I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising...

31
Universität zu Köln Philosophisches Seminar Sommersemester 2012 Dr. Markus Wirtz Proseminar Französische Philosophien der Existenz

Transcript of I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising...

Page 1: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

Universität zu KölnPhilosophisches SeminarSommersemester 2012Dr. Markus Wirtz

Proseminar

Französische Philosophien der Existenz

Page 2: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

„I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what ,existence‘ means.“

(B. Russel, Logic and Knowledge)

Page 3: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

Inhalte des Seminars:

4 Positionen der französischen Existenzphilosophie:

1) Gabriel Marcel (1889-1973)

2) Jean-Paul Sartre (1905-1980)

3) Albert Camus (1913-1960)

4) Maurice Merleau-Ponty (1908-1961)

Page 4: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

Textgrundlage: Seminarordner „Wirtz“ im Kopierraum der

Bibliothek des Philosophischen Seminars

Auszüge aus:

1.) Gabriel Marcel, Metaphysisches Tagebuch

2.) Jean-Paul Sartre, Das Sein und das Nichts

3.) Albert Camus: Der Mythos von Sisyphos

4.) Maurice Merleau-Ponty: Phänomenologie der

Wahrnehmung

Page 5: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

Literaturempfehlungen:

Lexikon Existentialismus und Existenzphilosophie, hrsg. v. Urs Thurnherr u. Anton Hügli, Darmstadt 2007.

Literaturliste im Seminarordner bzw. als Download unter “Informationsportal” auf der Dozentenhomepage

Page 6: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

Modulzuordnungen des Seminars:

BA: BM2 - Neuzeit/Gegenwart

LA: GyGe – BM 3 und BM4

Magister/Sek II/Diplom: Proseminare – Bereiche A und B

Page 7: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

Regelungen zum Scheinerwerb:

BA:1 CP: Regelmäßige, dokumentierte

Anwesenheit

2 CP: kleine schriftliche Arbeit (2-3 Seiten) für aktive Teilnahme

3 CP: Referat & Thesenpapier oder schriftliche Arbeit (5-7 Seiten)

4 CP: Hausarbeit oder Klausur

Page 8: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

LA:aktive Teilnahme (nicht als TN qualifiziert)

entspricht einer Leistung im Umfang von 1 CP

eine als TN qualifizierte aktive Teilnahme entspricht 2 CP

ein Leistungsnachweis (Hausarbeit, Klausur oder mündliche Prüfung) entspricht 4 CP.

Page 9: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

Kontakt:

E-Mail-Adresse: [email protected]

Sprechstunden nach Vereinbarung in Raum 4.015 (Hauptgebäude, Büro von Frau Prof. Dr. Bickmann)

Homepage: http://www.philosophie.uni-koeln.de/dozenten/#lehrbeauftragte

Page 10: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

Thematische Einführung Ausgangsfragen:

Was bedeutet der Begriff ,Existenz‘?

Was ist unter „Philosophien der Existenz“ zu verstehen?

Wie ist der französische Existentialismus innerhalb der Existenzphilosophie zu verorten?

Welchen Plausibilitätsgrad, welche argumentative Konsistenz hat die Philosophie der Existenz?

Page 11: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

1. Der Begriff der Existenz in der metaphysischen Ontologie: Essenz und Existenz

lateinisch exsistere = hervorgehen aus, geboren werden

Griechische Antike: Rede vom ,Sein‘ (to òn) des Seienden

Einführung des Existenzbegriffs im Mittelalter im Kontext des abhängigen Seienden: Etwas existiert, weil es von einem anderen abhängt.

Existieren bedeutet, durch eine Ursache (Wirk- oder Finalursache) zum Sein gelangt zu sein.

Insofern betrifft die Existenz das kreatürliche, d.h. von Gott geschaffene Seiende.

Page 12: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

(1/2)

klassische Ontologie: existentia als ,Das-Sein‘ gegenüber essentia als ,Was-Sein‘

oder: Existenz als wirkliches Vorhandensein einer Sache gegenüber ihrer bloßen Möglichkeit

Page 13: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

2. Vorgeschichte der Existenzphilosophie

Existenzphilosophische Erwägungen avant la lettre bei Michel de Montaigne (Essais, 16. Jh.), und Blaise Pascal (Pensées, 17. Jh.)

Einwände gegen den Existenzbegriff: David Hume und Immanuel Kant (18. Jh.)

Lebensphilosophie: Friedrich Nietzsche (19. Jh.), Henri Bergson (20. Jh.)

Page 14: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

3. Sören Kierkegaard (1813-1855) – der erste „Philosoph der Existenz“

„Alles wesentliche Erkennen betrifft die Existenz.“

Wichtige Werke aus den 1840er Jahren: Entweder – Oder, Die Wiederholung, Furcht und Zittern, Der Begriff Angst, Stadien auf des Lebens Weg, Die Krankheit zum Tode

Der ,existierende Denker‘ gegen den ,abstrakten Denker‘

Betonung der Endlichkeit und Ambivalenz individuellen Daseins an Stelle des Hegelschen Versuchs, mit Hilfe der Dialektik die gesamte Wirklichkeit begrifflich zu erfassen und das Individuum im unendlichen Absoluten untergehen zu lassen

Page 15: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

(3/2)

Interpretation von existentiellen Grundstimmungen wie Furcht/Angst und Verzweiflung

Angst als „die Wirklichkeit der Freiheit als Möglichkeit für die Möglichkeit“

Drei Stadien des Existierens nach Kierkegaard:

1) das ÄSTHETISCHE ⇒Leben im Augenblick, ausschließliche Hingabe an sinnlich-emotionale Bedürfnisse, Suche nach permanentem Wechsel der Eindrücke

Page 16: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

(3/3)

2) das ETHISCHE ⇒Lebensgestaltung nach einem selbst gewählten Ideal, Übernahme von Verantwortung für die eigene Vergangenheit und Zukunft: „das Ich wählt sich selbst“.

3) das RELIGIÖSE ⇒ „Sprung“ in das Paradox zwischen Einzelnem und Allgemeinem, Endlichkeit und Unendlichkeit; der Glaubende setzt sich ein individuelles, nicht-rationales Verhältnis zum Absoluten

Page 17: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

4. Existenz in der Prädikatenlogik

Existenzoperator bzw. Existenzquantor ∃(auch „Einsquantor“ oder „Manchquantor“ genannt)

(∃x) (sx ∧ px)

Bedeutung: Es gibt mindestens einen Gegenstand x, für den gilt: x ist s und x is p.

Das Existenzprädikat (E) – wichtig für den ontologischen Gottesbeweis – spielt eigentlich schon seit Kant, spätestens aber seit Frege und Russell keine Rolle mehr in der modernen Logik.

Page 18: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

5. Sprachphilosophische Bedenken gegen die philosophische Rede von „Existenz“

Kants Argumente gegen den ontologischen Gottesbeweis:

1) Das „ist“ in dem Satz „Gott ist allmächtig“ fügt Gott kein weiteres Prädikat zu seinen sonstigen Bestimmungen hinzu, sondern stellt lediglich einen grammatikalischen Bezug zwischen dem Subjekt Gott und seinem Prädikat „allmächtig“ her. (Existenz als Kopula)

2) Das „ist“ in dem Satz „Gott ist“ stellt ebenfalls kein Prädikat dar, sondern suggeriert, dass „Gott“ im raumzeitlichen Erfahrungshorizont zugänglich ist – was er aber per definitionem als transzendentes Wesen nicht sein kann. (Existenz als raumzeitliche Position)

Page 19: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

(5/2)

Mögliche Entgegnung der Existenzphilosophen:

„Wir meinen mit ,Existenz‘ weder ∃ noch die Kopula ,ist‘ noch eine bestimmte raumzeitliche Position – sondern das menschliche Dasein als einzelnes, kontingentes, individuelles und unvertretbare.“

Anschlussproblem: Wie kann man über die so verstandene „Existenz“ sinnvolle Aussagen machen, wenn doch die Philosophie üblicherweise auf das Allgemeine, Notwendige und Universelle abzielt?

Page 20: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

6. Konstituierung der Existenzphilosophie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Position der Existenzphilosophen: Die existenziellen Erfahrungen des Einzelnen verweisen auf eine allgemeine Existenzstruktur, die allem Existierenden zukommt.

Begriff „Existenzphilosophie“ ab ca. 1930 in Deutschland in Umlauf

historischer Kontext: im Gefolge des Ersten Weltkriegs Besinnung auf den „innersten Kern des Menschen“, Rückwendung auf die individuelle Innerlichkeit im Gegensatz zum wissenschaftlich-objektivierenden Denken

Page 21: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

(6/2)

Ausgangspunkt der Existenzphilosophie: der radikal individualisierte, einzelne Mensch in seinem Selbstseinmüssen

Methode: Analyse der Befindlichkeit, Innerlichkeit, Authentizität des ,Ich‘ oder ,Selbst‘

im Unterschied zur traditionellen Subjektphilosophie (Rationalismus, Transzendentalphilosophie, Idealismus) starke Betonung von Gefühlen und Stimmungen sowie der leiblichen Verfasstheit des Menschen

Stimmungen mit Erschließungscharakter: Angst, Verzweiflung, Absurdität

Page 22: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

(6/3)

Einfluss existenzphilosophischer Gedanken auf:

dialektische Theologie (Barth),

Dichtung (Kafka, Rilke, Malreaux),

moderne Kunst (Munch, Expressionismus, Surrealismus),

Politik (französischer Widerstand)

Theater (Sartre, Marcel).

Unterbrechung, zugleich aber auch Intensivierung der Existenzphilosophie durch die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs

Page 23: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

7. Martin Heideggers Existenzialontologie

Sein und Zeit (1927): Existenziale Analytik des Daseins, weder Subjektphilosophie noch Anthropologie

Wie ist (menschliches) „Dasein“ in der Welt?

Grundgedanke aller Existenzphilosophie: „Das ,Wesen‘ des Daseins liegt in seiner Existenz.“

Herausarbeitung von existenzphilosophischen Kategorien (Existenzialien) wie Sorge, Geworfenheit, Mitsein, Möglichsein, Verstehen, Sein zum Tode

Hervorhebung der zeitlich verfassten „Sorge“ als Grundstruktur des Daseins

Page 24: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

(7/2)

Seiendes von der Seinsart des Daseins zeichnet sich dadurch aus, dass es sich zu seinem eigenen Sein und gegenüber nicht daseinsmäßig verfasstem Seienden verstehend verhält.

Erfahrung des „Nichts“ (der Welt) in der Angst

Uneigentliches Existieren: Alltägliche Verfallenheit an das ,Man‘

Eigentliches Existieren: Vor-laufen in den eigenen Tod

Spätphilosophie Heideggers: der Mensch als Ek-sistenz, die sich auf die Schickung des Seins einlässt

Page 25: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

8. Karl Jaspers‘ Existenzerhellung

berufliche Herkunft Jaspers‘ aus der Psychopathologie

Auseinandersetzung mit Phänomenen wie Krankheit, Leid, Schuld, Scheitern und Tod

In solchen Grenzsituationen zeigt sich das „Umgreifende“, die (unbestimmte) Transzendenz, Sein überhaupt

Bezogenheit des Menschen auf die Transzendenz als Grund seines Daseins und seiner Freiheit

Existenz nicht als etwas Feststehendes und Gegebenes, sondern als Herausforderung der Selbstwahl vor dem Hintergrund der Transzendenz

Page 26: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

(8/2)

von dort aus Entwicklung eines „philosophischen Glaubens“: „Gott ist das Sein, an das restlos mich hinzugeben die eigentliche Weise der Existenz ist.“

Page 27: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

9. Der französische Existentialismus

Einführung des Begriffs „existentialisme“ durch den französischen Philosophen Gabriel Marcel am Ende des Zweiten Weltkriegs

Niederschrift erster existenzphilosophischer Gedanken (unabhängig von Kierkegaard) bereits während des Ersten Weltkriegs (Metaphysisches Tagebuch)

Intuition: Antworten auf Sinnfragen sind nur durch eine existentielle Teilhabe am Sein möglich

christlich geprägte Variante des Existentialismus: Hoffnung auf ein göttliches Du

Page 28: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

(9/2)

Jean-Paul Sartre: Das Sein und das Nichts (1943):

Verbindung der Hegelschen Dialektik, der Husserlschen Phänomenologie und der Heideggerschen Daseinsanalytik in einer eigenen „existentialistischen“ Freiheitstheorie, die den Menschen auf sich selbst stellt

zentrale Eigenschaft der Existenz als vereinzeltes Ich: FREIHEIT im Sinne von Unbestimmtheit des menschlichen Wesens; Verpflichtung zum verantwortlichen Selbstentwurf

Insofern ist die Existenz nicht einfach gegeben, sondern aufgegeben

Page 29: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

(9/3)

Existentialismus als neuer Humanismus

Existentialistische Mode im Paris der 1950er Jahre

Albert Camus: die Absurdität menschlichen Handelns und die Revolte des Menschen

Maurice Merleau-Ponty: Phänomenologische Analyse der leiblichen Existenz

Page 30: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

(9/4)

Seit dem Ende der 1960er Jahre Niedergang bzw. Verdrängung der existentialistischen Strömung durch neomarxistische und (post-)strukturalistische Ansätze innerhalb der „kontinentalen“ Philosophie sowie die Analytische Philosophie

Einfluss existenzphilosophischer Gedanken auf Disziplinen wie Anthropologie, Ontologie und Religionsphilosophie

Page 31: I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what,existence means. (B. Russel, Logic and Knowledge)

10. Einwände gegen Existenzphilosophie und Existentialismus

unzureichende Berücksichtigung der Sozialität des Menschen

unwissenschaftliche Methodik, die keine logischen Formalisierungen verwendet (eher „Literatur“ als „Philosophie“)