Groups 2010.09: Free/Open Spectrum (Digital Sustainability)

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Weiden auf der digitalen Allmend Open Spectrum Matthias Roggo Moritz Vifian Herbstsemester 2010 ETH Zürich

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Open Spectrum Bericht von Matthias Roggo und Moritz Vifian

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Weiden auf der digitalen Allmend

Open Spectrum

Matthias RoggoMoritz Vifian

Herbstsemester 2010

ETH Zürich

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Die Autoren

Matthias Roggo, [email protected] Vifian, [email protected] beide Elektrotechnik im 3. Semester.

Hintergrund

Dieser Bericht entstand im Rahmen der Vorlesung «Digitale Nachhaltigkeit in derWissensgesellschaft» bei Dr. Marcus M. Dapp. Er darf gemäss folgender Creative CommonsLizenz verwendet werden:«Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.5 Schweiz», siehehttp://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/ch/

Aufgabenstellung

Neben den ganzen digitalen Ressourcen, die wir in der Vorlesung behandeln, gibt es nocheine noch weniger spürbare Ressource, die für die digitale Welt aber auch sehr bedeutsamist: das Wellenspektrum zur Datenübertragung. Wofür setzt sich die «Free/Open Spectrum»|Bewegung ein? Worin wird ein Problem gesehen und wie sieht der «open spectrum» Lösungs-ansatz aus? Z.B. bei GSM und Wifi. Führt uns an das Thema heran, indem ihr uns folgendeInitiativen/Projekte erklärt:

Bereich GSM

– Was kann man mit der Software openBTS anstellen? Erläutert in diesem Zusammen-hang auch wie das Mobilfunknetz (grob) funktioniert und welche Rolle darin Carrier,Telefongesellschaften, Gerätehersteller, und natürlich Kunden spielen.

– Was würde sich ändern, wenn es mehr «open spectrum» gäbe?

Bereich WiFi

– Was wollen die Leute von http://start.freifunk.net/ erreichen? Wie erfolgreich sind siedabei? Gibt es das in der Schweiz auch?

– Was ist das FCC in den USA? Welche Rolle spielt es im Themenfeld "open spectrum"?Wie bewertet ihr die jüngste Entscheidung des FCC?

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1 Traditionelle Nutzung 61.1 Elektromagnetisches Frequenzspektrum: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

1.1.1 Geschichte der «Funkerei» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.1.2 Lizenzvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1.2 Mobilfunk: GSM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.2.1 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1.2.1.1 Basisstation (Base Transceiver Station, BTS) und Funkzelle . . . 91.2.1.2 Basisstations-Steuereinrichtung (Base Station Controller, BSC) 91.2.1.3 Mobile Vermittlungsstelle (Mobile-services Switching Centre, MSC) 101.2.1.4 Betriebs- und Wartungszentrale

(Operation and Maintenance Centre, OMC) . . . . . . . . . . . . 101.2.2 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.2.3 Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

1.2.3.1 Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.2.3.2 «Markgleichgewicht» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.2.3.3 Konkurrenzsituation in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.3 Internet: Ethernet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131.3.1 Umwege um beim Nachbarn was runterzuladen: Sternförmiges Netz . . 131.3.2 Kontrolle des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2 Ab in die digitale Allmend 132.1 Internet: WLAN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

2.1.1 WLAN vs. GSM - Ein Technologievergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.1.2 Aufbau einer WLAN-Cloud . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2.1.2.1 Meshnetwork . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.1.2.2 Adhoc-Routing: B.A.T.M.A.N. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.1.2.3 Handover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.1.2.4 Haftung bei Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.1.2.5 Alternative zu ADSL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2.2 Mobilfunk: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.2.1 GSM-Patente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.2.2 OpenBTS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.2.2.1 Was ist/Was kann openBTS? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.2.2.2 Hardware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.2.2.3 Mobilfunk ist kein Luxusgut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.2.2.4 Kommerzielle Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

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Inhaltsverzeichnis

2.2.2.5 Lizenz- und Patentprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232.3 Elektromagnetisches Frequenzspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

2.3.1 Frei werdende Frequenzbänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242.3.2 FCC-Entscheid zur Handhabung frei gewordener Frequenzbereiche . . . 252.3.3 Open Spectrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262.3.4 Bells Blast – Breitfrequenzübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

3 Fazit 27

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1 Traditionelle Nutzung

Einleitung

Dieser Bericht befasst sich mit den möglichen Perspektiven eines offeneren Frequenzspek-trums - open spectrum. Was hat eine Deregulation auf die zukünfte Entwicklung von WLANund Mobilfunknetzen wie GSM für Auswirkungen, die heute beide auf der Prämisse «einge-schränkter und fixer Arbeitsfrequenzbereich» aufbauen?

Uns wurde sehr schnell klar: Weder der GSM- noch WLAN-Standart sind mit der Aufgabedieser Grundannahme kompatibel. Unübersehbar ist jedoch, dass gerade in diesen beidenBereichen vermeintliche Axiome umgestossen werden, was dynamischere Infrastrukturenermöglicht – und das Erreichen eines Ziels, das allen drei Entwicklungen zugrunde liegt: Dermassiven Reduktion der Grenzkosten, was eine dezentralere «digitale Allmend» in greifbareNähe rückt.

1 Traditionelle Nutzung

Der erste Teil unserer Arbeit befasst sich mit dem Status quo. Um zu verstehen, wie die heutigenStrukturen erforderlich geworden sind, benötigt man ein gewisses technisches Grundwissen.Dieses haber wir deshalb so kompakt als möglich auf den Infrastruktur-wesentlichen Bereichzusammengefasst.

Unsere Fragestellung für den ersten Teil:

– Was passiert eigentlich im «Äther»; welche Daten werden tagtäglich per Funk übertra-gen?

– Wer verwaltet diese Ressource?

– Welche Infrastruktur ist nötig, um ein GSM-Netz zu betreiben?

– Wer verwaltet und kontrolliert eigentlich das Internet?

1.1 Elektromagnetisches Frequenzspektrum:

Die Nutzung des Elektromagnetischen Spektrums reicht sehr weit zurück, und dennoch istdie Regulation heute noch ähnlich restriktiv wie anfangs des 20. Jahrhundert. Was sind dieHintergründe für das «Bewirtschaften» der Frequenzen?

1.1.1 Geschichte der «Funkerei»

Zum ersten mal «gefunkt»

Die ersten Experimente mit Radiowellen wurden 1888 von Heinrich Hertz durchgeführt, nach-dem James Clerk Maxwell 1864 deren Existenz vorhergesagt hatte. So konnte Guglielmo Mar-

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1.1 Elektromagnetisches Frequenzspektrum:

coni bereits 1896 über eine Strecke von 5 km funken – diese unmodulierten oberwellenreichenPulse konnten schon zur Übertragung von Morsesignalen genutzt werden. 1

Bald darauf folgten eine erste transatlantische Funkverbindung (1900) und die Ausrüstungerster Handelschiffe (1902) mit dieser neuen Technologie. Durch eine enge Zusammenar-beit mit dem englischen Staat gelang es Marconi innert Kürze, eine Monopolartige Stellungeinzunehmen. Da Nachrichten, die mit Anlagen der Konkurrenz verschickt wurden, nichtweiterübermittelt werden durften (Marconi konnte dies durch den Einsatz eigener Funkersicherstellen), gerieten bisweilen Schiffe in Seenot, die ihr SOS nicht weiterleiten konnten.2

Internationale Rundfunkkonferenz Berlin 1906

Aufgrund dieser Vorfälle wurde an der Berliner Konferenz von 1906, an der 29 Staaten teilnah-men, erstmals der Grundsatz aufgestellt, dass Nachrichten unabhängig vom Geräteherstellerweiterverbreitet werden müssen. Dieses Prinzip findet auch heute noch Anwendung, etwa inder Kommunikation zwischen Internet-Servern.

Erstmals wurden auch Frequenzbänder festgelegt, da mit der damaligen Stand der Technikmehrfaches Verwenden einer Frequenz unmöglich war: Seefunk (500 - 1000 kHz), Küstenstatio-nen (150 - 188 kHz) und militärische Stellen (188 bis 500 kHz) bekamen Spektren zugewiesen;Amateurfunker mussten sich nun auf den Kurzwellenbereich beschränken. Dies war derBeginn der Spektrumsregulierung, wie wir sie heute kennen.

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1.1.2 Lizenzvergabe

Die internationale Frequenzvergabe ist heute Aufgabe der Internationalen Fernmeldeuni-on (ITU), die auf den 1865 gegründeten Internationalen Telegraphenverein zurückgeht undals Organ der UNO fungiert. Diese regelt die Frequenzvergabe auf internationaler Ebene. DieRecommendations, die verschiedene ihrer Studiengruppen zu technische Fragenstellungenherausgeben, bekommen aber erst durch Normierungsbehörden und Ämter wie ISO (interna-tional), FCC (USA) oder das BAKOM (Schweiz) bindenden Charakter. Auf europäischer Ebenewird im Rahmen des CEPT (Conference Européenne des Administration des postes et destélécommunications) verhandelt.4

Die Frequenznutzung in der Schweiz ist in der Regel Konzessionspflichtig. Ausgeschlos-sen davon sind Militär und Zivilschutz, Frequenzen über 3 GHZ und gewisse Spektren beigeringen Leistungen.

Für alles Andere erteilt das BAKOM räumlich, zeitlich und personell eingeschränkte Konzes-sionen, die für Private kostenpflichtig sind. Aufgrund der stark unterschiedlichen Konzessi-onstypen bewegen sich die Preise zwischen 12.- (Jedermannsfunk um 27 MHz) und 50’000.-

1http://de.wikipedia.org/wiki/Funktechnik#Geschichte_und_Begriffsherkunft2http://www.heise.de/newsticker/meldung/100-Jahre-Frequenzregulierung-113217.html3http://de.wikipedia.org/wiki/Weltfunkkonferenz#Internationale_Funktelegrafiekonferenz.2C_Berlin_19064http://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Fernmeldeunion

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1 Traditionelle Nutzung

BTSBTS

MSCMSC MSC

BTS: Base Station Controller – BTS: Base Transceiver StationMSC: Mobile Switching Center

AUSLANDANDERE PROVIDER

BTS

Abbildung 1.1: GSM-Hierarchie

(Satellitenfunk) jährlich. Beim mobilen Landfunk etwa bewegen sich die Kosten um 200.- pro12,5 KHz und Jahr.5

Etwas anders funktionert es bei den «heiss umkämpften» Spektrenfür Radio und Fernsehen. Diese Konzessionen werden öffentlich ausgeschrieben und auf-

grund von Inhalten und Zielgruppen vergeben; es besteht also ein Leistungsauftrag an denNutzer der Konzession. .

1.2 Mobilfunk: GSM

1.2.1 Aufbau

Anders als beim Rundfunk findet die Datenübertragung beim Mobilfunknetzen gezielt und inbeide Richtungen statt. Dies führt zu gänzlich anderen Anforderungen an die Hardware:

– Jedes Endgerät benötigt seinen eigenen «Kanal»

5http://www.bakom.admin.ch/; «Konzessionsvorschriften»

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1.2 Mobilfunk: GSM

– Die Endgeräte sind nicht mehr fix installiert!

– Es wird gleichzeitig gesendet und empfangen (vollduplex)

Das Global System for Mobile Communications löst dies, indem es hierarchisch organisiert ist.

1.2.1.1 Basisstation (Base Transceiver Station, BTS) und Funkzelle

Die Basisstation spannt üblicherweise drei bis sechs Zellen mit etwa fünf Trägerfrequenzen auf,welche bei «klassischem GSM» pro Trägerfrequenz sieben Gespräche simultan übermitteln.Diese Dichte wird durch Zeitmultiplexing erreicht: Die verfügbare Zeit auf der Frequenz wirdin acht Zeitschlitze von 577 µs aufgeteilt, von denen jeweils einer einem Empfänger zugeteiltist6. 7

Die Zellengrösse variiert von von Fall zu Fall stark: Während in dünn besiedelten Gebietendie Reichweite einer einzelnen Zelle bis zu 35 km betragen kann (grössere Zellen sind aufgrundder Signallaufzeit nicht möglich), beträgt die Reichweite von Zellen in Stadtzentren wenigehundert Meter. Folgende Faktoren bestimmen u. A. die Zellgrösse:

– Nutzdichte – pro Zelle ist nur eine beschränkte Anzahl Nutzer möglich

– Bebauung und Topographie – Gebäude und Hügel reflektieren Funksignale

– Trägerfrequenz – Höherfrequente Signale werden stärker gedämpft («Pfadverlust»)

– Antennenleistung und -höhe8

Zu den Aufgaben der BTS gehören die Regelung der Signalstärke, Kompression und Ver-schlüsselung von Gesprächsdaten, Messung der Verbindungsqualität und das Ausführen vonFrequenzwechseln (innerhalb der selben Zelle) bei zu starken Störungen.

1.2.1.2 Basisstations-Steuereinrichtung (Base Station Controller, BSC)

Mehrere Basisstationen (üblicherweise 10 bis 100) werden durch einen BSC zusammengefasst,welche die Verbindungsqualität jeder Verbindung überwacht, um laufende Gespräche vonZelle zu Zelle zu verschieben. Was führt zu einem solchen Wechsel («Handover»)?

– Der Empfänger verlässt die Zelle

– Eine andere verfügbare Zelle bietet besseren Empfang

– Sich schnell bewegende Teilnehmer zu einer grösseren Zelle übermittelt

– Bessere Lastverteilung9

Solche Handovers finden aber nicht nur zwischen verschiedenen Basistationen, sondern aufallen Ebenen des Systems statt – also etwa auch zwischen den verschiedenen MSCs.

6In Realität wird aber noch etwa die Hälfte die Zeit zur Signalkalibrierung benötigt7http://de.wikipedia.org/wiki/GSM#Physikalische_.C3.9Cbertragung_auf_der_Luftschnittstelle8http://en.wikipedia.org/wiki/Cell_site9http://en.wikipedia.org/wiki/Handover

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1 Traditionelle Nutzung

1.2.1.3 Mobile Vermittlungsstelle (Mobile-services Switching Centre, MSC)

Die mobilen Vermittlungsstellen bündeln die BSC und verbinden so das Mobilfunk- mit demrestlichen Telefonnetz eines Carriers. Damit das MSC den Verbindungsaufbau steuern kann,Der «Carrier» stellt

die nötigeInfrastruktur zur

Verfügung, umtelefonieren zu

können.

werden alle Teilnehmer im Einzugsbereich im sogenannten Visitor Location Register (VLR)gespeichert und derer jeweiligen «Heim-MSC» gemeldet. Diese sichert in der Liste «ihrer»Mobilfunkteilnehmer, dem Home Location Register (HLR) deren aktuellen Aufenthaltsort. Sokönnen eingehende Anrufe dem jeweiligen MSC weitergeleitet werden.10

1.2.1.4 Betriebs- und Wartungszentrale(Operation and Maintenance Centre, OMC)

In erster Linie regelt das OMC die Auslastung des Netzes. Da zu den Aufgabenbereichen aberauch die Fehlererkennung, das Aufzeichen von Statistiken, die Behebung von Störungen, dieFernwartung und die Gebührenerfassung gehören, wird hier der Einsatz von (ja, menschlichen)Fachkräften unumgänglich. 11

1.2.2 Kosten

Da die GSM-Technologie proprietär entwickelt und vermarktet wurde, ist es sehr schwierig, dieKosten für beispielsweise eine GSM-Basisstation einzuschätzen. Unsere Angabe bezieht sichdaher auf eine versehentlich veröffentlichte Cisco-GSM-Hardware-Preisliste12: Gemäss dieserbelaufen sich die blossen Hardwarekosten einer BTS für 25 simultane Gespräche auf $500’000bis $900’000. Dazu kommen die «Rights to use», die in diesem Fall $1’200’00 jährlich betragen.Ein (leider nicht zitierbarer) Mitarbeiter im Bereich Einkauf einer schweizer Mobilfunkfirmaschätzt hingegen die Kosten einer «durchschnittlichen» BTS auf CHF 40’000.- bis 60’000.-,unabhängig ob 2G oder 3G.

Nebst der Höhe dieser Beträge erstaunt auch, dass die Lizenzkosten die Hardwarekosten inder Regel weit übersteigen. Dies lässt sich – neben der nötigen Amortisation der Entwicklungs-kosten – auch auf nötigen Drittlizenzen zurückführen, da viele Teilbereiche von GSM nochimmer Patenten von Ericsson, At&T, etc. unterliegen (siehe auch 2.2.1 auf Seite 21). 13

1.2.3 Markt

1.2.3.1 Infrastruktur

Die Vergabe der Lizenzen erfolgt in den meisten Ländern im Ausschreibungsverfahren. DerBietende muss einerseits bereit sein einen gewissen Betrag für das Frequenzspektrum aufzu-wenden. Andererseits hat er auch einen Leistungsauftrag zu erfüllen, flächendeckendes Netz14

bereitzustellen. Für diesen Zweck bedarf es einer guten Infrastruktur, wie im vorhergehenden

10http://de.wikipedia.org/wiki/Visitor_Location_Register11http://www2.nortel.com/go/product_assoc.jsp?segId=0&parId=0&catId=0&rend_id=768&contOid=100173228&prod_id=50086&locale=en-

US12http://www.doretel.com/documents/CiscoGlobalPriceGuideList.xls13http://www.frlicense.com/GSM_FINAL.pdf14http://www.bakom.admin.ch/org/00577/index.html?lang=de

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1.2 Mobilfunk: GSM

Abschnitt GSM-Netz erklärt. In der heutigen Vergabepolitik ist es nur möglich, Lizenzen für einganzes Land zu erhalten. Dies geschieht um kommerziell unattraktivere Gebiet zu schützen,sogenannter Service Public.

Fallbeispiel UMTS In England wurden im Jahr 2000 fünf UMTS-Lizenzen für damals 75 Mil-liarden Deutsche Mark versteigert; dies entspricht 1300 DM pro Einwohner.15 In der Schweizwurden, auch im Jahr 2000, eher bescheidene Summen dafür bezahlt: Orange, Sunrise undSwisscom mussten jeweils 50 Mio. CHF hinblättern.16 Bereits bei der Bewältigung der Lizenz-kosten scheint es eher unwahrscheinlich, dass eine Community – ohne finanzstarke Stiftungim Hintergrund – bei diesem Spiel mitmischen kann. Dazu kommt, dass sich UMTS im 2 GHz-Bereich abspielt, normales GSM aber auch 900 MHz als Trägerfrequenz hat. Es gilt: Je längerdie Welle (kleinere Frequenz), desto grösser die Reichweite. Dies hat zur Konsequenz, dassfür ein UMTS-Netz für die gleiche Abdeckung mehr Antennen errichtet werden müssen. Beider UMTS-Lizenzierung lief also so einiges schief: Durch den masslosen Wettbewerb bei derVersteigerung der Lizenzen wurden kleinere und mittlere Unternehmen sowie Neueinsteigerfaktisch von der Teilnahme ausgeschlossen. Für die vermeintlichen Sieger stellten aber dieUnverkäuflichkeit der Lizenz und die hohen Infrastrukturkosten grosse Probleme dar.

1.2.3.2 «Markgleichgewicht»

1. Ist eine Technologie neu, findet ein ruinöser Wettbewerb statt. Die Preise sind meistnicht deckend, da jede Firma davon ausgeht, in (naher) Zukunft einen Grossteil derKunden an sich zu binden.

2. Einzelne Firmen gehen Konkurs und/oder werden von der Konkurrenz aufgekauft. DiePreise steigen.

3. Die Angebote der Anbieter unterscheiden sich kaum noch. In der Theorie sollte nun dasOptimum zwischen Preis und Leistung erreicht sein.

4. In der Realität kann es aber im nächsten Stadium zu einer Segmentierung kommen.Die Firmen Teilen Kunden untereinander auf und haben in ihrem jeweiligen Gebiet einMonopol (gut zu Beobachten beim deutschen Strommarkt)

1.2.3.3 Konkurrenzsituation in der Schweiz

In der Schweiz existieren nur 3 Mobilfunkunternehmen.

Firma Marktanteil Umsatz 2009 Gewinn 2009

Swisscom 62% 12,001 Mia 1,9 MiaSunrise 21% 2,001 Mia 158 MioOrange 17% 1,296 Mia -

15http://www.teltarif.de/arch/2000/kw18/s2059.html16http://www.bakom.admin.ch/dokumentation/medieninformationen/00471/index.html?lang=de&msg-

id=2245

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1 Traditionelle Nutzung

Problematisch an dieser Verteilung scheint, dass Swisscom auf den Gesamtumsatz bezogengleich viel Gewinn macht wie die beiden anderen Unternehmen . Dies führt bei Neuinves-titionen dazu, dass die beiden Firmen Orange und Sunrise, welche eigentlich als flexibleKonkurrenz die Preise tief halten sollten, kaum einen Spielraum haben. des iPhones Sunrisegar nicht mitmischen, da sie noch ein ungenügendes UMTS-Netz hatte; sie wurde von App-le verschmäht. Langfristig heisst das, dass die Marktmacht von Swisscom unter gegebenenUmständen kaum zu durchbrechen ist.

Gegenüber dem EU-Raum zahlen die Schweizer erheblich mehr. Es stellt sich die Frage, obdies mit dem hohen Wohlstand – die Kunden sind zu bequem zum Wechseln17 – «entschuldbar»ist, oder dass der Markt einfach zu wenig spielt. Bei der zweiten Möglichkeit sagt zum BeispielSwisscom selbst, dass der Telekommarkt viel zu stark reguliert sei und somit kein echterWettbewerb zustande komme. Ein andere Anschauungsweise ist, dass fast jeder unregulierteWettbewerb früher oder später auf ein Marktmonopol hinausläuft.

Motivation für Investitionen und tiefe Preisen ist eigentlich nur die langfristige Aussicht aufeine Monopolstellung. Wie kann also sichergestellt werden, dass sich nie ein Monopol ergibt,sich aber trotzdem ein Gleichgewicht einstellt?Redundante Antennen

gäbe?

Teilweise ist der Wettbewerb grotesk: Kaum hat ein Anbieter mit einer neuen Antenne einGebiet besser erschlossen, rückt die Konkurrenz nach. Anstatt einer einzigen Antenne ent-stehen gleich drei oder mehr. Klar ist, dass je nach Gebiet eine erhöhte Kapazität berechtigtist.. Problematisch ist aber die schlechte Skalierbarkeit. Ein Netz muss für den grössten PeakPeak ist eine Spitze

welche dieausgewogene

Nutzung einerInfrastruktur

verunmöglicht

ausgelegt sein; sprich: Obwohl die maximale Anzahl Benutzer nur während einer halbenStunde pro Tag erreicht wird, muss das Netzt auf diese Belastung ausgelegt sein, damit esnie zusammenbricht. Bei jedem Unternehmer findet zwar ein sogenanntes Loadbalancingstatt, um die Anzahl Nutzer möglichst gleichmässig auf die verschiedenen Antennen zu ver-teilen. Dieses könnte aber stark optimiert werden, falls die Kapazitäten von allen Anbieterngemeinsam verwaltet würden.

Ein gemeinsames Netz wäre ökonomischer in Bezug auf Energieverbrauch und Strahlungs-emissionen. Andererseits profitieren Endbenutzer heute in der Ausfallsicherheit nicht von derRedundanz, da eigentlich kaum nationales Roaming stattfindet.

Konkurrenzlos unter dem Aspekt der Skalierbarkeit sind sogenannte «Meshnetworks» (sieheAbschnitt 2.1.2.1 auf Seite 17). Bei dieser Form von Netzwerk agiert jeder Client (Handy) gleich-zeitig auch als Server, über den kommuniziert werden kann. Dieser Cloud wächst dynamischmit der Belastung, da jeder neue User auch gleichzeitig die Kapazität erhöht; es wären keine(so grossen) Grundkapazitäten mehr nötig.

17http://www.tagesanzeiger.ch/digital/mobil/Schweizer-zahlen-2-Milliarden-zu-viel-fuers-Handy/story/27879682

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1.3 Internet: Ethernet

1.3 Internet: Ethernet

1.3.1 Umwege um beim Nachbarn was runterzuladen: Sternförmiges Netz

Wie auch beim GSM-Netz ist die Struktur des Internets historisch bedingt. Bei der Gründungdes Internets hatten nur sehr wenige Personen per Kabel Zugang auch gab es noch kein WLAN.Daher war es nötig, zu jedem Client eine eigene Leitung zu legen, da kaum die Möglichkeitbestand, dass sich User untereinander direkt verbinden konnten. Fast zwanzig Jahre späteraber hat sich die Situation fundamental geändert: Fast jede Person, in der Schweiz zumindest,hat einen PC mit WLAN. Unter diesen Umständen scheint es in vielen Fällen doch unsinnig,dass z.B. beim P2P trotzdem die ganzen Daten einen Umweg über den Internet Service Provider(ISP) machen.

Grosser Umweg Wenn Dieter Inkscape per BitTorrent herunterladen möchte und sein Nach-bar Klaus dieses zufällig am Verteilen ist, so fallen sofort zwei Nachteile auf: Der Uplink18

beträgt bei den heutigen Breitbandanschlüssen meist kaum ein Zehntel des Downlinks19,während man per WLAN mit einer deutlich höheren Bandbreite direkt kommunizieren könnte.Falls nun mein Nachbar bei einem anderen ISP20 ist, machen meine Daten unter Umstän-de eine völlig unnötige Reise durch die halbe Schweiz. Man beachte den 90er-Charme derGrafik 1.2 auf der nächsten Seite.

1.3.2 Kontrolle des Internets

In der jetzigen Baumstruktur ist eine lückenlose Kontrolle des Datenverkehrs theoretischmöglich. Angesichts der Cyberkriminalität und Terrorismus hat die EU auch ein sogenanntesGesetz zur «Vorratsdatenspeicherung» entworfen. Es verpflichtet alle Telekommunikationsan-bieter ihre Verbindungsdaten für sechs Monate – ohne konkreten Verdacht – zu speichern21.Darunter fallen auch alle Internetverbindungen. Die ISP wehren sich aber dagegen, da sieletztendlich in die Pflicht genommen werden, ihre Kunden zu überwachen und andererseitsauch eine gewisse Verantwortung tragen. Dazu sehen durch immer mehr Überwachung vielePersonen in Deutschland ihre Grundrechte verletzt. Falls aber ein ISP z.B. aufgrund von Urhe-berrechtsklagen oder einer Gesetzgebung bestimmte Daten drosseln oder ganz blockierenmüssen, wird auch «Neutralität» des Internets verletzt.22

18Übertragungsrate zum Provider hin19Übertragungsrate vom Provider weg20Internet Service Provider21http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-11/terrorwarnung-vorratsdatenspeicherung22http://de.wikipedia.org/wiki/Netzneutralität

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2 Ab in die digitale Allmend

Cablecom Swisscom

Klaus Dieter

Halbe Schweiz Andere Hälfte der Schweiz

Abbildung 1.2: Klassisches Internet (Etwas angestaubt)

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Abbildung 1.3: Sternförmiges Internet mit Hierarchie

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2 Ab in die digitale Allmend

2 Ab in die digitale Allmend

Seit Erfindung von GSM und Ethernet, sowie dem Beschluss, Frequenzen grundsätzlich ei-nem bestimmten Dienst zuzuordnen sind einige Jahrzehnte Vergangen. Innerhalb dieserZeitspanne haben die Dinge eine unglaubliche Dynamik entwickelt:

– Die Marktdurchdringung bei Mobilfunk und Internetzugang liegt fast bei 100%

– Hardwarekosten sind im Elektronikbereich eingebrochen

– Mobilfunk ist Voraussetzung um an der modernen Gesellschaft teilzunehmen

– Internet ist keine nette Spielerei mehr, sondern unabdingbar um an Information zugelangen

Unsere Gesellschaft befindet sich in einer Zeit, da unsere digitale Infrastruktur fast die Funktioneines Allgemeinguts erfüllt. Wir versuchen also in diesem Teil darauf einzugehen, wie eineangepasste Nutzung dieses Gut in Zukunft ausschauen kann und hoffentlich wird.

2.1 Internet: WLAN

WLAN ist überall. Doch wie steht es eigentlich mit der Nutzung? In der modernen Hardwaresteckt viel mehr Potenzial, als sich bloss zu einem Hotspot zu verbinden bzw. den EndgerätenInternetanbindung zu Verfügung zu stellen. Damit diese Möglichkeiten aber auch ausge-schöpft werden, bedarf es neuer Software und Treibern rund um die bewährten Komponente.Auf diese technischen Neuereung versuchen wir in diesem Abschnitt einzugehen.

Zugang zum Internet Kaum jemand hatte vor dreissig oder auch nur fünzehn Jahren miteiner derartigen Entwicklung gerechnet. Nun ist es aber an der Zeit, grundlegende Konzeptezu überdenken. Jeder hat Zugang zur Hardware, die nötig ist, ein kleins bis mittleres WLANaufzubauen. Früher waren dafür Komponenten nötig, die nur eine Institution finanzierenkonnte. Wieso sollte ich mich heute noch in Abhängigkeit eines ISP begeben und Geld dafürbezahlen?

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2.1 Internet: WLAN

2.1.1 WLAN vs. GSM - Ein Technologievergleich1 2 3

GSM WLANFrequenzen 0,9 GHz, 1,8 GHz 2 GHz, 5 GHz

Steuerung durch Netz durch Clientmax. Daten pro Kanal 14,4 kBit/s 150 MBit/s (n)

max. Leistung 50 W / Kanal 100 - 1000 mWVermaschung BSC/MSC Router

Struktur bekannt & statisch dynamischRouting-Datenbank Zentral (MSC) verteilt

Kanäle 124 16K. mit Multiplexing 992 -

Bandbreite 200 kHz 20 MHz

Beim Vergleich der beiden Technologien fällem vor allem die unterschiedlichen Schwer-punkte auf: GSM hat das Ziel, möglichst viele Endgeräte zu bedienen, während beim WLANeine hohe Datenrate im Vordergrund steht. Die Zukunft liegt aber bei einer Kombinationaus beidem. Von der Mobilfunkseite her existieren bereits Protokolle wie 3G oder in Zukunft4G. Auf der WLAN-Seite wird es in Zukunft auch Protokolle geben, die mehr Geräte auf dergleichen Frequenz zulassen, je nach dem auf Kosten der Bandbreite.

2.1.2 Aufbau einer WLAN-Cloud

Um ein dynamisches Netzwerk aufzubauen, braucht es neue Konzepte. So ist es unmöglichjedes Mal die Routing-Tabelle zu editieren, wenn ein Endgerät von Accesspoint A zu B wech-selt. Und wieso sollte man sich in Abhängigkeit eines ISP’s begeben, wenn man über WLANdoch eigentlich Zugang zu fünf verschiedenen hätte? In diesem Abschnitt erläutern wir dietechnischen und rechtlichen Voraussetzungen, damit ein Internet von allen für alle auchfunktionieren kann.

2.1.2.1 Meshnetwork4

«Vermaschte Netzwerke» unterscheiden sich von normalen Netzwerken. In den meisten Haus-halten gibt es den Router (Server), meist mit Anbindung ans Internet, und die Clients (No-tebook, Drucker, Fernseher, etc.). In einem Meshnetzwerk hingegen wäre zum Beispiel derFernseher mit dem Router verbunden. Wenn ich jetzt dummerweise mit dem Notebook in dieKüche gehe, habe ich normalerweise keinen Empfang mehr. Dank dem Mesh aber kann ichmich einfach über den Fernseher mit dem Internet verbinden.

In einem Haushalt erscheint das nicht so spektakulär, aber mit diesem Verfahren kann ichso direkt mit einem Kollegen per VoIP telefonieren, der ein Kilometer von mir entfernt istund sich im gleichen Mesh befindet. Das ganze Netzwerk wird als Datenwolke bezeichnet.

1http://de.wikipedia.org/wiki/Wlan2http://www.izmf.de/html/de/2116.html3http://de.wikipedia.org/wiki/GSM4http://wiki.freifunk.net/Meshing

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2 Ab in die digitale Allmend

Jeder in dieser Wolke ist nun erreichbar und kann auch jeden erreichen. Diese Technologie istGrundstein für dezentrales flächendeckende WLAN.

2.1.2.2 Adhoc-Routing: B.A.T.M.A.N.5

Abbildung 2.1: Cloud in Berlin, freifunk.net

Bei einem normalen Netzwerk sind die Teilnehmer fixund somit auch die Routingpfade statisch. Bei einemadhoc-Mesh hingegen läuft dieser Prozess dynamischab. So sind die möglichen Pfade bei einem normal ge-routeten eindeutig.

Bei BATMAN hingegen kennt nicht jeder Knotendasgesamte Netzwerk, aber jeder kennt wieder jemanden,und der kennt jemanden, usw; dies wird als kollek-tive Intelligenz bezeichnet. Nun ist es Zufall, wo derPfad durchgeht. Auf gut Glück wird ein Request an dienächsten Knoten geschickt, diese tun rekursiv wiederdasselbe, usw. Beim klassischen IP mit dem darunter-liegenden Ethernet hingegen läuft alles schön struktu-riert und zentralisiert ab.

2.1.2.3 Handover

Im WLAN-Standart sind Handovermechanismen, al-so unterbrechungsfreier Wechsel zwischen verschiedenen Accesspoints vorgesehen. In derRealität führt aber das enge Frequenzspektrum (Überlappungen) zu Problemen. Dazu fehltbeim jetztigen Stand ein geeigneter Mechanismus: Das Endgerät sucht erst nach der nächstenStation, wenn der Kontakt abgebrochen ist. Nötig wäre ein vorausschauendes «anklopfen» beiallen potentiellen Hotspots. Beim GSM-Netz übernimmt die Basisstations-Steuereinrichtung(BSC) diese Aufgabe (siehe 1.2.1.2 auf Seite 9).

Bei einem Mesh ist eine solche Struktur gar nicht möglich und auch nicht gewollt. Da einenormale WLAN-Karte nur auf einem Kanal senden kann, ist ein Frequenzhopping nötig, umeinen anderen Router aufzuspüren, was zu einem Unterbruch des Datenstroms führen würde.Eine Alternative wäre die Kenntnis, wo sich der nächste Accesspoint geografisch befindet undso (auf gut Glück) direkt Daten ins neue Netzwerk zu senden.

Für Notebooks spielt ein unterbrechungsfreies Handover nicht eine grosse Rolle. Problema-tisch ist es hingegen bei VoIP-Telefonen die über WLAN kommunizieren.

2.1.2.4 Haftung bei Missbrauch

So wolkig die Aussichten mit dem Cloud, Adhoc, Mesh und sonstigen Networking auch sind, sobleibt doch die Rechtsfrage als wichtiges Kriterium, ob das System sich durchsetzen. Gegebensei ein sehr böser Mensch, der sich beim Schweizer Geheimdienst einhackt. Dazu missbrauchter das Projekt Freifunk. Wer trägt nun die Schuld, wenn der Endtäter nicht auszumachen

5BATMAN-Protokoll: http://de.wikipedia.org/wiki/B.A.T.M.A.N.

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2.1 Internet: WLAN

Klassisches IP Batman OLSR

Aufbau – Baum– Von Masche zu

Masche– Grosse Masche

Netzwerkstruktur– nur den Routern

bekannt

– nur die nächsteUmgebungbekannt

– allen bekannt

Pfad– Eindeutig, von

Routern geführt

– zufällig, rekursivvon Endgerät zuEndgerät

– vom Endgerätaufgrund derStrukturberechnet

Anwendung – Heimnetz – Pilotversuche – Backbone

Redundanz

– Fällt ein Knotenaus, ist dergesamteUnterbaumgegen obenabgeschnitten

– DynamischeNeufindung desPfades

– Neue Topologiemuss zuerst anallekommuniziertwerden

Vorteile

– Endgerät hatkeine Intelligenz

– Standart

– EinfacherAufbau

– Ausfallsicher

– ParalleleDatenroutenmöglich

– UnbegrenzteGrösse

– Ausfallsicher

– Leistungsfähig

– Skalierbar

Nachteile

– SchlechteRedundanz

– Flaschenhälse

– Leistung derEndgeräteerhöht

– GesamteTopologie mussbekannt sein

Tabelle 2.1: Drei Routing-Protokolle

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2 Ab in die digitale Allmend

ist: Jeder, der die Daten im Mesh weitergeleitet hat? Die Personen, die die Anbindung ansInternet ermöglicht haben? Macht es einen Unterschied, ob ich mein Netz gratis zur Verfügunggestellt habe oder ob ich Geld dafür verlange? Oder lässt sich bei einem so komplex struk-turierten Netzwerk die Schuldfrage nicht klären? Das Projekt Freifunk antwortet mit einem«PicoPeeringAgreement» (PPA) auf solche Fragen. Es wird als minimaler Konsens beim Peering,also dem Verbinden von Netzwerken, verstanden, der die Grundlage für das wohlwollenendeMiteinander regelt. Die ersten beiden Punkte über den freien Transit:

– Der Eigentümer bestätigt, freien Transit über seine freie Netzwerkinfrastruktur anzubie-ten

– Der Eigentümer bestätigt, die Daten, die seine freie Netzwerkinfrastruktur passieren,weder störend zu beeinträchtigen noch zu verändern.

Innerhalb des allgemein formulierten Picopeering-Abkommen ist die Rechtsfrage nicht voll-ständig geklärt. Das Abkommen hält aber in Punkt 5.1 fest, dass der Eigentümer eine eigeneNutzungsbestimmung formulieren kann.

Momentanes Recht Grundsätzlich liegt die Schuld in der Schweiz und in Deutschlandbeim «Betreiber» eines WLAN-Hotspots. Dies bestätigt ein aktuelles Urteil vom Mai 2010des deutschen Bundesgerichtshof6, nach dem jedem Besitzer eine aktuelle Sicherung seinesNetzes zumutbar ist und gemäss dem Prinzip der «Störerhaftung» für fremde Urheberrechts-verletzungen auf dem eigenen Netz belangt werden kann. Aus der Schweiz liegen noch keinePräzedenzfälle vor.7

Diese Haltung ist natürlich nur mit einer Betrachtungsweise von WLAN als blosse «letz-te Meile» zwischen Internetanschluss und Laptop nachvollziehbar, die auf der früher sehrspärlichen Verbreitung basiert.

Langfristiges Ziel der Freifunk-Bewegung ist, dass jeder Knoten seine Bedingungen inmaschinenlesbarer Form zur Verfügung stellt. Von der Lizenz her kompatible Knoten könntensich so automatisch Verbinden. Wenn es nun zu einem Konflikt kommen sollte, merkt das derRouter und verweigert die Vermaschung.

2.1.2.5 Alternative zu ADSL

Wo nur wenige zahlungskräftige Kunden wohnen oder wo der Staat noch keine Telefonlei-tungen aufgebaut hat, dort lohnt es sich aus finanzieller Sicht kaum, in die Infrastruktur zuinvestieren. Auch für Gebiete, die einer starken saisonalen Zu- und Abwanderung ausgesetztsind, gilt dasselbe. Die Alternative ist ein Internetzugang mit grosser Kapazität zu einem zen-tralen Hotspot hin. Die Feinverteilung, sog. letzte Meile, verursacht überproportional hoheKosten, da sie pro Benutzer und damit linear steigt. Bei Verwendung eines Meshs aber entfallendiese fast ganz.

6http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2010&Sort=3&nr=51934&pos=3&anz=104

7http://www.weka-it.ch/praxisreport_view.cfm?nr_praxisreport=954

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2.2 Mobilfunk:

2.2 Mobilfunk:

Ein Mobiltelefon enthält im GSM-Standart sehr aufwändige Codecs, um die Datenmenge kleinzu halten. Heute aber fällt einerseits das Problem der begrenzten Bandbreite nicht mehr so insGewicht, andererseits hat ein handelüblicher (sog. «Commodity»-) Computer schon längstgenug Leistung, um mit den Codecs umgehen zu können. Das reguläre GSM-Netz basiertauf sehr teuren (aufgrund der kleinen Stückzahl und kaum interoperabilen Komponenten(siehe auch Abschnitt 1.2.2 auf Seite 10). Welche Entwicklungen seit der Einführung des GSM-Standarts könnten es ermöglichen, diese Infrastruktur dezentral zu Verfügung zu stellen?

2.2.1 GSM-PatenteExpiration Year

Essentielle Patente Auslaufend

20082009201020112012201320142015201620172018201920202021202220232024

155 3154 1152 2150 2146 4144 2136 8119 17102 17

84 1860 2439 2124 1513 11

7 63 40 3

0

d

0

50

100

150

200

2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 2024

Essentielle Patente Auslaufend

Abbildung 2.2: GSM-Patente

Wie in Abbildung 2.2 erkennbar, sind derzeit noch vielePatente im Zusammenhang mit GSM hängig8, die inder Regel auf eine Schutzdauer von 20 Jahren gewährtwurden. Die Grafik basiert auf Daten von Fairfield Re-sources International, Inc., einer Beratungsfirma für«geistige Eigentümer» (und deren Profitpotenzial). Esist absehbar, dass durch ein Auslaufen dieser Patenteauch Hürden verschwinden, alternative GSM-Netze zubetreiben.

2.2.2 OpenBTS

2.2.2.1 Was ist/Was kann openBTS?

OpenBTS ist eine Serversoftware für Mobilfunknetze.Sie soll es ermöglichen, die Kosten auf einen Zehn-tel zu senken: dank dem Gebrauch von handelsübli-chen Komponenten, sogenannten Commodities. Aus-serdem zielt die Plattform dank niedrigem Energiever-brauch auf autarke Anwendungen. Denkbare Szenari-os sind9:

– Langfristige Vision sind sog. «Wireless LocalLoops10» in dünn besiedelten Gebieten, wo kein Festnetzanschluss möglich oder kom-merziell uninteressant ist, zu den reinen Selbstkosten

– Marktorientierte Lösungungen zur Finanzierungder Projektarbeit

– Autarke Umgebungen wie Ölplattformen, Schiffe, etc.

– Krisenhilfe: Schneller Aufbau mit sehr wenig Hardware

8http://www.frlicense.com/GSM_FINAL.pdf9http://www.slideshare.net/eCommConf/david-a-burgesss-presentation-at-ecomm-2009

10http://en.wikipedia.org/wiki/Wireless_local_loop

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2 Ab in die digitale Allmend

– Femtozellen: Mobilfunk im lokalen Rahmen

Hinter OpenBTS stehen vor allem zwei Personen: David A. Burgess und Harvind S. Samra. Siesind beide gleichzeitig die Inhaber von Kestrel Signal Processing11.

2.2.2.2 Hardware

David Burgess schätzt auf seiner Website12 die Kosten einen Sendemast aufzustellen auf200’000 US-Dollar – pro Jahr! Weiter stellt er einige Berechnungungen anhand der Hardwarein Afrika an: So kostet es einen Mobilfunkanbieter an die 6$ pro Monat und Benutzer einMobilfunknetz zu betreiben. Schon dieser Selbskostenpreis übersteigt bei vielen Einwohnerndas Budget.

Enormer Energieverbrauch Ein Grossteil dieses Preis’ entsteht durch den immensen Ener-giehunger der normalen GSM-Hardware. So benötigt ein Sendemast samt Antennensteuerungund IP-Backhaul an die 10 kW, was beim Generatorbetrieb etwa 100 Liter Treibstoff pro Tagbedeutet; das heisst ein – meist abgelegener – Sendemast muss fast täglich betankt werden.Durch Einsatz von handelsüblichen Komponenten strebt das Projekt eine Minimierung derLeistung auf ein paar hundert Watt an. Erst bei einer solchen Leistung kann eine Anlage mitSolarenergie autark versorgt werden. Dies hat zur Folge das die teuren Unterhalts- und War-tungsarbeiten entfallen. Erklärtes Ziel durch alle Einsparungen ist es, die Kosten auf 1$ proMonat zu senken.

Development Kit Die Firma Kestrel Signal Processing verkauft für 3’500 Dollar ein GSM-Kit.Zusammen mit dem Asterisk, einer offenen VoIP-Plattform, und OpenBTS ist es möglich ist,eine vollständige GSM-Basisstation zu betreiben, die völlig autonom und ohne Integration inein bestehendes Netzwerk funktioniert.

2.2.2.3 Mobilfunk ist kein Luxusgut. . .

13Afrika hat im letzten Jahrzehnt einen wahren Handyboom erlebt. Durch das Fehlen vonFestnetzleitungen und den guten geografischen Voraussetzungen – die theoretische Reichweitein der Ebene liegt bei 35 km – hat sich das Mobiltelefon als Segen für den Kontinent erwiesen.Vorzeigeland ist Kenia, wo die Netzabdeckung bereits bei 95% liegt und jede(r) Zweite einMobiltelefon besitzt. Ausserdem hat sich ein System zum Bezahlen per Handy – M-Pesa –etabliert, das sich grosser Beliebtheit erfreut.

. . .sondern nachhaltige Entwicklungshilfe Gerade in weitläufigen, dünnbesiedelten Ge-genden ist man froh, nicht mehr Kilometer zurückzulegen um bloss mit jemanden zu sprechen.Ausserdem traut man der automatischen Zahlungsüberweisung, diese «haue niemanden übers

11http://www.kestrelsp.com/team.html12http://openbts.blogspot.com/2009/01/what-stuff-costs-part-2-opex.html13NZZ Folio 05/10: Viehandel per SMS

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2.2 Mobilfunk:

Ohr». Auf den ersten Blick gibt es also keinen Grund zur Sorge; der Markt scheint zu funk-tionieren. Und dennoch sind die Preise insbesondere in abgelegen Regionen sehr hoch. Sokostet der Zugang zum Mobilfunk 15-35% des Einkommens, wogegen es beim den Durch-schnittseuropäer 1.5% des Budgets ausmacht. Es zeichnet sich auch ein Klumpenrisiko ab:M-Pesa wird zwar von allen genutzt und ist somit ein Quasistandard; es ist aber keine freiePlattform. Der Monopolist könnte diese Abhängigkeit marktverzerrend ausnutzen. Neuerdingshaben aber auch europäische und amerikanische Mobilfunkunternehmen den sogenannten«Merging Markets»14 für sich entdeckt. Gegen diese Investitionsvolumina haben afrikanische Volkswirtschaften, die

noch kaum westlicheInfrastrukturbesitzten werden alsMerging Marketbezeichnen

Unternehmen keine Chance. Könnten aber Startups auf günstigere Hardware und eine freieSoftware zurückgreifen, blieben diese konkurrenzfähig.

2.2.2.4 Kommerzielle Nutzung

Das Vorbild Asterisk ist eine Open-Source VoIP-Telefonzentrale und wird von digiumentwickelt. Das Geschäftsmodell basiert auf dem offenen Kern Asterisk, wozu die Firma pro-prietäre Erweiterungen bereitstellt; unter anderem den patentgeschützten Codec «G.729».Die Grundlage ist also eine offene Lösung, auf der aufbauend die Firma mit Support undLizenzen zur kommerziellen Pro-Version Geld verdient. Abgesehen davon, dass in Zusammen-hang mit OpenBTS fast immer Asterisk für die Telefonie zum Einsatz kommt, sieht auch das«Geschäftsmodell» ähnlich aus.

Burning Man Einen ersten Praxistest hat OpenBTS am Burning Man Festival in Nevadabestanden. In einer Gegend ohne sonstige Netzabdeckung erhielt das Projekt eine Sonderkon-zession für ihren Feldversuch15. Zum ersten Mal fand das Experiment 2008 statt, während derWoche im Jahr 2010 kamen ein paar beindruckende Zahlen zustande:

– 40’000 Unique Mobiltelefon-IDs wurden verzeichnet

– 7000 Gespräche wurden geführt und 50’000 SMS versandt

– Betrieben wurde die Anlage mit Solarpanels

Niue Die 260 km2 grosse Insel nordöstlich von Neuseeland mit 1’700 Einwohnern hat nichteinmal einen Hafen; geschweige denn ist sie kommerziell interessant für ein Mobilfunkunter-nehmen. Im Jahre 2010 wurde zusammen mit einer Telefonfirma ein permanentes OpenBTS-System installiert. Bezahlt wurde das Projekt von der Insel selbst16.

2.2.2.5 Lizenz- und Patentprobleme

Zwar hat das Projekt schon zwei Proben bestanden. Der endgültigen Nutzung im kommerziel-len Umfeld stehen aber noch rechtliche Probleme im Weg.

14http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/ringen_um_den_afrikanischen_mobilfunk_1.5638585.html15http://openbts.blogspot.com/2010/09/man-burns-in-341-days.html16http://openbts.blogspot.com/search/label/niue

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2 Ab in die digitale Allmend

Übertragungsweg ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10

Kabel 9% 15% 16% 21% 30% 38%Satellit 39% 47% 57% 66% 74% 79%

Antenne 46% 57% 86% 95% 100% 100%

Tabelle 2.2: Digitalisierungsgrad TV-Funk in Deutschland

Die GPL-Lizenz, welche seit September 2008 in Version 3 für das openBTS-Projekt ver-wendet wird, fordert in Abschnitt 6 den Zugang zum gesamten Quellcode – also auch beisämtlichen Produkten, in denen openBTS verwendet wird und der Entwickler die Lizenzenfür die GSM-Nutzung erworben hat. Abschnitt 11 wiederum fordert, dass der Entwickler allePatente, die zur Nutzung der zur Verfügung gestellten Software nötig sind, auf den «Kunden»ausdehnt. Da die GSM-Lizenzen kostenpflichtig sind und nur eingeschränkt erteilt werden,scheint dies sämtliche kommerzielle Nutzung von openBTS zu verunmöglichen.

Die «Lösung» findet sich in einer rechtlichen Spitzfindigkeit: Abschnitt 6 fordert zwarden Zugang zum Quellcode, aber nicht ausdrücklich durch den «Verkäufer». Dadurch istes möglich, ein GSM-System ohne GSM-Patente auf openBTS-Basis zu verkaufen, indemder openBTS-Code durch beliebige Dritte zu Verfügung gestellt wird, welche diesen nichtauf GPLv3-Basis erhalten haben (und somit eine beliebige Lizenz verwenden zu können).Als «Dritte» könnten hierbei Kestrel Signal Processing, Inc. und die Free Software Foundationkommen; beide erhielten den openBTS-Code ausserhalb der GPL.1718

2.3 Elektromagnetisches Frequenzspektrum

Nach gut einhundert Jahren könnte sich hier Paradigmenwechsel abzuzeichnen, der eineflexiblere Handhabung des Spektrums zum Ziel hat. Die sehr starke Regulierung verhindertderzeit beispielsweise Technologien, die ermöglichen würden, dass sich zwei Notebooksüber kurze Distanz mit 10 GHz (kurze Welle für hohe Übertragungsrate auf kurzer Distanz)verbinden, der Link zum Internet aber auf 1 GHz stattfindet, um eine grössere Reichweite zuerzielen. Mehrere Entwicklungen regen hier Visionen an:

2.3.1 Frei werdende Frequenzbänder

Heute werden noch viele Fernseh- und Radioprogramme digital und analog ausgestrahlt.Während in der Schweiz die analoge Verbreitung von Fernsehprogrammen im November2007 eingestellt wurde19 (Deutschland: siehe Tabelle 20), wird EU-weit geplant, bis Ende 2012sämtlichen Rundfunk nur noch digital zu Verfügung zu stellen21. Da auf dem Frequenzband

17http://openbts.blogspot.com/2009/01/gpl-gsm-and-patents.html18http://www.gnu.org/licenses/gpl-3.0.html19http://www.sf.tv/unternehmen/comm.php?docid=20070416_dig20http://www.alm.de/fileadmin/forschungsprojekte/GSDZ/Digitalisierungsbericht_2010/Chartreport_Digitalisierungsbericht_2010.pdf21http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/05/595&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en

24

Page 25: Groups 2010.09: Free/Open Spectrum (Digital Sustainability)

2.3 Elektromagnetisches Frequenzspektrum

Abbildung 2.3: White Spaces im USA-TV-Rundfunk

eines analogen Senders heute vier bis fünf digitale Programme in besserer Qualität übertragenwerden können, werden künftig immer mehr Bereiche ungenutzt bleiben.

Dieses Phänomen beschränkt sich aber nicht nur auf den Rundfunk: Auch im Mobilfunkbe-reich wurden die Spektren des ehemaligen B- (1972 - 1994)22 und C-Netzes (1985 - 2000)23 freiund werden heute z. T. anders genutzt (Motorola Freenet24).

2.3.2 FCC-Entscheid zur Handhabung frei gewordener Frequenzbereiche

Die Federal Communications Commission ist die Behörde der USA, welche die Zulassung vonKommunikationsgeräten regelt. Ihr Spielraum liegt in der Auslegung der Normen, welchedurch ISO, ITU und Weitere festgelegt werden – also ähnlich dem der nationalen Regulierungs-behörden in Europa, nur dass die FCC ungleich einflussreicher ist. 25

Im September 2010 gab sie überraschend bekannt, dass die «white spaces» (nicht mehrgenutzten Stellen) im Frequenzband des Fernsehrundfunks künftig zur Mobilkommunikationfreigegeben werden können, nachdem aus Angst vor Interferenzen lange Zeit gezögert wurde26.Die FCC zeichnet dabei zusammen mit Google, Microsoft und Dell die Vision eines «WiFi onsteroids», das aufgrund von Geodaten und einer Frequenznutzungsdatenbank (inklusive sämt-licher Bühnen mit Funkmikrophonen!) die Signalstärke und Frequenznutzung selbständigregelt.

Da diese Frequenzen viel tiefer liegen (siehe Grafik 2.327) führt dies zu geringerem Pfad-verlust (siehe Seite 9) und somit – theoretisch – bis zu mehreren Kilometern Reichweite. DieDatenrate wird auf 15 - 20 MB/s geschätzt.28

22http://de.wikipedia.org/wiki/B%2DNetz23http://de.wikipedia.org/wiki/C%2DNetz24http://de.wikipedia.org/wiki/Freenet_(Funkanwendung)25http://de.wikipedia.org/wiki/Federal_Communications_Commission26http://skunkpost.com/news.sp?newsId=317127http://www.fcc.gov/jointconference/presentations/White_Space_Access_to_the_Future.pp28http://www.fcc.gov/oet/projects/tvbanddevice/Welcome.html

25

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2 Ab in die digitale Allmend

2.3.3 Open Spectrum

Die Open-Spectrum-Bewegung verfolgt einen noch radikaleren Ansatz: Ihr Ziel ist es, die«permission economy»29 zu verlassen und stattdessen auf eine grundsätzliche Regulierungdes Spektrums zu verzichten. Dies hört sich utopisch an, jedoch führen sie eine Argumentedafür ins Feld:

Exklusivität Die Prämisse, dass das elektromagnetische Spektrum eine begrenzte Resourceist, wird widerlegt: Fehlerkorrektur würden immer besser, so dass dieses «Gut» nicht knapper,sondern immer einfacher verfügbar wird. Zudem sei das Spektrum weder nach oben nochnach unten streng beschränkt. Als Beispiel dazu wird die Blast-Technologie von Bell genannt,die in Abschnitt 2.3.4 kurz erläutert wird.

Umstellung Neue Hardware wird beim Endbenutzer nötig. Diese soll die bisherigen Tech-nologien unterstützen («legacy mode»), und würde zugleich durch bessere Übertragungsraten(also bessere Bild- und Tonqualität) Kaufanreize setzen.

Interferenz Wie lässt sich verhindern, dass Interferenzen auftreten? Interferenz – bisherbehandelt als ob es ein Naturgesetz wäre – sei ein Überbleibsel aus der Funktechnologie desfrühen 20. Jahrhunderts. Anders als etwa Signaldämpfung durch Mauern ist sind Interferenzenkeine Verformung des Signals, sondern blosse Überlagerungen von zwei intakten Signalen,was mit heutiger Signalverarbeitung berücksichtigbar sei. So ist es nicht etwa deshalb schwer,bei zwei gleichzeitig sprechenden Personen etwas zu verstehen, weil die Schallwellen deseinen die des anderen verformen, sondern weil unser Gehirn dieses Feature schlichtweg nichtunterstützt.

2.3.4 Bells Blast – Breitfrequenzübertragung 30 31

Abbildung 2.4: Echos

Streuung von Wellen an Gebäuden und Autos wird in Städtenoft zum Problem: Das Signal trifft mehrfach zeitverzögert beimEmpfänger ein, da es auch auf «Umwegen» zum Ziel gelangt(siehe Abb. 2.4). Dass sich dieser Raumfaktor auch vorteilhaftausnutzen lässt, hat 1996 Gerard J. Foschini an den Bell Labo-ratories gezeigt.32

Anstelle einer einzelnen Sender- und Empfängerantenne tritthierbei ein Verbund von Antennen, welche durch kluge Signal-verarbeitung die Richtungen der Signale interpretieren können.

Dadurch werden nicht nur die «Echos» kompensiert, sondern gleichzeitig auch die Datenrate

29http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.64.6230&rep=rep1&type=pdf30http://en.wikipedia.org/wiki/Bell_Laboratories_Layered_Space-Time31http://www.nytimes.com/2003/01/16/technology/what-s-next-bouncing-signals-push-the-limits-of-

bandwidth.html32http://www.bell-labs.com/project/blast/

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massiv erhöht – und zwar umso stärker, je mehr Reflektionen auftreten. Bisher konnten Über-tragungsraten von 20 - 40 Bit/sHz (Bits pro Sekunde und Hertz genutzter Bandbreite) erreichtwerden. Im Bereich des derzeitigen 3G-Netzes wären so bis zu 20 MBit/s möglich. 33

3 Fazit

Was bedeutet mehr OpenSpectrum die zukünftige Entwicklung unserer Kommunikation? Wärein den drei Bereichen Frequenzbewirtschaftung, GSM-Netz und WLAN ein gemeinschaftlichesModell denkbar?

Wie man an Beispielen wie freifunk sieht, sind Maschennetzwerke zumindest für die «letz-te Meile» zwischen Internetprovider und Benutzer bereits machbar. Für die Skalierbarkeitbraucht es noch verbesserte Protokolle und zum Teil Gesetzesänderungen, um die Hemm-schwelle für neue Nutzer zu senken. Auch in schlecht erschlossenen Gebieten sind Maschen-netzwerke bereits eine nötige Erweiterung des «klassischen» Internets. Der Zugang zum Restder Welt über externe Provider bleibt jedoch in absehbarer Zeit ein Knackpunkt; denn Band-breite ist begrenzt und verhält sich wie ein materielles Gut.

OpenBTS öffnet Türen für Bastler und Mobilfunknetze in Extremst-Rand-Regionen. DieVermittlung von Anrufen ist aber bereits in Netzen mit wenigen Antennen derart komplex, dassdie Vision eines Community-GSM noch weit entfernt ist: Dezentrale Protokolle stecken erst inden Kinderschuhen. Der Massenmarkt wird sich zudem stets an der «Front» der technischenEntwicklung orientieren, die auch in Zukunft jeweils mit Patenten geschützt sein wird.

Ein Umbruch in der Spektrumsverwaltung bahnt sich an, wie der besprochene FCC-Entscheidzeigt – jedoch strikt in der «permission economy»: Deregulierungen werden bloss in einzelnenFrequenzbereichen Zugelassen, und auch dort nur unter gewissen Hardwareeinschränkungen(beschränkte Leistung). Ein dynamisches Open Spectrum, das die technischen Fortschritte vollausspielen kann, wird in den nächsten Jahrzehnten durch den «Rucksack» von alter Hardwaregebremst bleiben, die nach wie vor auf scharfe Trennung der Kanäle angewiesen ist. Geradein Strukturschwachen Ländern sind «veraltete» , aber konkurrenzlos günstige Systeme wieAM-Rundfunkt ein erstes Tor zur Welt, das nicht verschlossen werden darf.

Die Perspektiven bleiben also und faszinieren uns nach wie vor. Die Arbeit am Berichthat bei uns Spuren hinterlassen. Nicht nur, dass der nächste gekaufte Router mit offenerFirmware laufen wird – unser Blick auf geschlossene System ist auch geschärft. Alles was unsjetzt fehlt, ist der Versuch einer Implementation eines Mesh-Routing-Protokolls, um wiederBodenkontakt zu kriegen.

33http://www.nytimes.com/2003/01/16/technology/what-s-next-bouncing-signals-push-the-limits-of-bandwidth.html

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