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    Bericht über diemenschliche Entwicklung 2013

    Der Aufstieg des Südens:Menschlicher Fortschritt in einer ungleichen Welt

     

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    Der Bericht über die menschliche Entwicklung  

    2013 ist der neueste in der Reihe der Berichte,

    die seit 1990 vom Entwicklungsprogramm der

    Vereinten Nationen (UNDP) herausgegeben

    werden. Sie bieten unabhängige und empirisch

    fundierte Analysen entwicklungspolitischer

    Themen, Trends und Handlungskonzepte.

     Weitere Materialien im Zusammenhang mit dem

    Bericht über die menschliche Entwicklung  2013

    können folgender Internetseite entnommen wer-den: http://hdr.undp.org. Hier finden sich auch

    Volltexte und Zusammenfassungen des Berichts

    in mehr als 20 Sprachen. Darüber hinaus gibt

    es eine Sammlung von Forschungsarbeiten zur

    menschlichen Entwicklung, die für den Bericht

    von 2013 in Auftrag gegeben worden sind, inter-

    aktive Karten und Datenbanken zu nationalen

    Indikatoren der menschlichen Entwicklung, voll-ständige Erklärungen der Quellen und Methodo-

    logien, die für die Indizes der menschlichen

    Entwicklung des Berichts verwendet wurden,

    Länderprofile und andere Hintergrundmateria-

    lien sowie auch ältere globale, regionale und

    nationale Berichte über die menschliche Ent-

    wicklung.

    Die Berichte über die menschliche Entwicklungin deutscher Sprachfassung sowie weiteres

    deutschsprachiges Material finden Sie auf:

    www.dgvn.de/un-berichte.html

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    Empowered lives.Resilient n ations.

    Veröffentlicht ür das

    Entwicklungsprogramm

    der Vereinten Nationen(UNDP)

    Bericht über diemenschliche Entwicklung 2013

    Der Aufstieg des Südens:Menschlicher Fortschritt in einer ungleichen Welt

    Deutsche Gesellschaür die Vereinten Nationen(Deutsche Ausgabe)Berlin 2013

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    DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR DIE VEREINTEN NATIONEN e. V.Zimmerstraße 26/27D-10969 BerlinTelefon: (0 30) 25 93 75-0Telefax: (0 30) 25 93 75-29E-Mail: [email protected]: www.dgvn.deISBN 978-3-923904-71-6

    Originaltitel: Human Development Report 2013The Rise of the South:

    Human Progress in a Diverse World

    Copyright © 2013 United Nations Development Programme (UNDP)1 UN Plaza, New York, New York, 10017, USA

    Alle Rechte liegen beim Herausgeber. Ohne vorherige Genehmigung durch den Herausgeber dürfen keine Auszüge aus dieserPublikation angefertigt, reproduziert, archiviert oder übermittelt werden, auch nicht elektronisch, als Fotokopie, Aufnahme oder aufandere Weise.

    Design: Melanie Doherty Design, San Francisco, CA

    Der Druck und das verwendete Papier erfüllen die derzeit strengsten Umweltstandards. Die Umschlag– und Innenseiten sindgedruckt auf 100 Prozent recyceltem, chlorfreiem Altpapier, das mit dem Blauen Engel und FSC zertifiziert ist. KlimaneutralerDruck mit besonders umweltschonender Technologie. Zur Kompensation der ausgestoßenen Treibhausgase in Höhe von 2,5 TonnenCO2-Äquivalenten wurden zertifizierte Klimaschutzmaßnahmen im Rahmen eines Wasseraufbereitungsprojekts in Kenia gefördert.

    DEUTSCHE AUSGABE

    Übersetzung: Klaus Birker, AhrweilerAngela Großmann, BonnChristina Kamp, BonnGabriele Lassen-Mock, BerlinPetra Löffler, NiefernBernd Neidlein, Istanbul

    Redaktion: Michael Adrian, Ulrich Keller, Sabine Krieger-Matila

    Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für dieVereinten Nationen e.V. (DGVN), Berlin © 2013

    Satz: EMS Eckert Medienservice, Rheinbach

    Druck: Druckhaus Berlin-Mitte

    Vertrieb und Verlag: UNO-Verlag gGmbHim W.Bertelsmann Verlag (wbv)Auf dem Esch 4D-33619 BielefeldTel.: 00 49/52 19 11 01-13E-Mail: [email protected]: uno-verlag.de

    Die diesjährige deutsche Ausgabe des Berichts über die menschliche Entwicklung war nur dank der finanziellen Förderung durch dasBundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung möglich.

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    Team für den Bericht über die

    menschliche Entwicklung 2013Direktor und leitender AutorKhalid Malik

    Recherche und StatistikMaurice Kugler (Leitung Recherche), Milorad Kovacevic (Leitung Statistik), Subhra Bhattacharjee, Astra Bonini, CeciliaCalderón, Alan Fuchs, Amie Gaye, Iana Konova, Arthur Minsat, Shivani Nayyar, José Pineda und Swarnim Waglé

    Kommunikation und PublikationWilliam Orme (Leitung), Botagoz Abdreyeva, Carlotta Aiello, Eleonore Fournier-Tombs, Jean-Yves Hamel, Scott Lewisund Samantha Wauchope

    Nationale Berichte über die menschliche EntwicklungEva Jespersen (Stellvertretende Direktorin), Christina Hackmann, Jonathan Hall, Mary Ann Mwangi und Paola Pagliani

    Operative Abwicklung und VerwaltungSarantuya Mend (Leitung operative Abwicklung), Ekaterina Berman, Diane Bouopda, Mamaye Gebretsadik undFe Juarez-Shanahan

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    Vorwort

    Der  Bericht über die menschliche Entwicklung2013, „Der Austieg des Südens: MenschlicherFortschritt in einer ungleichen Welt“, betrach-tet die geopolitischen Entwicklungen unsererZeit, untersucht sich abzeichnende Fragestel-lungen und rends sowie die neuen Akteure,die die Entwicklungslandscha prägen.

    Der Bericht stellt est, dass die eindrucks- volle ransormation einer großen Anzahl vonEntwicklungsländern zu dynamischen großenVolkswirtschaten mit wachsendem politi-schen Einfluss erhebliche Auswirkungen auden Fortschritt der menschlichen Entwicklungausübt.

    Der Bericht konstatiert, dass während derletzten zehn Jahre alle Länder ihre Leistungenin den Dimensionen Bildung, Gesundheitund Einkommen, wie sie durch den Index dermenschlichen Entwicklung (HDI) gemessen

     werden, in solch einem Ausmaß gesteigert ha-ben, dass kein Land, ür das Daten vorliegen,im Jahr 2012 einen niedrigeren HDI-Wert

    hatte als im Jahr 2000. Da ür diesen Zeit-raum in Ländern mit niedrigerem HDI-Wertein schnellerer Fortschritt zu verzeichnen war,kam es zu einer merklichen Annäherung derHDI-Werte weltweit, obwohl sich der Fort-schritt in und zwischen den Regionen unein-heitlich abspielte.

    Mit besonderem Blick au die Länder, diezwischen 1990 und 2012 sowohl in der ein-kommens- als auch in der nicht-einkommens-bezogenen Dimension der menschlichen

    Entwicklung ihren HDI-Wert wesentlich er-höhten, untersucht der Bericht diejenigen Stra-tegien, die es ihnen ermöglichten, zu so einemguten Ergebnis zu kommen. Diesbezüglichleistet der Bericht von 2013 einen wesentlichenBeitrag ür das Nachdenken über Entwicklung,indem spezielle riebkräe der Entwicklungbeschrieben werden und indem Schwerpunkteeiner zukünigen Politik vorgeschlagen wer-den, die dabei helen könnten, solche Dynami-ken zu unterstützen.

    Laut der Zukuntsprognosen, die ür die-

    sen Bericht erstellt wurden, wird bis 2020 diegesamte Wirtschatsleistung von allein drei

    ührenden Entwicklungsländern – Brasilien,China und Indien – die Gesamtproduktion

     von Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien,dem Vereinigten Königreich und den Vereinig-ten Staaten übersteigen. Ein großer eil dieses

     Wachstums wird durch neue Handels- undechnologiepartnerschaen innerhalb des Sü-dens vorangetrieben, wie dieser Bericht außer-dem zeigt.

    Eine Hauptaussage dieses Berichts sowieauch rüherer Berichte über die menschlicheEntwicklung besteht jedoch darin, dass Wirt-schatswachstum sich nicht automatisch alsein Fortschritt der menschlichen Entwicklunginterpretieren lässt. Politische Maßnahmen ürArme und erhebliche Investitionen in die Be-ähigung von Menschen – indem ein Schwer-

     punkt au Bildung, Ernährung und Gesundheitsowie au ihre Qualifizierung ür Erwerbstätig-keit gelegt wird – kann den Zugang zu men-schenwürdiger Arbeit erweitern und nachhal-tigen Fortschritt ermöglichen.

    Der Bericht von 2013 benennt vier konkre-te Schwerpunktbereiche, um der EntwicklungDynamik zu verleihen: Gerechtigkeit ördern,auch im Bereich der Geschlechter; größeresMitspracherecht und Mitbestimmung vonBürgern ermöglichen, auch ür Jugendliche;dringliche Umweltprobleme angehen und demdemografischen Wandel begegnen.

    Da die globalen Herausorderungen ür Ent- wicklung immer komplexer und grenzüber-schreitender werden, weist der Bericht außer-

    dem darau hin, dass ein koordiniertes Vorge-hen bei den dringlichsten Herausorderungenunserer Zeit, egal ob es sich um Armutsbe-kämpung, Klimawandel oder Frieden undSicherheit handelt, unerlässlich ist. Da Länderdurch Handel, Migration sowie Inormations-und Kommunikationstechnologien zuneh-mend miteinander verbunden sind, überraschtes nicht, dass politische Entscheidungen, diean einer Stelle getroffen werden, beträchtlicheAuswirkungen an einer anderen Stelle haben.Die Krisen der letzten Jahre – bezüglich Ernäh-

    rung, Finanzen und Klima –, die das Leben so vieler Menschen zerstört haben, weisen darau

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    hin. Außerdem zeigen sie, wie wichtig es ist, da-ran zu arbeiten, die Anälligkeit von Menschenür Störälle und Katastrophen zu reduzieren.

    Um sich die Fülle an Wissen, Expertiseund Nachdenken über Entwicklung im Sü-den zunutze zu machen, ordert der Berichtneue Institutionen, die regionale Integrationund eine Süd-Süd-Kooperation ermöglichen.Austrebende Mächte unter den Entwick-lungsländern sind bereits jetzt Quellen voninnovativen sozial- und wirtschaspolitischenAnsätzen und wichtige Handels- und Investi-tionspartner und zunehmend auch Kooperati-onspartner in Entwicklungsragen ür andereEntwicklungsländer.

    Viele andere Länder im ganzen Süden hat-ten eine rasche Entwicklung zu verzeichnen,und ihre Erahrungen und ihre Süd-Süd-Ko-operation sind ebenalls eine Inspiration ürdie Entwicklungspolitik. UNDP kann hierbeieine nützliche Rolle als Vermittler von Wissenund von Partnern – Regierungen, Zivilgesell-

    schaen und multinationalen Unternehmen –spielen, um Erahrungen auszutauschen. Eineunserer Schlüsselunktionen besteht außerdemdarin, Lernen zu ermöglichen und Hile zurSelbsthile auszubauen. Dieser Bericht bietethilreiche Erkenntnisse ür unser zukünigesEngagement in Süd-Süd-Kooperationen.

    Schließlich ordert der Bericht dazu au,einen kritischen Blick au Global-Governan-ce-Institutionen zu weren, um eine gerechtereund gleichberechtigtere Welt voranzubringen.

    Er weist au veraltete Strukturen hin, die dieneuen ökonomischen und geopolitischen Re-alitäten, die wir beschreiben, nicht widerspie-geln, und zieht Möglichkeiten ür eine neueÄra der Partnerscha in Betracht. Er ordertaußerdem größere ransparenz und stärkereRechenschaspflicht und unterstreicht die Rol-le, die die globale Zivilgesellscha dabei spielt,hierür und ür eine größere Entscheidungs-beugnis derjenigen einzutreten, die durch dieglobalen Herausorderungen am direktestenbetroffen sind. Das sind o die ärmsten und

     wehrlosesten Menschen unserer Welt.Die Diskussion über Entwicklungsragen

     wird über das Jahr 2015 hinaus weltweit wei-tergeührt werden. Und so hoffe ich, dass vielesich die Zeit nehmen werden, diesen Berichtzu lesen und über seine Lehren ür unsere sichschnell wandelnde Welt nachzudenken. DerBericht verändert unser Verständnis vom ge-genwärtigen Zustand der globalen Entwick-lung und zeigt, wie viel man aus den Erahrun-

    gen des raschen Entwicklungsortschritts in so vielen Ländern des Südens lernen kann.

    Helen Clark

     AdministratorinEntwicklungsprogramm derVereinten Nationen

    Vorwort | v

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    Danksagungen

    Der  Bericht über die menschliche Entwicklungist ein Gemeinschaswerk des Entwicklungs-

     programms der Vereinten Nationen (UNDP),des Büros ür den Bericht über die menschlicheEntwicklung (HDRO) und vieler geschätzterexterner Berater und Mitwirkender. Dennochsind die Ergebnisse, Analysen und politischenEmpehlungen dieses Berichts, wie auch rühe-rer Berichte, allein diejenigen der Autoren.Die Veröffentlichung dieses Berichts im März2013 stellt eine Rückkehr zum ursprünglichenZeitplan des Berichts über die menschlicheEntwicklung dar, bei dem er weltweit im ersteneil des Jahres veröffentlicht wird. Durch die-sen ermin ist es möglich, dass die zusammen-gesetzten Indizes des Berichts die aktuellstenstatistischen Indikatoren beinhalten und dassmehr Möglichkeiten geschaffen werden, dieHauptergebnisse und -botschaen des Berichts

     während des Jahres zu diskutieren.Mahbub ul Haq unterstützte die Erstellung

    dieses Berichts, indem er die ersten Berichte

    über die menschliche Entwicklung einer ge-nauen Durchsicht unterzog. In diesem Sinnebeginnt der Bericht mit einer Darstellung desgegenwärtigen „Zustands der menschlichenEntwicklung“, indem die hauptsächlichenrends und Fragestellungen zur menschli-chen Entwicklung heute in der Welt betrach-tet werden. Der Bericht profitierte außerdemstark von der klugen Beratung durch AmartyaSen und Frances Stewart, enge MitarbeiterMahbubs, die dankenswerterweise sowohl

    entscheidende Ratschläge als auch Beiträge inschrilicher Form zur Verügung stellten. Wir reuen uns, dass dieser Bericht Namens-

    beiträge unter anderem des Bürgermeisters von New York Michael Bloomberg, des Präsi-denten der Japan International CooperationAgency, Akihiko anaka, und des Entwick-lungsministers der ürkei, Cevdet Yılmaz,enthält. Wir danken besonders den Autorender Forschungsarbeiten, die vom HDRO inAurag gegeben worden sind, die einen wich-tigen Beitrag dabei leisteten, dass wir die anzu-

    gehenden Fragen besser verstehen: Fred Block,Nader Fergany, Ilene Grabel, Khalil Hamdani,

    Patrick Heller, Barry Hughes, Inge Kaul,Peter Kragelund, Shiva Kumar, WolgangLutz, Deepak Nayyar, Leonce Ndikumana undNgaire Woods.

     Während der gesamten Erstel lung desBerichts erhielten wir unschätzbar wertvol-le Erkenntnisse und Ratschläge von unseremhervorragenden Beratungsgremium, besonders

     von Edward S. Ayensu, Cristovam Buarque,Michael Elliott, Jayati Ghosh, Patrick Guillau-mont, Nanna Hvidt, Rima Khala, NoraLustig, Sir James Alexander Mirrlees, RajendraK. Pachauri, Samir Radwan, Rizal Ramli,Gustav Ranis, Frances Stewart, Miguel Székelyund Kandeh K. Yumkella.

     Wir danken außerdem dem Statistikergremi-um des HDRO, das uns achkundigen Rat zuMethodologien und zur Datenauswahl ür dieBerechnung der Indizes der menschlichen Ent-

     wicklung ür diesen Bericht zur Verügung stell-te: Anthony Atkinson, Rachid BenmokhtarBenabdellah, Enrico Giovannini, Peter Harper,

    Anthony K.M. Kilele, Ben Paul Mungyereza,Hendrik Van der Pol, Marcia Quintsler undEduardo Sojo Garza-Aldape.

    Die zusammengesetzten Indizes des Berichtsund andere statistische Quellen stützen sichau die Fachkenntnis der ührenden interna-tionalen Datenanbieter in ihren Spezialgebie-ten. Und wir danken ihnen außerdem ür ihrekontinuierliche kollegiale Zusammenarbeit mitdem eam ür den Bericht über die menschli-che Entwicklung. Für die Gewährleistung von

    Exaktheit und Klarheit profitierte die statisti-sche Analyse des Berichts außerdem von einerexternen Überprüung der statistischen Ergeb-nisse durch Akmal Abdurazakov, Sabina Alkire,Virginija Cruijsen, Kenneth Harttgen undClaudio Montenegro.

    Die Beratungstreffen, die weltweit währendder Erstellung des Berichts abgehalten wurden,

     waren au die Unterstützung vieler Institutio-nen und Einzelpersonen angewiesen, die hiernicht alle augeührt werden können. Die Kon-sultationen anden zwischen September 2011

    und Juni 2012 in Addis Abeba, Bonn, Brasilia,Colombo, Gen, New York, Rabat, Santiago

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    und okio statt. Für die Unterstützung durchPartnerinstitutionen, einschließlich der UNDP-Landes- und Regionalbüros, augelistet unterhttp://hdr.undp.org/ en/reports/hdr2013/consultations, sind wir sehr dankbar.

    Viele unserer UNDP-Kollegen weltweit– wie die HDRO-Lesergruppe und die Exe-kutivgruppe – lieerten Erkenntnisse von un-schätzbarem Wert ür die Erstellung des Be-richts und die Fertigstellung der endgültigenVersion. Ganz besonders möchten wir unshierür bei Adel Abdellati, Ajay Chibber,Pedro Conceição, George Gray Molina, RebecaGrynspan, Selim Jehan, Olav Kjørven, NataliaLinou, Kamal Malhotra, Abdoulaye Mar Dieye,Charles McNeill, Shantanu Mukherjee, HeraldoMuñoz, Madi Musa, hangaval Palanivel,Anuradha Rajivan, urhan Saleh, HeatherSimpson, Ben Slay, Mounir abet, AntonioVigilante und Kanni Wignaraja bedanken.

    Etliche fleißige und begabte junge Kollegenleisteten durch die genaue Prüung der Fakten

    des Berichts ihren Beitrag. Darunter sind PhilipBastian, Joshua Greenstein, Ni Gu, Diana

     Jimenez , Wanshan Li, Veronica Postal undAlyssa Vladimir zu nennen.

    Der Bericht wurde durch viele „Freunde desHDRO“ bereichert, die keine Mühen scheu-

    ten, dabei zu helen, ihn zu vervollkomm-nen. Wir bedanken uns bei Frances Stewartund Jomo Kwame Sundaram ür die kritischeDurchsicht des Berichtentwurs und bei KhalilHamdani, Shiva Kumar, erry McKinley, PedroConceição und Peter Stalker ür die eingehendeÜberprüung des Berichts. Desweiteren dan-ken wir unseren Herausgebern von Commu-nications Development Incorporated unter Lei-tung von Bruce Ross-Larson und unter Mitar-beit von Meta de Coquereaumont, Christopherrott und Elaine Wilson sowie der DesignerinMelanie Doherty ür ihre sorgältige Arbeit.

    Doch vor allem bin ich dem HDRO-eam ürsein Engagement und seinen Einsatz dankbar,denn es hat einen Bericht geschaffen, der denhöchsten wissenschatlichen Anorderungengerecht wird.

    Khalid Malik

     Direktor Büro ür den Bericht überdie menschliche Entwicklung 

    Danksagungen | vii

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    InhaltVorwort ivDanksagungen vi

    Überlick 1Einleitung 15

    KAPITEL 1

    Der Stand der menschlichen Entwicklung 27

    Fortschritte auf der nationalen Ebene 29

    Soziale Integration 44

    Menschliche Sicherheit 48

    KAPITEL 2

    Ein globalerer Süden 53Neugewichtung: eine globalere Welt, ein globalerer Süden 53

    Impulse durch menschliche Entwicklung 61

    Innovationen und Unternehmertum im Süden 66

    Neue Formen der Kooperation 68

    In unsicheren Zeiten Fortschritte aufrechterhalten 73

    KAPITEL 3

    Triebkräfte der Entwicklung 77

    Triebkraft 1: Ein proaktiver Entwicklungsstaat 80

    Triebkraft 2: Erschließung globaler Märkte 90Triebkraft 3: entschlossene sozialpolitische Innovationen 94

    KAPITEL 4

    Die Dynamik aufrechterhalten 107

    Politische Prioritäten für die Entwicklungsländer 107

    Modelle von Demografie und Bildung 119

    Auswirkungen einer älter werdenden Bevölkerung 124

    Eine ehrgeizige Politik ist erforderlich 124

    Die Gelegenheit nutzen 126

    KAPITEL 5

    Governance und Partnerschaften für ein neues Zeitalter 129

    Eine neue globale Sichtweise öffentlicher Güter 130

    Bessere Repräsentation des Südens 134

    Die globale Zivilgesellschaft 136

    Auf dem Weg zu einem kohärenten Pluralismus 138

    Verantwortliche Souveränität 143

    Neue Institutionen, neue Mechanismen 144

    Fazit: Partner in einem neuen Zeitalter 147

    Endnoten 153

    Bibliografie 161

    STATISTISCHER ANHANG

    Anleitung für den Leser 170

    HDI 2012: Schlüssel zu den Ländern und Rangstufen 175

    Statistische Tabellen

    1 Index der menschlichen Entwicklung mit Einzelkomponenten 176

    2 Trends des Indexes der menschlichen Entwicklung, 1980-2012 180

    3 Ungleichheit einbeziehender Index der menschlichen Entwicklung 184

    4 Index der geschlechtsspezifischen Ungleichheit 188

    5 Index der mehrdimensionalen Armut 192

    6 Verfügung über Ressourcen 194

    7 Gesundheit 198

    8 Bildung 202

    9 Integration in die Gesellschaft 206

    10 Internationale Handelsströme (Waren und Dienstleistungen) 210

    11 Internationale Kapitalströme und Migration 21412 Innovation und Technologie 218

    13 Umwelt 222

    14 Bevölkerungstrends 226

    Regionen 230

    Statistische Referenzen 231

    Technischer Anhang:Erläuterungen zu den für den HDR 2013 durchgeführten Prognosen 232

    KÄSTEN

    1.1 Fairness, Makroökonomie und menschliche Entwicklung 28

    1.2 Kurzfristige Kürzungen haben langfristige Folgen: steigende Fertilität in Afrika 281.3 Was bedeutet es, ein Mensch zu sein? 30

    1.4 Subjektive Indikatoren des Wohlbefindens: verbesserte Akzeptanz inWissenschaft und Politik 35

    1.5 Ungleichheit hemmt die menschliche Entwicklung 38

    1.6 Bildungsqualität: Fortschritte gemäß dem Programme forInternational Student Assessment (PISA) 41

    1.7 Soziale Kompetenzen: menschliche Entwicklung jenseits des Individuums 46

    1.8 Strukturelle Dimensionen der Armut 47

    2.1 Die Integration des Südens in die Weltwirtschaft und die menschlicheEntwicklung 54

    2.2 Übernahmen von Marken aus dem Norden durch den Süden 58

    2.3 Was sie verbindet: die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Nord und Süd 592.4 Mobiltelefone und der Palapa-Ring: Indonesien verbinden 61

    2.5 Menschenwürdige Arbeit in einer von Konkurrenz geprägten Welt 63

    2.6 Bei der Endmontage geht es um mehr als um Niedriglöhne 64

    2.7 Brasilien, China und Indien sind in Sambia aktiv 70

    3.1 Die Geschichte und die Ausgangsbedingungen spielen eine Rolle,doch sie werden nicht zum Verhängnis 79

    3.2 Was ist ein Entwicklungsstaat? Muss er autoritär sein? 81

    3.3 Japan und die Dreieckskooperation 83

    3.4 Investitionen in die Landwirtschaft 84

    3.5 Osteuropa und Zentralasien: wo Norden und Süden zusammentreffen 85

    3.6 Indiens oberstes Gericht fällt ein progressives Urteil: Pflichtplätze fürbenachteiligte Kinder in Privatschulen 97

    3.7 Bangladesch macht dramatische Fortschritte bei den Überlebensquotenvon Kindern 99

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    3.8 Stärkung der sozialen Sicherung in der Türkei 102

    3.9 An Bedingungen geknüpfte Transferzahlungsprogramme und MexikosOportunidades-Programm 103

    3.10 Warum New York City sich im Süden politischen Rat für eineAnti-Armutspolitik geholt hat 104

    4.1 Warum die Bevölkerungsentwicklungen in der Republik Korea und in Indienvoraussichtlich unterschiedlich verlaufen werden 108

    4.2 China und Ghana: Wer profitiert von der demografischen Dividende? 122

    5.1 Die fließende Grenze zwischen öffentlich und privat im Verkehrswesen 130

    5.2 Globale Demokratie durch ein Weltparlament? 138

    5.3 Regionale Finanzierung in Asien: die Chiang-Mai-InitiativeMultilateralisation und die Asiatische Entwicklungsbank 140

    5.4 Die CAF: eine lateinamerikanische Entwicklungsbank 142

    GRAFIKEN

    1 Fortschritte beim Wachstum des HDI 162 Mehr als 40 Länder des Südens erfuhren seit 1990 erheblich

    höhere Zuwächse beim HDI, als auf Grundlage der vorherigen Entwicklungihres HDI prognostiziert worden wäre 17

    3 Brasilien, China und Indien: Gesamtanteil an der Weltproduktion 1950 noch10 Prozent, bis 2050 Anstieg auf 40 Prozent prognostiziert 18

    4 Die Mittelschicht im Süden wird Prognosen zufolge weiter wachsen 19

    5 Der exponentielle Zuwachs der Internetnutzung im Süden war imletzten Jahrzehnt am deutlichsten 20

    6 Mindestens 15 Entwicklungsländer unterhalten substanzielle Handelsbeziehun-gen mit mehr als 100 Handelspartnern, als Exporteure wie auch als Importeure 21

    7 Offizielle Devisenreserven nach Ländergruppen 23

    1.1 Das Einkommen pro Kopf steigt in allen vier HDI-Gruppen inunterschiedlichem Maß 33

    1.2 Afrika südlich der Sahara verzeichnete im letzten Jahrzehnt dauerhaftesEinkommenswachstum 33

    1.3 Je niedriger der HDI, desto größer der Unterschied zwischenEinkommensarmut und mehrdimensionaler Armut 36

    1.4 Was den Unterschied zwischen Einkommensarmut und mehrdimensionalerArmut betrifft, weichen Länder recht stark voneinander ab 37

    1.5 Verluste aufgrund von Ungleichheit beim HDI und seinen Komponenten 39

    1.6 Die meisten Regionen verzeichnen zunehmende Ungleichheit in Bezug aufEinkommen und rückläufige Ungleichheit in Bezug auf Gesundheit und Bildung 40

    1.7 Wenige Länder verfügen sowohl über einen hohen HDI als auch über einenniedrigen ökologischen Fußabdruck, was eine Voraussetzung für nachhaltige

    menschliche Entwicklung ist 441.8 Entwicklung geht nicht immer mit einem Anstieg der Militärausgaben einher 50

    2.1 Der Süd-Süd-Handel als Anteil am Weltwarenhandel hat sich im Zeitraum 1980bis 2011 mehr als verdreifacht, während der Nord-Nord-Handel zurückging 56

    2.2 Ausländische Direktinvestitionen in und aus dem Süden steigen seit den1990ern rasch an 57

    2.3 Zwischen 2000 und 2010 betrug in 60 Entwicklungsländern der jährlicheZuwachs der Internetnutzung über 30 Prozent 60

    2.4 Ausfuhreinnahmen pro Kopf und menschliche Entwicklung stehen ineinem direkten Zusammenhang 62

    2.5 Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen den aktuellenAuslandsinvestitionen und den Errungenschaften bei Gesundheit undBildung in früheren Jahren 63

    2.6 Schwellenländer haben seit 1995 hohe Devisenreserven aufgebaut 71

    3.1 Mehrere Länder haben sowohl bei den nicht-einkommensbezogenen als auchbei den Einkommensdimensionen des HDI gut abgeschnitten 77

    3.2 Zwischen dem aktuellen HDI und früheren öffentlichen Ausgaben gibt eseine positive Korrelation… 86

    3.3 … ebenso wie zwischen den aktuellen Überlebensquoten von Kindern undfrüheren öffentlichen Gesundheitsausgaben 86

    4.1 Beim beschleunigten Szenario werden die Bildungsergebnisse gefördert 113

    4.2 In den meisten Ländern hat das Arbeitsplatzangebot nicht mit demgestiegenen Bildungsniveau Schritt gehalten 114

    4.3 Auf jedem Niveau des Index‘ der menschlichen Entwicklung habeneinige Länder eine höhere Kohlenstoffproduktivität als andere 116

    4.4 Unterschiedliche Umweltszenarien haben unterschiedliche Auswirkungenauf die extreme Armut 118

    4.5 Bildungspolitische Maßnahmen können den Abhängigkeitsquotientenverändern 120

    4.6 Der Alterungsprozess der Bevölkerung geht in Entwicklungsländern raschervonstatten 123

    4.7 Die Aussichten für die menschliche Entwicklung im Jahr 2050 sind

    beim Szenario mit beschleunigten Fortschritten besser, insbesondere fürLänder mit niedrigem HDI 123

    4.8 Die Erfolge bei der menschlichen Entwicklung bis 2050 sind beim Szenariomit beschleunigten Fortschritten größer 124

    4.9 Beim BIP pro Kopf gibt es beim Szenario mit beschleunigten Fortschrittenbis 2050 besonders große Fortschritte 125

    5.1 Gemäß dem Szenario eines beschleunigten Fortschritts werden die größtenSteigerungen beim Index der menschlichen Entwicklung für Afrika südlichder Sahara und Südasien prognostiziert 145

    5.2 Würde man einen kleinen Bruchteil der internationalen Reserven der neunG20-Länder des Südens bereitstellen, so würde dies beträchtliche zusätzlicheMittel für Infrastrukturinvestitionen der öffentlichen Hand in Afrika südlichder Sahara und Südasien bedeuten 146

    KARTEN

    1.1 Lateinamerika und Afrika südlich der Sahara haben die höchsten Mordraten 49

    2.1 Thailands Zuwächse beim Export, 1995–2011 55

    TABELLEN

    1.1 HDI und Komponenten nach Regionen und HDI-Gruppen, 2012 31

    1.2 Die führenden fünf Länder, deren HDI-Rang 2012 höher war als ihr Rangbeim Bruttonationaleinkommen pro Kopf 34

    1.3 Ungleichheit und Zufriedenheit mit der Wahlfreiheit sowie der Gemeinschaft 45

    2.1 Handel der am wenigsten entwickelten Länder mit China, 2000/2001und 2010/2011 56

    2.2 Verschiedene Modelle von Entwicklungspartnerschaften 69

    3.1 Ausgewählte Entwicklungsländer mit großer Verringerung des HDI-Defizits oderhohen Wachstumsraten des Bruttonationaleinkommens pro Kopf, 1990–2012 78

    3.2 Anteil der Weltexporte von Gütern und Dienstleistungen der Länder,die einen hohen Grad an menschlicher Entwicklung erreicht haben,1985 bis 1990 und 2005 bis 2010 91

    4.1 Sterblichkeitsrate bei unter Fünfjährigen und Gesamtfruchtbarkeitsrate inausgewählten Ländern, gemessen am Bildungsniveau der Mütter 110

    4.2 Geschätzte Anzahl von Todesfällen bei Kindern unter fünf Jahren, je nachBildungsszenario, 2010 bis 2015, 2025 bis 2030, 2045 bis 2050 111

    4.3 Veränderungen der extremen Einkommensarmut beimUmweltkatastrophenszenario nach Regionen, 2010 bis 2050 118

    4.4 Trends beim Abhängigkeitsquotienten in ausgewählten Ländern, 1970 bis 2050 1214.5 Anzahl der Menschen in extremer Armut nach Region und in ausgewähltenLändern, beim Basisszenario und beim Szenario mit beschleunigtenFortschritten, 2010 bis 2050 126

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    „Wenn wir alle auf Sicherheitspielen, schaffen wir eine

    Welt größter Unsicherheit.“Dag Hammarskjöld

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    Überblick

    Es ist außerordentlich ermutigend, dass viele Entwicklungsländer in den letzten Jahren große Fortschritte auf dem Gebietder menschlichen Entwicklung verzeichnen und sich als Akteure auf der globalen Bühne etablieren konnten. Dieser „Aufstiegdes Südens“, der zu einer wachsenden Vielfalt der Stimmen und Machtfaktoren geführt hat, stellt die Grundsätze infrage,die bisher als Richtschnur der politischen Entscheidungsträger und als Triebfeder für die wichtigsten nach dem ZweitenWeltkrieg entstandenen Institutionen galten. Stärkere Stimmen aus dem Süden verlangen repräsentativere Strukturen derinternationalen Governance, die die Grundsätze von Demokratie und Gerechtigkeit verkörpern.

    Ebenso wichtig ist, dass in vielen Entwicklungs-ländern neue Überlegungen dazu angestellt

     werden, wie menschliche Entwicklung zu er-reichen ist. Der Austieg des Südens resultiertenicht aus der Einhaltung eines estgeschriebe-nen Katalogs politischer Handlungsvorschri-ten. Er ist vielmehr pragmatischen politischenAnsätzen zu verdanken, die au lokale Gege-benheiten und Chancen reagieren. Dazu ge-hören die Stärkung der entwicklungsördern-den Rolle des Staates, das Eintreten ür dieVerbesserung der menschlichen Entwicklung(namentlich durch Förderung von Bildung undsozialer Wohlahrt) sowie Offenheit ür Han-del und Innovationen. Allerdings werden kün-

    tige Fortschritte auch davon abhängen, dass die politischen Entscheidungsträger sich intensivmit Fragen wie Gerechtigkeit, Mitsprache undRechenschaspflicht, Umweltrisiken und de-mografischen Veränderungen beassen.

     Während der letzten Jahrzehnte erreichten viele Länder überall au der Welt ein höheresNiveau der menschlichen Entwicklung. Diesgeht aus dem Index der menschlichen Entwick-lung (Human Development Index – HDI)hervor, einer Messgröße, die sich aus Indika-

    toren in drei Dimensionen zusammensetzt:Lebensdauer, Bildungsstand und Verügungüber die ür ein menschenwürdiges Leben be-nötigten Ressourcen. Alle Gruppen und Regi-onen verzeichneten erhebliche Verbesserungenbei allen HDI-Komponenten, wobei Ländermit niedrigem und mittlerem HDI schnellereFortschritte erzielten. Unter dieser Perspektivehat sich die weltweite Ungleichheit verringert.Dennoch verbergen sich hinter nationalenDurchschnittswerten große Abweichungen inBezug au die Lebenserahrungen der einzel-

    nen Menschen. Im Norden wie im Süden gibtes nach wie vor große innerstaatliche Dispari-

    täten; innerhalb vieler Länder sowie im Län-dervergleich hat die Einkommensungleichheitzugenommen.

     Während also die meisten Entwicklungslän-der recht erolgreich waren, gibt es eine großeGruppe von Ländern, die sich besonders her-

     vorgetan haben, sodass hier von einem „Au-stieg des Südens“ gesprochen werden kann.Rasche Fortschritte verzeichneten einige dergrößten Länder, namentlich Brasilien, China,Indien, Indonesien, Südarika und die ürkei.Aber auch in kleineren Volkswirtschaen wieBangladesch, Chile, Ghana, Mauritius, Ruanda,und unesien gab es beträchtliche Fortschritte.

    Dieser Austieg des Südens vollzog sich in

    beispielloser Geschwindigkeit und in einem niezuvor erlebten Ausmaß. So begann der gegen-

     wärtige Wirtschasauschwung in China undIndien bei einer Bevölkerungszahl von rundeiner Milliarde Menschen in jedem Land undührte in weniger als 20 Jahren zu einer Ver-doppelung der Wirtschasleistung pro Kop–ein wirtschatlicher Kratakt, von dem eine

     viel größere Bevölkerung betroffen ist, als diesbei der Industriellen Revolution der Fall war.1 Prognosen zuolge werden im Jahr 2050 Brasi-

    lien, China und Indien zusammengenommen40 Prozent der Weltproduktion (in Kaura- paritäten) erbringen.

    In einer Zeit großer Ungewissheiten bildendie Länder des Südens eine kollektive Stützeür das Wachstum der Weltwirtscha, ziehenandere sich entwickelnde Volkswirtschatenmit und tragen in großem Umang zur Verrin-gerung der Armut und Erhöhung des Wohl-stands bei. Noch sehen sie sich großen Heraus-orderungen gegenüber, und viele der Armender Welt leben hier. Aber sie haben gezeigt,

     wie durch pragmatische Politik und ein klaresBekenntnis zur menschlichen Entwicklung die

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    in ihren Volkswirtschaen schlummernden Po-tenziale erschlossen werden können, erleichtertdurch die Globalisierung.

    Eine sich ändernde Welt, einstärker globalisierter Süden

    Bei flüchtiger Betrachtung könnte die Situationim Jahr 2013 wie eine Geschichte zweier Wel-ten wirken: Ein erstarkender Süden, am deut-lichsten sichtbar in Ländern wie China undIndien, wo die menschliche Entwicklung großeFortschritte macht, das Wachstum weiterhinrobust erscheint und die Aussichten au eineVerringerung der Armut ermutigend sind; undein in der Krise befindlicher Norden, wo Spar-

     politik und ehlendes Wirtschaswachstum zugroßen Härten ür Millionen von Arbeitslosenund anderen Menschen ühren, die angesichtsunter Druck geratener Sozialhilesysteme kei-ne Unterstützung mehr erhalten. Es gibt aberauch tieergehende Probleme, unter denen derNorden und der Süden gleichermaßen leiden:

     wachsende Ungleichheit in entwickelten eben-so wie in Entwicklungsländern, die den globa-

    len Wiederauschwung und die Nachhaltigkeitküniger Fortschritte bedroht und die Verrin-gerung der Armut behindert, sowie ernsthaeUmweltsorgen.

    Zwar stehen der Austieg des Südens unddie sich daraus ergebenden Konsequenzen ürdie menschliche Entwicklung im Mittelpunktdieses Berichts, aber es geht darin auch um dieVeränderungen unserer Welt, die im Wesent-lichen au den Austieg des Südens zurückzu-ühren sind. Der Bericht untersucht die erziel-

    ten Fortschritte, die autretenden Probleme(die zum eil gerade durch diesen Erolg ver-ursacht werden) und die sich abzeichnendenMöglichkeiten ür eine repräsentative globaleund regionale Governance.

    Die itelgeschichte über einen erstarkendenSüden ist ermutigend, aber in gewisser Wei-se auch irreührend. Der Süden braucht denNorden, und zunehmend braucht der Nordenauch den Süden. Die Vernetzung der Welt wirdstärker, nicht schwächer. In den letzten Jahren

     war eine bemerkenswerte Neuausrichtung der

     weltweiten Produktion zu beobachten, von derein erheblich größerer eil in den internatio-

    nalen Handel floss: 2011 erreichte sein Anteilan der Weltproduktion ast 60 Prozent. Dabeispielten die Entwicklungsländer eine wichtige

    Rolle. Zwischen 1980 und 2010 erhöhte sichihr Anteil am weltweiten Warenhandel von 25au 47 Prozent, ihr Anteil an der globalen Pro-duktionsleistung stieg von 33 au 45 Prozent.Die Entwicklungsregionen verstärkten auchihre Wirtschasbeziehungen untereinander:Der Anteil des Süd-Süd-Handels am weltwei-ten Warenaustausch, der 1980 noch bei unteracht Prozent gelegen hat, erreichte bis 2011mehr als 26 Prozent.

    Dennoch sind die Vereinigten Staaten nach wie vor die größte Volkswirtscha der Welt,und dies wird auch in absehbarer Zukun sobleiben. Wenn der amerikanische Wiederau-schwung nicht vorankommt und Europa un-ähig ist, seine gegenwärtigen wirtschalichenund sozialen Schwierigkeiten zu überwinden,

     wird dies in einem Dominoeffekt auch spürba-re Auswirkungen au die Entwicklungswelt ha-ben. Globale Herausorderungen wie der Kli-mawandel und die Belastung der Ökosystememachen eine noch stärkere Zusammenarbeitder Länder unerlässlich. Während der Austieg

    des Südens in vielen wichtigen Aspekten dieMachtverhältnisse verändert, wird es schwie-riger werden, die hart erkämpen Fortschritteau dem Gebiet der menschlichen Entwick-lung zu bewahren, wenn die Zusammenarbeit

     versagt und schwierige Entscheidungen au dielange Bank geschoben werden.

    Man kann sogar noch weiter gehen und be-haupten, dass es einen „Süden“ im Norden undeinen „Norden“ im Süden gibt. Die Eliten,gleich ob im Norden oder im Süden, sind heu-

    te immer stärker globalisiert und vernetzt, undsie profitieren am meisten von dem enormen Wohlstand, der während der letzten zehn Jah-re geschaffen wurde, unter anderem durch diebeschleunigte Globalisierung. Sie erhalten ihreAusbildung an den gleichen Universitäten, siehaben einen ähnlichen Lebensstil und teilenmöglicherweise ähnliche Werte.

    Die Veränderungen der Weltwirtscha üh-ren zu ungeahnten Herausorderungen undChancen im Hinblick au weitere Fortschrittebei der menschlichen Entwicklung. Die glo-

    balen wirtschalichen und politischen Struk-turen befinden sich im Umbruch, und dies zu

    Der Süden braucht denNorden, und zunehmend

    braucht der Nordenauch den Süden. Die

    Vernetzung der Welt wirdstärker, nicht schwächer

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    einem Zeitpunkt, an dem die Welt mit wieder-kehrenden Finanzkrisen, einem sich verschär-enden Klimawandel und wachsenden sozialen

    Unruhen konrontiert ist. Die globalen Institu-tionen scheinen weder in der Lage zu sein, sichau veränderte Machtverhältnisse einzustellen,noch eine angemessene Versorgung mit globa-len öffentlichen Gütern zur Bewältigung derglobalen und regionalen Herausorderungenzu gewährleisten oder dem wachsenden Bedaran größerer Gerechtigkeit und NachhaltigkeitRechnung zu tragen.

    Aus diesem Phänomen sowie den unter-schiedlichen Entwicklungspaden, die Länderaus dem Süden eingeschlagen haben, ergibtsich eine Chance. Die Grundsätze, von denensich die nach dem Zweiten Weltkrieg gescha-enen Institutionen und die politischen Ent-scheidungsträger leiten ließen, müssen neugewichtet, wenn nicht sogar grundlegend um-gestaltet werden, um der wachsenden Vielaltder Stimmen und Machtaktoren gerecht zu

     werden und langristige Entwicklungsort-schritte sicherzustellen. Diese Grundsätzemüssen neu überdacht werden, und die globa-len Institutionen benötigen größere Flexibili-

    tät, um verstärkt darau hinzuwirken, dass dieMenschen in den Mittelpunkt gestellt werdenund das Ziel einer aireren und gerechteren

     Welt mit größerem Nachdruck verolgt wird.Die zunehmende Vielalt der Entwicklungs-muster bietet die Möglichkeit, die Vorausset-zungen ür einen solchen globalen Dialog unddie entsprechende Umstrukturierung zu scha-en, ja sogar die Nachrage danach zu ördern.Es gibt also Spielraum ür Innovation und dieSchaffung von Rahmenbedingungen ür glo-

    bale, regionale und nationale Governance, diedie Grundsätze von Demokratie, Gerechtigkeitund Nachhaltigkeit verkörpert.

    Die von Brasilien, China und Indien einge-schlagenen Entwicklungspade sowie die weni-ger bekannten Erolgsgeschichten von Ländern

     wie Bangladesch, Mauritius und der ürkei ha-ben die Überlegungen, wie menschliche Ent-

     wicklung zu erreichen ist, verändert. Der Erolgdieser Länder stellt die Vorstellung, es gäbe hierdie eine „richtige“ Politik, inrage, was jedochnicht bedeutet, dass aus den Erahrungen die-

    ser erolgreichen Länder nicht wertvolle Er-kenntnisse zu ziehen wären. Im Gegenteil, aus

    der Vielalt der Entwicklungspade beginnensich entscheidende riebkräe und wichtigeGrundsätze ür die Entwicklung herauszukris-

    tallisieren. Dazu gehören unter anderem dieVerstärkung der entwicklungsördernden Rolledes Staates, das Eintreten ür menschliche Ent-

     wicklung und soziale Wohlahrt sowie Offen-heit ür Handel und Innovation. Der Berichterkennt die positiven Aspekte des Austiegsdes Südens an, er unterstreicht aber auch, dassunbedingt daür gesorgt werden muss, dass dieAnliegen Gerechtigkeit und Nachhaltigkeitumassend in die künigen politischen Kon-zepte und Strategien eingebunden werden. Wieschon der Bericht über die menschliche Entwick-lung   2011 betonte, werden kontinuierlicheEntwicklungsortschritte kaum zu erreichensein, wenn nicht Ungleichheit und Umweltzer-störung in der politischen Debatte an vorders-ter Stelle stehen. Im schlimmsten Fall könnteein von Umweltkrisen begleiteter „Business asusual“-Ansatz in der Entwicklung die im Sü-den erzielten Fortschritte bei der menschlichenEntwicklung zunichtemachen oder geährden.

    Sorgen über die Zukun macht man sichauch im Norden, wo geringes Wirtschats-

     wachstum, hohe Arbeitslosigkeit sowie Spar-maßnahmen den bislang hohen Stand dermenschlichen Entwicklung geährden. ImNorden wie im Süden können es sich dieherrschenden Eliten nicht mehr leisten, die-se Bedrohung der sozialen Inklusion und dersozialen Wohlahrt zu ignorieren, denn dieForderungen nach Fairness und Rechenschas-

     pflicht, die von Bürgern, Gemeinwesen undzivilgesellschalichen Organisationen im In-und Ausland erhoben und durch die explosi-

    onsartig wachsenden sozialen Medien rasch verbreitet werden, nehmen deutlich zu.Um Politik und Forschung eine angemesse-

    ne Reaktion au diese aktuellen und sich neuabzeichnenden globalen Realitäten zu ermög-lichen, sind Mess- und Analysemethoden er-orderlich, die das Konzept der menschlichenEntwicklung erweitern. Der  Bericht über diemenschliche Entwicklung   und die Familie derIndizes der menschlichen Entwicklung müs-sen sich dieser Herausorderung stellen, indemsie den Schwerpunkt nicht allein au die Mes-

    sung der individuellen Verwirklichungschan-cen legen, sondern die Kapazitäten, Anliegen

    Im schlimmstenFall könnte ein vonUmweltkrisen begleiteter„Business as usual“-Ansatz in der Entwicklungdie im Süden erzieltenFortschritte bei dermenschlichen Entwicklungzunichtemachenoder gefährden

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    und Wahrnehmungen au gesellschatlicherEbene mit einbeziehen. So wichtig die au in-dividueller Ebene erzielten Ergebnisse bei Ge-

    sundheit, Bildung und Einkommen auch sind,sie garantieren noch keine Fortschritte dermenschlichen Entwicklung insgesamt, wenndie gesellschalichen Verhältnisse die indivi-duellen Ergebnisse einschränken und wenn dieerzielten Fortschritte unterschiedlich wahrge-nommen werden. Die Unruhen in einigen ara-bischen Staaten haben uns vor Augen geührt,dass insbesondere junge Menschen, die besserausgebildet und gesünder sind als die rüherenGenerationen, größten Wert darau legen, eine

     vernünige Anstellung zu haben, über ein Mit-spracherecht in Angelegenheiten, die ihr Le-ben beeinflussen, zu verügen und mit Achtungbehandelt zu werden. Hinzu kommt, dass dieFörderung des sozialen Zusammenhalts undder sozialen Integration, ein ausdrücklichesZiel der Entwicklungsstrategien von Ländern

     wie Brasilien, sich nachweislich zurückührenlässt au eine weniger ungleiche Gesellscha,die sich positiv au die Entwicklung auswirkt.Bei den meisten Messgrößen ür menschlicheEntwicklung – von eenagerschwangerscha-

    ten bis zu Selbstmordraten – stehen Gesell-schaen mit einem höheren Grad an Gleich-heit in der Regel besser da als Gesellschaen,die von Ungleichheit geprägt sind. Dieses Er-gebnis wird durch Studien in entwickelten wiein Entwicklungsländern bestätigt. Die gesell-schasbezogenen Aspekte wurden in rüherenEntwicklungsmodellen unterschätzt, sie erwei-sen sich jedoch als unverzichtbare Elemente ei-nes tragähigen und wünschenswerten langris-tigen Entwicklungspads.

    Aufholhilfe für andere Länder

    Der Austieg des Südens hat noch nicht alleLänder erasst. In den meisten der 49 am we-nigsten entwickelten Länder, insbesonderedenjenigen, die keinen Zugang zum Meer ha-ben oder weit von den Weltmärkten enterntsind, gehen die Veränderungen langsamer vorsich. Dennoch beginnen viele dieser Länder ausdem Süd-Süd-Handel und den damit zusam-menhängenden Investitionen, Finanzmitteln

    und echnologietransers Nutzen zu ziehen.So griffen von China aus positive Wachstums-

    impulse au andere Länder über, vor allemau enge Handelspartner. Dadurch wurde dieschwächere Nachrage aus den entwickelten

    Ländern zum eil ausgeglichen. Schätzungenzuolge wäre das Wachstum in den Ländern mitniedrigem Einkommen im Zeitraum 2007 bis2010 um 0,3 bis 1,1 Prozentpunkte niedrigerausgeallen, wenn die Wachstumsrate in Chinaund Indien im gleichen Umang gesunken wäre

     wie in den entwickelten Volkswirtschaen.2 Vielen Ländern kamen auch Übertragungs-

    effekte in wichtigen Sektoren der menschlichenEntwicklung, insbesondere der Gesundheit,zugute. Indische Firmen zum Beispiel lieernerschwingliche Medikamente und medizini-sche Güter, aber auch Produkte und Dienstleis-tungen aus dem Bereich der Inormations- undKommunikationstechnik an Länder in Arika.Ähnliches gilt ür brasilianische und südarika-nische Unternehmen.

    Zunehmender Wettbewerbsdruck

    Dennoch können Einuhren aus größeren Län-dern auch von Nachteil sein. Große Länder er-zeugen einen Wettbewerbsdruck, der die wirt-

    schaliche Diversifizierung und Industrialisie-rung in kleineren Ländern hemmen könnte. Esgibt jedoch Beispiele, in denen die plötzlicheKonkurrenz zu einer Neubelebung der Indus-trie geührt hat. Aus einer konkurrierendenRolle heute kann durchaus eine komplemen-täre Rolle in der Zukun werden. Ob der Über-gang von der Konkurrenz zur Kooperation ge-lingt, scheint von Maßnahmen abzuhängen,die die lokalen Akteure in die Lage versetzen,aus der neuen Situation das Beste zu machen.

    Für die Länder des Südens erweisen sich dieeinheimischen Märkte zunehmend als wich-tigster Wachstumsmotor. Die Größe der Mit-telschicht und ihr Durchschnittseinkommennehmen zu. Schätzungen zuolge wird der

     jährliche Konsum in den Schwellenländernbis 2025 au 30 Billionen US-Dollar steigen.Bis dahin werden von der einen MilliardeHaushalte mit einem Einkommen von über20.000 Dollar pro Jahr drei Fünel au denSüden entallen. Dennoch gibt es nach wie vorgroße benachteiligte Gebiete, die diese Expan-

    sion behindern und beeinträchtigen werden.Diese Disparitäten sind nicht nur grundsätz-

    So wichtig die aufindividueller Ebene

    erzielten Ergebnisse beiGesundheit, Bildung und

    Einkommen auch sind,sie garantieren noch

    keine Fortschritte dermenschlichen Entwicklung

    insgesamt, wenn diegesellschaftlichen

    Verhältnisse dieindividuellen Ergebnisseeinschränken und wenndie erzielten Fortschritte

    unterschiedlichwahrgenommen werden

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    lich unerwünscht, sondern sie untergrabenauch die Nachhaltigkeit der Fortschritte, nichtzuletzt durch die Auslösung sozialer und politi-

    scher Spannungen.Die dargestellten rends ühren zu einerausgewogeneren Welt. An die Stelle eines Zen-trums aus Industrieländern und einer Periphe-rie von weniger entwickelten Ländern tritt einkomplexeres und dynamischeres Umeld.

    Zwar gibt es au globaler und regionaler Ebe-ne durchaus ein Bewusstsein daür, dass die

     Welt sich in einer Übergangsphase befindet,aber ür Führungspersonen, Institutionen und

     Wissenschaler ist es offensichtlich schwierig,Empehlungen ür Grundsätze, Institutionenund politische Handlungskonzepte abzugeben,mit denen die nächsten Schritte zur Schaffungeiner gerechteren und nachhaltigeren Welt si-chergestellt werden. Dies mag teilweise damitzusammenhängen, dass die Welt sich so schnellund an so vielen Fronten gleichzeitig verändert,dass gemeinsame Beurteilungen schwierig undkollektive Maßnahmen ast unmöglich sind.Der Bericht leistet einen Beitrag zu dieser De-batte, indem er eine kritische Bewertung desaktuellen globalen Kontextes lieert und ür

    Grundsätze und Konzepte eintritt, die einer vielgestaltigen Welt helen, durch entsprechen-de Strategien der menschlichen Entwicklungdie neuen Herausorderungen des 21. Jahrhun-derts anzugehen, die Armut zu verringern odersogar zu beseitigen und weitere Fortschritte üralle zu bewirken.

    Politik, Partnerschaften,Prinzipien

     Wie ist es so vielen Ländern im Süden gelun-gen, ihre künigen Chancen au dem Gebietder menschlichen Entwicklung zu verbessern?In den meisten dieser Länder sind drei Schlüs-selaktoren zu erkennen, die die Entwicklung

     vorantreiben: ein proaktiver Entwicklungs-staat, die Erschließung globaler Märkte undentschlossene sozialpolitische Innovationen.Diese riebkräe sind nicht aus einer abstrak-ten Vorstellung von Entwicklung und ihrerFunktionsweise entstanden. Sie wurden viel-

    mehr durch die Erahrungen vieler Ländermit einem au Veränderungen angelegten Ent-

     wicklungsprozess demonstriert. atsächlichstellen sie häufig vorgeasste und starre Ansätzeinrage. Einerseits verabschieden sie sich von

    kollektivistischen und zentralistischen Grund-sätzen, andererseits weichen sie von der unein-geschränkten Liberalisierung ab, der sich derKonsens von Washington verschrieben hatte.

    Triebkraft 1:Ein proaktiver Entwicklungsstaat

    Ein starker, proaktiver und verantwortungs- voller Staat entwickelt Politikkonzepte ür denöffentlichen wie ür den privaten Sektor, undzwar au der Grundlage von Führung und ei-ner langristigen Vision, gemeinsamer Normenund Werte sowie Regeln und Institutionen, dieVertrauen und Zusammenhalt aubauen. Staa-ten, die eine dauerhae ransormation errei-chen wollen, müssen einen konsistenten undausgewogenen Entwicklungskurs vorgeben.Diejenigen, denen es gelungen ist, Einkom-menswachstum und menschliche Entwicklungin Gang zu setzen und aurechtzuerhalten, ha-ben jedoch kein simples Einheitsrezept beolgt.Angesichts unterschiedlicher Herausorderun-

    gen haben sie ganz unterschiedliche Maßnah-men ür Marktregulierung, Exportörderung,industrielle Entwicklung und technischenFortschritt ergriffen. Es müssen Schwerpunktegesetzt werden, die die Menschen in den Mit-telpunkt stellen und ihre Chancen ördern,sie jedoch gleichzeitig vor Abwärtsrisikenschützen. Regierungen können zum Aubau

     von Industriezweigen beitragen, die sich ange-sichts unvollständig ausgebildeter Märkte sonstnicht entalten könnten. rotz gewisser Risi-

    ken durch Spekulation und Vetternwirtschakonnten verschiedene Länder des Südens audiese Weise ineffiziente Industriezweige um-

     wandeln und mit zunehmender Öffnung ihrerVolkswirtschaen erolgreich ür den Exporteinsetzen.

    Es liegt au der Hand, dass in großen undkomplexen Gesellschaten das Ergebnis ei-ner bestimmten Politik nicht vorherzusehenist. Entwicklungsstaaten müssen daher prag-matisch sein und eine breite Palette unter-schiedlicher Ansätze erproben. Dabei stechen

    bestimmte Merkmale hervor. So haben Ent- wicklungsstaaten, denen es vor allem um ihre

    Ein starker, proaktiverund verantwortungsvollerStaat entwickeltPolitikkonzepte für denöffentlichen wie für denprivaten Sektor, undzwar auf der Grundlagevon Führung und einerlangfristigen Vision,gemeinsamer Normenund Werte sowie Regelnund Institutionen,die Vertrauen undZusammenhalt aufbauen

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    Menschen geht, die sozialen Grunddienste aus-geweitet. Investitionen in die Verwirklichungs-chancen der Menschen – durch Gesundheit,

    Bildung und andere öffentliche Dienste – sindnicht nur Anhängsel, sondern integraler Be-standteil des Wachstumsprozesses. Die rascheAusweitung des Angebots an qualitativ hoch-

     wertigen Arbeitsplätzen ist ein weiteres ent-scheidendes Wachstumsmerkmal, das diemenschliche Entwicklung ördert.

    Triebkraft 2:Erschließung globaler Märkte

    Die globalen Märkte spielen bei der Beschleu-nigung des Fortschritts eine wichtige Rolle.Alle Länder au der Schwelle zur Industria-lisierung haben die Strategie verolgt, „zuimportieren, was der Rest der Welt kennt,und zu exportieren, was er haben will“. Abernoch viel wichtiger sind die „Geschäsbedin-gungen“ gegenüber diesen Märkten. OhneInvestitionen in die Menschen sind von denglobalen Märkten in der Regel nur begrenz-te Renditen zu erwarten. Wahrscheinlicherist, dass Erolge nicht durch eine plötzliche

    Öffnung erzielt werden, sondern durch eineallmähliche und stuenweise Integration indie Weltwirtscha, entsprechend den inner-staatlichen Gegebenheiten, und begleitet vonInvestitionen in Menschen, Institutionen undInrastrukturen. Kleinere Volkswirtschatenhaben sich erolgreich au Nischenproduktekonzentriert, wobei dieser Erolg häufig dieFrucht jahrelanger staatlicher Unterstützungbereits vorhandener oder neu geschaenerKompetenzen war.

    Triebkraft 3: Entschlossenesozialpolitische Innovationen

    Es gibt kaum Länder, die ohne umangreicheöffentliche Investitionen nicht nur in die In-rastruktur, sondern auch in Bildung und Ge-sundheit ein rasches und nachhaltiges Wachs-tum erreichten. Das Ziel sollte sein, positiveKreisläue in Gang zu setzen, bei denen Wachs-tum und sozialpolitische Maßnahmen sich ge-genseitig verstärken. In Ländern mit geringer

    Einkommensungleichheit trägt Wachstum inder Regel wesentlich effektiver zur Verringe-

    rung der Armut bei als in Ländern mit hoherUngleichheit. Die Förderung der Gleichheit,insbesondere zwischen verschiedenen religi-

    ösen, ethnischen oder rassischen Gruppen,ermöglicht auch die Minimierung sozialerKonflikte.

    Bildung, Gesundheitsvorsorge, Sozialschutz,Stärkung der Rechtsstellung und gesellschali-che Organisation sind Faktoren, die arme Men-schen zur eilhabe am Wachstum beähigen.Sektorale Ausgewogenheit, unter besondererBerücksichtigung des ländlichen Sektors, sowieArt und empo der Arbeitsplatzschaffung ha-ben entscheidenden Einfluss darau, ob Wachs-tum eine breitere Einkommensverteilung be-

     wirkt. Aber selbst diese grundlegenden politi-schen Instrumente ühren nicht zwangsläufigzu einer Besserstellung benachteiligter Grup-

     pen. Die Armen am Rand der Gesellscha ha-ben es schwer, ihre Anliegen zu Gehör zu brin-gen, und die Regierungen sorgen nicht immerdaür, dass die öffentlichen Dienstleistungenalle erreichen. Die Sozialpolitik muss die In-klusion ördern, denn die Gewährleistung vonNichtdiskriminierung und Gleichbehandlungist eine entscheidende Voraussetzung ür poli-

    tische und soziale Stabilität. Gleichzeitig musssie soziale Grunddienste bereitstellen, die dasFundament ür langristiges Wirtschaswachs-tum legen, indem sie die Entstehung einergesunden, gut ausgebildeten Erwerbsbevölke-rung ördern. Nicht alle diese Dienste müssen

     von der öffentlichen Hand erbracht werden.Aber der Staat sollte daür Sorge tragen, dassalle Bürger einen gesicherten Zugang zu denGrundvoraussetzungen ür die menschlicheEntwicklung haben.

    Eine Agenda ür Entwicklung weist daher viele Facetten au. Sie erweitert die den Armenzur Verügung stehenden Güter, indem sie diestaatlichen Ausgaben ür Grunddienste erhöht.Sie verbessert die Funktionsweise des Staatesund der gesellschalichen Institutionen, umsowohl Wachstum als auch Gerechtigkeit zuördern. Sie reduziert die bürokratischen undgesellschalichen Einschränkungen der wirt-schalichen Handlungsähigkeit und der sozi-alen Mobilität. Sie bezieht die Gemeinwesenin die Festlegung von Haushaltsprioritäten und

    ihre Verbreitung ein und zieht das Führungs- personal zur Rechenscha.

    Investitionen in dieVerwirklichungschancen

    der Menschen – durchGesundheit, Bildung

    und andere öffentlicheDienste – sind nicht nur

    Anhängsel, sondernintegraler Bestandteil des

    Wachstumsprozesses

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    Die Dynamik aufrechterhalten

    Viele Länder des Südens haben sich als sehr er-

    olgreich erwiesen. Aber selbst in den Ländernmit hoher Leistungsähigkeit sind küntigeErolge nicht garantiert. Wie können die Fort-schritte im Bereich der menschlichen Entwick-lung weitergeührt werden, und wie lassen siesich au andere Länder ausweiten? Um dies zuunterstützen, schlägt der Bericht vier wichtigeAktionsbereiche vor: Stärkung der Gerechtig-keit; Ermöglichung von Mitsprache, eilhabeund Rechenschatsplicht; Bekämpung vonUmweltbelastungen und Bewältigung des de-mografischen Wandels. Ferner macht der Be-richt die hohen Kosten politischer Untätigkeitdeutlich und beürwortet eine ehrgeizigerePolitik.

    Stärkung der Gerechtigkeit

    Mehr Gerechtigkeit, namentlich zwischen Män-nern und Frauen sowie zwischen anderen Grup-

     pen, ist nicht nur an sich wichtig, sondern auchür die Förderung der menschlichen Entwick-lung unverzichtbar. Eines der wirkungsvollsten

    Instrumente ür diesen Zweck ist Bildung, diedas Selbstvertrauen der Menschen stärkt und siedazu beähigt, bessere Arbeitsplätze zu finden,an öffentlichen Debatten teilzunehmen undgegenüber staatlichen Stellen Ansprüche auGesundheitsversorgung, soziale Sicherheit undandere Leistungen geltend zu machen.

    Bildung hat auch bemerkenswerte Auswir-kungen au die Gesundheit und die Mortalität.Für diesen Bericht in Aurag gegebene For-schungsarbeiten zeigen, dass der Bildungsstand

    der Mutter ür das Überleben ihrer Kinder wichtiger ist als die Höhe des Haushaltsein-kommens. Die Hochrechnungen zeigen außer-dem, dass bildungspolitische Maßnahmen inLändern und Regionen mit einem niedrigerenAusgangsniveau eine besonders starke Wirkungentalten. Dies hat tiegreiende Auswirkungenau die Politik und ührt möglicherweise dazu,dass Maßnahmen zur Verbesserung der Bil-dung von Mädchen ein größeres Gewicht er-halten als Bemühungen um die Steigerung derHaushaltseinkommen.

    Dieser Bericht spricht sich nachdrücklichür eine ehrgeizigere Politik aus. Bei einem

    Szenario beschleunigter Fortschritte könntensich Länder mit niedrigem HDI dem Standder menschlichen Entwicklung annähern, der

     von den Ländern mit hohem und sehr hohemHDI bereits erreicht wurde. Bis 2050 könnteder Gesamt-HDI in Arika südlich der Saharaum 52 Prozent (von 0,402 au 0,612) und inSüdasien um 36 Prozent (von 0,527 au 0,714)steigen. Solche Interventionen au politischerEbene werden sich auch positiv au die Ar-mutsbekämpung auswirken. Dagegen werdendie Kosten von Untätigkeit weiter steigen, ins-besondere in den Ländern mit niedrigem HDI,die stärker geährdet sind. Wenn es beispiels-

     weise nicht gelingt, das ehrgeizige Ziel derBildung ür alle zu erreichen, wird sich dies in

     vielen wichtigen Bereichen der menschlichenEntwicklung nachteilig au die künigen Ge-nerationen auswirken.

    Ermöglichung von Mitsprache,Teilhabe und Rechenschaftspflicht

     Wenn die Menschen nicht in sinnvoller Wei-se an den Ereignissen und Prozessen teilhabenkönnen, die ihr Leben bestimmen, werden

    die von den jeweiligen Ländern eingeschla-genen Pade der menschlichen Entwicklung

     weder wünschenswert noch nachhaltig sein.Die Menschen sollten in der Lage sein, diePolitikgestaltung und die erzielten Ergebnis-se zu beeinflussen. Insbesondere junge Men-schen sollten die Chance erhalten, stärker ander Wirtschastätigkeit und am politischenLeben teilzuhaben und Verantwortung zuübernehmen.

    Im Norden wie im Süden wächst die Un-

    zuriedenheit. Die Menschen ordern mehrMöglichkeiten, ihren Anliegen Gehör zu ver-schaffen und die Politik zu beeinflussen, damitein grundlegender sozialer Schutz und sozialeFortschritte gewährleistet werden. Am ak-tivsten in dieser Protestbewegung sind jungeMenschen, zum eil als Reaktion au begrenzteBeschäigungsmöglichkeiten ür gut ausgebil-dete Jugendliche. Die Geschichte kennt zahl-lose Beispiele ür Volksaustände gegen unein-sichtige Regierungen. Wenn Investitionen und

     Wachstum durch Unruhen behindert werden

    und autokratische Regierungen Ressourcenumlenken, um Recht und Ordnung aurecht-

    Wenn die Menschen nichtin sinnvoller Weise an denEreignissen und Prozessen

     teilhaben können, die ihrLeben bestimmen, werdendie von den jeweiligenLändern eingeschlagenenPfade der menschlichenEntwicklung wederwünschenswert nochnachhaltig sein

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    zuerhalten, kann die menschliche Entwicklungaus dem ritt geraten.

    Es ist schwer vorherzusagen, wann eine Ge-

    sellscha den Punkt erreicht, an dem die Lageumkippt. Zu Massenprotesten, vor allem sei-tens der Gebildeten, kommt es in der Regeldann, wenn die Menschen sich von der poli-tischen Einflussnahme ausgeschlossen ühlenund schlechte wirtschaliche Aussichten dieOpportunitätskosten ihrer eilnahme an sol-chen Protesten senken. Diese „anstrengungs-intensiven Formen politischer eilhabe“ lassensich dann durch die neuen Formen der Massen-kommunikation leicht koordinieren.

    Auseinandersetzung mitUmweltproblemen

    Von Umweltbedrohungen wie Klimawandel,Entwaldung, Lu- und Wasserverschmutzungund Naturkatastrophen ist jeder betroen.Aber die armen Länder und armen Gemein-

     wesen leiden am stärksten darunter. Heuteschon verschär der Klimawandel die chro-nischen Umweltbedrohungen, und die Schä-digung der Ökosysteme beeinträchtigt die

    Existenzgrundlagen insbesondere der ärmerenMenschen.

    Obwohl die Länder mit niedrigem HDIam wenigsten zum weltweiten Klimawandelbeitragen, müssen sie damit rechnen, von derVerringerung der jährlichen Regenälle undder Zunahme ihrer Schwankungen am stärks-ten getroffen zu werden, mit katastrophalenAuswirkungen ür die landwirtschaliche Pro-duktion und die Existenzgrundlagen der Men-schen. Das Ausmaß solcher Verluste macht die

    Dringlichkeit von Anpassungsmaßnahmendeutlich.Die Kosten ür Untätigkeit werden aller

     Wahrscheinlichkeit nach hoch sein, und zwardesto höher, je länger die Untätigkeit andauert.Um die Zukunsähigkeit von Volkswirtscha-ten und Gesellschaten sicherzustellen, sindeine neue Politik und strukturelle Veränderun-gen erorderlich, die die Ziele der menschlichenEntwicklung und die Ziele des Klimaschutzesim Rahmen emissionsarmer, klimabewussterStrategien und innovativer öentlich-priva-

    ter Finanzierungsmechanismen aueinanderabstimmen.

    Bewältigung der demografischenVeränderungen

    Zwischen 1970 und 2011 stieg die Weltbe- völkerung von 3,6 au sieben Milliarden Men-schen. Mit zunehmendem Bildungsstand wirdsich die Wachstumsrate der Weltbevölkerung

     verlang samen. Hinzu kommt, dass die Ent- wicklungsaussichten nicht nur durch die abso-luten Zahlen der Bevölkerung, sondern auchdurch ihre Altersstruktur beeinflusst werden.Ein zunehmend kritischer Aspekt ist der Ab-hängigkeitsquotient eines Landes, also die An-zahl der jüngeren und älteren Menschen, ge-teilt durch die Bevölkerung im erwerbsähigenAlter (zwischen 15 und 64 Jahren).

    Einige ärmere Regionen könnten angesichtsdes steigenden Anteils der Erwerbsbevölkerungin den Genuss einer „demografischen Dividen-de“3 kommen, aber nur dann, wenn die Politikentschlossen handelt. Ein entscheidender Fak-tor ür eine mögliche demografische Dividendeist die Bildung von Mädchen. Gebildete Frauenhaben in der Regel weniger und gesündere Kin-der mit einer besseren Schulbildung; in vielenLändern werden sie auch besser entlohnt als

    Arbeitnehmer ohne Ausbildung.Dagegen sehen sich die reicheren Regionen

    des Südens mit einem ganz anderen Problemkonrontiert: Mit zunehmender Alterung derGesamtbevölkerung geht der Anteil der Er-

     werbsbevölkerung zurück. Es kommt sehr da-rau an, wie schnell dieser Alterungsprozess vorsich geht, denn die Entwicklungsländer werdenden Bedürnissen einer älter werdenden Bevöl-kerung nur mit Mühe gerecht werden können,solange sie arm sind. Viele Entwicklungsländer

     verügen heute nur über ein kurzes Zeitenster,um die demograische Dividende in vollemUmang zu nutzen.

    Demografische rends sind jedoch kein un-entrinnbares Schicksal. Sie können verändert

     werden, insbesondere durch bildungspolitischeMaßnahmen. Dieser Bericht stellt ür 2010 bis2050 zwei Szenarien vor: ein Basisszenario, indem sich die gegenwärtigen Bildungstrendsortsetzen, und ein beschleunigtes Szenario, indem die Länder mit dem niedrigsten Ausgangs-niveau ehrgeizige Bildungsziele anstreben. Für

    die Länder mit niedrigem HDI sinkt bei dembeschleunigten Szenario der Abhängigkeits-

    Um die Zukunftsfähigkeitvon Volkswirtschaften

    und Gesellschaftensicherzustellen, sindeine neue Politik und

    strukturelle Veränderun-gen erforderlich, die dieZiele der menschlichen

    Entwicklung und dieZiele des Klimaschutzes

    im Rahmen emissions-armer, klimabewusster

    Strategien und innovativeröffentlich-privater Finan-

    zierungsmechanismenaufeinander abstimmen

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    quotient doppelt so schnell wie beim Basissze-nario. Durch eine ehrgeizige Bildungspolitikkann es Ländern mit mittlerem und hohem

    HDI gelingen, den prognostizierten Anstiegihres Abhängigkeitsquotienten zu bremsen,um so den demografischen Übergang zu eineralternden Bevölkerung zu erleichtern.

    Voraussetzung ür die Bewältigung dieserdemografischen Herausorderungen ist die An-hebung des Bildungsstands bei gleichzeitigerAusweitung der produktiven Beschätigungdurch Senkung der Arbeitslosigkeit, Förderungder Arbeitsproduktivität und Erhöhung derErwerbsbeteiligung, insbesondere von Frauenund älteren Arbeitnehmern.

    Governance und Partnerschaftenfür ein neues Zeitalter

    Der Austieg des Südens bietet mit Blick audie gewaltigen Probleme unserer immer stärker

     vernetzten Welt sowohl Chancen als auch He-rausorderungen. Die Bewältigung des Klima-

     wandels, die Nutzung globaler Güter und dieRegulierung von Handel, Finanzen und Migra-

    tion sind Probleme, die grenzüberschreitendgelöst werden müssen. Bestimmte Elementeder globalen öffentlichen Güter können auregionaler Ebene bereitgestellt werden, aber inder Regel erordert die wirksame Versorgungmit solchen Gütern ein erhebliches Maß anmultilateraler Koordinierung und Zusammen-arbeit. Weder der Norden noch der Süden mitseinem neu gewonnenen Einfluss können sich

     von den regionalen oder globalen Dialogenernhalten, die notwendig sind, um zu Verein-

    barungen über diese Fragen zu gelangen. DieLänder des Südens sind in der Lage, nicht nurFinanzmittel zur Stärkung der regionalen undmultilateralen Prozesse beizutragen, sondernauch wichtige Erahrungen einzubringen, diesie durch ihre Leistungen und ihre pragmati-sche Politik in vielen Bereichen der menschli-chen Entwicklung gewonnen haben.

    Der Süden hat neue Regelungen und Institu-tionen wie etwa bilaterale und regionale Han-delsvereinbarungen und Finanzmechanismengeördert. Inolgedessen bilden die heutigen

    Systeme der internationalen Governance einMosaik aus alten Strukturen und neuen Ver-

    einbarungen. Diese Vielalt könnte sogar nochzunehmen, denn es ist zu erwarten, dass durchinternationale Zusammenarbeit ein immer

    komplexeres Netz bilateraler, regionaler undglobaler Prozesse entstehen wird.Viele der Institutionen und Grundsätze, die

    derzeit die internationale Governance prägen, wurden ür eine Welt konzipiert, die ganz an-ders war als die heutige. Dies hat unter anderemzur Folge, dass der Süden unterrepräsentiert ist.

     Wenn die internationalen Institutionen über-leben sollen, müssen sie repräsentativer, trans-

     parenter und rechenschaspflichtiger werden.atsächlich könnte eine stärkere Beteiligungdes Südens, der umangreiche finanzielle, tech-nologische und personelle Ressourcen sowie

     wertvolle Lösungen kritischer weltweiter Prob-leme beisteuern kann, alle zwischenstaatlichenProzesse mit neuem Leben erüllen.

    In diesem Zusammenhang ist es verständ-lich, dass die Regierungen sich über die Er-haltung ihrer nationalen Souveränität Sorgenmachen. In manchen Fällen mag eine solcheSichtweise gerechtertigt sein, aber sie könntezu einem „Nullsummen-Denken“ ermuntern.Eine bessere Strategie wäre eine „verantwortli-

    che Souveränität“, bei der die Staaten eine aire,regelgestützte und rechenschaspflichtige in-ternationale Zusammenarbeit praktizieren undsich zu kollektiven Anstrengungen zusammen-finden, die die globale Wohlahrt verbessern.Eine verantwortliche Souveränität setzt auch

     voraus, dass die Staaten die Menschenrechteund die Sicherheit ihrer Bürger gewährleisten.Von dieser Warte aus betrachtet, bedeutet Sou-

     veränität nicht nur ein Recht, sondern aucheine Verantwortung.

    Die aktuelle Situation hat tiegreiende Aus- wirkungen au die Bereitstellung öffentlicherGüter. Dabei verlangen die Bereiche, die mitHandel, Migration und Klimawandel zusam-menhängen, vordringliche Aumerksamkeit.In manchen Fällen können die öffentlichenGüter durch regionale Institutionen bereitge-stellt werden, in denen sich die Polarisierungen

     vermeiden lassen, die manchmal in größeren,multilateralen Foren Fortschritte behindern.Eine stärkere regionale Zusammenarbeit könn-te jedoch auch Nachteile haben, wenn einem

    ohnehin komplizierten, vielschichtigen undragmentierten Gewebe von Institutionen

    Eine stärkere Beteiligungdes Südens, derumfangreiche finanzielle,

     technologische undpersonelle Ressourcensowie wertvolle Lösungenkritischer weltweiterProbleme beisteuernkann, könnte allezwischenstaatlichenProzesse mit neuemLeben erfüllen

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    eine weitere Schicht hinzugeügt wird. DieHerausorderung besteht also darin, durcheinen „kohärenten Pluralismus“ sicherzu-

    stellen, dass die Institutionen au allen Ebe-nen in einer möglichst koordinierten Weisezusammenarbeiten.

    Die Institutionen der internationalenGovernance können nicht nur von ihrenMitgliedstaaten, sondern auch von der glo-balen Zivilgesellschat zur Rechenschatgezogen werden. Die zivilgesellschalichenOrganisationen nehmen bereits Einlussau die globale ransparenz und die Festle-gung von Regeln in vielen Bereichen, vonder Entwicklungshile über Verschuldung,Menschenrechte und Gesundheit bis zumKlimawandel. Die Netzwerke der Zivilgesell-scha nutzen heute die neuen Medien unddie neuen Kommunikationstechnologien.Dennoch sehen sich die zivilgesellschali-chen Organisationen auch mit Fragen nachihrer Legitimität und Rechenschaspflichtkonrontiert und können sogar unerwünsch-te Formen annehmen. Au jeden Fall wirddie künige Legitimität der internationalenGovernance von der Fähigkeit der Institutio-

    nen abhängen, zivilgesellschaliche Netzwer-ke und lokale Gemeinschaen in ihre Arbeiteinzubeziehen.

    Prioritäten fürein neues Zeitalter

    Für alle diese Aspekte gilt, dass den Grund- prinzipien der menschlichen Entwicklungnach wie vor größte Bedeutung zukommt.

    Ihr Ziel ist es weiterhin, ür alle Menschen,gleich wo sie leben, mehr Entscheidungsrei-heit zu erreichen und ihre Verwirklichungs-chancen auszuweiten. Viele Länder des Sü-dens haben bereits gezeigt, was getan wer-den kann. Aber sie haben erst einen eil des

     Weges zurückgelegt. Für die nächsten Jahrekommt dieser Bericht zu ün allgemeinenSchlussolgerungen:

    Die zunehmende Wirtschaftskraftdes Südens muss mit einem vollenBekenntnis für die menschliche

    Entwicklung einhergehenInvestitionen in die menschliche Entwick-lung sind nicht nur aus moralischen Grün-den gerechtertigt. Für sie spricht auch, dassin einer stärker wettbewerbsorientierten unddynamischen Weltwirtschat bessere Ge-sundheit, Bildung und soziale Wohlahrt einSchlüssel zum Erolg sind. Solche Investitio-nen sollten insbesondere die Armen in denBlick nehmen, indem sie ihre Marktanbin-dung ördern und ihre Chancen zur Existenz-sicherung erhöhen. Armut ist ungerecht, unddiese Ungerechtigkeit kann und muss durchentschlossenes Handeln beseitigt werden.

    Gute Politikgestaltung bedeutet, denSchwerpunkt nicht nur au die Ausweitungder individuellen Verwirklichungschancen,sondern auch au die Stärkung der gesell-schalichen Kapazitäten zu legen. Der ein-zelne Mensch agiert im Rahmen gesellscha-licher Institutionen, die sein Entwicklungs-

     potenzial einengen oder stärken können.

    Eine Politik, deren Ziel die Änderung ein-schränkender sozialer Normen ist, wie etwaGeschlechterdiskriminierung, Frühehen undMitgiorderungen, eröffnet allen Individu-en die Chance, ihr menschliches Potenzial in

     vollem Umang zu verwirklichen.

    Weniger entwickelte Länder könnenaus den Erfolgen der aufstrebendenVolkswirtschaften des Südenslernen und davon profitieren

    Die beispiellose Akkumulierung von Finanz-reserven und Staatsonds sowohl im Nor-den als auch im Süden bietet die Chance zuschnelleren Fortschritten au breiter Front.Ein kleiner eil dieser Mittel sollte gezieltür die menschliche Entwicklung und dieBeseitigung der Armut eingesetzt werden.Gleichzeitig können Handels- und Investi-tionsströme zwischen den Ländern des Südensneue ausländische Märkte erschließen und sodie Entwicklungsmöglichkeiten verbessern,

    beispielsweise durch die Beteiligung an regi-onalen und globalen Wertschöpungsketten.

    Die beispielloseAkkumulierung von

    Finanzreserven sowohl imNorden als auch im Süden

    bietet die Chance zuschnelleren Fortschritten

    auf breiter Front

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    Insbesondere der sich entaltende Süd-Süd-Handel und die damit einhergehendenInvestitionen können die Grundlage daür

    legen, dass industrielle Fertigungskapazitä-ten in andere weniger entwickelte Regionenund Länder verlagert werden. In jüngsterZeit zu beobachtende chinesische und in-dische Joint Ventures und Investitionen inFirmenneugründungen im verarbeitendenGewerbe in Arika könnten Vorboten einerstarken Expansion sein. Internationale Pro-duktionsnetze ermöglichen eine Beschleuni-gung der Entwicklung, indem sie die Länderin die Lage versetzen, Entwicklungsphasenzu überspringen und direkt zu komplexerenProduktionsormen überzugehen.

    Neue Institutionen können dieregionale Integration und dieSüd-Süd-Beziehungen erleichtern

    Neue Institutionen und Partnerschaen kön-nen den Ländern helen, Wissen, Erkennt-nisse und echnologie weiterzugeben. Damiteinhergehen können neue und gestärkte In-stitutionen zur Förderung von Handel und

    Investitionen und zur Beschleunigung desErahrungsaustauschs im Süden. Ein mögli-cher Schritt wäre die Schaffung einer neuenSüdkommission, die mit einer rischen Sicht-

     weise an die Frage herangeht, wie die Vielaltdes Südens zu einer riebkra ür Solidarität

     werden kann.

    Durch eine bessere Repräsentationdes Südens und der Zivilgesellschaftkönnen schnellere Fortschrittebei wichtigen globalenProblemen erzielt werden

    Der Austieg des Südens ührt zu einer grö-ßeren Vielalt der Akteure au der globalenBühne. Dies bietet die Chance, Governan-ce-Institutionen auzubauen, in denen allemaßgeblichen Gruppen umassend vertretensind und in denen diese Vielalt in produkti-

     ver Weise zur Lösung der Weltprobleme ein-gesetzt wird.

    Für die internationalen Organisationen

    sind neue Leitsätze erorderlich, die die Er-ahrungen des Südens einbeziehen. Die Ent-

    stehung der Gruppe der Zwanzig (G20) istein wichtiger Schritt in diese Richtung, aberauch in den Bretton-Woods-Institutionen,

    in den Vereinten Nationen und in andereninternationalen Gremien muss eine ausge- wogenere Vertretung der Länder des Südenserreicht werden.

    Die aktive Zivilgesellscha und die sozia-len Bewegungen bedienen sich au nationalerund transnationaler Ebene der Medien, umihren Forderungen nach einer gerechten undairen Governance stärker Gehör zu verscha-en. Die Ausbreitung dieser Bewegungenund die Zunahme der Plattormen zur Arti-kulierung wichtiger Botschaen und Forde-rungen stellen die Governance-Institutionen

     vor die Notwendigkeit, demokratischere undinklusivere Grundsätze einzuühren. Ganzallgemein muss eine gerechtere und wenigerungleiche Welt Raum bieten ür eine Vielalt

     von Stimmen und ein System des öffentli-chen Diskurses.

    Der Aufstieg des Südens bietet neueMöglichkeiten für die Vergrößerungdes Angebots an öffentlichen Gütern

    Eine nachhaltige Welt erordert ein größeresAngebot an globalen öffentlichen Gütern.Anzahl und Dringlichkeit der globalen Pro-bleme nehmen ständig zu, von der Eindäm-mung des Klimawandels und der internatio-nalen wirtschalichen und finanziellen Insta-bilität bis zur Bekämpung des errorismusund der Verbreitung von Kernwaffen. DieseProbleme erordern eine globale Antwort.Dennoch ist in vielen Bereichen die interna-

    tionale Zusammenarbeit immer noch lang-sam und zeitweise geährlich zögerlich. DerAustieg des Südens bietet neue Chancen üreine wirksamere Versorgung mit globalen ö-entlichen Gütern und ür die Überwindungder aktuellen Pattsituationen bei zahlreichenglobalen Fragen.

    Die Eigenschaen „öffentlich“ oder „pri- vat“ sind in den meisten Fällen keine urei-genen Attribute eines öentlichen Gutes,sondern gesellschaliche Konstrukte. Vondaher sind sie Ergebnis einer politischen Ent-

    scheidung. Nationale Regierungen könnensich einschalten, wenn au einzelstaatlicher

    Der Aufstieg des Südensbietet neue Chancenfür eine wirksamereVersorgung mit globalenöffentlichen Gütern undfür die Überwindung deraktuellen Pattsituationenbei zahlreichenglobalen Fragen

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    Ebene eine Unterversorgung besteht, doch wenn sich globale Herausorderungen stel-len, ist eine internationale Zusammenarbeit

    erorderlich und kann nur durch das reiwil-lige Handeln vieler Regierungen zustandekommen. Angesichts der Vielzahl drängen-der Probleme sind Fortschritte bei der Ent-scheidung darüber, was au öffentlicher und

     was au privater Ebene zu regeln ist, nur zuerreichen, wenn Personen und Institutioneneine starke und engagierte Führungsrolleübernehmen.

    * * *

    Dieser Bericht legt den aktuellen globalenKontext dar und gibt Politikern und Bür-gern Navigationshilen an die Hand, damitsie angesichts der immer stärkeren Vernet-zung der Welt Kurs halten und den wachsen-den globalen Herausorderungen begegnenkönnen. Er beschreibt, wie sich die Macht-

     verhältnisse, die Mitsprachemöglichkeitenund der Wohlstand au der Welt ändern,und er stellt neue politische Konzepte undInstitutionen vor, die unverzichtbar sind,

    um den Realitäten des 21. Jahrhunderts

    Rechnung zu tragen und eine menschlicheEntwicklung zu ördern, die durch mehrGerechtigkeit, Nachhaltigkeit und soziale

    Integration geprägt ist. Um Fortschritte audem Gebiet der menschlichen Entwicklungzu erreichen, müssen au globaler wie aunationaler Ebene Maßnahmen ergriffen undInstitutionen geschaffen werden. Au globa-ler Ebene sind institutionelle Reormen undInnovationen erorderlich, um die globalenöffentlichen Güter zu schützen und solcheGüter bereitzustellen. Au nationaler Ebeneist das Engagement des Staates ür sozialeGerechtigkeit wichtig, aber auch das Ver-ständnis daür, dass angesichts der Vielaltlandesspeziischer Gegebenheiten, Kultu-ren und institutioneller Bedingungen tech-nokratische Einheitsrezepte weder realis-tisch noch effektiv sind. Dennoch zeichnensich übergreiende Grundsätze ab, wie zumBeispiel gesellschatlicher Zusammenhalt,staatliches Engagement ür Bildung, Ge-sundheit und Sozialschutz sowie Offenheitür Handelsintegration, die die Navigati-on au dem Weg zu einer nachhaltigen undausgewogenen menschlichen Entwicklung

    erleichtern.

    Auf globaler Ebene sindinstitutionelle Reformen

    und Innovationenerforderlich, um die

    globalen öffentlichenGüter zu schützenund solche Güter

    bereitzustellen

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    „Überall auf der Welt vereinensich die Menschen zu einer

    gemeinsamen Anstregung: Siewollen aktiv und frei an denEreignissen und Vorgängen, dieihr Leben prägen, teilhaben.“Mahbub ul Haq

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    Einleitung

    Als in der Finanzkrise von 2008/2009 das Wachstum der entwickelten Volkswirtschaften zum Stillstand kam, während dieVolkswirtschaften der Entwicklungsländer weiter wuchsen, wurde das in der Welt aufmerksam registriert.1 Der Aufstieg desSüdens, der von der Entwicklungswelt als eine längst überfällige globale Neugewichtung betrachtet wird, ist seither aus-führlich kommentiert worden. Allerdings hatte diese Diskussion in der Regel einen eingeengten Blickwinkel, der sich auf dasBIP-Wachstum und die Ausweitung des Handels in einigen wenigen großen Ländern konzentrierte. Es sind jedoch erheblichumfangreichere dynamische Prozesse im Spiel, bei denen es um eine wesentlich größere Zahl von Ländern und um einschnei-dendere Trends geht, mit potenziell weitreichenden Folgen für das Leben der Menschen, für die soziale Gerechtigkeit und fürdie demokratische Governance auf lokaler und globaler Ebene. Wie dieser Bericht zeigt, ist der Aufstieg des Südens einerseitsdas Ergebnis kontinuierlicher Investitionen in die menschliche Entwicklung und dadurch erzielter Erfolge und andererseitseine Chance für noch größere Fortschritte, die allen Menschen auf der Welt zugutekommen. Um diese Fortschritte Realität

    werden zu lassen, bedarf es einer gut informierten und aufgeklärten Politik auf globaler und nationaler Ebene, die sich auf diepolitischen Erkenntnisse und Analysen dieses Berichts stützt.

    Der Austieg des Südens hat sich in beispiel-loser Geschwindigkeit und in einem nie ge-kannten Ausmaß vollzogen. Nie zuvor in derGeschichte haben sich die Lebensbedingungenund die Zukunsaussichten so vieler Menschenso dramatisch und so schnell verändert. InGroßbritannien, wo die Industrielle Revoluti-on ihren Ausgang nahm, dauerte es 150 Jahre,

    bis sich die Produktionsleistung pro Kop ver-doppelt hatte; die Vereinigten Staaten, derenIndustrialisierung später einsetzte, benötigtendaür 50 Jahre.2 In beiden Ländern lag zu Be-ginn ihrer Industrialisierung die Bevölkerungs-zahl unter zehn Millionen. Dagegen hattenChina und Indien zu Beginn ihres gegenwärti-gen Wirtschasauschwungs schon eine Bevöl-kerung von jeweils rund einer Milliarde Men-schen. Die Produktionsleistung pro Kop hatsich in beiden Ländern in weniger als 20 Jahren

     verdoppelt – ein grundlegender Wandel, vondem hundertmal mehr Menschen betroensind, als dies bei der Industriellen Revolutionder Fall war.3

    Der Austieg des Südens sollte verstanden werden als die Geschichte einer enormen Aus- weitung der individuellen Verwirklichungs-chancen und nachhaltiger Fortschritte dermenschlichen Entwicklung in Ländern, in de-nen die große Mehrheit der Weltbevölkerunglebt. Wenn Dutzende Länder und MilliardenMenschen au der Entwicklungsleiter austei-

    gen, wie dies heute der Fall ist, dann hat diesunmittelbare Auswirkungen au die Scha-

    ung von Wohlstand und die Ausweitung desmenschlichen Fortschritts in allen Ländernund Regionen der Welt. Es bieten sich neueChancen ür ein Auolen des Rückstands der

     weniger entwickelten Länder und ür kreative politische Initiativen, die auch ür die ort-schrittlichsten Volkswirtschaen von Nutzensein könnten.

    Ein genauerer Blick au die unterschiedli-chen Wege, die von den erolgreichen Ent-

     wicklungsländern eingeschlagen wurden, er- weitert die Auswahl an Politikoptionen ür alleStaaten und Regionen. Auch lassen sich Werteund Weltsichten erkennen, die als Inormati-onsgrundlage ür die künige Entwicklungs-zusammenarbeit dienen und zu konstruktivenAntworten au die größten globalen Heraus-orderungen ühren können. Das Ziel besteht

     wie immer darin, beschleunigte Fortschritte

    au breiter Basis zu erreichen, die in allen Län-dern und Gemeinwesen zu höheren Standardsund einer Ausweitung der Wahlmöglichkeitender Menschen in allen Schlüsselbereichen dermenschlichen Entwicklung ühren, von der Ge-sundheit, der Bildung und den Existenzgrund-lagen bis zu der Freiheit, die Kontrolle über daseigene Leben zu haben und es zu verbessern.

    Der grundlegende Wandel im Süden eror-dert auch Veränderungen der Regeln, die denglobalen Beziehungen zugrunde liegen. Diemeisten multilateralen Organisationen sind

    das Spiegelbild einer internationalen Ordnung,die nach dem Zweiten Weltkrieg neu entstan-

    Einleitung | 15

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    den war. Diese Weltsicht steht nicht mehr imEinklang mit der globalen „Neugewichtung“im Hinblick au Demograie, Wohlstands-

     verteilung und geopolitischen Einluss im21. Jahrhundert. Der wachsende Einfluss des

    Südens au die Politikgestaltung wird in derinternationalen Reaktion au die Finanzkri-se von 2008 sichtbar. In der Vergangenheit

     wurden Finanzentscheidungen allein von dengroßen Industriemächten getroffen, wie etwain dem Plaza-Abkommen von 1985. DiesesMal spielte die erweiterte Gruppe der Zwan-zig (G20), in der auch die größten Entwick-lungsländer vertreten sind, eine Schlüsselrolle.Zunehmend werden auch in den seit Langembestehenden internationalen Organisationen

    Führungspositionen durch Personen aus demSüden besetzt.4

    Dies sind lediglich erste Anzeichen ür Ver-änderungen in den internationalen Instituti-onen, aber auch ür die Möglichkeit, dass dieneuen Akteure im Süden neue Anstrengungenunternehmen könnten, um bessere globale ö-entliche Güter bereitzustellen. In der at müs-sen sich Regierungen und internationale Orga-nisationen angesichts des Austiegs des Südensnoch vordringlicher den Herausorderungender Zukun stellen, die wahrscheinlich enorm

    sein werden: Chancengerechtigkeit, Bürgerbe-teiligung an staatlichen, wirtschalichen und

    gesellschatlichen Entscheidungen, ökologi-sche Nachhaltigkeit und die Veränderung derAlterspyramide, um nur einige zu nennen. In

    den olgenden Abschnitten werden einige kon-krete Merkmale des Austiegs des Südens nähererläutert.

    Fortschritte auf breiter Basis

    Die ransormation des Südens im 21. Jahr-hundert ging mit großen Fortschritten au demGebiet der öffentlichen Gesundheit, der Bil-dung, des Verkehrs, der elekommunikationund der Bürgerbeteiligung an der Regierungs-und Verwaltungsührung einher. Dies hattetiegehende Auswirkungen au die menschli-che Entwicklung: Der Anteil der in extremerArmut lebenden Menschen, der 1990 noch43,1 Prozent betragen hatte, ging bis 2008 au22,4 Prozent zurück; allein in China wurdenmehr als 500 Millionen Menschen aus der Ar-mut geührt.5

    Länder mit einem niedrigen Stand mensch-licher Entwicklung verzeichneten bei Bildung,Gesundheit und Einkommen in den letzten

    zehn Jahren erheblich schnellere Fortschritteals in der Dekade davor. Die Zahl der Länder,deren HDI-Wert 1990 unter dem 25. Perzentillag, ging zwischen 1990 und 2000 von 33 au30 zurü