Marks of Honour Photobooks Photography

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Harald Szeemanns Wunderkammer Die Faszination der Archive Umberto Eco – Candida Höfer – Julian Schütt – Hiroshi Sugimoto – Roman Kurzmeyer – Hildegard Keller – Ludwig Hasler – Exklusiv: Hans Danuser Das Kulturmagazin – Du 795 – April 2009 20 CHF / 12

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Marks of Honour Photobooks Photography

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Harald Szeem

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Harald Szeemanns WunderkammerDie Faszination der Archive

Umberto Eco – Candida Höfer – Julian Schütt – Hiroshi Sugimoto – Roman Kurzmeyer – Hildegard Keller – Ludwig Hasler – Exklusiv: Hans Danuser

Das Kulturmagazin – Du 795 – April 2009

20 CHF / 12 €

Das K

ulturmagazin – N

r. 795 – April 2009

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I.Essay – Umberto Eco

12 Die Kunst des Bücherliebens

Nachlässe – Julian Schütt

28 Dass im Tode die Wahrheit ein Reich besitzt Jedes Jahr geben Schriftsteller die Einwilligung, dass aus ih-ren persönlichsten Papieren nüchterne Archivalien werden – damit sie überleben. Bei Niklaus Meienberg kam es anders.

Wunderkammern – Andrea Gnam

32 Mustermessen des UniversumsSeit der Spätrenaissance gibt es in Europa Sammlungen, in denen unterschiedlichs te Objekte nebeneinander gezeigt werden. Zur Geschichte der Kunst- und Wunderkammern.

Philosophie – Peter Keicher

38 Denken in Archiven: Spoerri, Duchamp und WittgensteinLudwig Wittgensteins Zettelberge wurden erst im Nachlassentdeckt – wie auch die Tatsache, dass sein streng logisches Denken grosse Ähnlichkeiten mit den Werken Marcel Duchamps hatte.

Fotografi e – Hiroshi Sugimoto

40 Die gesegneten ZeitlichenIn Madame Tussauds Wachsfi gurenkabinett standen die ers ten Besucher vor Abbildern, die sie so noch nie gesehen hatten. Der japanische Fotograf Hiroshi Sugimoto setzt diese Erfahrung neu ins Bild.

Szeemann-Archiv – Brigitte Ulmer

48 In der Fabbrica

Szeemann-Archiv – Gespräch mit Gianna Ruepp

56 «Die Fabbrica ist ein Spiel»Die Fabbrica war der Arbeitsort von Gianna Ruepp, Harald Szeemanns letzter Assistentin. Sie spricht über das «System Szeemann», seine akribische Art des Sammelns – und wie er auch schnell Sachen wegwerfen konnte.

Szeemann-Archiv – Roman Kurzmeyer

60 Verzauberung auf Zeit Als Kurator wurde Harald Szeemann zum Star der interna-tionalen Kunstszene. Heute ist seine «Agentur für geistige Gastarbeit» ein riesiges Archiv, das spannende Einblicke in seine Arbeitsmethode vermittelt.

Fotobuch – Markus Weckesser

68 Archiv zwischen Buchdeckeln Erst seit Kurzem ist das Fotobuch als gleichwertiges Medium der Kunst etabliert. Ein Gespräch mit Markus Schaden, Nina Poppe und Verena Loewenhaupt über Marks of Honour, die grosse Hommage ans Fotobuch.

Literatur – Hildegard Keller

74 Flammen des FlussesGold, Geld und Wasser haben eines gemeinsam: den Aggre-gatzustand des Liquiden, das Fliessen. Dieses Wissen um Liquidität ist im Archiv der Literaturgeschichte tief verbor-gen: besonders nachhaltig im Hort der Nibelungen.

Inhalt

Essay – Umberto Eco: Die Kunst des BücherliebensIn seinem neuen Essay-Band outet sich Eco als leidenschaftlicher Bücher-

liebhaber und lässt sich ebenso über echte und falsche Sammler von Büchern aus wie über reale Bücherwürmer. Über seiner tiefen Liebeserklärung ans Buch schwebt jedoch ständig die Sorge, dass zusammen mit der Buchkultur schon bald eine ganze Kultur auf dem Spiel stehen könnte.

12 Szeemann-Archiv – Brigitte Ulmer: In der FabbricaHarald Szeemann (1933–2005) war einer der bedeutendsten Ausstel-

lungsmacher des 20. Jahrhunderts. Sein Archiv im Tessiner Ort Maggia ist eine wuchernde Wunderkammer des Wissens, die eigenen Gesetzen folgt. Zumindest bis heute. Denn die Zukunft dieser fünfzig Jahre festgehaltener Kunst- und Aus-stellungsgeschichte ist ungewiss.

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I. Thema

II.Kunst – Stefan Kaiser

80 Entscheidungsfi ndung: Ein Projekt von Hans Danuser

Essay – Stefan Zweifel

82 Abzählreime an der MuseumswandEssay zur Wiederentdeckung des sinnlichen Sprachkörpers in der Literatur am Leitfaden des Abzählreims. Eine auto-erotische Annäherung.

Theorie – Gerd Folkers

90 Allwissenheit befreit nicht vom EntscheidenEntscheidungen sind nur in einem offenen System möglich. Aber weil ein Entscheid immer auch das System verändert, gibt es keine Referenz für dessen Richtigkeit.

Kunst – Hans Danuser im Gespräch mit Andrew D. Barbour

100 «Interessant ist, dass der Mensch den Zufall ausschliessen möchte»

Wie wird eine Entscheidung am besten getroffen? Weshalb sind Abzählverse von Kindern oft zielführender als lange Analysen? Wie beeinfl usst Schönheit unsere Entscheide? Ein Gespräch über die Kunst der Entscheidungsfi ndung.

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Du 795 – April 2009

III.

110 Buchtipp

112 Raffi nierter leben mit Ludwig Hasler

113 Samuel Kellers Ausstellungstipps

114 David Signers Safari

115 Postkarte aus Madrid

116 Filmtipp

117 Designtipps

118 Migros Kulturprozent: Josephine Meckseper

122 Drei Fragen von Rüdiger Safranski

3 Editorial

6 Impressum und Bildnachweis

66 Back Issues und Abonnement-Karte

Literatur, Ausstellung – Golo Mann, Maria Lassnig2009 wäre der Historiker und Schriftsteller Golo Mann hundert Jahre

alt geworden. Sein Weggefährte Rudi Bliggenstorfer berichtet von einem prägenden Aspekt in Manns Leben, der oft ausgeblendet wird. Zum 90. Geburtstag von Maria Lassnig zeigt das MUMOK bedeutende Arbeiten der letzten zehn Jahre: die kompro-misslose Offenlegung des eigenen Körpers und der eigenen Befi ndlichkeit.

Kunst – Hans Danuser: Entscheidungsfi ndungHans Danuser gehört zu den Wegbereitern der zeitgenössischen Foto-

grafi e in der Schweiz und arbeitete immer wieder auch mit Sprache und Zeichen. Für sein jüngstes Projekt sammelte er Abzählverse von Kindern aus aller Welt und stellt sie in Beziehung zur Entscheidungsfi ndung. Exklusiv für Du entwickelte der Künstler neue grafi sche Umsetzungen und Bedeutungskontexte.

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III. Sélection II. Horizonte

I. Fotobuch – Markus Weckesser – Archiv zwischen Buchdeckeln

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Im Projekt Marks of Honour kreierten dreizehn zeitgenössische Fotografen Hommagen an die Fotobücher ihrer bedeutendsten Vorbilder:Harvey Benge – William Eggleston; Chris Coekin – Duncker ⁄ Tuunanen; Peter Granser – Robert Frank; Pieter Hugo – Roland Barthes; Tiina Itkonen – Pentti

Sammallahti, Onaka Koji – Daido Moriyama; Jens Liebchen – Anthony Hernandez; Michael Light – Ansel Adams; Mark Power – Stephen Shore; Matthew Sleeth – Lars Tunbjörk; Alec Soth – Andrea Modica; Jules Spinatsch – Block 2008; Raimond Wouda – Paul Shambroom

Du 795 – April 2009

Seit ein paar Jahren ist der Markt für Fotobücher enorm in Bewegung geraten. Es gibt bereits Titel, die so viel kosten wie ein Abzug. Was hat diesen Boom ausgelöst?M.S.: Es hat einen Paradigmenwechsel gegeben, den sogenannten «Parr-Effekt»: Martin Parr veröffentlichte mit Gerry Badger 2004 und 2006 die Bücher The Photobook: A History I + II. Danach war nichts mehr so, wie es war. Die Sammler haben die beiden Bücher als eine Art Leitkatalog benutzt und systematisch alle darin ge-nannten Titel gekauft. Dank dieser Vorleistung hat das Fotobuch nach langer Zeit seinen Stellenwert als künstlerisches Ausdrucks-mittel in der Fotografi e behaupten können.

Inwieweit? Nicht erst seit Harry Graf Kessler ist das Buch als Kunstform anerkannt …M.S.: Aber nicht in der Fotografi e. Die Anerkennung als eigenstän-diges Medium ist relativ neu.

Will nicht jedes Kunstbuch ein kleines Kunstwerk sein?V.L.: Ich glaube nicht. Ein Katalog ist ein Katalog, und oft leider sehr langweilig. Auch junge Fotografen, die ihr erstes Fotobuch sel-ber herstellen, merken oft erst hinterher, wie wichtig es ist, ein gutes Layout und eine passende Typografi e zu haben.

Einige Fotobücher sind schnell zu Spekulationsobjekten geworden. Welche Gründe gibt es, Fotobücher zu sammeln?M.S.: Fotobücher zu sammeln und zu archivieren, das heisst letzt-lich, auch Fotografi e zu verstehen. Da sich aber nicht jeder eine Privatbibliothek aufbauen kann, wird das die Aufgabe der Biblio-theken sein, sowohl der öffentlichen wie auch jenen, die Museen angeschlossen sind – mehr natürlich Letztere. Der Autor und Kunstredaktor Ulf Erdmann Ziegler schrieb einmal: «Wer sagt, dass der Fundus eines Museums zwangsläufi g auf fotografi schen

Archiv zwischen Buchdeckeln

Nie waren Fotobücher so begehrt wie heute. Sie sind massiv preisgünstiger als Originalabzüge und verschaffen der Arbeit eines Fotografen ungleich mehr Aufmerksamkeit als eine Ausstellung. Doch erst seit wenigen Jahren hat sich das Fotobuch als ein gleichwertiges Medium der Kunst etabliert. Markus Schaden, einer der bekanntesten Fotobuch-Experten Deutschlands, und die Kuratorinnen Nina Poppe und Verena Loewenhaupt erklären diesen Trend.

Gespräch mit Markus Schaden (M.S.), Nina Poppe (N.P.), Verena Loewenhaupt (V.L.)Text Markus Weckesser Bilder PoppeLoewenhaupt

Prints basieren muss? Genauso gut könnte man bei den Büchern beginnen. Mit einem Fundus von vielleicht hundert Büchern wäre gewährleis tet, dass die Geschichte der modernen fotografi schen Werke für die Museumsleute, für Spezialisten, Berater und Kura-toren in vorzüglichen Beispielen anzuschauen ist.»

Ist diese Verschiebung Teil des Paradigmenwechsels im Sammeln?M.S.: Die Ausgangslage für Archive und Sammlungen ist heute eine andere. Heute lautet die Frage: Wo befi ndet sich das Gedächt-nis der Fotografi e? Nicht nur was, sondern wie ist Fotografi e zu betrachten? Hänge ich mir für 30 000 Euro einen C-Print hin, oder kaufe ich für die gleiche Summe die weltweit besten Fotobücher des letzten Jahres?

Der Original-Print galt bislang als Mass aller Dinge. Obwohl er technisch reproduzierbar ist, besitzt er eine andere ästhetische Qualität, die der Abbildung im Buch abgeht. Hat der Abzug an der Wand ausgedient?M.S.: Ich bin sogar so kühn zu behaupten, dass das Medium Buch die wesentlich originärere Ausdrucksform der Fotografi e ist. Und zwar aus mehreren Gründen. Im Gegensatz zum Fotoabzug ist ein Fotobuch handlicher, demokratisch im Preis, unempfi ndlicher und mobil zu handhaben. Ausserdem garantiert es die grösste Form künstlerischer Freiheit, weil es in permanenter Form zu betrachten ist. In Ausstellungen werden Bilder je nach Kurator neu gehängt. Im Buch ändert sich nichts an der einmal vom Künstler bestimmten Anordnung.

Die grossformatigen Fotografi en der jüngeren Zeit haben eine ganz andere Qualität als die kleinen Abbildungen in Büchern. Hat ein Fotobuch für Sie den gleichen Wert wie ein Abzug?V.L.: Nein, das nicht. Aber alle Abzüge, die ich von Fotografen

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I. Fotobuch – Markus Weckesser – Archiv zwischen Buchdeckeln

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besitze, sind aus Fotobüchern. So ergänzt das eine das andere, be-ziehungsweise der Abzug wertet das Buch noch auf.N.P.: Es gibt Bücher, die als Gesamtkunstwerk einen grösseren Wert haben als ein einzelner Abzug. Andere Arbeiten kommen als Print an der Wand viel besser rüber. Manche Künstler versu-chen ihre Arbeiten unbedingt in Buchform zu präsentieren und scheitern. Ein Bild, das erst als riesiger Abzug zur Geltung kommt, kann in einem Fotobuch versagen. Es ist wichtig, individuell die richtige Form zu fi nden.

Spiegelt sich diese Neubewertung in der Ausstellungspraxis?M.S.: Bis vor Kurzem wurden Bücher in Ausstellungen immer sekundär behandelt, jetzt auf einmal primär. In der aktuellen Aus-stellung von Paul Graham im Museum Folkwang (bis 5. 4. 2009) sind zum Beispiel sämtliche Fotobücher des Künstlers sowohl ausgestellt als auch im Katalog abgedruckt. Nach drei Monaten ist eine Ausstel-lung zu Ende, aber das Buch bleibt und manifestiert die Arbeit.

Wie bewerten Sie als Vertreterin einer jüngeren Generation diese Entwicklung?N.P.: Für uns sind Fotobücher die wichtigste Inspirationsquelle.

Unsere Kenntnis der Fotografi e basiert hauptsächlich auf ihnen, kaum auf Ausstellungen. Die Bilder aus Alec Soths Serie Sleeping by the Mississippi (2004; siehe Du Nr. 792) hätten wir wohl nie ken-nengelernt, wenn sie nicht als Buch Verbreitung gefunden hätten. Zur Ausstellung zu reisen, ist für viele zu aufwendig. Ohne das Buch hätte Soth wohl nie so schnell eine so wichtige Position in der zeitgenössischen Fotografi e erlangen können.M.S.: Das war eigentlich schon immer so. Was hat die Japaner be-einfl usst? – Die Bücher von Bauhaus-Künstlern. Aber die sind ja nicht ständig hergereist und haben sich Ausstellungen des Malers, Designers und Fotografen László Moholy-Nagy (1895–1946) ange-schaut. Die Guide-Ausstellung von William Eggleston im Museum of Modern Art, New York (1976), haben damals nur ein paar Tau-send besucht. Aber das Buch haben sich Generationen angeschaut. Aus meiner Sicht hat die Verbreitung von Fotobüchern einen ent-scheidenden Anteil an der Wirkungsgeschichte der Fotografi e.

Dann müssten diese Titel zur Grundausstattung jeder Kunst-bibliothek zählen. Tatsache ist, dass es erhebliche Defi zite gibt. M.S.: 2005 haben wir bei der Kunstbibliothek in Berlin angefragt, ob sie eine Gesamtedition unseres Projekts Marks of Honour (MoH)

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kaufen möchte. Man zeigte überhaupt kein Interesse. Die sind zwar gut aufgestellt, das Problem ist aber, dass ihr Sammeln im Grund-satz eher konservativ orientiert ist. Es ist wesentlich einfacher, längst arrivierte Fotografi e zu sammeln. Den Kauf von August Sanders Antlitz der Zeit (1929) braucht niemand zu rechtfertigen. Solche Bü-cher sind kanonisiert. Spannend wird es für mich, und das macht sicher das Visionäre aus, zu fragen: Was sollte man heute kaufen?

Das Getty Research Institute möchte eine MoH-Gesamtedition erwerben. Gibt es in den USA eine andere Sammlungstradition?M.S.: Seit seiner Gründung Mitte der 1980er-Jahre war das Haus immer sehr gut ausgestattet; man sammelte von Anfang an neue Bücher. Vergleichbare Sammlungen gibt es nur im Fotomuseum Winterthur und der Maison Européenne de la Photographie in Pa-ris. Deren Bibliothek hat inzwischen so viele Besucher wie die Aus-stellungen. Da werden nicht nur «Masterpieces», sondern es wird sehr frisch und breit gesammelt.

Die Ankaufsetats schrumpfen, die Museen sind auf Förderer und Sponsoren angewiesen. Zuerst explodierten die Preise für Original-Prints, jetzt für Fotobücher. Wie wirkt sich der Trend auf die

Sammlungen aus?M.S.: Die Entwicklung ist fatal für diejenigen Sammlungen, die jetzt nachkaufen müssen. Heute ist so ein Schatz wie die Bibliothek im Getty Research Institute unbezahlbar.

In welchem Rahmen liegen die Preise für neue Fotobücher?M.S.: Im Schnitt zwischen 40 und 120 Euro. Wobei das Sammeln in der Zukunft schwieriger wird, weil die Aufl agenhöhe der wirklich spannenden Sachen sehr klein ist. Wenn bis in die 1980er-Jahre 500 Titel mit einer Aufl age von 5000 Stück produziert wurden, sind es heute 5000 Titel mit einer Aufl age von 500 Stück.

Wie fi nanzieren sich die Bücher?M.S.: Die Technik hat enorme Fortschritte gemacht, so können schon relativ geringe Stückzahlen in sehr guter Druckqualität zu einem annehmbaren Preis hergestellt werden. Die Künstler brauchen nicht mehr verzweifelt nach einem Verleger zu suchen. Über ein Subskrip-tionsmodell fi nanzieren sie die Kosten und produzieren ihre Bücher selber. Jeder macht alles, vom Editieren bis zum Gestalten. Heute herrscht viel Durcheinander. Irgendwer müsste die Ausbildung über-nehmen, in der das Know-how der Fotobuchproduktion gebündelt

Michael Lights Scherenintervention in Ansel Adams Yosemite and the Range of Light (1979)

I. Fotobuch – Markus Weckesser – Archiv zwischen Buchdeckeln

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Von oben nach unten:Onaka Kojis Holzbox mit fünf Prints und einem Kontaktbogen als Hommage an Daido Moriyamas Tales of Tohno (1976)

Jens Liebchens Lepo-rello als Hommage an Anthony Hernandez' Sons of Adam (1997)

Mark Powers Hom-mage bestehend aus vier Prints an Stephen Shores Uncommon Places (1982)

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wird. Ich warte, dass Seminare angeboten werden, die Fotobuchhi-storie behandeln. Cindy Gates, Professorin an der Fachhochschule Dortmund, ist eine der wenigen, die sich an Bücher halten. In Hol-land, einem Land mit Vorreiterrolle, wird das Studium häufi g mit einem Fotobuch abgeschlossen.

Welche Erfahrungen haben Sie beide diesbezüglich im Laufe Ihres Fotografi estudiums in Holland gemacht?V.L.: Im theoretischen Teil des Studiums standen Fotobücher sehr zentral. Mein Diplom war zwar kein Fotobuch, aber im Laufe des Studiums habe ich mich intensiv damit beschäftigt.N.P.: Wir bekamen die Aufgabe, eine Dokumentation in Buchform zu präsentieren; das war eine gute Übung. Mein Kommilitone Rob Hornstra konnte für sein erstes Buch vorab hundert Käufer gewin-nen, die er namentlich im Buch erwähnte, und somit einen Teil der Kosten decken. Viele Studenten haben sich daran ein Beispiel ge-nommen. Normalerweise muss man nach dem Studium mühselig Klinken putzen, aber wenn man es schafft, ein gutes Fotobuch auf den Markt zu bringen, kann sich schnell alles wenden. Die Galeristen suchen heute oft junge Fotografen anhand von Büchern aus.

Welche Kriterien sind angesichts dieser Vielzahl an Veröffent-lichungen für Sie als Kuratorinnen entscheidend?N.P.: Ein Fotobuch muss als Gesamtobjekt stimmig sein und vom Cover bis zur letzten Seite eine Einheit bilden. Es gibt viele Bücher mit beeindruckenden Bildern, guten Geschichten, aber wenn es im Standardformat auf Standardpapier gedruckt ist, kann es schnell langweilen. Natürlich gibt es auch Bücher, die nicht unbedingt von ihrer Machart überzeugen, aber von ihrem Inhalt her so wichtig sind, dass man sie haben muss.V.L.: Ein Fotobuch muss eine eigene Handschrift besitzen. Die Ar-beit und Liebe, die vom Künstler reingesteckt wurde, sollte zum Ausdruck kommen.

Detailverliebtheit ist ein Kennzeichen von «Marks of Honour» …V.L.: Das Projekt wurde 2005 vom Galeristen Willem van Zoeten-daal und von Markus Schaden initiiert. 41 Künstler wurden ein-geladen, ein Fotobuch, das für ihre eigene berufl iche Entwicklung von Bedeutung war, künstlerisch zu kommentieren. Die Arbeiten wurden dann im Amsterdamer Fotomuseum ausgestellt. Nina und ich assistierten und nahmen zugleich als Künstlerinnen teil.N.P.: MoH 2008 kuratierten und organisierten wir dann eigenstän-dig. Für die neue Ausgabe konzentrierten wir uns auf dreizehn Künstler, damit jede Arbeit zu ihrem Recht kommt und die ent-sprechende Aufmerksamkeit erhält.

Was war für die Auswahl wichtig?N.P.: Wir haben nur Künstler gebeten, die mit eigenen Publikati-onen in der Buchwelt vertreten sind – alles «Fotobuch-Nerds.»V.L.: Einige kennen sich auch untereinander, was wichtig ist, damit möglichst viel Austausch stattfi ndet.

Wie vermitteln sich die Bezüge dem Besucher der Ausstellung?N.P.: Die Exponate sind mit Linien verbunden, um zu zeigen, wie es zur jeweiligen Hommage gekommen ist und wie alles zusam-menhängt. Das Publikum soll alles sehen können, möglichst nah dran sein, ohne etwas zu berühren. Die einzelnen Stücke liegen in Vitrinen oder werden auf Plasmabildschirmen gezeigt, auf de-nen sie von den Besuchern virtuell durchgeblättert werden können. Noch erhältliche Bücher liegen zur Ansicht aus.V.L.: Die Präsentation führt die Editionen fort. Chris Coekins Tramperbilder hätten nicht in einen teuren Rahmen gepasst, das wäre wie ein Stilbruch. Die pinnen wir einfach an die Wand.N.P.: Spannend ist es, wenn die Arbeit zum Objekt wird. Dann ist der Anreiz grösser, über den Zusammenhang nachzudenken.

Wieso beinhaltet eine Hommage in MoH überhaupt noch Bilder – wäre es nicht konsequenter, nur Fotobücher zu zeigen?N.P.: Jedes Fotobuch hat seinen Ursprung in den Bildern; das ist der erste Schritt. Dass man durch ein Fotobuch inspiriert wurde, heisst noch lange nicht, dass die Arbeit auch ein Buch sein muss.

Welcher Beitrag steht exemplarisch für das Konzept?V.L.: Michael Light hat als Einziger direkt in ein Buch eingegrif-fen. Entlang von Landschaftslinien und Wolkenumrissen hat er gezielt Löcher ins Buch Yosemite and the Range of Light (1979) von Ansel Adams geschnitten. In jedes der drei Exemplare an der glei-chen Stelle. Er ist in der Gegend aufgewachsen, wo Adams seine berühmten Bilder vom Nationalpark machte, aber er wollte nie sein Vorbild kopieren. Wenn er jetzt das Originalbuch bearbeitet, ist das als Hommage zu verstehen. Jede Seite bekommt so eine neue Be-deutung. Man kann durch Seiten hindurchschauen. Manchen Sei-ten hat Light auch eigene Aufnahmen gegenübergestellt.N.P.: Light beschreibt seine Beziehung zu Adams als Hassliebe. Sein erster Impuls war, das Buch mit einer Schrotfl inte zu durch-schiessen. Seine Fotografi en verschmelzen mit den Bildern von Adams. Das macht den Klassiker auch für eine Generation junger Fotografen wieder interessant. Ich selbst fand seine Arbeiten eher langweilig. An der Bearbeitung kann ich mich kaum sattsehen.

… in der Ausstellung. Von der Edition gibt es ja nur drei Exemplare.N.P.: Stimmt. Überhaupt möchten Besucher gerne etwas mit nach Hause nehmen. Daher arbeiten wir an einem Katalog; der hat Be-stand und fi ndet Verbreitung.V.L.: Fotobuchliebhaber sind eben Sammler. <

Markus Schaden (geb. 1965) ist Buchhändler und Verleger (schaden.com) Verena Loewenhaupt (geb. 1978) ist Kuratorin. Sie studierte Fotografi e in Breda/NLNina Poppe (geb. 1979) ist Kuratorin und studierte Fotografi e in Utrecht/NLMarkus Weckesser (geb. 1969) ist freier Kulturjournalist

Ausstellung «Marks of Honour 08» (MoH), 28. 5.–5. 7. 2009 im Foam_Foto-grafi e museum Amsterdam. www.marksofhonour.com

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