbranche und einem
Bekleidungshersteller festzustellen. Es ist grundsätzlich festzustellen, dass Märkte für B2C-
55 Z. B. Organisationsentwicklungsziele und/oder ein besseres Marktverständnis.
56 Hierbei handelt es sich vorwiegend um große Unternehmen.
57 Vgl. hierzu Freter (1983), S. 149. Eine Segmentierung der Absatzmittler ist als B2B-
Segmentierung aufzufassen (vgl. hierzu Böhm et al. 2006, S. 261f. und Freter et al. 2006,
S. 74).
58 Es sind diesbezüglich z. B. innerhalb des Lebensmittel- und Getränkebereichs
unterschiedliche Schwerpunktsetzungen festzustellen. Teilweise spielen in diesen
Branchen Absatzmittler als Segmentierungsobjekte eine größere Rolle als Endkunden,
teilweise verhält es sich genau umgekehrt.
Sachgüter teilweise sehr unterschiedlich segmentiert werden.59 Bei Lebensmitteln und
Getränken wird eine Segmentierung anhand psychographischer Merkmale prinzipiell als
weniger sinnvoll erachtet. Dies ist vor allem auf die meist relativ breiten Zielgruppen sowie auf
die begrenzten Möglichkeiten der Differenzierbarkeit von Angeboten im Low-Involvement-
Sektor zurückzuführen. Bei höherwertigen Gebrauchsgütern spielen psychographische
Segmentierungsvariablen hingegen eine wesentlich größere Rolle. Zudem setzen größere
Unternehmen eher spezielle Segmentierungsansätze60 und multivariate Analysemethoden61
zur Segmentierung ein.62 Schwerpunkte der segmentspezifischen Differenzierung des
Marketing-Mix im Konsumgüterbereich bilden die Produkt- und die Kommunikationspolitik.
Generell ist bei einigen Unternehmen zu beobachten, dass sehr breite Zielgruppen quasi eine
Segmentierungsbarriere darstellen, da sie intensivere Segmentierungsbemühungen nicht als
sinnvoll und zielführend erscheinen lassen. Weiterhin treten mehrfach Defizite bei
segmentierungsbezogenem Informationsaustausch auf. Bei kleineren Anbietern verhindern
Ressourcenbeschränkungen mitunter eine intensivere Überprüfung und Überarbeitung der
Segmentierungskonzepte. Kannibalisierungseffekte der Produkte werden von B2C-
Herstellerunternehmen zumeist zugunsten von Vertriebssynergien in Kauf genommen. Eine
ganz wesentliche Herausforderung für viele untersuchte Konsumgüterunternehmen besteht
hingegen in der konsequenten Abgrenzung gegenüber Billiganbietern.
59 Zu einem gewissen Anteil ist dies jedoch auch auf die relativ heterogene
Zusammensetzung der Stichprobe zurückführen.
60 Z. B. das Familien-Lebenszyklus-Konzept oder den Single-Source-Ansatz mittels
Verbraucherpanel.
61 So kommt bei insgesamt vier der sieben Befragten die Clusteranalyse für
Segmentierungszwecke zum Einsatz. Ein Unternehmen greift zusätzlich zur Clusteranalyse
auch noch auf die Faktorenanalyse zurück.
62 Diejenigen Anbieter, die keine speziellen Ansätze und multivariaten Methoden zur
Segmentierung einsetzen, geben an, dass ihre jeweiligen Zielgruppen zu breit seien, um
den Einsatz derartiger Modelle und Verfahren als sinnvoll erscheinen zu lassen. Zudem
wird die Erhebung spezieller Kundeninformationen als problematisch angesehen und/oder
die Marktstruktur bedingt aus Sicht der Anbieter keine so intensiven
Segmentierungsaktivitäten.
Bei den Untersuchungsteilnehmern aus der Investitionsgüterindustrie haben
Marktsegmentierungen insgesamt einen sehr hohen Stellenwert. Dies spiegelt sich bereits in
zumeist klar definierten und auf Kundenmerkmalen basierenden Haupt-
Segmentabgrenzungen63, zusätzlichen „Parallel-“ bzw. „Nebensegmenten“64 sowie in der
Vielschichtigkeit der verfolgten Segmentierungsziele wider. Ein wesentliches
Segmentierungsziel der befragten B2B-Herstellerunternehmen ist eine spezifische Ansprache
und Bedienung ihrer jeweiligen Nachfragergruppen, mit der vorrangig eine
Potenzialausschöpfung bei bestehenden Kunden in Kombination mit Kundenbindung
angestrebt wird. Mehrfach genannt werden auch intraorganisationale Aspekte, die durch
Segmentierungen vorangetrieben bzw. intensiviert werden sollen65.
Marktsegmentierungsaktivitäten sind bei keinem Investitionsgüterhersteller bei der Geschäfts-
bzw. Geschäftsbereichsleitung organisatorisch verankert, sondern bei über 50% der Befragten
in der Marketingabteilung angesiedelt.66 Eine starke strategische Verankerung von
Marktsegmentierung ist bei den meisten Anbietern eindeutig gegeben und die jeweils mit den
63 Als primäres Segmentabgrenzungskriterium dient sehr häufig die Branche der
organisationalen Nachfrager. Sekundäre und tertiäre Abgrenzungsmerkmale sind z. B.
Anwendungsmerkmale oder Produktgruppen.
64 Ein Unternehmen nimmt beispielsweise parallel zu seinen Kundengruppen-Segmenten eine
Kategorisierung nach seinen zwei Marken vor, die beiden Gruppen angeboten werden.
„Nebensegmente“ sind z. B. für Vertriebszwecke relevant. So bedienen einige Anbieter
kleinere Kunden nur über Vertriebspartner.
65 Z. B. eine an den Segmenten ausgerichtete Organisationsstruktur des Unternehmens oder
die Schaffung von Transparenz bezüglich der eigenen Produktstruktur.
66 Daraus ist jedoch keinesfalls auf eine geringe Unterstützung von Segmentierungen seitens
des Top-Managements zu schließen. Vielmehr liegt z. B. eine Ansiedelung im Marketing
oder Vertrieb vorwiegend in der Größe und Organisationsstruktur der befragten
Unternehmen begründet. Hierbei ist auch anzumerken, dass sich die Stichprobe der B2B-
Herstellerunternehmen nur aus Unternehmen bzw. Geschäftsbereichen mit über 250,
zumeist sogar mehreren Tausend Beschäftigten zusammensetzt.
Segmentierungsaktivitäten betrauten Abteilungen stehen diesbezüglich zumeist in engem und
regelmäßigem Austausch mit der Geschäfts(bereichs)leitung.67
Marktsegmentierungen basieren bei den untersuchten B2B-Herstellerunternehmen in der
Regel auf konkreten Segmentierungsprojekten, deren Konzepte sehr regelmäßig überprüft und
gegebenenfalls überarbeitet werden und auch potenzielle Kunden mit berücksichtigen.
Praktisch alle Investitionsgüteranbieter betreiben intensives CRM, in erster Linie auf Basis von
Außendienstinformationen. Sie verfügen daher oft selbst über fast alle benötigten
segmentierungsrelevanten Informationen und Ressourcen.68 Diese Ausgangssituation wirkt
sich deutlich auf die Intensität der Segmentierungsaktivitäten aus und zeigt sich in Form
komplexer Segmentierungen. Die Befragten setzen vor allem organisations-bezogene69 und
organisationsverhaltens-bezogene70 Variablen ein. Merkmale bzw. Charakteristika der
Kaufentscheider kommen hingegen nur bei vier der sieben Teilnehmern explizit als
organisationsmitglieder-bezogene Kriterien zur Anwendung. Klassische wissenschaftliche
Segmentierungsansätze aus der Literatur werden von B2B-Herstellerunternehmen kaum
herangezogen.71 Dies bedeutet aber keineswegs, dass im Investitionsgüterbereich nicht
professionell segmentiert wird. Vielmehr haben die Befragten zumeist eigene
Segmentierungsansätze entwickelt, welche die für sie relevanten Aspekte anhand
67 Explizit segmentierungsbezogene Meetings werden jedoch nicht in allen Unternehmen
durchgeführt. Dies wird von zwei Befragten damit begründet, dass ihr
Segmentierungskonzept ein feststehendes Modell sei.
68 Fünf Untersuchungsteilnehmer führen daher Segmentierungsaufgaben überwiegend selbst
durch, drei von ihnen nutzen dabei praktisch keinerlei externe Dienstleistungen.
69 Standardmäßig werden aus dieser Kategorie Merkmale wie die Branche oder Größe der
organisationalen Nachfrager für Segmentierungen eingesetzt.
70 Besonders häufig werden Anwendungsmerkmale sowie die Auftragsgröße als
Segmentierungskriterien eingesetzt.
71 Lediglich ein Anbieter von Nutzfahrzeugen setzt das Modell der Kaufphasensegmentierung
ein. Andere Konzepte finden in der Praxis hingegen so keine Anwendung. Tendenziell
sehen die Teilnehmer die in der Literatur beschriebenen Ansätze als zu praxisfern an.
Weitere Argumente gegen deren Verwendung sind zu spezielle Märkte oder ein den
Unternehmensvertretern persönlich bekannter Kundenstamm. Letzterer Umstand macht
den Einsatz derartiger Ansätze aus Sicht eines Befragten quasi obsolet.
zieladäquater Kombinationen mehrerer Segmentierungskriterien abbilden.72 Insgesamt fünf
Studienteilnehmer aus dem Investitionsgüterbereich nutzen die Clusteranalyse für
Marktsegmentierungszwecke.73 Eine Differenzierung des Marketing-Mix erfolgt bei
Investitionsgüterherstellern vorwiegend im Rahmen der Produktpolitik, aber auch sehr intensiv
im Bereich der Kommunikationspolitik.
Aufgrund der starken Kunden- und Marktorientierung und der fortgeschrittenen
Segmentierungskonzepte ergeben sich für B2B-Sachgüteranbieter zumeist die
Herausforderungen, Zielgruppenkonzepte und Kundenansprache noch zu optimieren sowie die
Datenbankarchitektur zu erweitern und/oder zu vereinheitlichen. Verbesserungsbedarf ergibt
sich zudem bei einigen Teilnehmern insbesondere im Hinblick auf Informationsaustausch und
Interessensabgleich zwischen den an Segmentierungsaktivitäten beteiligten Personen und
Abteilungen. Bezüglich der externen Kommunizierung der Segmentlösungen besteht eine
weitere Herausforderung darin, Kannibalisierungseffekte zu minimieren bzw. zu vermeiden.
Tendenziell ist bei den Segmentabgrenzungen von B2C-Herstellerunternehmen eine etwas
stärkere Produktmerkmalsorientierung auszumachen als bei den Studienteilnehmern aus dem
Investitionsgüterbereich. Eine entscheidende Gemeinsamkeit zwischen Konsumgüter- und
Investitionsgüteranbietern besteht hingegen darin, dass Segmentierungsaktivitäten in beiden
Bereichen zumeist im Rahmen konkreter Projekte erfolgen. Ferner setzen sowohl B2C- als auch
B2B-Herstellerunternehmen mehrheitlich interne Dienstleistungen für Segmentierungszwecke
ein. In beiden Bereichen dominiert die Clusteranalyse im Hinblick auf den
segmentierungsbezogenen Einsatz multivariater Analysemethoden. Außerdem ist zu
konstatieren, dass größere Anbieter höherwertiger B2C-Gebrauchsgüter häufig auch
unternehmensintern ausgerichtete Segmentierungsziele verfolgen und schwerpunktmäßig
72 Diese Konzepte weisen prinzipiell den Charakter mehrstufiger wissenschaftlicher
Segmentierungsmodelle auf, sind aber unternehmensindividuell und marktspezifisch
entwickelt worden.
73 Andere multivariate Methoden spielen hingegen keine Rolle. Diejenigen Befragten, die
keinerlei derartige Verfahren einsetzen, geben als Begründung an, einen abgrenzten
Spezialmarkt zu bedienen und ihre Kunden persönlich zu kennen bzw. dass ihr
Segmentierungskonzept nicht unbedingt eine Clusteranalyse erfordere, deren Einsatz
jedoch erwogen werde.
eine Optimierung ihrer Konzepte anstreben – ebenso wie die meisten der befragten B2B-
Herstellerunternehmen.
Ältere Praxisstudien zum Thema deuten darauf hin, dass Segmentierungen in der
Konsumgüterindustrie tendenziell weiter fortgeschritten sind als im Investitionsgüterbereich.74
Die vorliegende Untersuchung kommt allerdings zu einem anderen Ergebnis. So nehmen B2B-
Herstellerunternehmen nicht nur sehr häufig primär zielgruppenbezogene
Segmentabgrenzungen vor, sondern weisen zumeist auch komplexe Segmentierungskonzepte
auf. Professionelle Datenbankarchitekturen zur Erfassung und Analyse umfangreicher
Informationen bilden dabei die Basis für den Einsatz einer Vielzahl von
Segmentierungskriterien und die häufige segmentierungsbezogene Anwendung der
Clusteranalyse. Demnach erreichen Segmentierungsaktivitäten großer B2B-
Herstellerunternehmen inzwischen klar das Komplexitäts- und Professionalitätsniveau
größerer Konsumgüteranbieter.
Aus Sicht von Kroeber-Riel/Weinberg (2003, S. 125) wird emotionale Erlebnisvermittlung
zukünftig auch auf Investitionsgütermärkten eine entsprechende Bedeutung erlangen.75
Prinzipiell bestätigt die Praxisstudie diese Einschätzung. Bedingt durch den materiellen
Charakter der Hauptleistung verfügen B2B-Herstellerunternehmen grundsätzlich über zwei
Ebenen zur emotionalen Ansprache potenzieller Abnehmer. So spielen insbesondere in den
Bereichen Maschinenbau und Nutzfahrzeuge Aspekte wie ein ansprechendes Produktdesign
oder Besitzerstolz durchaus eine Rolle und werden von mehreren Befragten auch im Rahmen
74 So zeigen Dibb/Simkin (2001, S. 614, 616) in ihrer Studie über B2B-Unternehmen, dass
Investitionsgüterhersteller Segmente häufig auf Basis von Produktkategorien und nicht auf
der Grundlage von Zielgruppen definieren. Ferner ermittelt die Untersuchung von Cross et
al. (1990, S. 534) anhand der Gegenüberstellung von Segmentierungen im B2B- und B2C-
Bereich, dass B2C-Unternehmen im Hinblick auf die Verwendung von
Segmentierungskriterien tendenziell intensiver segmentieren. Demnach setzen B2C-
Herstellerunternehmen deutlich häufiger aussagekräftigere Segmentierungskriterien wie
Verwendungsintensität oder Kaufsituation ein als Untersuchungsteilnehmer aus dem B2B-
Sachgüterbereich.
75 An dieser Stelle ist anzumerken, dass sich emotionale Erlebnisvermittlung nicht nur auf
Werbung und Produktgestaltung bezieht, sondern auf alle absatzpolitischen Instrumente,
beispielsweise auch auf Firmen- und Produktinszenierungen auf Ausstellungen und Messen
(vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 125f.).
organisationsmitglieder-bezogener Kriterien zur Segmentierung von Kaufentscheidern
eingesetzt. Wenngleich die Bedeutung dieser primär produkt- bzw. markenbezogenen Aspekte
insgesamt gesehen noch keinen so hohen Stellenwert wie im Konsumgüterbereich einnimmt,
so wird dennoch von mehreren Interviewpartnern vermutet, dass sie zukünftig steigen werde.
Darüber hinaus kann die Vermittlung von Emotionen auf Investitionsgütermärkten auch noch
über eine andere Ebene erfolgen, nämlich über ausschließlich intangible Faktoren wie
Vertrauens- und Reputationsaufbau. Dies kann sich beispielsweise in der Entstehung einer
persönlichen Bindung zwischen Verkäufern bzw. Außendienstmitarbeitern und Kunden
äußern.76 Dieser persönliche, emotionale Kontakt zu Kunden ist für B2B-
Herstellerunternehmen deutlich wichtiger als emotionale Erlebnisvermittlung über die
angeboten Leistung selbst.
2.2 Dienstleistungsbereich
Nach der Darstellung der Ergebnisse bei Sachgüterherstellern werden im Folgenden die im
Rahmen der Interviews mit Anbietern konsumtiver und investiver Dienstleistungen
gewonnenen Erkenntnisse dargestellt und anschließend mit denen des Sachgüterbereichs
verglichen.
Die befragten B2C-Dienstleistungsunternehmen befinden sich teilweise noch im Übergang von
einer produktgruppenbezogenen hin zu einer kundenorientierten Segmentabgrenzung. Alle
drei Untersuchungsteilnehmer weisen bereits einen sehr hohen Marktabdeckungsgrad auf.
Nicht zuletzt deshalb bedient keiner dieser Anbieter aus Gründen der Kapazitätsauslastung
weitere Segmente.77 Was segmentierungsbezogene Ziele betrifft, spielen insbesondere
76 Ein Anbieter von Heizungsprodukten für Endverbraucher, der eine
Absatzmittlersegmentierung bei Installateuren vornimmt, gibt an, dass weder für diese noch
für die Endkunden das Design der Produkte eine Rolle spiele. Eine intensive persönliche
Betreuung der Installateure mit umfangreichen Serviceangeboten und regelmäßigem
Austausch sei hingegen von elementarer Bedeutung.
77 Somit ist der Aussage von Haller (2000, S. 297), wonach viele Dienstleistungsanbieter
infolge der Nicht-Lagerfähigkeit ihrer Leistungen neben ihrer Kernzielgruppe zur Auslastung
ihrer Kapazitäten weitere Zielgruppen bedienen müssen, in Bezug auf die befragten B2C-
Dienstleister nicht zuzustimmen. Die Untersuchungsteilnehmer aus dem Bereich
konsumtiver Dienstleistungen wollen mit ihren umfassenden Leistungsspektren möglichst
alle Kundengruppen bedienen. Zudem macht die jeweils sehr hohe Anzahl an Kunden
Kundenbindung, die Ausschöpfung von Kundenpotenzial und der Erhalt der
Wettbewerbsposition für die Befragten eine wichtige Rolle. Eine explizite organisatorische
Verankerung ist lediglich bei einem Unternehmen festzustellen.78 Bei allen Befragten finden
zwar regelmäßige Meetings und/oder Segmentierungsaktivitäten statt, aber eine konkrete
strategische Verankerung von Marktsegmentierung ist nur bei dem Unternehmen
festzustellen, in dem das Thema auch organisatorisch verankert ist. Der Stellenwert von
Segmentierungen im B2B-Dienstleistungsbereich ist daher insgesamt betrachtet als
ausbaufähig zu bezeichnen. Allerdings sind alle Befragten im Hinblick auf Datenbanken und
segmentierungsrelevante Informationen relativ gut ausgestattet und verfügen auch über
entsprechende finanzielle Mittel, um bei Bedarf externe Dienstleistungsanbieter für
Segmentierungsaktivitäten hinzuzuziehen.
Segmentierungen im Bereich konsumtiver Dienstleitungen gestalten sich überwiegend als
kontinuierliche und regelmäßig überprüfte Aktivitäten, wobei nur ein
Untersuchungsteilnehmer dabei auch potenzielle Kunden mit berücksichtigt. Geographische
Segmentierungskriterien kommen grundsätzlich bei allen Befragten zum Einsatz. Generell als
bedeutsam angesehen werden auch verhaltensorientierte Daten, die bei zwei Anbietern schon
sehr intensiv bei Segmentierungen verwendet werden. Soziodemographische Informationen
werden teilweise als Rahmeninformationen, teilweise als Hauptkriterien für Segmentierungen
eingesetzt. Mitunter kommen bei den Untersuchungsteilnehmern auch aussagekräftigere
dieser Unternehmen das Argument der Kapazitätsauslastung in der Regel obsolet. Eine
Bedienung weiterer Zielgruppen aus Kapazitätsauslastungsüberlegungen steht somit gar
nicht zur Debatte.
78 Bei diesem großen Anbieter ist Marktsegmentierung in der Produktvorstand-Sparte
verankert, da das Zielgruppenmanagement gemäß der Organisationsstruktur nicht komplett
zentralisiert ist. Ein Unternehmen führt derzeit noch sein erstes Segmentierungsprojekt
durch, sodass eine organisatorische Verankerung noch nicht erfolgt ist. Der dritte Anbieter
konsumtiver Dienstleistungen hat hingegen seine gesamte Organisationsstruktur an seinen
Zielgruppen ausgerichtet und Segmentierungen daher nicht zusätzlich explizit
organisatorisch verankert. Sausen/Tomczak (2003, S. 3) stellen hingegen in einer Studie
über Segmentierungen bei Schweizer Unternehmen fest, dass Segmentierungsaufgaben
bei Anbietern konsumtiver Dienstleistungen mehrheitlich bei der Geschäfts(bereichs)leitung
organisatorisch verankert sind. Dies trifft somit auf die Stichprobe der drei Teilnehmer aus
dem B2C-Dienstleistungsbereich nicht zu.
Segmentierungsansätze79 sowie multivariate Analysemethoden80 zum Einsatz. Eine
ausgeprägte kundengruppenspezifische Differenzierung des Marketing-Mix wird von B2C-
Dienstleistungsanbietern nur im Bereich der Kommunikationspolitik vorgenommen.
Diesbezüglich sind bei allen Anbietern kundengruppenbezogene Direktmailings mit
spezifischer Ansprache von großer Bedeutung.
Insgesamt ist zu konstatieren, dass bei den untersuchten B2C-Dienstleistungsanbietern noch
Segmentierungspotenzial brach liegt. Professionelle Datenbankarchitekturen sind zwar bei den
Studienteilnehmern vorhanden. Die unterschiedlichen internen Sichtweisen zwischen
Produktgruppen auf der einen und Kundengruppen auf der anderen Seite bergen jedoch
teilweise Konfliktpotenzial. Gerade bei Versicherungen ist tendenziell noch eine erhebliche
Dominanz der Produktorientierung festzustellen. Die Notwendigkeit einer verstärkten
Zielgruppenorientierung wird aber erkannt und diese Herausforderung auch sukzessive
angegangen. Generell ist auch festzustellen, dass die sehr breite Aufstellung bzw. hohe
Marktabdeckung sich als etwas unvorteilhaft für Kundensegmentierungen erweist und eher
grob gefasste Segmente zur Folge hat, zumal die Befragten auch ihre Position als
Generalanbieter nicht durch eine zu starke Spezialisierung auf bestimmte Zielgruppen
verwässern wollen.81
Bei den befragten Unternehmen aus dem Bereich investiver Dienstleistungen haben
Marktsegmentierungen insgesamt gesehen einen relativ geringeren Stellenwert. Lediglich die
Hälfte der Anbieter nimmt primär an Kundenmerkmalen orientierte Segmentabgrenzungen
vor82. Zudem verfolgen die Befragten jeweils nur eher wenige Segmentierungsziele. Bei
kleineren Firmen richtet sich der Fokus vor allem auf die Gewinnung neuer Kunden und damit
auf Wachstum. Die Berücksichtigung potenzieller Kunden spielt hingegen bei fast allen
79 So setzen z. B. zwei Anbieter Lifestyle-Typologien ein, wobei ein Unternehmen diese neben
weiteren psychographischen Variablen nur indirekt segmentierungsbezogen verwendet. Der
Einsatz psychographischer Kriterien ist insgesamt gesehen daher von eher geringer
Praxisrelevanz.
80 Z. B. Clusteranalyse oder Multidimensionale Skalierung (MDS).
81 Ähnliche Problemen ermitteln auch Meadows/Dibb (1998, S. 266ff.) im Rahmen einer
praxisbezogenen Segmentierungsstudie bei B2C-Finanzdienstleistungsanbietern.
82 Hierbei dient zumeist die Branche organisationaler Nachfrager als primäres
Segmentabgrenzungsmerkmal.
Unternehmen eine wichtige Rolle – gerade auch im Hinblick auf Neukundengewinnung als
definiertes Segmentierungsziel mehrerer Studienteilnehmer. Nur Anbieter mit geringen
Marktabdeckungsgrad bedienen aus Gründen der Kapazitätsauslastung teilweise zusätzliche
Zielgruppen.83 Die häufige Ansiedelung von Segmentierungsaufgaben bei der Geschäftsleitung
ist grundsätzlich nicht ausschlaggebend für den Stellenwert des Themas und zumeist durch die
geringe Beschäftigtenzahl bzw. die Organisationsstruktur bedingt. Bei den meisten Befragten
ist die strategische Verankerung von Segmentierung eher schwach ausgeprägt. Die Mehrheit
der Anbieter betreibt bisher kein professionelles Database-Marketing und nur zwei der acht
untersuchten Unternehmen überprüfen ihre Segmentierungen regelmäßig.
Lediglich ein Studienteilnehmer hat ein konkretes Segmentierungsprojekt durchgeführt.
Marktsegmentierung verläuft demnach bei fast allen untersuchten Anbietern als
kontinuierlicher Prozess, der aufgrund von Ressourcenbeschränkungen oftmals nur informell
nebenher betrieben werden kann und sich teilweise in sehr einfachen
Segmentierungskonzepten widerspiegelt. Bei B2B-Dienstleistern dominiert der Einsatz
organisations-bezogener Variablen84. Organisationsmitglieder-bezogene Kriterien werden im
Bereich investiver Dienstleistungen hingegen seltener genutzt, zumindest aber von zwei
Unternehmen explizit zur Segmentierung von Kaufentscheidern eingesetzt.85 Teilweise ziehen
83 Bei denjenigen Unternehmen, die zur Auslastung ihrer Kapazitäten zusätzliche Segmente
bedienen, handelt es sich überwiegend um kleinere Anbieter, die gerade dabei sind, sich
einen Kundenstamm aufzubauen. Insbesondere in dieser Wachstumsphase werden
teilweise zusätzliche Zielgruppen aus Gründen der Kapazitätsauslastung bedient. Andere
B2B-Dienstleistungsanbieter sprechen hingegen eher aus Motiven der Risikostreuung oder
aufgrund sehr heterogener Kundengruppierungen mehrere Segmente an. Für die befragten
konzerninternen Dienstleister spielt die Bedienung zusätzlicher Segmente aus
Kapazitätsauslastungsgründen ebenfalls keine Rolle. Dies ist u. a. darauf zurückzuführen,
dass explizite Segmentierungsüberlegungen bei diesen Unternehmen bisher nur
ansatzweise zum Tragen kommen und eine Spezialisierung auf bestimmte Kundengruppen
nicht von Relevanz ist. Ein konzerninterner Dienstleistungsanbieter gibt darüber hinaus an,
dass seine Kapazitäten ohnehin ausgelastet seien.
84 Z. B. Nachfragerstandort, Abnehmerbranche oder Kundengröße.
85 Dennoch spielt emotionale Erlebnisvermittlung in Form der direkten Kundenansprache
ebenso wie bei B2B-Herstellerunternehmen eine sehr wichtige Rolle. Da Anbieter investiver
Dienstleistungen aufgrund der Immaterialität der Leistung grundsätzlich nicht über Design
und Besitzerstolz Emotionen vermitteln können, konzentrieren sich emotionale Aspekte in
die Befragten auch organisationsverhaltens-bezogene Variablen wie Auftragsgröße oder
Auftragsvergabeverhalten heran. Keines der befragten Unternehmen nutzt allerdings spezielle
Segmentierungsansätze aus der B2B-Marketing-Literatur und nur ein großer Anbieter greift für
Segmentierungszwecke auf die Clusteranalyse zurück.86 Abgesehen von der Leistungspolitik
wird in anderen Mix-Bereichen relativ selten konkret segmentspezifisch differenziert. So
führen die meisten Befragten bisher z. B. noch keine segmentspezifische
Kommunikationsmaßnahmen wie zielgruppenbezogene Direktmailings durch, wobei mehrere
Teilnehmer zumindest planen, ihre Segmente künftig spezifisch anzusprechen.
Bei vielen kleinen Anbietern und besonders bei konzerninternen Dienstleistern ist noch
erhebliches Segmentierungspotenzial vorhanden. Erstere segmentieren oftmals nur implizit,
teilweise zumindest informell. Ein wesentlicher Grund hierfür sind Ressourcenbeschränkungen
– vor allem in Form von Zeit- und Personalmangel. Aus Sicht konzerninterner
Dienstleistungsanbieter sind konkrete Segmentierungsüberlegungen eher eine neuere
Entwicklung, wobei auch hier grundsätzlich die Notwendigkeit verstärkter Kundenorientierung
erkannt wird.87 Bei den Teilnehmern aus dem Bereich investiver Dienstleistungen wird
diesem Bereich auf den persönlichen Kontakt zu den Kunden. Viele Befragte betonen, dass
es überaus wichtig sei, Vertrauen und Sympathie zu Nachfragern aufzubauen, auf sie
einzugehen, Problemlösungskompetenz zu vermitteln und ihre Bedürfnisse genau zu
erfassen. Diese emotionalen Aspekte, insbesondere ein persönliches Kennenlernen der
Geschäftspartner und gegenseitige Sympathie, haben aus Sicht mehrerer
Interviewteilnehmer sogar einen höheren Stellenwert als die angebotene Leistung selbst –
nicht zuletzt im Hinblick auf mögliche Weiterempfehlungen durch sehr zufriedene Kunden.
86 Größere B2B-Dienstleistungsanbieter setzen spezielle Segmentierungskonzepte aus
Gründen mangelnder Flexibilität sowie fehlender Pragmatik aufgrund zu starker
wissenschaftlicher Ausrichtung nicht ein. Bei den übrigen Befragten aus dem Bereich
konzerninterner Dienstleistungen sowie kleinen Firmen ist in erster Linie der geringe
Intensitätsgrad der Segmentierungen ausschlaggebend dafür, dass komplexere Ansätze
nicht zur Anwendung kommen. Zudem geben diese Unternehmen an, derartige Konzepte
nicht einsetzen zu können, da es hierfür vor allem an Zeit und Personal mangle. Mit aus
denselben Gründen sowie infolge einer häufig noch sehr geringen Kundenanzahl kommen
auch multivariate Methoden bei den Studienteilnehmern kaum zum Einsatz.
87 Ein Ansatzpunkt für eine Intensivierung der Segmentierung interner Kunden bietet die
Organisation konzerninterner Dienstleistungsanbieter als Shared Service-Center. Das
Shared Services-Konzept bezeichnet einen Organisationsansatz zur Bereitstellung interner
Dienstleistungen für mehrere Organisationseinheiten mittels gemeinsamer
insgesamt sehr stark deutlich, dass die Datenerfassung und Auswertung sowie die Größe der
Unternehmen einen erheblichen Einfluss auf das Segmentierungsverhalten haben. Kleinere
Anbieter verfügen ebenso wie konzerninterne Dienstleistungsanbieter oft noch nicht über
entsprechende Datenbankarchitekturen. Ihre Segmentierungen sind nicht zuletzt deshalb sehr
einfach gestaltet und erfolgen zumeist nur auf Basis einzelner Kriterien und ohne den Einsatz
spezieller Segmentierungsansätze und multivariater Analysemethoden. Gerade bei kleineren
Unternehmen hat die Etablierung auf dem jeweiligen Markt zudem Vorrang vor der
Ausarbeitung konkreter, formaler Segmentierungskonzepte.
Verglichen mit den Studienteilnehmern aus dem Sachgüterbereich basieren
Segmentierungsaktivitäten bei den befragten Dienstleistungsanbietern sehr selten auf
konkreten Projekten. Vielmehr erfolgen Segmentierungen bei diesen Unternehmen in der
Regel in Form kontinuierlicher Prozesse. Insgesamt betrachtet sind die
Segmentierungsaktivitäten der untersuchten Sachgüteranbieter deutlich weiter
fortgeschritten.
In der Fachliteratur wird angeführt, dass der Prozess der Dienstleistungserstellung häufig eine
aktive Beteiligung der Kunden erfordert, wodurch der räumlichen Nähe von Anbietern und
Nachfragern und somit Aspekten geographischer bzw. regionaler Segmentierung ein höherer
Stellenwert als auf Sachgütermärkten zukommt.88 In der Tat spielt räumliche Nähe und somit
persönlicher Kontakt zu den Abnehmern für die befragten Dienstleistungsanbieter eine
elementare Rolle.89 Die Nähe zu Nachfragern wird im B2B-Dienstleistungsbereich z. B. durch
Ressourcennutzung innerhalb einer Organisationseinheit. Shared Service-Center müssen
sich im Wettbewerb mit externen Anbietern messen und daher auch eine hohe Service- und
Kundenorientierung aufweisen (vgl. Kagelmann 2001, S. 49ff.; vgl. ebd. für weiterführende
Informationen zu diesem Thema). Ein Befragter, dessen Beratung nach diesem Ansatz
organisiert ist, bestätigt, dass die Konkurrenzsituation zu externen Anbietern im Hinblick auf
die Auftragsvergabe von Konzerneinheiten eine stärkere proaktive Positionierung innerhalb
des Konzerns und PR-Aktivitäten gegenüber internen Kunden vorantreibe.
88 Vgl. hierzu Haller (2000), S. 298, Freter (2001), S. 291 und Meffert/Bruhn (2006), S. 158.
89 Zwar wird dieser Faktor teilweise durch modernere Kommunikationsmöglichkeiten wie
Telefonkonferenzen oder Online-Banking etwas abgeschwächt, ist aber dennoch bei fast
allen Anbietern investiver und konsumtiver Dienstleistungen von sehr hoher Relevanz.
regionale Niederlassungen90 und im Bereich konsumtiver Dienstleistungen durch dichte Filial-
oder Geschäftsstellennetze hergestellt. Der Vergleich dieser Erkenntnisse mit dem
Sachgüterbereich erfordert eine differenzierte Betrachtung. Für B2B-Herstellerunternehmen
ist räumliche Nähe zu Abnehmern von gleichermaßen hoher Bedeutung wie für Anbieter
konsumtiver und investiver Dienstleistungen. Wie bei Letzteren spielt in der
Investitionsgüterindustrie der Vertrieb über regionale Niederlassungen bzw. Vertretungen,
verbunden mit regelmäßigen Besuchen beim Kunden vor Ort ebenfalls eine überaus wichtige
Rolle.91 Anders verhält es sich hingegen bei den befragten Konsumgüterherstellern. Eine
gewisse Bedeutung kommt dem Aspekt der räumlichen Nähe zwar bei Regionalmarken aus
dem Lebensmittel- und Getränkebereich zu, deren Verbreitung bewusst auf bestimmte
Gebiete konzentriert ist. In diesen Fällen ist der Aspekt der räumlichen Nähe zum Absatzgebiet
jedoch primär durch das jeweilige Produkt an sich92 und weniger durch die Erforderlichkeit der
Nähe des Anbieters zum Endkunden begründet. Räumliche Nähe zu den Konsumenten ist für
die untersuchten B2C-Herstellerunternehmen prinzipiell kaum relevant, da der Absatz
überwiegend indirekt erfolgt und Absatzmittler wie der Handel die Nähe zu den Kunden
herstellen.93
Ferner weisen Autoren darauf hin, dass viele Dienstleistungen einen individualistischen,
personalintensiven und schwer standardisierbaren Charakter aufweisen und daher im
90 Kleinere Anbieter investiver Dienstleistungen, die bisher nur über eine Hauptniederlassung
verfügen, konzentrieren sich bewusst auf ein regional begrenztes Gebiet, sodass sie ihre
Kunden schnell erreichen können.
91 Dies ist u. a. auf die oftmals hohen Transaktionswerte, die Komplexität der angebotenen
Leistungen und dem damit verbundenem Erklärungsbedarf sowie auf den teilweise
erheblichen Umfang produktbegleitender Zusatzdienstleistungen wie z. B. Montage oder
Inbetriebnahmen, zurückzuführen.
92 So bietet ein Hersteller von Teigwaren seine Produkte schwerpunktmäßig im süddeutschen
Raum an, da dort wesentlich mehr Teigwaren konsumiert werden als in anderen Regionen.
93 Auf der Trade-Marketing-Ebene ist räumliche Nähe hingegen von sehr hoher Relevanz. So
haben B2C-Herstellerunternehmen in der Regel einen eigenen Außendienst bzw. regionale
Betreuer für ihre Absatzmittler. Dieser Aspekt tangiert jedoch die
Absatzmittlersegmentierung und somit den B2B-Bereich.
Gegensatz zu vielen Sachgütern häufig maßgeschneidert angeboten werden.94 Für die
befragten B2B-Dienstleister sind kundenspezifische Leistungsangebote tatsächlich sehr
bedeutsam. In diesem Bereich bieten auch fast alle kleineren Firmen ihren Kunden individuell
zugeschnittene Leistungen an.95 Hier liegt jeweils eine Form von Individual-Marketing vor,
wobei anzumerken ist, dass dieses bei kleineren Anbietern in der Regel nicht mit einem
professionellen, sondern zumeist nur sehr einfachen, informellen Segmentierungskonzept
unterlegt ist.96 Vergleicht man nun Anbieter investiver Dienstleistungen mit B2B-
Herstellerunternehmen, so ist wie schon im Hinblick auf den Stellenwert der räumlichen Nähe
zu Kunden eine gewisse Parallele erkennbar. In der Investitionsgüterindustrie sind
kundenindividuell gestaltete Angebote ebenfalls überaus bedeutsam. Insbesondere Anbieter
von Nutzfahrzeugen betreiben bereits in sehr hohem Maße Mass Customization und tragen
individuellen Kundenwünschen auf Basis einer Art Baukastenprinzip gezielt Rechnung. Ein
Investitionsgüteranbieter aus der Halbleiterindustrie gibt an, individuell zugeschnittene
Leistungen überwiegend für strategisch wichtige Großkunden zu konzipieren. Bei den
befragten B2C-Dienstleistungsanbietern ist die Relevanz maßgeschneiderter Angebote
hingegen deutlich geringer als bei Unternehmen aus dem Bereich investiver Dienstleistungen
und der Investitionsgüterindustrie. Die untersuchten Banken und Versicherungen bedienen
jeweils eine sehr hohe Anzahl an Kunden und bieten überwiegend standardisierte Leistungen97
an. Letztere werden zwar kundenspezifisch ausgestaltet, zumeist aber nur in relativ geringem
94 Vgl. hierzu Haller (2000), S. 297 und Meffert (2000), S. 1162.
95 Auch Pleitner weist darauf hin, dass kleinere Unternehmen im Regelfall durch eine
besondere Fähigkeit zur Leistungserstellung nach Maß gekennzeichnet sind (vgl. Pleitner
1986, S. 7, zitiert nach Thommen/Achleitner 2006, S. 67).
96 Insofern ist zu konstatieren, dass individuelle Angebotsausgestaltung nicht zwangsläufig mit
professionellen und intensiven Segmentierungsaktivitäten einhergeht. Bei einem größeren
B2B-Dienstleistungsanbieter basiert der Fokus auf maßgeschneiderte Leistungen jedoch
eindeutig auf einem professionellen Segmentierungskonzept, zumal diese Leistungen nur
einen Teil des Angebotsspektrums umfassen. In diesem Fall wird also gezielt differenziert
zwischen Leistungen, die eine kundenspezifische Anpassung rechtfertigen und solchen, die
eher standardisiert angeboten werden.
97 Insofern ist bezogen auf B2C-Dienstleistungsanbieter der Aussage von Meffert/Bruhn
(2006, S. 158) zuzustimmen, nach der Filialisierung eine Standardisierung von Leistungen
bedingt.
Maße, wie die Befragten angeben. Zwei dieser Unternehmen weisen allerdings darauf hin,
dass bei bestimmten Leistungen der Individualitätsgrad höher sei. Dies bezieht sich tendenziell
auf Angebote, die sich an zahlenmäßig kleinere Kundengruppen richten und eine
umfassendere Beratung erfordern. Für die untersuchten B2C-Herstellerunternehmen haben
maßgeschneiderte Angebotsausgestaltungen praktisch keine Bedeutung, da der Vertrieb
überwiegend über Absatzmittler erfolgt. Auch die großen Produktionsmengen sind
ausschlaggebend dafür, dass keine Maßschneiderungen, sondern vielmehr klassische
Massenproduktion erfolgt. Hinzu kommt noch, dass sich die meisten Produkte dieser Anbieter
an einen anonymen Markt mit einer nahezu unüberschaubaren Vielzahl an potenziellen
Abnehmern richten und die Konsumenten den Unternehmen häufig nicht namentlich bekannt
sind. Zudem ist insbesondere bei Low-Involvement-Gütern eine kundenindividuelle
Ausgestaltung wirtschaftlich nicht rentabel. Letztendlich ist zu konstatieren, dass
maßgeschneiderte Angebote im B2B-Bereich tendenziell von höherer Bedeutung sind als im
B2C-Bereich. Insbesondere drei, häufig miteinander zusammenhängende Aspekte scheinen
einen Einfluss auf die Relevanz individueller Angebotsausgestaltungen zu haben: Die Art der
Leistung, die Anzahl der Nachfrager einer Leistung und die Bedeutung bestimmter
Kundengruppen aus Sicht der Anbieter. So ist bei höherwertigen Leistungen mit einer
geringeren Anzahl an potenziellen Abnehmern ein höherer Spezifitätsgrad zu erkennen, der in
der Regel auf die Art des Angebots zurückzuführen ist. Manche Leistungen werden zudem von
bestimmten Kundengruppen in Anspruch genommen, denen seitens des Anbieters eine
besonders hohe Bedeutung beigemessen wird.
2.3 Einzelhandel
Die Studienteilnehmer aus dem Einzelhandel vertreiben ihre Sortimente vorwiegend über
Einkaufsstätten, wobei drei von ihnen auch einen Warenversand anbieten. Die Konzentration
aller vier Befragten auf bestimmte Branchen kann gemäß Oehme (2000, S. 225) bereits als
Marktsegmentierung im weiteren Sinne aufgefasst werden. Allerdings ist damit zumeist noch
keine klar definierte Zielgruppenausrichtung begründet.
Bei Herstellerunternehmen und klassischen Dienstleistungsanbietern stehen Produkte bzw.
Dienstleistungen im Zentrum der Marketingaktivitäten. Eines der wesentlichsten Kennzeichen
von Handelsunternehmen ist hingegen, dass sie nicht einzelne Produkte, sondern Sortimente
anbieten. Letztere stehen dementsprechend im Mittelpunkt des Handelsmarketing.98 Im
Einzelhandel kann somit die Bedarfsorientierung des Sortimentsaufbaus als Indikator für den
Grad der Kundenorientierung bzw. der kundenorientierten Ausrichtung des Sortiments
herangezogen werden. Hierbei unterscheidet man zwischen einer Ausrichtung nach
Bedarfsarten bzw. Branchen, Erlebnis- bzw. Bedarfskomplexen und Bedarfsträgern. Eine
Orientierung an Bedarfsarten ist durch eine Strukturierung des Sortiments nach
Warengruppen99 gekennzeichnet. Bei Erlebniskomplexen erfolgt eine Zusammenfassung
mehrerer komplementärer Waren unter einem gemeinsamen Oberbegriff. Allerdings ist auch
in diesem Fall eine starke Warenorientierung festzustellen, sodass die beiden ersten
Ausrichtungen kaum zur gezielten Ansprache bestimmter Kundengruppen beitragen. Dies ist
letztlich nur durch eine Ausrichtung des Sortimentsaufbaus an Bedarfsträgern realisierbar.100
Bei allen befragten Einzelhändlern zeigen sich Mischformen bezüglich der Bedarfsorientierung
des Sortimentsaufbaus.101 Der Stellenwert von Segmentierungen bei den untersuchten
Einzelhändlern ist als verhältnismäßig gering einzustufen. Zwar wird von allen Befragten eine
klare Positionierung gegenüber Herstellern und Konkurrenten zur Generierung einer
eigenständigen Markenidentität des jeweiligen Einzelhandelsunternehmens angestrebt.102
98 Vgl. Oehme (2000), S. 218, 224f.
99 Z. B. Spielwaren, Elektrogeräte oder Schmuck.
100 Vgl. Baum (1994), S. 202f.
101 Bei zwei Befragten setzt sich das Sortiment jeweils überwiegend aus Bedarfskomplexen auf
Basis der Bedarfsträger „Damen“ und „Herren“ zusammen. Darüber hinaus sind in den
Einkaufsstätten der Studienteilnehmer häufig auch nicht-zielgruppenspezifische Artikel
erwerbbar, die dann entweder als Bedarfskomplexe zusammengefasst oder nach
Warengruppen kategorisiert sind. Neben einer auf der Bedarfsorientierung des
Sortimentsaufbaus basierenden Zielgruppenabgrenzung werden mitunter parallel noch
weitere Kundengruppendifferenzierungen vorgenommen. So unterscheidet ein
Einzelhändler noch zwischen Filial-, Versand- und Hybridkunden (diese erwerben Artikel
sowohl in den Einkaufsstätten als auch über den Versandweg).
102 Oehme (2000, S. 226) vertritt in diesem Kontext die Auffassung, dass ein kreativ gestaltetes
und von der Konkurrenz deutlich unterscheidbares Sortiment ein eigenes Marktsegment
begründen könne („Sortimentssegmentierung“) und Einzelhändler parallel dazu streben, ihr
gesamtes Unternehmen zu einem Markenartikel zu machen
(„Unternehmenssegmentierung“). Die „Sortimentssegmentierung“ wird dabei im Regelfall in
Insgesamt ist bei den meisten Unternehmen jedoch eine vergleichsweise schwach ausgeprägte
Zielgruppenorientierung bzw. eine Ausrichtung an sehr breiten Zielgruppen festzustellen. So
weisen die Anbieter aus dem Einzelhandel trotz ihrer Konzentration auf eine bestimmte
Branche zumeist keine klare bzw. einheitliche Haupt-Zielgruppenabgrenzung auf – u. a. auch
deshalb, weil sie eher die breite Masse bedienen und keine Konsumenten ausschließen
möchten. Potenzielle Kunden werden nur von einem Einzelhändler indirekt bei
Segmentierungen berücksichtigt. Dies ist vermutlich vor allem auf die hohe Bedeutung der
Kundenselbstselektion im Zuge des Residenzprinzips103 zurückzuführen.104 Überprüfungen der
Konzepte finden bei kleineren Anbietern eher sporadisch statt. Eine eindeutige strategische
Verankerung zeigt sich nur bei einem größeren Unternehmen. Insgesamt gesehen werden
jeweils nur wenige und vergleichsweise allgemein gehaltene Segmentierungsziele105 verfolgt.
Gemäß der Befragungsergebnisse gestalten sich Segmentierungen im Einzelhandel unabhängig
von der Professionalität der Segmentierungsaktivitäten als kontinuierliche Prozesse und sind
bei keinem der Teilnehmer an konkrete Projekte gekoppelt. Als Datenbasis für
Segmentierungen dienen vor allem Branchenstudien und Kundenkarteninformationen.
Geographische Segmentierungsmerkmale sind gerade aufgrund der Standortfrage sehr
Kombination mit bzw. zur Unterstützung der „Unternehmenssegmentierung“ eingesetzt.
Dies zeigt sich bei den Studienteilnehmern aus dem Einzelhandel darin, dass die Schärfung
ihres Profils teilweise auch mittels eines gewissen Eigenmarkenanteils im Sortiment
unterstrichen und vorangetrieben wird.
103 Gemäß diesem Prinzip – ein Charakteristikum des ladengebundenen Einzelhandels – sucht
der Kunde die Einkaufsstätte auf und nimmt dort Warenbesichtigungen und -vergleiche
sowie schlussendlich auch den Kauf von Waren vor. Das Residenzprinzip erschwert
Marksegmentierungsaktivitäten insofern, als sich Kundendifferenzierungen aufgrund des
offenen Angebots als problematisch erweisen. Ferner impliziert dieses Prinzip eine
Selbstselektion bzw. Selbstauswahl durch die Konsumenten, sodass darüber hinaus oft
Streuverluste einkalkuliert werden müssen (vgl. Baum 1994, S. 166, 170f.).
104 Diese Erkenntnisse (Schwierigkeiten bei der Segmentabgrenzung, sehr breit definierte
Zielgruppen, unzureichende Berücksichtigung potenzieller Kunden) decken sich
grundsätzlich mit den Ergebnissen der Studie von Danneels (1996, S. 36ff.) im belgischen
Bekleidungseinzelhandel.
105 Z. B. eine erhöhte Kundenorientierung oder eine differenzierte Kundenansprache zur
Gewährleistung einer besseren Befriedigung der Kundenbedürfnisse.
bedeutsam.106 Soziodemographische Variablen werden einerseits als Rahmendaten,
andererseits aber auch häufig direkt zur Zielgruppen- bzw. Sortimentsabgrenzung
herangezogen. Verhaltensbezogene Kriterien werden mittels Kundenkarten erfasst.
Psychographische Kriterien und spezielle Segmentierungsansätze kommen teilweise zum
Einsatz, werden aber im Hinblick auf die breiten Zielgruppen oft als weniger relevant
erachtet.107 Im Einklang stehend mit den teilweise sehr einfachen Segmentierungskonzepten,
kommen multivariate Analysemethoden im Einzelhandel kaum zur Anwendung.108 Ein
konsequent segmentspezifischer Marketing-Mix gestaltet sich einerseits im Hinblick auf breite
Zielgruppen und die hohe Bedeutung der Kundenselbstselektion in Einkaufsstätten als
schwierig und steht andererseits in Konkurrenz zur Entwicklung einer eigenständigen Identität
eines Einzelhandelsunternehmens als Ganzes im Sinne einer Unternehmensmarke.
Differenzierungen werden daher vorwiegend im Bereich der Sortimentspolitik vorgenommen.
Insgesamt ist festzustellen, dass die klare Positionierung des Unternehmens gegenüber
Herstellern und Konkurrenten bei den Befragten deutlich Vorrang hat gegenüber konkreten
Zielgruppenkonzepten innerhalb der bedienten Branche. Mitunter scheint es auch deshalb
Probleme bei der Abstimmung und Kombinierung von „Haupt- und Nebensegmentierungen im
weiteren Sinne“ zu geben.
106 So nehmen fast alle Befragten eine professionelle Standortplanung vor. In der
Grobbetrachtung sind Ballungsräume ein wesentlicher Faktor bei der Festlegung weiterer
Standorte für Einkaufsstätten. Die Berücksichtigung regionaler bzw. internationaler Aspekte
spielt teilweise ebenfalls eine Rolle, z. B. im Hinblick auf Modifizierungen der
Sortimentszusammensetzungen. In der Feinbetrachtung ist zumeist die Lage der
Einkaufsstätten in Fußgängerzonen oder Einkaufszentren maßgebend.
107 Psychographische Kriterien und Lifestyle-Typologien stellen den Einzelhandel mitunter vor
gewisse Probleme. Ein Befragter gibt an, beide Segmentierungsmöglichkeiten teilweise zu
nutzen, auch wenn diese bei seiner breiten Zielgruppe nicht sonderlich sinnvoll seien und
daher eher indirekt zu Segmentierungszwecken herangezogen werden. Andere Teilnehmer
verweisen auf die Schwierigkeit der Erhebung solcher Informationen. So würde ein
Unternehmen das Transaktionsverhalten seiner Kunden gerne in Ziel- und Spontankäufe
klassifizieren, hat aber bisher noch keine Möglichkeit gefunden, diese Unterschiede zu
erfassen.
108 Nur ein großer Anbieter setzt die Clusteranalyse ein.
Die grundsätzliche Herausforderung für viele Einzelhandelsunternehmen liegt letztlich in der
Entwicklung eines adäquaten integrierten Konzepts aus „Unternehmens-“ und
Zielgruppensegmentierung. Es bestehen offensichtlich Reibungspunkte zwischen der
„Unternehmenssegmentierung“ auf der einen und der Gestaltung konkreter
Zielgruppenkonzepte auf der anderen Seite. Prinzipiell konzentrieren sich die befragten
Anbieter auf bestimmte Produkte bzw. Bedarfskomplexe. Eine weitere Feinsegmentierung
innerhalb des jeweiligen bedienten Bereichs im Sinne von Kundendifferenzierung und
spezifischer Zielgruppenansprache ist jedoch innerhalb einer Einkaufsstätte nur in Ansätzen
möglich.109 Zudem verfügen kleinere und mittelgroße Anbieter zumeist nicht über die
erforderliche Datenbankarchitektur sowie über entsprechende zeitliche, finanzielle und
personelle Ressourcen zur Intensivierung ihrer Segmentierungsaktivitäten. Ferner spielt es
sicherlich auch eine gewisse Rolle, dass Marktsegmentierung im Einzelhandel in der Literatur
noch stark unterrepräsentiert ist. Der Einsatz klassischer B2C-Segmentierungskonzepte scheint
lediglich in Ansätzen auch für Einzelhändler geeignet zu sein. Den Besonderheiten des
Einzelhandels kann letztlich nur durch zusätzliche Kriterien und spezifische Modelle besser
Rechnung getragen werden. Daher kann das weitgehende Fehlen derartiger Konzepte mit als
Grund für ungenutztes Segmentierungspotenzial im Einzelhandel angesehen sehen.
Die Feldstudie hat gezeigt, dass Marktsegmentierung in der Investitionsgüterindustrie einen
besonders hohen Stellenwert hat. Hier erfolgt sehr häufig eine Segmentabgrenzung nach
Zielgruppen. Bedingt durch die Verfügbarkeit entsprechender Datenbanken und Ressourcen
sowie einer starken strategischen Verankerung weisen Segmentierungen in diesem Bereich
einen hohen Komplexitäts-, Professionalitäts-, und Intensitätsgrad auf. Ähnliches trifft im
Grundsatz auch auf sehr große Anbieter aus den vier anderen betrachteten Bereichen zu. Im
109 Üblicherweise sind Sortimente u. a. nach Altersklassen und/oder geschlechtsspezifisch
kategorisiert, sodass Kundendifferenzierungen in ein und derselben Einkaufsstätte bei den
untersuchten Einzelhandelsunternehmen allenfalls anhand von soziodemographischen
Segmentierungskriterien bzw. Unterscheidungsmerkmalen erfolgen. Damit bestätigt die
Feldstudie die Ausführungen von Fachautoren. Letztere weisen darauf hin, dass zu starke
Kundendifferenzierungen durch segmentspezifische Abteilungsbildungen innerhalb einer
Einkaufsstätte die Gefahr einer Verwässerung der Positionierung von Einzelhändlern
bergen. Ein weiteres bedeutsames, in diesem Kontext angeführtes Argument ist, dass
Konsumenten überwiegend warengruppenspezifische Gliederungen gewohnt sind und
durch segmentspezifische Abteilungsbildungen verwirrt würden (vgl. Unkelbach 1979, S.
239, zitiert nach Baum 1994, S. 223 und Baum 1994, S. 223).
Gegensatz dazu weisen Segmentierungen bei kleineren Unternehmen oftmals eine weitaus
geringere Bedeutung auf, da es diesen Anbietern häufig an entsprechenden Datenbanken und
zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen zur Durchführung intensiverer
Segmentierungsaktivitäten mangelt. Eine organisatorische Verankerung von
Marktsegmentierungsaktivitäten liegt fast bei allen Studienteilnehmern vor, wobei der Ort der
Verankerung aber grundsätzlich keine direkten Rückschlüsse auf den Stellenwert von
Segmentierungen zulässt.
Im Hinblick auf das Vorgehen zeigten sich im Grundsatz zwei Methoden. Entweder basieren
Segmentierungsaktivitäten auf konkreten Projekten bzw. deren Ergebnissen oder sie weisen
den Charakter eines kontinuierlichen Prozesses auf. Erstere Vorgehensweise war insbesondere
bei Investitionsgüter-, aber auch bei vielen Konsumgüterherstellern festzustellen, wohingegen
sich Segmentierungen bei Anbietern aus den drei übrigen Bereichen überwiegend als
regelmäßige Aktionen gestalten. Wie bereits bei anderen Praxisstudien wurde auch im
Rahmen dieser Untersuchung die Dominanz einfacherer Segmentierungskriterien in allen
untersuchten Bereichen deutlich. Generell spielen sie als Rahmendaten für Segmentierungen
eine wichtige Rolle, sind aber bei vielen Anbietern Kernaspekte der Segmentierungskonzepte.
Aussagekräftigere Segmentierungen mit Kombinationen mehrerer Kriterien und dem
zusätzlichen Einsatz multivariater Analysemethoden waren überwiegend nur bei sehr großen
Unternehmen festzustellen. Bezogen auf alle fünf untersuchten Bereiche ist ein starker
Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße, Daten- und Ressourcenverfügbarkeit für
Segmentierungen und Professionalität und Komplexität der Segmentierungsaktivitäten
erkennbar. Größere Unternehmen, die oft auch in Konzerne eingebunden sind, verfügen
zumeist über eine professionelle Datenbankarchitektur, die im Regelfall die
Grundvoraussetzung zur Durchführung professioneller und intensiver
Segmentierungsaktivitäten bildet – selbst dann, wenn zu Segmentierungszwecken auch
externe Dienstleistungsanbieter herangezogen werden. Die Nutzung umfangreicher
Datenbanksysteme erfordert grundsätzlich bestimmte Ressourcen, über die kleinere Anbieter
häufig nicht verfügen. Somit fehlt ihnen u. a. auch eine wichtige Grundlage für komplexere
Segmentierungen. Sie segmentieren daher eher implizit und informell – sofern man hier schon
in allen Fällen von einer richtigen Segmentierung sprechen kann. Im Gegensatz dazu
segmentieren größere Unternehmen mit einem professionellen und umfangreichen
Datenbankmanagement zumeist intensiver und es ist bei ihnen in der Regel ein höherer
Professionalitätsgrad der Segmentierungen festzustellen. Bis auf eine Ausnahme bei B2C-
Herstellerunternehmen setzen Befragungsteilnehmer mit bis zu 250 Beschäftigen keine
multivariate Analysemethoden für Segmentierungszwecke ein. In vier der fünf untersuchten
Bereiche greifen demnach ausschließlich Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern auf
derartige Verfahren zurück und setzen dabei vorzugsweise die Clusteranalyse ein.110 Nur
vereinzelt werden auch andere Methoden wie die Faktorenanalyse oder die Multidimensionale
Skalierung für Segmentierungszwecke herangezogen. Bereichsübergreifende
Gemeinsamkeiten hinsichtlich des Segmentierungsverhaltens wurden insbesondere bei B2B-
Herstellerunternehmen und Anbietern investiver Dienstleistungen festgestellt. In diesen
beiden Bereichen sind Aspekte wie räumliche Nähe und persönlicher Kontakt zum Kunden
sowie kundenspezifische Angebotsausgestaltung gleichermaßen von hoher Bedeutung.
Segmentspezifische Marketing-Mix-Gestaltung erfolgt insgesamt betrachtet
schwerpunktmäßig hinsichtlich der Produkt- bzw. Leistungs- bzw. Sortimentspolitik.
Abgesehen von einigen Anbietern investiver Dienstleistungen und Einzelhändlern spielt auch
zielgruppenspezifische Kommunikationspolitik bei vielen Unternehmen eine sehr wichtige
Rolle.
Die segmentierungsbezogenen Herausforderungen aus Sicht der Untersuchungsteilnehmer
sind unterschiedlicher Natur. Für bereits sehr professionell und intensiv segmentierende
Unternehmen liegen sie vor allem in der Optimierung und Verfeinerung bestehender
Segmentierungskonzepte. Bei diesen in der Regel sehr großen Anbietern wurde ferner
teilweise Verbesserungsbedarf in punkto Kommunikation, Daten- und Informationsaustausch
sowie Interessensabgleich festgestellt. Kleinere Unternehmen müssen sich mitunter erst in
ihrem Markt etablieren und verwenden aufgrund zumeist erheblicher
Ressourcenbeschränkungen und des häufigen Fehlens professioneller Datenbanken nur sehr
einfache Segmentierungskonzepte. Eine weitere Segmentierungsbarriere ist die Bedienung zu
breit gefasster Zielgruppen. Dieses Problem tritt in erster Linie bei Anbietern von Low-
Involvement-Produkten und Einzelhandelsunternehmen auf. Zu grobe
Zielgruppenabgrenzungen resultieren tendenziell in vergleichsweise einfacheren
Segmentierungskonzepten, zumal der Aufwand für intensivere Aktivitäten in diesen Fällen oft
nicht als sinnvoll erachtet wird. Zudem steht ein konkretes Zielgruppenkonzept bei
110 Dies deckt sich mit den Erkenntnissen von Kesting et al. (2006, S. 53ff.), deren Studie
allerdings nur den B2C-Bereich abdeckt. Die Clusteranalyse erweist sich somit nicht nur bei
B2C-Herstellerunternehmen und -Dienstleistungsanbietern, sondern auch bei in
Deutschland ansässigen Unternehmen anderer Bereiche als die am häufigsten für
Segmentierungszwecke eingesetzte multivariate Analysemethode.
Einzelhändlern offenbar in Konkurrenz zur „Unternehmenssegmentierung“. Bei
konzerninternen Dienstleistungsanbietern sind Segmentierungsüberlegungen bisher erst in
Ansätzen vorhanden, zumal Kunden- und Wettbewerbsorientierung im klassischen Sinne in
diesem Bereich lange Zeit keine Rolle gespielt hat. Hingegen ist bei einigen B2C-
Dienstleistungsanbietern insbesondere eine zu starke Produktgruppenorientierung
ausschlaggebend dafür, dass vorhandenes Segmentierungspotenzial trotz genereller Daten-
und Ressourcenverfügbarkeit noch nicht voll ausgeschöpft wird.
3 Fazit und Ausblick
Die Feldstudie hat einen weiteren Beitrag zur Konkretisierung der Kluft zwischen
Segmentierungstheorie und unternehmerischer Praxis geleistet. Es ist deutlich festzustellen,
dass insbesondere die Größe, der Bereich und/oder auch die Branche von Unternehmen
tendenziell einen erheblichen Einfluss auf die Art und Intensität der Segmentierungsaktivitäten
haben. Im Ergebnis zeigt sich, dass das Segmentierungspotenzial bei in Deutschland ansässigen
Unternehmen teilweise nur begrenzt ausgeschöpft wird, wofür auch konkrete Gründe
ermittelt werden konnten. Ungenutztes Potenzial wurde insbesondere bei kleineren
Unternehmen, konzerninternen Dienstleistungsanbietern und im Einzelhandel identifiziert. Die
im Zuge der Untersuchung gewonnenen Einsichten liefern der Wissenschaft zusätzliche
Anhaltspunkte zur Fortführung und Intensivierung der Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet
der Marktsegmentierung. Wissenschaftler sind in jedem Falle aufgefordert, Praktiker in
Unternehmen im Hinblick auf segmentierungsrelevante Aspekte besser zu unterstützen. Dazu
muss sich die Wissenschaft noch wesentlich stärker an der Praxis orientieren. Praxisbezogene
Segmentierungsstudien stellen dabei unbestritten die entscheidenden Ansatzpunkte für einen
intensiveren Austausch von Wissenschaftlern und Praktikern zum Thema Marktsegmentierung
dar.
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