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Liebe Leserinnen und Leser,

was Ende der 80er Jahre noch etwas Exotisches und Geheimnisvolles war, gehört heute zum Standard. Die Einzelberatung hat eine steile Karriere gemacht. Coaching gibt es heute für alles und jeden und von jedem. Aus der exklusiven Beratung ist ein Massen­produkt geworden. Der Computerfachmann ist heute ein IT­Coach, der Sporttrainer Fitness­Coach und die Kosmetikerin ein Beauty­Coach.

Doch auch das seriöse Coaching hat sich in den Unternehmen etabliert als eine aner­kannte Maßnahme der Personalentwicklung, die besser und wirkungsvoller als ein Seminar oder Training auf die aktuellen Probleme eines Mitarbeiters eingehen kann und ihn da­bei unterstützt, die notwendigen Kompetenzen aufzubauen. Bei der Landeshauptstadt München ist Coaching ein nachhaltiges Qualifizierungsinstrument, das fest in der Personal­entwicklung von Führungskräften verankert ist.

Die Gründe, warum jemand zum Coaching kommt, sind vielfältig. Das kann der Wunsch nach einer Optimierung des Führungsverhaltens sein, die Lösung eines aktuellen Kon­flikts oder die Vorbereitung auf eine neue Aufgabe. Auch beim Auslandseinsatz kann Coaching dazu beitragen, dass die befristete Entsendung sowohl für den Mitarbeiter als auch für das Unternehmen zum Erfolg wird und der Wiedereinstieg im Heimatland besser gelingt.

Aber Coaching hat auch seine Grenzen. Zwar kann man sein Verhalten in beruflichen Situationen ändern, nicht jedoch grundlegende Persönlichkeitsmerkmale wie die indivi­duelle Motivstruktur. Wer seine Erfüllung in der Bearbeitung von Sachproblemen sieht, wird auf Dauer kaum eine gute Führungskraft werden. Die persönliche Beratung kann helfen, Klarheit über die eigene Motivstruktur zu gewinnen.

Coaching setzt dabei stets auch fundierte psychologische Kenntnisse voraus. Sonst kann es schnell zum Irrweg werden.

Bärbel Schwertfeger, Diplom PsychologinChefredakteurin der „Wirtschaftspsychologie aktuell“

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Inhaltsverzeichnis

Pioniere, Nebenbei-Coachs und Kunsthand werker: Die heterogene Coaching-SzeneW. LoossIst Coaching schon eine Profession? Eine launige Analyse zum Stand des Coachings.

„Denn sie wissen (oft) nicht, was sie tun“: Sechs Thesen zu einer guten Coaching-AusbildungH. Möller, S. Kotte, A. LiebeltDer Markt der Coaching­Ausbildungen ist mindestens so vielfältig wie der Coaching­Markt selbst. Obwohl verschiedene Verbände Qualitätskriterien de­finiert haben, ist die Orientierung im Markt noch immer ein anspruchsvolles Unterfangen. Doch an welchen Kriterien lässt sich „gute“ Coaching­Ausbildung festmachen?

Führung und Persönlichkeit: Wenn Motive und Anforderun-gen auseinanderklaffen J. S. Krug, P. BannierWer ins Coaching kommt, will sich meist verändern. Doch Verhaltensänderun­gen sind nur sinnvoll, wenn sie zum persönlichen Motivprofil passen.

Mit dem Coachee auf Weltreise: Professionelle Begleitung von Führungskräften K. von Schumann, M. SpörrleCoaching kann dabei helfen, dass ein Auslandseinsatz sowohl für den Mitar­beiter als auch für das Unternehmen zum Erfolg wird und auch der Wieder­einstieg im Heimatland besser gelingt.

Internes Coaching: Die Stadt München baut auf Kompetenz im eigenen HausS. ScholerDie Landeshauptstadt München setzt auf Coaching als nachhaltiges Qualifi­zierungsinstrument. Coaching­Angebote werden gezielt ausgebaut und fest in der Personal entwicklung von Führungs kräften verankert. Dabei setzen die Münchner auf interne Coachs.

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Ist Coaching schon eine Profession? Eine launige Analyse zum Stand des Coa-chings.

Beginnen wir mit einem bekannten State­ment des chilenischen Biologen Umberto Maturanas, dass alles, was gesagt wird, von einem Beobachter gesagt wird. Was meinen wir, wenn wir von „Coaching“ sprechen? Eine Population? Eine kollektive Praxis? Eine Sozialtechnologie und ihre Betreiber? Eine Branche im Dienstleistungsbereich? Oft wird das Wort „Szene“ verwendet, um sol­che Unschärfe und Wandelbarkeit zu signa­lisieren. Doch auch vom Übergang in eine „Profession“ ist in entsprechenden Fachbei­trägen schon mehrfach die Rede gewesen. Wir behelfen uns einstweilen mit Euphe­mismen und reden vom „Arbeitsfeld“ Coa­ching oder von der „Herangehensweise“, die in eine andere, manifest definierte Pro­fession eingebettet ist.

Metaphern helfen nur scheinbar bei der Ver­ständigung. Es wird mehrfach gesagt, die Pionierphase sei nun vorbei. „Coaching“ sei erwachsen geworden oder es befinde sich derzeit im Aufwind, also förderlichen exter­nen Kräften ausgesetzt. Damit wird – immer noch unscharf – eine Art Entwicklungsstadi­um charakterisiert. Vom „Coaching­Boom“ ist oft schon die Rede gewesen, und vor einiger Zeit titelte eine Wirtschaftszeitung gar, dass Coaching nun „salonfähig“ gewor­den sei. Ob es das wohl vorher nicht war, könnte man da despektierlich fragen.

Pioniere, Nebenbei-Coachs und Kunsthand-werker: Die heterogene Coaching-Szene

W. Looss

Dr. Wolfgang Looss,Diplom-Kaufmann, Aus- und

Fortbildungen in Gestalttherapie, Gruppendynamik, Systemischer

Familientherapie und Organisati-onsberatung und Grandseigneur

der Coaching-Branche [email protected]

Der Blick in die Welt der Quantitäten hilft ebenfalls kaum weiter. Gibt es nun 4000, 20 000 oder gar 40 000 Coachs in diesem Land? Man weiß es einfach nicht. Wie viele „Coachings“ mag es pro Jahr geben? Und wie wären sie zu zählen? Und dennoch ist häufig die Rede vom wachstumsstärks­ten Personalentwicklungsinstrument, zu dem Coaching mittlerweile geworden sei. Und gefühlt klingt das gar nicht mal falsch. Gleichzeitig nicken alle, wenn jemand sagt, dass die Coaching­Szene zersplittert sei. Der Hinweis auf die vielen Coaching­Verbände und die vielen Coaching­Ausbil­dungsinstitute darf an dieser Stelle nicht fehlen.

Draw a distinction! Einige Segmente des Felds

Der erkenntnistheoretische Schlacht ruf des britischen Mathematikers George Spencer­Brown hilft vielleicht auch diesmal etwas weiter. Wenn wir als Beobachter ein wenig näher heranzoomen, können wir Teilberei­che unseres Tuns nach Mustern unterschei­

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den. Solch genaueres Hinschauen wird seit einigen Jahren von verschiedenen Perso­nen, Gruppen und Institutionen betrieben. Die Coaching­Studien purzeln nur so in das Web und in die Bücherregale, in durchaus unterschiedlicher Qualität, was die metho­dische Sorgfalt und den Umfang betrifft. An selbstreflexiven Aussagen mit dem Bemü­hen um Differenzierung fehlt es also nicht. Was können wir ungefähr erkennen? Und wo können wir Grenzlinien ausmachen?

Coaching noch ohne Markt

Da gibt es die niedrigschwellige Coaching­Praxis nach dem Motto: „Jeder ist Coach“. So wie Josef Beuys in den 80er­Jahren je­den zum Künstler deklarierte, so sind auch alle Menschen aufgerufen, sich dem Nächs­ten beraterisch zuzuwenden, Erfahrungen mitzuteilen und ihr kommunikatives Talent zu üben. Eine solche Einladung zu mehr Austausch, Kontakt und gemeinsamer Wirkung hat ihre sympathischen Anmu­tungen. Wer wollte etwas dagegen sagen? Weitgehend unbesprochen bleiben in die­sem Coaching­Segment naturgemäß kom­plexere Fragen von Bezahlung, Standards, Gefahren oder Wirkungsevaluation. Hier gibt es noch keinen „Markt“.

Aus diesem noch sehr populären und all­täglichen Biotop schälen sich Akteure und Praktiken mit erweitertem und vertieftem Interesse an einem besseren und erfolgrei­cheren Leben heraus. Der weit gespannte und unübersichtliche Selbsthilfebereich bildet bereits einen Markt mit all seinen Büchern, Heilslehren, Praktiken, Veranstal­tungen, Lehrern und Heilern. Er schafft ein Segment, aus dem – in endlos vielen Nuan­cen und Übergängen – angehende Coachs und als solche auch bezeichnete Coachings entstehen. Menschen werden – indem sie

die Metamorphose vom teilnehmenden Lerner zum weitergebenden Lehrer, vom Klienten zum Behandler, vom Rezipien­ten zum Anwender durchlaufen – zu be­raterisch tätigen Akteuren mit manchmal durchaus ausformulierter Professionalität. Und nicht selten wird diese Entwicklung durch entsprechende Lern­ und Entwick­lungsangebote bereits etablierter Älterer unterstützt, angereichert durch entspre­chende Curricula und formulierte Entwick­lungspfade. So entstehen gelegentlich durchaus prominente Personen oder Zen­tren mit hoher Reputation, wenngleich der überwiegende Teil dieses Szene­Segments beraterisch im nebenberuflichen Hand­lungsmuster verbleibt.

Nebenbei-Coachs mit Insignien

Im Ergebnis finden wir in der Coaching­Welt jedenfalls eine erhebliche Population von „Nebenbei“­Coachs, die zwar selten und nur sehr wenige Klienten haben, sich aber als der unscharfen Szene durchaus zugehörig fühlen und dies auch mit den entsprechenden Insignien (Website, Vi­sitenkarte, Besuch von Veranstaltungen) manifestieren. Sie sind aus vielerlei Grün­den ökonomisch nicht auf ein Einkommen aus ihrer Beratungsarbeit angewiesen und bewegen sich zwischen professionellen Hoffnungen, gelegentlichen Realisierungs­schritten, Illusionen und einem komplexen „muddling through“ in einer postmoder­nen Welt permanenten Netzwerkens. Bei der Frage nach dem Zustand des Arbeits­felds ist in jedem Einzelfall zu klären, ob und inwieweit solche Akteure und ihre latent bleibende Praxis mitberücksichtigt wird, wenn von „Coaching“ die Rede ist.

Näher am Markt mit seinen geläufigen Spielregeln einer Dienstleistungsgesell­

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schaft finden wir dann die große Grup­pe jener Coachs, die regelmäßig für Geld arbeiten, ihren Marktauftritt investiv ab­gesichert haben und sich als einflussneh­mende Akteure und Mitgestalter des ent­standenen „Berufs“ verstehen. Weil sie in ihrer Arbeit dauerhaft und hinreichend sichtbar sind, werden sie bei Coaching­Studien erfasst und bilden damit de­ ren zentralen Untersuchungsgegenstand. Hier spielen die gängigen Fragen einer Profession „in statu nascendi“ eine Rolle: Methodisches, Honorarhöhe, Arbeitsmen­ge, Art der Klienten, Marktauftritt, ethische und rechtliche Standards, Vertragsfragen, Verhältnis zu Organisatio­nen, Theorieent­wicklung, Kooperation mit Nachbardiszipli­nen und dergleichen.

Entstehung eines Berufs

Es sind wechselnde Fragen, die in die­sem Segment des Arbeitsfelds diskutiert werden, und die Art dieser Fragen kenn­zeichnet in der Tat so etwas wie einen Entwicklungsverlauf eines womöglich ent­stehenden Berufs. Bis vor Kurzem war es herrschende Meinung, dass man vom Coa­ching allein nicht leben kann, ja dass Coa­ching am besten gar nicht als Beruf zu kon­figurieren sei, sondern als Tätigkeit oder Verfahrensweise, die in einen anderen, bereits stärker etablier ten Beruf eingebet­tet ist. Ganz gleich ob Organisationsbera­ter, Supervisor, Verhaltenstrainer oder gar Manager – die Coaching­Funktion erhielt identitätsmäßig gewissermaßen Asyl, und es brauchte lange Diskussionen, ob und wie sich diese „neue“ beraterische Form mit anderen beruflichen Handlungsmus­tern vertrug. Die Diskussion um den „Vor­gesetzten als Coach“ ist dafür das herausra­gende Beispiel. Inzwischen ist diese Frage weitgehend gegenstandslos geworden. Es

gibt mittlerweile einige, wenn auch wenige Coachs, die nichts anderes (mehr) tun und ausschließlich von ihrer Coaching­Praxis le­ben. Damit aber steht weitere Definitions­ und Klärungsarbeit bevor, wenn nämlich Coaching eine eigenständige berufliche Identität ausbilden soll.

Mentale Modelle und der Markt

Eine weitere Schlüsselfrage beim Aufbau einer Beruflichkeit ist das Thema der ak­tiven Marktgestaltung. Dabei zeigen sich unterschiedliche mentale Modelle: Einer­seits wird mit Rückgriff auf die langen eu­ropäischen Traditionen der „Freien Beru­fe“ argumentiert, dass eine aktive und di­rekte Marktbearbeitung für Coachs weder professionsethisch noch rechtlich infrage kommen kann. Andererseits setzt sich langsam ein Denkmuster durch, nach dem Coaching eine „ganz normale“ Dienstleis­tung für Geschäftskunden sei und Coachs deshalb auch das gesamte Instrumenta­rium aktiven Dienstleistungsmarketings erlernen und anwenden sollten. Das ent­spricht eher der angelsächsischen Traditi­on der „professional service firm“ (Anwäl­te, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensbe­rater), wo Werbung mit entsprechenden Claims der eigenen Leistungsfähigkeit als völlig akzeptabel gilt. Im Moment ist noch unklar, wie sich diese Diskussion weiter­entwickelt. Es ist zu vermuten, dass beide Muster für längere Zeit nebeneinander bestehen.

Pioniere und geronnene Ikonen

Die letzte Gruppe, die wir in der Coaching­Welt noch ausmachen können, bilden – als Überbleibsel aus der Gründungsphase – die bekannt gewordenen Pioniere des Felds, die einige Zeit als Referenzpunkte und per­

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sonale Instanzen gewirkt haben. Für das Entstehen von neuen Arbeitsfeldern sind solche „Einflussführer“ in der Frühphase unerlässlich, später wird ihre Funktion von kollektiv gewordenen Standards, einer al­len bekannten „good practice“ und von einem anonymisierten Kodex des „State of the Art“ übernommen. Im Coaching­Feld gibt es sie derzeit noch vereinzelt, doch sie verschwinden bereits langsam aus der Wahrnehmung oder gerinnen zu Ikonen.

Schließlich ist auch von Belang, was wir nicht vorfinden. Dazu gehört das fast völlige Ausbleiben organisationaler Zu­sammenballungen von Coachs in größeren eigenständigen „Coaching­Unter neh men“. Anders als bei Anwaltskanzleien, Unter­nehmensberatungen oder Wirtschaftsprü­fern fehlen solche Gebilde (einstweilen) fast völlig. Dies mag damit zusammenhän­gen, dass die berühmten Skaleneffekte mit Kostendegression beim Coaching zunächst nicht auftreten können, es also keinen nennenswerten Anreiz zu solchen Zusam­menschlüssen gibt. Coachs verstehen sich offenbar als Individualisten und lösen die archaische Balance von Freiheit und Bin­

dung zunächst einmal ganz überwiegend zugunsten der Freiheitsorientierung. Sie bleiben skeptisch gegenüber den Kon­trollmanövern, die mit größeren Verbän­den einhergehen würden. Das haben sie mit vielen anderen freien Berufen (Ärzten, Künstlern) gemein, die sich ja auch besten­falls in kleinen Gruppen (Gemeinschaft­spraxis) oder losen Kopplungen (Künstler­kolonie) zusammenfinden.

Was ist an Entwicklung absehbar?

Muster lassen sich einfacher erkennen und ihr Verlauf lässt sich leichter abschätzen, wenn wir eine möglichst grundlegende Be­trachtungsebene wählen. Dabei haben sich Berufsarchetypen als geeignet erwiesen, wenn es um ein vertieftes Verständnis jener sich evolutionär herausbildenden Gewohn­heiten geht, nach denen sich Berufsgrup­pen oder ganze Branchen organisieren. Dies gilt besonders, wenn es sich, wie im Fall der noch jungen Coaching­Szene, um ein „hybrides“ Konstrukt aus mehreren ar­chetypischen Handlungsmustern handelt. Beratung allgemein und damit auch die Coaching­Tätigkeit lässt sich – so eine ver­

Im Aufwind: Mehrfach heißt es, „Coaching“ sei förderlichen externen Kräften ausgesetzt und erwachsen geworden

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breitete Sicht – als Kunsthandwerk verste­hen, also als eine Mischung aus den Tabus und Idealen des Handwerks einerseits und jenen des Künstlertums andererseits. Beide Grundmuster sind ausführlich und klärend beschrieben worden: Richard Sennetts Buch über Handwerk (Sennett, 2008) oder Otto Ranks neu aufgelegter Klassiker über Kunst und Künstler (Rank, 2000) sind den jeweiligen Grundmustern bis in die arche­typischen Orientierungen eng auf der Spur.

Für die Zukunftsperspektive hilft solch eine klärende Fokussierung beim Sortieren. Es ist zu vermuten, dass sich die Anlehnung an das eine oder andere Muster unter­schiedlich verteilen wird. Wir kennen das aus weiteren Hybrid­Berufen: Kunsthand­werker bilden ein Kontinuum von Schattie­rungen zwischen ihren Polen. Man denke an disziplinierte Restaurateure einerseits oder kreative Holzbildhauer oder Stein­metze andererseits.

Das Arbeitsfeld Coaching dürfte sich in seinen Erscheinungsformen künftig ebenfalls auf einem solchen Kontinuum verteilen. Die handwerksorientierten Kol­lektivierungen haben bereits vor eini­ gen Jahren begonnen. Die Berufsverbän­de („Zünfte“) haben Standardisierungen („Zunftordnungen“) herausgebracht und wenden Zugehörigkeitskriterien an, um zu regeln, wer mitmachen darf und wer nicht. Demnächst wird wohl Ähnliches für Ausbil­dungen zu erwarten sein. Dahinter steht das Bestreben, durch Regulation sicherzu­stellen, dass nicht einige schwarze Schafe oder Scharlatane bei den Abnehmern das Vertrauen in die noch junge Dienstleistung beschädigen. Die zahlreichen Methoden­bücher haben ihre Wurzel ebenfalls in die­ser Orientierung, entsteht aus ihnen doch ein Kanon von „guten“ oder „richtigen“ Ver­

fahrensweisen, lehr­ und lernbar, erprobt und überprüfbar.

Ganz anders werden sich jene Teile des Felds orientieren, die stärker zum arche­typischen Ideal des Künstlers tendieren. Ihnen ist zu viel Regulierung eher suspekt, einen Methodenkanon nach dem Motto „wie es richtig gemacht wird“ halten sie für ungenügend, illusionär und gefährlich. Ihr beraterisches Handeln folgt dem Pri­mat der momentanen, individuellen, krea ­ tiven Entäußerung, situationsgebunden und unwiederholbar. Interventionen sind im Extrem nicht etwas, was man „macht“, sondern was man als Beratungsperson mit­tels der viel beschworenen Präsenz „ist“. Diese beiden Schattierungen werden ihre Arbeitsformen weiterentwickeln und dürf­ten uns im Coaching­Bereich noch lang er­halten bleiben.

Mögliche Konsequenzen für Prak tiker: Professionelle Identität klären

Wenn Sie davon ausgehen, dass Sie als Coach in einem Feld arbeiten, das sich gleich sam im jungen Erwachsenenalter befindet, bei professionellen Beobachtern

Um sich der Coach-Szene zugehörig zu fühlen, ist auch ein virtuelles Netzwerken gefordert

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auf dem Schirm ist und nun für das eigene Handeln als Kollektiv auch in Verantwor­tung genommen wird, dann können Sie da­raus einige Hinweise für die eigene Weiter­entwicklung ableiten. Zunächst hätten Sie sicherzustellen, dass Ihre „professionelle“ Identität geklärt und mit Ihnen als Person und der von Ihnen gewählten Zielgruppe kompatibel ist. Sie hätten zu entscheiden, ob Sie Standards aus sich selbst heraus und/oder von Kollektiven beziehen, bei denen Sie sich zu Hause fühlen. Weiterhin hätten Sie sicherzustellen, dass Ihre Insze­nierung am Markt diese geklärten Haltun­gen ausdrückt und vermittelt. Wie sehen Ihre Praxisräume aus und warum so? Arbei­ten Sie in einer Werkstatt (Geräte, Werkzeu­ge), einem Büro („Besprechungsecke“), bei sich zu Hause (gemütlich) oder vielleicht in einem Atelier (Ausdruck meines Selbst)? Welche Rolle spielen Formalien in Ihrer Ar­beit? Was erzählt Ihre Arbeitskleidung über Ihr Verhältnis zum eigenen Handeln? Ar­beiten Sie aus dem inneren Zustand eines exklusiv­singulären „Ich“ oder als Teil eines bereits entstandenen und gewählten pro­fessionellen „Wir“? Sind Sie als Coach eher wiederherstellend und im weitesten Sin­ne Ordnung stiftend unterwegs oder liegt Ihnen daran, die Welt aufzumischen, Per­spektiven zu erweitern und Innovationen durch den Aufbruch ins Ungewisse zu för­dern? Solche individuellen selbst gewähl­ten Muster sind ab sofort nicht mehr Ihre Privatsache allein, sie tragen – gewollt oder nicht – damit zum Erscheinungsbild einer mittlerweile entstandenen Profession bei, dessen Wirkung Sie mitverantworten.

Weiterführende Literatur

Kotler, P. (2010). Grundlagen des Marketing (5. Auflage). München: Pearson Studium.

Michael S. & Gross, P.-P. (2011). Organisa-tion und Marketing von Coaching: Aktuel-ler Stand in Forschung und Praxis. Wiesba­den: VS.

Rank, O. (2000). Kunst und Künstler: Stu-dien zur Genese und Entwicklung des Schaffensdranges (Erstveröffentlichung des deutschen Urmanuskripts von 1932, herausgegeben von Hans­ Jürgen Wirth). Gießen: Psychosozial.

Sennett, R. (2008). Handwerk. Berlin: Ber­lin Verlag.

Wegener, R. H., Fritze, A. & Loebbert, M. (2011). Coaching entwickeln: Forschung und Praxis im Dialog. Wiesbaden: VS.

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Der Markt der Coaching-Ausbildungen ist mindestens so vielfältig wie der Coa-ching-Markt selbst. Obwohl verschiede-ne Verbände Qualitätskriterien definiert haben, ist die Orientierung im Markt noch immer ein anspruchsvolles Unter-fangen. Doch an welchen Kriterien lässt sich „gute“ Coaching-Ausbildung festma-chen?

Der Markt an Coaching­ und anderen Bera­ter­Ausbildungen ist in den vergangenen Jahren stark angewachsen, diversifiziert sich weiter und bleibt schwer überschau­bar. Die Datenbank von Christopher Rauen umfasst aktuell allein im deutschsprachi­gen Raum rund 300 Coaching­Ausbildun­gen. Obwohl es inzwischen Bemühungen um Qualitätsstandards sowie verschiedene im Internet zugängliche Orientierungshil­fen gibt, gilt auch weiterhin das Fazit von Böning und Fritschle (2005): „Trotz einiger recht gut vorstrukturierender Artikel und Websites muss jemand, der eine Coaching­Ausbildung sucht, am besten selbst über ein gewisses Maß an Vorkenntnissen über Coaching verfügen. Man muss viel über Coaching wissen, bevor man Coaching ler­nen kann  (…) Thematisch und inhaltlich wird fast alles geboten. Komplettausbil­dung oder Vertiefung einzelner Methoden. Strukturiert oder unstrukturiert. Klinisch ausgerichtet oder nicht­klinisch ausge­richtet. Methodenpluralistisch oder me­

„Denn sie wissen (oft) nicht, was sie tun“: Sechs Thesen zu einer guten Coaching- Ausbildung

H. Möller, S. Kotte, A. Liebelt

thodensingulär. In Bausteinen und lose ver­knüpft oder in Form von systematischen Curricula. Wertorientiert oder pragma­tisch (…) Die Szene der Coaching­Ausbilder ist mindestens so bunt wie die Coaching­Szene selbst.“ Vor diesem Hintergrund

Andreas Liebelt,Diplom-Psychologe,

Supervisor DGSv/BDP, Mensch & Arbeit Consulting,

Münster [email protected]

Silja Kotte,Diplom-Psychologin,

Supervisorin DGSv, wissenschaftliche Mitarbeiterin

am Lehrstuhl für Theorie und Methodik der Beratung,

Universität Kassel [email protected]

Dr. Heidi Möller,Diplom-Psychologin,

Professorin für Theorie und Methodik der Beratung an der

Universität Kassel und Coach [email protected]

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werden im Folgenden sechs Thesen für eine gute Coaching­Ausbildung diskutiert und begründet.

These 1: Eine gute Coaching­Ausbildung muss ein stimmiges Theorie­Praxis­Kon­zept vorweisen, das eine Verbindung von den zugrunde liegenden Annahmen bis zum konkreten beraterischen Handeln schafft und angekoppelt ist an aktuelle wis­senschaftliche Erkenntnisse.

Schreyögg (2009) hat mit der „Wissens­struktur des Coachings“ vier verschiedene Ebenen differenziert, die im Coaching be­rücksichtigt und im Rahmen von Coaching­Ausbildungen expliziert und in einen schlüssigen Gesamtzusammenhang ge­stellt werden müssen. Dies ist erstens die metatheoretische Ebene, die erkenntnis­theoretische und anthropologische Grund­annahmen der Ausbildung beinhaltet. An zweiter Stelle folgt die theoretische Ebene, die auf der Grundlage unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen Aussagen so­wohl über individuelle, interaktionistische als auch organisationale Phänomene trifft. Daran schließt sich die methodologische Ebene mit Aussagen zum Beispiel zur Er­arbeitung von Zielen, zum Interaktionsstil

an. Und letztlich gibt es noch die praxeo­logische Ebene, die konkrete Methoden umfasst – von der Gesprächsführung über erlebnisaktivierende Methoden bis zur Me­dienunterstützung. Eine gute Coaching­Ausbildung muss ihre Wissensstruktur auf allen vier Ebenen verdeutlichen und in einen sinnvollen Gesamtzusammenhang einordnen. Dabei nimmt die Offenheit und Flexibilität von oben nach unten zu: Wäh­rend einige Grundannahmen im Kontext Coaching nicht verhandelbar sind (etwa dass der Mensch sowohl ein Individuum als auch in die Gesellschaft eingebettet ist, dass Arbeit sowohl existenzsichernd als auch bedrängend ist) und eine theo­retische Verankerung keine der drei Ebe­nen Individuum, Interaktion/ Team und Organisation unberücksichtigt lassen darf, können die Ausgestaltung und Schwer­punktsetzung auf der methodologischen und praktischen Ebene flexibler und freier sein, solange sie an Theorien und Grund­annahmen rückgebunden bleiben. Diese Rückbindung widerspricht klar einem ek­lektischen Vorgehen, das häufig unter dem Stichwort „integrativ“, „methodenpluralis­tisch“ oder „konstruktivistisch“ propagiert wird, jedoch primär eine unverbundene Addition unterschiedlicher Methoden be­inhaltet. Schlimmstenfalls ersetzen Tools die Auseinandersetzung mit zugrunde lie­genden Menschenbildern und Werten.

Was heißt dies nun für die Praxis der Coa­ching­Ausbildung? Zwei grundlegende Zu­gangsweisen sind hier denkbar:

Die Ausbildung ist klar verortet in ein oder zwei grundlegenden Ansätzen, etwa psychoanalytisch­gruppendyna­misch oder systemisch oder psycho­dramatisch, die den Ausbildungsteil­nehmern eine klare theoretische und

Eine gute Coaching-Ausbildung bereitet wissenschaftlich fundiert auf beraterisches Handeln vor

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methodische Positionierung vermittelt und darüber eine beraterische Haltung und Identität entwickelt, die in der spä­teren professionellen Beratungspraxis angereichert wird.

Es wird eine theorie­methoden­integ­rative Ausrichtung gewählt, die sich al­lerdings sehr klar von rein eklektischen Zugängen abgrenzen muss. Integration meint gerade nicht Eklektizismus, den der Psychologe Hans Jürgen Eysenck schon 1970 polemisch als unordentliche Sammlung von Prozeduren oder „Res­te­Ragout“ betitelt hat. Es kann also bei der Methodenintegration nicht um eine reine Kombination von beraterischen Interventionen gehen, sondern handelt sich um ein theoretisch und konzep­tionell stimmiges Veränderungsmodell. Viele Elemente unterschied licher Schu­len sind sicherlich in allen Verfahren zu finden. Gemeint sind hier nicht nur die allgemeinen Wirkfaktoren nach dem Psychotherapieforscher Klaus Grawe, die der Psychologe Siegfried Greif für die Coaching­Forschung nutzt, son­dern auch die Arbeit an handlungslei­tenden Überzeugungen. Glaubens­sätze sind in jedem Verfahren Thema, und Verstärkung wirkt überall. Über die Notwendigkeit der Ressourcenorien­tierung wird auch niemand ernsthaft mehr streiten wollen. Allerdings muss dem Coach theoretisch klar sein, war­um er bei diesem Klienten Methodiken aus der kognitiven Verhaltenstherapie anwendet und bei einem anderen eine psychodynamische Deutung erwägt. Damit stellt ein solch integratives Vor­gehen innerhalb einer Ausbildung deutlich höhere Anforderungen an das Vorwissen und die Komplexitätsbewäl­tigung der Teilnehmer, da hierbei nicht nur das Wissen erworben, sondern

Fragen der Indikationen und Kontra­indikationen methodischen Vorgehens gleichzeitig immer mit reflektiert wer­den müssen. Die vermittelten Ansätze müssen sowohl in ihrer theoretischen Stringenz als auch mit ihren jeweiligen Möglichkeiten und Grenzen bedacht werden.

Die Entscheidung für den einen oder ande­ren Zugang hängt wesentlich von der Teil­nehmerstruktur ab: Haben sich die Teilneh­mer bereits in der Tiefe in coachingrelevan­te Theorien und Modelle eingearbeitet, ist ein integrativer Ansatz sehr gut denkbar. Falls nicht, erscheint es sinnvoller, ein Mo­dell zu vertiefen, um Handlungsfähigkeit und Identitätsbildung als Coach zu ermög­lichen.

These 2: Eine gute Coaching­Ausbildung darf nicht nur Methoden und Tools ver­mitteln, sondern muss eine beraterische Identität ausbilden. Dazu muss sie auch wesentliche Teile an Selbsterfahrung und Reflexion umfassen.

Das Wort „Tools“ wird häufig als Zauber­wort im Coaching verwendet, und manch­mal scheint es fast so, als ob die Güte ein­zelner Ausbildungsmodule an der Anzahl der vermittelten Tools zu messen sei. Nun ist gegen Methodenvielfalt sicher nichts einzuwenden. Sehr wohl aber gegen ein Coaching­Verständnis, das in einer Anei­nanderreihung von Tools besteht – und gegen ein Ausbildungsverständnis, das die im Coaching vorhandene Unsicherheit mit­tels eines Methodenkoffers überdeckt oder wegstrukturiert.

Coaching wird seiner Funktion – auch zu einer Steigerung der (Selbst­)Wahr­nehmungsfähigkeit des Coachee beizutra­

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gen – nicht gerecht, wenn es über erlebnis­aktivierende Methoden für Intensität sorgt, selbst zum Event wird oder organisationa­len Aktivismus fortsetzt, statt Räume für Entschleunigung und Reflexivität zu schaf­fen. Denn nur ein hohes Maß an Bewusst­heit über die eigene äußere und innere Realität kann die Grundlage von sorgsamer Modifikation eigener Deutungs­ und Hand­lungsmuster sein. So braucht es Zeit, die ei­genen mentalen Modelle kennenzulernen, sie auf ihre Funktion hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu modifizieren.

Wird die Rolle von Tools in der Coaching­Ausbildung nicht kritisch reflektiert, besteht eine Gefahr darin, dass Metho­ den wirkliches In­Kontakt­Treten ersetzen und zu (gemeinsamen) Abwehrzwecken miss braucht werden. Sicherlich geben Methoden gerade Anfängern zunächst einmal Sicherheit. Sie können aber auch dazu beitragen, dass die Konfrontation mit der eigenen Hilflosigkeit als Coach oder der wahrgenommenen Ratlosigkeit des Coachee überdeckt wird. Eine Überfrach­tung mit Methoden vernachlässigt oft die Auseinandersetzung mit der Frage, was es bedeutet, dass der Coach selbst ein zent­rales Instrument im Coaching ist und dass die Gestaltung einer tragfähigen Coach­Klienten­Beziehung als zen traler Wirkfak­tor identifiziert wurde (Greif, 2008; Künzli, 2009). Dies erfordert eben auch eine Aus­einandersetzung zum Beispiel mit den fol­genden Fragen:

Was sind die Motive der „Berufswahl Coach“, etwa im Hinblick auf das eigene Verhältnis zu Organisationen?

Wie sieht eine wirksame/hilfreiche Coach­Klienten­Beziehung konkret aus? Hier liegen inzwischen erste coaching­spezifische Untersuchungen vor, die

einzelne Facetten wie die Bedeutung von Dominanz und Affiliation oder Be­dingungen der Vertrauensentwicklung beleuchten.

Welche Konzepte gibt es, sich selbst als Instrument im Coaching zu verstehen und zu nutzen (zum Beispiel Gegen­übertragungsanalyse)?

These 3: Eine Coaching­Ausbildung muss unterschiedliche Lernformen umfassen und eine sinnvolle Lernarchitektur bein­halten, die im Ausbildungsverlauf Theorie, Praxis und Transfer verknüpft, und sie muss einen Integrationsort haben, an dem die vielfältigen Lernerfahrungen verzahnt wer­den können.

Eine gute Coaching­Ausbildung sollte un­terschiedliche Lernformen umfassen. Die Vermittlung relevanter Theorien auf indi­vidueller, interaktionistischer und syste­mischer Ebene ist dabei ein wesentlicher Bestandteil. Sie sollte zusätzlich das Lernen am Modell erfahrener Coachs fördern und über die Identifikation mit und Abgren­zung von diesen die Herausbildung einer eigenen beraterischen Identität ermögli­chen. Dies sollte in unterschiedlichen Set­

Handwerkszeug ist nützlich, darf aber nicht der einzige Inhalt von Coaching-Ausbildungen sein

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tings und anhand mehrerer Personen (Aus­bildungsleiter oder Lehrcoachs) erfolgen. Um die Übernahme der neuen Berufsrolle und die Notwendigkeit von Akquise und Behauptung am Markt frühzeitig zu be­fördern, sollten während der Ausbildungs­zeit echte Coaching­Prozesse akquiriert, durchgeführt und reflektiert werden. Ein zentrales Lernfeld ist darüber hinaus die gruppendynamische und institutionelle Selbsterfahrung innerhalb der Ausbildung. Man könnte dies als „szenisches Transfer­Lernen“ beschreiben: Die gruppendyna­mischen Szenen in der Ausbildungsgrup­pe beziehungsweise die Auseinanderset­zungen mit dem Ausbildungsinstitut und dessen Zielen, Strukturen, Prozessen und Kultur sind ein zentrales Lernfeld für die be­raterische Arbeit mit Gruppen/Teams und Organisationen. Dies spricht gegen eine übermäßige Flexibilisierung und Modula­risierung von Ausbildungen. Diese Lern­formen sollten insgesamt in einen fortlau­fenden Theorie­Handlungs­Reflexionsfluss eingebettet sein. Dabei sollten Theorie und Praxis in den verschiedenen Ausbildungs­abschnitten aufeinander abgestimmt sein und die Komplexität über die Ausbildung hinweg sukzessive erhöht werden, etwa vom Einzelcoaching zu Gruppen­ und Teamprozessen bis hin zur Organisations­beratung.

These 4: Eine gute Coaching­Ausbildung muss klare Bezüge zu anderen arbeitswelt­lichen Beratungsformaten herstellen und in Übereinstimmung mit dem beratungs­wissenschaftlichen Diskurs stehen.

Jeder Anbieter einer Coaching­Ausbildung muss sein eigenes Verständnis von Coa­ching explizieren – und zwar angekoppelt an die aktuelle berufsverbandliche und beratungswissenschaftliche Diskussion. Es

muss also expliziert werden, wie eng oder weit der Coaching­Begriff gefasst wird (zum Beispiel Business­Coaching, Life­Coa­ching) und wie dieser im Hinblick auf ande­re Beratungsfor mate (etwa Organisations­beratung, Team ent wicklung) eingeordnet wird. Dies impli ziert klare Aussagen darü­ber, was in der Ausbildung vermittelt wird und was auch nicht. Ausbildungen, die die­sem Anspruch genügen, bewegen sich in der Regel zwischen zwei Extremen:

einer Beratungsausbildung, innerhalb derer verschiedene Beratungsformate und Settings vermittelt werden (zum Beispiel vom Einzelcoaching über Gruppen­/Teamprozesse bis zur Or­ganisationsberatung), wie der Master Mehrdimensionale Organisationsbera­tung der Universität Kassel;

einer reinen Coaching­Ausbildung, die Coaching klar auf Einzelberatung ein­grenzt (es gleichwohl in Bezug zu an­deren Beratungsformaten setzt) und spezifiziert, welche Art von Coaching genau gemeint ist.

Eine Ausbildung, die eine solche Veror­tung nicht vornimmt, ist kritisch zu be­urteilen, da sie insbesondere bei Kandi­daten, die als Beratungsneulinge eine Coaching­Tätigkeit anstreben, eine realis­tische Einschätzung des eigenen Kompe­tenzbereichs und seiner Grenzen ausblen­det. Ausbildungen, die Coaching auf alle Beratungsanlässe anwenden (Watzlawick: „Wer nur den Hammer kennt, für den ist je­des Problem ein Nagel“), statt eine saube­re Diagnose und Indikation beziehungs­weise Kontraindikation für unterschiedli­che Beratungsformate vorzunehmen, sind besonders problematisch. Ein Coach muss wissen, welche anderen Beratungsforma­te es gibt, wann welche indiziert sind und

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16eDossier Professionelles Coaching

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an welchen Stellen ein Weiterverweis an andere Beratungs­ oder auch Therapiefor­men angebracht ist.

These 5: Eine gute Coaching­Ausbildung muss Aufnahmevoraussetzungen definie­ren und die Motivation zur Ausbildung im Ausbildungsverlauf systematisch reflektie­ren.

Zwar gibt es bei Coaching­Ausbildungen häufig formale Aufnahmevoraussetzun­gen wie ein Hochschulstudium oder eine Mindestdauer an Berufserfahrung, doch wie sieht es mit den nichtformalen Kriteri­en aus? Hat irgendein Ausbildungsinstitut schon einmal – aufgrund nicht­formaler Kriterien – einen Interessenten abgelehnt, oder darf eigentlich jeder Coach werden, nur weil er Coach werden will? Böning und Fritschle (2005) fanden unter allen befrag­ten Ausbildungsinstituten nur einen einzi­gen Fall. Hier zeigt sich ein markanter Un­terschied zur Therapie­Ausbildungsszene. Es gibt einen deutlichen Interessenskon­flikt, Ausbildungen voll zu bekommen und dabei gleichzeitig einen Kompeten­zanspruch an Coachs einzuhalten. Zumin­dest folgende Fragen müssen aber in der Ausbildung einer intensiven Reflexion un­terzogen werden:

Was sind die (vorbewussten) Motive zur Berufswahl Coach? Sind es zum Beispiel oft die eigenen Wünsche nach Partizi­pation an der Macht der Ratsuchenden? Vermeiden Coachs die eigene Füh­rungsrolle, indem sie sich Dominanz durch den Status ihrer Coachees ent­lehnen? Auch das Verhältnis zur Orga­nisation sollte thematisiert werden. So gibt eine Organisation zugleich Sicher­heit und Bedrängnis. Die Motivation zur Ausbildung zum Coach ist oft genug

die, dieser Bedrängnis für sich selbst zu entkommen. Im Zentrum der Motiva­tion, Coach zu werden, stand in einer explorativen Studie (Stippler & Möller, 2009) vor allem die eigene Persönlich­keitsentwicklung. Der Wunsch, eigent­lich selbst gecoacht zu werden, zieht sich als roter Faden durch die Motiva­tionsanalysen. Coaching­Ausbildungen müssen diesen motivationalen Hinter­gründen Rechnung tragen.

Auch die angestrebte Gewichtung der Coaching­Tätigkeit im Gesamtkontext der eigenen Berufstätigkeit sollte in der Ausbildung reflektiert werden. Ist es das Ziel, ein Vollzeit­Coach zu werden, oder Coaching nur zur Ergänzung oder zur Professionalisierung in der Primärpro­fession zu nutzen? Das hat sowohl Im­plikationen für die Professionalität als Coach als auch für das ambivalente Ver­hältnis zum Broterwerb durch Coaching im Spannungsfeld zwischen notwendi­ger beraterischer Unabhängigkeit und wirtschaftlicher Existenz sicherung oder dem Reiz hoher Honorare.

These 6: Eine Coaching­Ausbildung muss von erfahrenen Ausbildern geleitet wer­den. Erfahrung beinhaltet sowohl umfas­sende und aktuelle eigene Beratungserfah­rung als auch Erfahrung in der Ausbildung von Coachs.

Erfahrung wird sowohl von den Auftrag­gebern von Coaching, den Coachs selbst (vgl. Böning & Fritschle, 2005) als auch von Coaching­Verbänden als wesentliches Qua­litätskriterium definiert. Dass diejenigen, die Ausbildungen anbieten, erst recht über umfassende Erfahrung verfügen müssen, ergibt sich von selbst. Welche Erfahrung ist nun für Coaching­Ausbilder besonders relevant? Auf der inhaltlichen Ebene müs­

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sen sie über Beratungserfahrung mit un­terschiedlichen Zielgruppen, Settings und Organisationstypen verfügen. Sie sollten sich in verschiedenen Sektoren ausken­nen (im Gegensatz zu reinem „Business­Coaching“ oder zu ausschließlicher „Su­pervision in sozialen Institutionen“) und eine ideologische Offenheit gegenüber unterschiedlichen Organisationstypen und ­branchen (Business, Non­Profit, öffent­liche Verwaltung) mitbringen. Erst durch die Vielfalt an Erfahrung wird es möglich, das jeweils Typische herauszukristallisie­ren und dieses Ausbildungskandidaten zu vermitteln. Angesichts der zunehmenden Beschleunigung der Arbeitswelt sowie der geringen Halbwertszeit von Wissen benö­tigen Ausbilder nicht nur langjährige, son­dern auch aktuelle Beratungserfahrung, um anschlussfähig zu bleiben. Neben Be­ratungserfahrung ist auch Erfahrung in der Ausbilderrolle zentral und wird von den meisten Verbänden als Zertifizierungsvor­aussetzung eingefordert. Ein guter Coach ist noch kein guter Ausbilder, und dass die Ausbilder eine zentrale Rolle für den Lern­prozess im Rahmen einer Coaching­Ausbil­dung spielen, versteht sich von selbst.

Fazit:

Eine gute Coaching­Ausbildung steht und fällt mit einem sinnvollen Gesamtkon­zept, das sich der kritischen Diskussion und Überprüfung durch Wissenschaft und Praxis stellt. Zentral sind dabei eine klare Wissensstruktur, die Herausbildung einer beraterischen Identität, die Schaffung einer sinnvollen Lernarchitektur, die Verortung im Hinblick auf andere Beratungsformate, die Reflexion von Zugangsvoraussetzun­gen und Motiven sowie die Erfahrung und Kompetenz der Ausbilder. Die Coaching­Forschung steht zwar insgesamt noch am

Anfang, sie ist aber dringend nötig, um die Wirkfaktoren von Coaching genauer zu untersuchen und so Qualitätskriterien für gute Ausbildungen empirisch zu begrün­den.

Weiterführende Literatur

Böning, U. & Fritschle, B. (2005). Coaching fürs Business: Was Coachs, Personaler und Manager über Coaching wissen müssen. Bonn: Managerseminare.

Greif, S. (2008). Coaching und ergebnis-orientierte Selbstreflexion. Göttingen: Hogrefe.

Künzli, H. (2009). Wirksamkeit im Füh­rungs kräfte­Coaching. Organisationsbe -ra tung, Supervision, Coaching, 1/2009, 4–18.

Möller, H. (2007). Methodenintegration: Eintopf oder Menu à la carte. Forum Psy-chotherapie, 15 (1), 10–12.

Schreyögg, A. (2009). Die Wissensstruk­tur von Coaching. In B. Birgmeier (Hrsg.), Coachingwissen: Denn sie wissen nicht, was sie tun? (S. 47–60). Wiesbaden: VS.

Stippler, M. & Möller, H. (2009). „Aber jetzt ist der Zeitpunkt reif für etwas anderes.“ Zur Weiterbildungsmotivation von Teil­nehmerInnen einer Coachingausbildung. Organisationsberatung, Supervi sion, Coa-ching, 1/2009, 72–85.

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18eDossier Professionelles Coaching

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Wer ins Coaching kommt, will sich meist verändern. Doch Verhaltensänderungen sind nur sinnvoll, wenn sie zum persönli-chen Motivprofil passen.

Führungskräfte, die sich einem Coach anvertrauen, wollen in der Regel ihr Füh­rungsverhalten optimieren, bestehende Konflikte aufarbeiten, Klarheit bei schwer­wiegenden Entscheidungen erlangen oder zu einer positiveren Work­Life­Balance fin­den. Da Verhalten stets das Resultat von Persönlichkeits­ und Situationsfaktoren ist, lassen sich nachhaltige Effekte nur dann er­zielen, wenn das neu aufzubauende Verhal­ten zur Persönlichkeit und zu den Lebens­umständen des Coachee passt oder wenn es gelingt, Persönlichkeit und Lebensum­stände so zu verändern, dass sich neues Verhalten entwickeln kann. Situations­ und Lebensumstände zu verändern ist nicht im­mer leicht, aber im Prinzip machbar. Doch wie aufwendig und erfolgversprechend ist es, einzelne Persönlichkeitsmerkmale zu modifizieren, um stabile Verhaltensände­rungen zu erreichen?

Versucht man, die wesentlichen Persön­lichkeitsmerkmale nach Stabilität und der Vielfalt ihrer Ausprägungen zu klassifizie­ren, ergibt sich in etwa eine Pyramide (siehe Seite 19), in der das Temperament die höchste Stabilität besitzt, Hoffnungen und Ängste im Vergleich dazu die nied­rigste. Jemanden in Angst und Schrecken zu versetzen dürfte relativ leicht sein, wäh­

Führung und Persönlichkeit: Wenn Motive und Anforderungen auseinanderklaffen

J. S. Krug, P. Bannier

rend der Versuch, aus einem introvertierten Phlegmatiker einen überaktiven „Sponti“ zu machen, wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt ist. Die Frage ist, welche tief grei­fenden und nachhaltigen Veränderungen sich in einem Coaching leisten lassen.

Bei der Sicherstellung nachhaltiger Verhal­tenseffekte ist jedoch noch ein weiteres Phänomen zu bedenken. Verhalten wird ja nicht von einzelnen isolierten Persönlich­keitsmerkmalen bestimmt, sondern von einer Vielzahl interagierender Faktoren. Was bringt es, jemandem mit Schwierigkei­ten in seiner Führungsrolle die Fähigkeit zu vermitteln, ein gutes Mitarbeitergespräch zu führen, Konflikte angemessen zu bear­

Petra Bannier,Diplom-Psychologin, Trainerin

und Coach, Aus- und Weiter- bildnerin für Coachs, Berlin

[email protected]

Dr. Joachim Siegbert Krug,Diplom-Psychologe,

tätig im Bereich Führungs-kräfteschulung und

Organisationsentwicklung, Essen

[email protected]

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19eDossier Professionelles Coaching

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beiten oder den eigenen Bereich effektiv zu organisieren, wenn die Person keinen inneren Antrieb verspürt, sich derartigen Führungsaufgaben zu widmen? Verhalten hängt eben nicht nur vom eigenen Kön­nen, sondern auch vom Wollen ab, und dieses Wollen wird von unterschiedlichen Motiven, Werten, Interessen und Neigun­gen bestimmt.

Die Motivationstheorie von McClelland

Da Verhalten nicht nur eine Frage von Fä­higkeiten und Fertigkeiten, sondern auch eine Frage der inneren Antriebe ist, bauen wir unser Coaching­Konzept auf der Mo­tivationstheorie des amerikanischen Psy­chologen David Clarence McClelland auf. Dabei handelt es sich zum einen um die theoretisch und empirisch wohl am besten elaborierte Motivationstheorie. Zum ande­ren fand ihre Überprüfung im Bereich des Managements und der Führung statt, und zudem ist sie eine der wenigen Theo rien, die zur Erklärung von Verhalten nicht nur Personen­, sondern auch Situationsvariab­len in ihre Betrachtung einbezieht.

Nach den Studien von McClelland sind im Führungsbereich vor allem drei Motive von ausschlaggebender Bedeutung (sie­he Krug & Kuhl, 2006). Dies ist zum einen das Leistungsmotiv (das Bedürfnis nach ständigen Herausforderungen auf Sach­gebieten), das Gesellungs­ oder Freund­schaftsmotiv (das Bedürfnis nach positi­ven sozialen Kontakten) sowie das Macht­motiv (das Bedürfnis nach Einfluss, Stärke und Autonomie). McClelland konnte in zahlreichen Untersuchungen nachwei­sen, dass eine dominante Ausprägung ei­nes dieser drei Motive mit ganz bestimm­ten motivtypischen Einstellungen, Ver­haltensweisen, Berufs­ und Lebenszielen verbunden ist. Besonders stark treten diese Motivunterschiede im Führungs­verhalten hervor und weisen hier eine hohe Stabilität auf.

Leistungsmotivierte sind stark auf der fachlichen Ebene. Sie wollen die Dinge optimieren und arbeiten hart an der Implementierung effektiver Prozesse und Strukturen. Mitarbeiterführung ist jedoch nicht so ihr Ding. Sie kümmern sich um Sachprobleme, vernachlässi­gen in vielen Fällen jedoch den zwi­schenmenschlichen Bereich.

Freundschaftsorientierte legen dage­gen viel Wert darauf, dass das zwischen­menschliche Klima stimmt, Konflikte gar nicht erst aufkommen und keine zu hohen Leistungsansprüche die Harmo­nie im Team stören.

Machtmotivierte sind ebenfalls in ho­hem Maße auf der Personenebene aktiv. Sie lieben es, Einfluss zu nehmen und zu gestalten. Dies kann in egoistischer Art und Weise geschehen, aber auch in gemeinschaftsdienlicher Absicht. Für Machtmotivierte kann ein positives Ar­beitsklima von großer Bedeutung sein, Die Stabilität und Variabilität der Persönlichkeitsfaktoren

Tempe-rament

Motive

Werte

Einstellungen

Gewohnheiten

Interessen/Neigungen

Fähigkeiten

Hoffnungen/Ängste

Stab

ilitä

t

Variabilität

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20eDossier Professionelles Coaching

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aber nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck, um die notwendigen Voraussetzung für effektives Arbeiten zu schaffen.

Nach motivationstheoretischen Erkennt­nissen stellt sich Erfolg im Beruf dann ein, wenn das persönliche Motivprofil (das Zu­sammenspiel aller drei Motive) mit dem motivationalen Anforderungsprofil der beruflichen Tätigkeit übereinstimmt. Das motivationale Anforderungsprofil gibt an, wie stark in einem Beruf die drei Motive ge­fordert werden.

Doch wie sieht das motivationale Anfor­derungsprofil einer Führungsposition aus? Und wie sollte das Motivprofil eines Stelleninhabers aussehen, um die moti­vationalen Anforderungen des Berufs zu erfüllen? Irrigerweise geht man in vielen Fällen davon aus, dass Führungskräfte durch ein hohes Leistungsmotiv getrie­ben sein müssten. Dies ist jedoch nicht der Fall und sogar oft in hohem Maße kontraproduktiv. Führungskräfte, die sich ständig in die Lösung von Sachproblemen einmischen, alles besser wissen und alles am liebsten selbst machen würden, rufen mehr Frustration als Motivation aufsei­ten ihrer Mitarbeiter hervor. Auch ein zu starkes Harmoniestreben aufgrund eines hohen Freundschaftsmotivs ist dem Füh­rungserfolg eher abträglich. Führungs­kräfte müssen führen, das heißt lenken, leiten, motivieren, kontrollieren, und sie müssen Spaß daran haben, Einfluss auszuüben, um zu gestalten. Bestehen große Diskrepanzen zwischen dem per­sönlichen Motivprofil und dem motiva­tionalen Anforderungsprofil der Tätigkeit (siehe Grafik Seite 22), sind Probleme bei der Bewältigung der Führungsaufgaben programmiert.

Grundlagen des motivations-theoretisch geleiteten Coachings

Dass es überhaupt zu solchen Diskrepan­zen kommt, liegt in vielen Fällen daran, dass Beförderungen immer noch häufig aufgrund erbrachter Leistungen erfolgen. Doch nicht jeder Spitzenfußballer wird ein Spitzentrainer, und nicht jeder Top­Verkäu­fer ein erfolgreicher Verkaufsleiter. Gute Fachkenntnisse sind ohne Zweifel notwen­dige, aber keine hinreichenden Bedingun­gen, um eine erfolgreiche Füh rungskraft zu werden. Um die Ausprägung des Motivpro­fils eines Coachee zu erfassen, bedienen wir uns drei verschiedener Verfahren. Zum einen lassen wir ihn den Thematischen Ap­perzeptionstest (TAT) durchführen, der von McClelland und Nachfolgern speziell zur Erfassung der drei Motive entwickelt wur­de. Zum anderen führen wir, eingebettet in die Coaching­Situation, ein strukturiertes Interview zur Erfassung der Motiv­Domi­nanzen durch. Und drittens veranlassen wir den Coachee zu einer Selbsteinschätzung seines persönlichen Motivprofils, nachdem er mit den Grundlagen der Motivationsthe­orie vertraut gemacht wurde. Das motiva­tionale Anforderungsprofil des Arbeitsplat­zes erfolgt ebenfalls über die Analyse eines strukturierten Interviews und getrennt da­von durch die Selbsteinschätzung des Coa­chee. Aufgrund dieser Analysen zeigten sich im Lauf der Jahre drei „Problemtypen“.

Bei Typ A stimmen persönliches Mo­tivprofil und motivationales Anforde­rungsprofil der Stelle gut überein, es fehlt jedoch noch an der notwendigen Führungserfahrung, entsprechenden Führungskompetenzen und der not­wendigen Selbstsicherheit. In dieser Gruppe sind häufig junge Führungs­kräfte anzutreffen, die vor ihrer ersten

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Führungsaufgabe stehen. Da hier das motivationale Führungspotenzial gege­ben ist, genügt es zumeist, im Coaching die entsprechenden Kompetenzen zu vermitteln oder die vorhandenen Kom­petenzen zu optimieren.

Bei Typ B stimmen persönliches Mo­tivprofil und motivationales Anforde­rungsprofil der Stelle gut überein. Es besteht jedoch eine Diskrepanz zwi­schen den Vorstellungen des Coachee von der Rolle als Führungskraft und den tatsächlichen Anforderungen. Das erleben wir etwa bei weiblichen Füh­rungskräften, die zum ersten Mal eine Führungsaufgabe übernehmen, oder bei Führungskräften, die aus dem Kol­legenkreis zum Chef befördert wur­den. Beide versuchen, ihre Mitarbeiter durch einen freundschaftsbezogenen Führungsstil zu gewinnen, um als net­te, verständnisvolle, umgängliche Füh­rungskraft zu gelten.

Bei Typ C stimmen persönliches Mo­tivprofil und motivationales Anforde­rungsprofil der Stelle nicht überein (siehe Grafik Seite 22, Abb. rechts). Oft handelt es sich um Experten, deren Leistungsmotiv deutlich höher und de­ren Machtmotiv niedriger ausgeprägt ist, als es die Stelle eigentlich erfordert. Die Führungskraft verliert sich in tech­nischen, wissenschaftlichen Details und kümmert sich selbst intensiv darum, schwierige Sachprobleme zu lösen. Dass sie so die Motivation ihrer Mitar­beiter untergräbt, ist ihr selten bewusst.

Ablauf eines motivationstheoretisch geleiteten Coachings

Ein motivationstheoretisch basiertes Coa­chings läuft vom Grundsatz her für alle drei „Problemtypen“ gleich ab.

Der Coachee stellt seine Situation dar und macht seine Erwartungen an das Coaching deutlich.

Falls sich der Problembereich „Führung“ abzeichnet, wird der Coachee gebeten, den TAT zu bearbeiten.

Der Coachee wird mit den theoreti­schen Grundlagen von Führung und Motivation vertraut gemacht.

Er nimmt aufgrund seines neuen the­oretischen Wissens eine Einschätzung seines persönlichen Motivprofils und der motivationalen Anforderung seines Arbeitsplatzes vor.

Er wird mit dem TAT­Ergebnis und den Einschätzungen des Coach zu Motiv­profil und Arbeitsplatz konfrontiert, die er seinen Selbsteinschätzungen gegen­überstellt.

Lösungsmöglichkeiten werden erarbei­tet.

Die Lösungsansätze werden im Alltag umgesetzt.

Bei Typ A (junge Führungskraft mit Poten­zial) steht man meist vor einer relativ leich­ten Aufgabe. Sobald er durch Theo rie und Selbstanalysen für das Thema sensibilisiert ist, sind auch die weiteren Schritte für ihn evident. Er muss sein Führungsverhalten optimieren, was meist nicht schwerfällt, da es zu seinem Motivprofil kompatibel ist. Die entsprechenden Kompetenzen sind im Coaching leicht vermittelbar und zei­gen später in der realen Führungssituation hohe Stabilität.

Bei Typ B (Führungskraft mit Rollenkonflikt) ist die Problemlage ähnlich, jedoch durch das führungshinderliche Rollenverständnis etwas schwieriger. Der Coaching­Prozess bedarf hier allerdings zusätzlich eines intensiven Diskurses über das Rollenver­ständnis einer erfolgsorientierten Füh­

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22eDossier Professionelles Coaching

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rungskraft. Dieser trägt dann Früchte, wenn es gelingt, die Wertvorstellungen des Coa­chee mit seinen moti vationalen Bestrebun­gen in Übereinstimmung zu bringen. So war es bei einem jungen Gruppenleiter, der Spaß daran hatte zu lenken und zu leiten, aber zusätzlich dachte, er müsste als Vor­bild sein kompetentester Sachbearbeiter sein. Als er schließlich einsah, dass ihm die Bearbeitung solcher Aufgaben keine große Befriedigung verschaffte und er damit sei­ne Mitarbeiter in hohem Maße frustrierte, veränderte sich sein Führungsverhalten schlagartig. Ebenso war es bei einer jun­gen Gruppenleiterin, die stärker macht­ als freundschaftsmotiviert war, aber glaubte, über einen sehr freundschaftsorientierten Füh rungsstil die Akzeptanz ihrer Mitarbei­ter zu gewinnen. Diese erlebten ihren Füh­rungsstil jedoch als unsicher, inkonsequent und ohne klare Linie.

Weitaus schwieriger gestaltet sich der Coa­ching­Prozess bei Typ C. Vor einiger Zeit coachten wir den Verkaufsdirektor eines Großunternehmens, der in seiner Funk­tion sehr unzufrieden war, obwohl er es aufgrund unglaublicher Umsatzleistungen

in relativ kurzer Zeit vom „kleinen“ Verkäu­fer bis zum „mächtigen“ Direktor gebracht hatte. Er war ständig hinter seinen Leuten her, verlangte Leistung, Leistung, Leistung, verstand es aber überhaupt nicht, die Rah­menbedingungen dafür zu schaffen, die es seinen Mitarbeitern ermöglicht hätten, hoch motiviert diese Leistungen zu erbrin­gen. Er wollte, dass wir ihm beibringen, sei­nen „Führungsjob“ effektiver zu bewerk­stelligen.

Unsere ersten Maßnahmen, bei denen wir mit ihm gemeinsam die üblichen Strate­gien angemessener Mitarbeiterführung erarbeitet haben (zum Beispiel besser kommunizieren, klarere Ziele), brachten nichts. Das meiste kannte er bereits aus Seminaren, fand es zum Teil unsinnig und vor allem zu zeitaufwendig. Wir baten ihn, einen Motivtest (TAT) zu machen. Der Test zeigte ein dominantes Leistungsmotiv, das deutlich über den Ausprägungen seines Freundschafts­ und seines Machtmotivs lag. Strukturierte Gespräche machten deut­lich, dass er aufblühte, wenn es ihm gelun­gen war, eigene Erfolge einzufahren, und nicht, wenn er es geschafft hatte, seinen

Die Übereinstimmung zwischen persönlichem Motivprofil und motivationalem Anforderungsprofil ist wesentlich

Motivationsprofil des Stelleninhabers

0

1

2

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4

0

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2

3

4

MachtEinfluss

Gesellung Freundschaft

Leistung Herausforderung

MachtEinfluss

Gesellung Freundschaft

Leistung Herausforderung

niedrig

mittel- niedrig

mittel

mittel- hoch

hoch

Typ A Typ C

motivationales Anforderungsprofil der Stelle

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23eDossier Professionelles Coaching

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Mitarbeitern Motivation, Mut und Selbst­vertrauen zu vermitteln. Unser ursprüngli­ches Vorgehen war daher kontraproduktiv. Denn die von uns vorgeschlagenen Verhal­tensweisen haben für eine leistungsmoti­vierte Persönlichkeit keinerlei Tätigkeits­anreiz. Sie zwingt sich vielleicht bei hohem Leidensdruck, solche „erfolgversprechen­den“ Verhaltensweisen an den Tag zu le ­ gen. Doch niemand führt dauerhaft Tätig­keiten aus, an denen er keinen Spaß hat.

Hier gibt es nur zwei Möglichkeiten: die Person oder die Situation zu verändern. Motive zu verändern hat sich empirisch als wenig erfolgversprechend erwiesen. Mc­Clelland und Nachfolger haben es versucht (siehe Krug & Kuhl, 2005). Durchschlagende Effekte ließen sich jedoch nicht erzielen. Im unserem Fall bedeutete dies, für den Direk­tor eine Funktion zu finden, in der sein ho­hes Leistungsmotiv kein „Erfolgshindernis“ mehr ist, sondern zum „Erfolgsgaranten“ wird. Er selbst erkannte dabei folgende at­traktive Aufgaben: Top­Kunden betreuen, ein neues Produkt im Markt platzieren oder eine neue Region erschließen. Da derartige berufliche Veränderungen mitunter mit Prestige­ und Gehaltseinbußen verbunden sind, steht der Coachee in diesem Fall vor der Entscheidung, inwieweit er bereit ist, Abstriche an den extrinsischen Anreizen hinzunehmen, um den Anteil intrinsischer Anreize zu erhöhen.

Grenzen eines motivations theoretisch geleiteten Coachings

Coaching im Führungsbereich ist keine Therapieform, in der es darum geht, einen mehr oder weniger langen Umerziehungs­prozess durchzuführen. Coaching ist aber auch kein reines Verhaltenstraining mit dem Ziel, mechanisch einzelne Verhaltens­

weisen zu perfektionieren. Entscheidend ist es, wie gut das persönliche Motivprofil und das motivationale Anforderungspro­fil des Arbeitsplatzes übereinstimmen. Doch auch wenn das nicht der Fall ist, ist ein Coaching nicht nutzlos. Denn keiner ist seinen Motiven hilflos ausgeliefert. Man kann angemessen und situationsadäquat mit ihnen umgehen, sofern man sich da­rüber klar wird, was einen zu bestimmten Verhaltensweisen treibt. Dazu ein Beispiel: Frau I. aus einem börsengeführten Unter­nehmen kam mit dem Ziel ins Coaching, ihre Life­Work­Balance zu verbessern. Sie ist Führungskraft im mittleren Management. Dann wurde ihr die Position ihres Chefs angeboten, was sie zunächst wegen ihrer Familiensituation ablehnte. Sie macht ihre Arbeit sehr gern, steht aber seit der Geburt ihrer zweijährigen Tochter zunehmend un­ter Zeitdruck, kann kaum abschalten und hat Schlafprobleme. Sie verantwortet die Vorstandsvorlagen für den Bereich Control­ling und ist auf hohe Präzision angewiesen, die sie von den ihr zuarbeitenden Mitarbei­tern nicht erhält und daher die Aufgaben selbst erledigt. Auch ihr Chef nutzt ihre Perfektion gern, indem er ihr Aufgaben aus seinem Bereich überträgt. Der Tag von Frau I. ist perfekt strukturiert, nur die Wo­chenarbeitszeit von 70 Stunden fällt auf. In der Motivanalyse findet sich bei Frau I. ein ausgesprochen hohes Leistungsmotiv. Das erklärt ihre Neigung, sich stärker mit Sach­ als mit Führungsaufgaben zu beschäftigen. Trotz eines mittelhohen Machtmotivs erle­digt sie die Aufgaben selbst, statt ihre Mit­arbeiter stärker zu fordern. Frau I. konnte so die eigenen Anteile ihres Problems besser verstehen und damit bewusster umgehen. Sie setzte sich zunehmend bei der Dele­gation von Aufgaben durch und klärte für sich besser, welche Aufgaben ihrer Rolle entsprechen. So konnte Frau I. auch kla­

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24eDossier Professionelles Coaching

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rer für sich entscheiden, dass eine höhere Führungs position für sie nicht passt. Sie sieht jetzt ihre Möglichkeiten der Weiter­entwicklung in einem anderen Bereich, wo sie auch neue fachliche Herausforderun­gen findet.

Mittel­ und langfristig wird sich ein unbe­friedigtes Leistungsmotiv meist zum Prob­lem entwickeln. Eine höhere Führungsposi­tion verlangt ja nicht nur entsprechendes Führungsverhalten, sondern auch die Aus­einandersetzung mit Kollegen oder Macht­kämpfe um Mittel und Möglichkeiten. Doch die Ausübung dieser Tätigkeiten, an denen hoch Machtmotivierte ihren Spaß haben, bereitet hoch Leistungsmotivierten zumeist tiefen Frust. Will man sich dies auf Dauer nicht antun, muss man seine Situati­on verändern, also seinen Arbeitsplatz den eigenen motivationalen Stärken anpassen. Auch hier gilt es im Coaching, die Vor­ und Nachteile sorgfältig abzuwägen.

Fazit

Ein erfolgreicher Coaching­Prozess setzt die genaue Kenntnis der Persönlichkeit des Coachee voraus, aber auch die Kenntnis der Besonderheiten und Anforderungen der zu bewältigenden Situation. Nur wenn man weiß, welche Veränderungsmöglichkeiten sowohl auf der Seite des Coachee als auch auf der Seite der Arbeitsanforderungen vorhanden sind, lässt sich ein Coaching­Prozess sinnvoll und erfolgreich konzipie­ren und steuern.

Weiterführende Literatur

Krug, S. & Kuhl, U. (2005). Die Entwicklung von Motivförderprogrammen. In R. Voll­meyer & J. C. Brunstein (Hrsg.), Motivati-onspsychologie und ihre Anwendung (S. 167–188). Stuttgart: Kohlhammer.

Krug, S. & Kuhl, U. (2006). Macht, Leistung, Freundschaft. Stuttgart: Kohlhammer.

Beispiel Controllerin: Frau I., die 70 Stunden in der Woche arbeitete, musste lernen zu delegieren

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25eDossier Professionelles Coaching

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Coaching kann dabei helfen, dass ein Auslandseinsatz sowohl für den Mitarbei-ter als auch für das Unternehmen zum Er-folg wird und auch der Wiedereinstieg im Heimatland besser gelingt.

„Ich möchte mich fundiert auf meine neue Aufgabe vorbereiten und meine strategischen Überlegungen mit einem Sparringspartner durchsprechen. Die Erwartungen des Vor-stands an das Start-up in Indien sind enorm.“

„Mein Führungsteam vor Ort in der Türkei zeigt nicht so viel Eigeninitiative, wie es nötig wäre. Alle wichtigen Entscheidungen spreche ich durch, doch es kommt enttäuschend we-nig zurück!“

„In den vier Jahren, die ich im Ausland ver-bracht habe, hat sich mein Konzern zu Hause strukturell und personell enorm verändert. Wie kann ich nach meiner Rückkehr ohne funktionierendes Netzwerk dort wieder an-docken?“

Das sind typische Fragen, die sich bei ge­planten, laufenden oder gerade abge­schlossenen Auslandsentsendungen erge­ben, und sie gehören heute zum Alltag vie­ler Unternehmen. Die DAX­Konzerne erzie­len den Großteil ihrer Umsätze im Ausland, und die Entsendung von Führungskräften ist unverzichtbarer Bestandteil global aus­gerichteter Unternehmensführung, um neue Märkte zu erschließen, Joint Ventures oder Start­ups zu begleiten, Produktions­

Mit dem Coachee auf Weltreise: Professionelle Begleitung von Führungskräften

K. von Schumann, M. Spörrle

Professor Dr. Matthias Spörrle,Diplom-Psychologe,

Professor an der Fachhochschule für angewandtes Management

(FHAM) in Erding [email protected]

Dr. Karin von Schumann, Diplom-Psychologin,

Managementcoach und Beraterin, Schumann Coaching & Consulting,

München kvschumann@

vonschumann-consulting.com

stätten aufzubauen oder Standorte zu lei­ten. Oft ist ein Auslandsaufenthalt auch die erste Bewährungsprobe als Linienmanager. In der Regel verantwortet er im Ausland eine größere Führungsspanne oder muss sich erstmals als Führungskraft von Füh­rungskräften beweisen.

Die Herausforderung für die Personalab­teilungen besteht darin, unternehmens­bezogene und individuelle Aspekte der Führungskräfteentwicklung und der Aus­landsentsendung zu verknüpfen. Es gilt, Führungskräfte so auszuwählen, zu quali­fizieren und zu begleiten, dass sie im Aus­land erfolgreich sind. Sonst entstehen er­hebliche Kosten. So wird durchschnittlich

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26eDossier Professionelles Coaching

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ein Drittel der Auslandseinsätze vorzeitig beendet (Rothlauf, 2009). Zudem gilt es si­cherzustellen, dass sich die Expatriates per­sönlich und professionell weiterentwickeln und ihr erworbenes Wissen nach der Rück­kehr im Unternehmen einsetzbar ist.

Coaching, Training, Mentoring – was hilft?

Grundsätzlich hält die moderne Personal­entwicklung drei Tools für die Unterstüt­zung von Expatriates bereit: Coaching, Training und Mentoring (siehe Tabelle). Coaching ist dabei in vielen, gerade für Expatriates relevanten Aspekten dem Trai­ning überlegen. Mit seinem personen­ und situationsspezifischeren Ansatz kann es die aktuelle Lage des Expatriates besser berücksichtigen. Das Mentoring, die Wei­tergabe persönlicher und professioneller

Fähigkeiten, Lebenserfahrung und Wissen eines Senior Managers an seinen Mentee, birgt ein hohes Potenzial (vor allem in der Eingewöhnungsphase zu Beginn des Aus­landsaufenthalts), aber auch ein gewisses Risiko: Die Qualität des Mentorings kann, in Abhängigkeit vom Engagement und der Eignung des Mentors sowie der Passung zwischen Mentor und Mentee, extrem variieren (vgl. Osula & Irvin, 2009). Neben diesen pragmatischen Aspekten sprechen auch theoretische Überlegungen für das Coaching von Expatriates: Es ist besonders effektiv, weil es zentrale gemeinsame Be­standteile mit einem erfolgreichen Aus­landseinsatz hat. Beide Prozesse operieren interaktiv auf der affektiven, kognitiven und der Verhaltensebene und ermögli­chen eine Entwicklung der ganzen Person. Zentrale Zielsetzungen des Coachings, die Erhöhung professioneller Kompetenz

Methodisches Charakteristikum

Coaching Training Mentoring

Entwicklung der ganzen Person

Ja, arbeitet direkt mit Gefühlen, Gedanken und Verhalten des Klienten im Kontext

Selten, schwer innerhalb der Grenzen von Trainingsmaßnahmen zu realisieren. Mit Rollenspielen und Simulationen in begrenztem Umfang

Abhängig vom Mentor

Kontext-Sensitivität Ja. Der Coach arbeitet im und mit dem Kontext

Eher nein. Trainings werden übli-cherweise vorab angeboten

Manchmal, abhängig vom Standort des Mentors

Begleitung über die Zeit des Auslandsaufenthalts

Ja. Coaching begleitet üblicher-weise während des Aufenthalts, falls das Unternehmen bereit ist, hier zu investieren

Nicht notwendigerweise. Es besteht aber die Möglichkeit, Trainings in allen Phasen (vor, während, nach dem Aufenthalt) aufzusetzen

Ja, manchmal allerdings nur über Distanz

Unterstützung bei an-fänglichen Anpassungs-schwierigkeiten

Üblicherweise nicht, Vorberei-tungscoaching kann hier helfen, Herausforderungen zu antizipie-ren, aber es gibt selten Coaching in der Einarbeitungsphase

Üblicherweise nicht, vorbereitendes Training kann helfen, Herausforde-rungen zu antizipieren

Ja. Es kann sehr hilfreich sein, gerade in der An-fangsphase, einen erfahre-nen Mentor zu haben

Individuell angepasst Ja Üblicherweise nein – Gruppenbe-dürfnisse müssen im Vordergrund stehen

Manchmal – abhängig vom Mentor

Auf Bedarf des Unterneh-mens zugeschnitten

Ja. Es bedarf eines Dreiecksver-trags zwischen Unternehmen, Coachee und Coach

Ja. Die Trainings sollten und können unternehmensspezifisch konzipiert sein

Ja

Familiäre Situation wird einbezogen

Ja, zumindest bei einem syste-mischen Coaching-Ansatz

Üblicherweise nicht Manchmal, abhängig von der Art der Beziehung

Relative Stärken und Schwächen von Coaching, Training und Mentoring als Entwicklungsmaßnahmen für Expatriates (nach Abbott, Stening, Atkins & Grant, 2006)

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und persönlicher Zufriedenheit, sind auch gängige Erfolgskriterien für Auslandsent­sendungen. Der Fokus auf Interaktion und die ganzheitliche Perspektive sind eben­falls zentrale Charakteristika des Coachings und des Auslandseinsatzes. Coaching kann in allen drei Phasen der Entsendung pro­zessunterstützend eingesetzt werden (vgl. Donnison, 2008): in der Vorbereitungspha­se, während des Aufenthalts und als Repa­triate­Coaching bei der Rückkehr und Re­integration nach dem Auslandseinsatz.

Vorbereitungscoaching

Ein Beispiel: Dennis K. hat das Projekt „Auf­bau Vertrieb Indien“ geleitet. In einem hal­ben Jahr soll er vor Ort die CEO­Funktion der neuen Vertriebsniederlassung über­nehmen. In seinem Vorbereitungscoaching geht es zunächst darum, die vielen, oft kon­fligierenden Erwartungen, die an ihn ge­richtet werden, bewusst zu machen. Es sind die Erwartungen des Topmanagements im Konzern, der Mitarbeiter in Deutschland und Indien und die der Partnerin und der Familie. Typische und wichtige Inhalte eines Vorbereitungscoachings sind das Erkennen offener und verdeckter Rollen­erwartungen, das Lokalisieren von Wider­ständen und möglichen Bündnispartnern im Vorfeld, das Setzen von Prioritäten und die eigene Work­Life­Balance. Zudem sollten interkulturelle Aspekte beachtet werden. Hierfür kann für einzelne Sitzun­gen ein spezialisierter Coach oder Trainer hinzugezogen werden. Dennis K. hat in Kalifornien seinen High­School­Abschluss gemacht, ein Semester in Singapur stu­diert und bereits an einem interkulturellen Sensibilisierungstraining teilgenommen. Er könnte höchstens eine individuelle Be­ratung durch einen Indien­Experten brau­chen.

Coaching während des Auslandsaufenthalts

Der zentrale Mehrwert des Coachings liegt in der Begleitung international tätiger Ma­nager während des Arbeitsprozesses. In­nerhalb Europas kann das Coaching von einem Coach aus dem heimischen Pool übernommen werden. Im Unterschied zum US­amerikanischen Raum finden viele Ent­sendungen zwar in einen anderen Kultur­raum, aber nicht auf einen anderen Konti­nent statt. Mehr oder weniger regelmäßige Heimflüge stehen auf dem Programm fast jedes Expatriates. Ergänzend oder alterna­tiv kann der Coach an den Auslandsstand­ort reisen. Ein besonders wertvolles Inst­rument im interkulturellen Kontext stellt das verbale 360­Grad­Feedback dar, das durch den Coach am Einsatzort des Coa­chee durchgeführt wird. Während es im angelsäch sischen Raum bereits als Stan­dard­Tool gilt, gewinnt es in der deutschen Coaching­Szene erst allmählich an Bedeu­tung. Anhand von etwa fünf bis sieben ge­meinsam mit dem Coachee ausgewählten Kompetenzmerkmalen führt der Coach persönliche Interviews mit Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten vor Ort durch (für eine systematische Zusammenstellung der Kompetenzmerkmale siehe Luthans & Farner, 2002). Wichtiger als eine zahlenba­sierte Einschätzung der Führungs­, Kommu­nikations­ oder Entscheidungsfähigkeit des Coachee sind die Ausführungen und Bei­spiele der Befragten. Die Beschreibungen auf der Verhaltensebene, was genau Zufrie­denheit oder Irritation bei den Mitarbeitern, Kollegen oder Vorgesetzten des anderen Kulturraums auslöst, bieten zahlreiche kon­krete Ansatzpunkte für das Coaching.

Michael R. ist ein junger Manager, der schon als Praktikant an dem türkischen Ferti­

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gungsstandort seines Unternehmens gear­beitet hat, an dem er nun als Werksleiter tä­tig ist. Er ist mit einer Türkin verheiratet und ins örtliche Leben integriert. Entsprechend der Konzernkultur pflegt er einen koopera­tiven und integrativen Führungsstil: „Meine fünf Abteilungsleiter und ich sind ein ech­tes Team. Alle wichtigen Entscheidungen besprechen wir ausführlich in unseren wö­chentlichen Jour fixes und mir ist wichtig, dass wir immer einen Konsens finden.“ Sehr erstaunt ist Michael R. über das Ergebnis sei­nes 360­Grad­Feedbacks: Seine Abteilungs­leiter wünschen sich von ihm fast einhellig mehr Durchsetzungskraft. „Er versucht, alle Meinungen einzuholen – das ist nicht gut. Manchmal muss ein Manager auch ein Dikta­tor sein!“, „Er will jedem zuzuhören und kann keine Entscheidungen eigenständig tref­fen.“ Ob der Wunsch nach mehr Durchset­zungskraft auf Kulturunterschiede zurück­zuführen ist, auf Vorerfahrungen des Teams mit einem eher hierarchisch führenden Vorgänger oder darauf, dass manche Team­mitglieder Michael R. noch als Praktikanten erlebt haben – das ist eher zweitrangig. Es geht darum, die Erwartungen zu kennen, im Coaching zu reflektieren und entsprechen­de Handlungsoptionen zu entwickeln. Die ausführliche Reflexion der Feedback­Ergeb­nisse im Rahmen des Coachings ist somit ein wichtiger Prozess­Schritt.

Den nächsten Schritt des 360­Grad­Feed­back­Coachings stellt das „Sharing and Clarifying Meeting“ – die Präsentation und Klärung der Ergebnisse – mit den Mitar­beitern dar. Hier kann die Brücke zwischen Führungskräfte­ und Organisationsent­wicklung geschlagen werden. In einem vom Coach moderierten Workshop werden die Feedback­Ergebnisse mit allen Mitar­beitern diskutiert und Vereinbarungen für die Zukunft getroffen. Dies ist oft ein wich­tiger Schritt in Richtung einer offenen Kom­munikations­ und Feedback­Kultur und ist somit auch eine organisationsbezogene Entwicklungsmaßnahme. Unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungswelten werden thematisierbar. Dass mit dem Coaching so offen umgegangen wird, hat als solches schon positive Auswirkungen, wird es doch als echtes Inter esse am Umfeld gewertet. Weiter kann in dem Meeting auch die Kom­munikation zwischen dem Coachee und seinem sozialen Arbeitsumfeld beobachtet werden. Dies ist eine wertvolle Quelle für das Feedback durch den Coach. Im weite­ren Verlauf nimmt der Coachee die Sitzun­gen mitunter am Heimatstandort wahr, oder der Coach reist zum Auslandsstand­ort. Wichtige Coaching­Themen befassen sich mit dem professionellen Agieren in der Organisationsstruktur. Fast immer gibt es Vorgesetzte vor Ort und in der Unter­nehmenszentrale. Sich als „Diener zweier Herren“ geschickt zu verhalten, lokale und zentrale Interessen abzuwägen, Diplomatie und politisches Feingefühl zu zeigen sind entscheidende Entwicklungsaufgaben für den Expatriate, die im Coaching bespro­chen werden. Zudem gilt es, das Netzwerk zu Hause zu pflegen und Selbstmarketing zu betreiben, gerade weil man ab vom Schuss ist. Wer aktiv netzwerkt, bekommt oft lange vor Ablauf der Entsendung inter­essante Anschlussangebote.

Schwierige, aber wichtige Schritte in Richtung offener Feedback-Kultur helfen dem Unternehmen

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Repatriate-Coaching

Im Repatriate­Coaching, bei der Rückkehr ins Heimatland, spielen individuelle und unternehmensbezogene Aspekte in ihrer Wechselwirkung eine Rolle. Wertvoll für den heimkehrenden Expatriate und das Unternehmen ist es, bewusst zu reflek­tieren, welche Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen und Erfahrungen während des Auf­enthalts gewonnen und welche Kontakte und Infokanäle aufgebaut wurden. Gleich­zeitig werden informelle Instrumente und Foren der Wissensweitergabe bewusst gemacht und deren Nutzung vorbereitet („In welchen Situationen kann ich welche Kollegen informieren oder durch ein Tele­fonat oder eine E­Mail an meine Kontakte vor Ort konkret unterstützen?“) So gilt es im Coaching, auch die Chancen bewusst zu machen, sich als Ansprechpartner für interkulturelle Themen und Aktivitäten anzubieten. Da formelle Systeme des Wis­sensmanagements bezogen auf Ausland­seinsätze kaum existieren, ist es für Unter­nehmen wichtig – und auch für Repatria­tes befriedigend –, wenn das im Ausland erworbene Wissen nutzbar gemacht wird. Auch die Reintegration in die heimische (Unternehmens­)Kultur ist nötig. Oft hat sich während der Abwesenheit viel verän­dert. Wichtige Schlüsselpersonen haben gewechselt, Abteilungen wurden umstruk­turiert. Gleichzeitig sind die Erwartungen an den Rückkehrer, in der neuen Position schnell Erfolge vorzuweisen, meist hoch. Studien im amerikanischen Kulturraum gehen davon aus, dass 30 Prozent aller Ex­patriates innerhalb eines Jahres nach ihrer Rückkehr kündigen – oft gerade aufgrund ihrer im Ausland erworbenen Kenntnisse und fehlenden Perspektiven im eigenen Unternehmen. Auch wenn diese Zahl nur bedingt übertragbar ist, das Risiko, diese

wichtigen und teuer entwickelten, inter­national erfahrenen Know­how­Träger zu verlieren, ist auch hierzulande beträcht­lich. Immer mehr Personalverantwortliche erkennen, dass diese Gefahr durch ein be­gleitendes Coaching zumindest minimiert werden kann

Weiterführende Literatur

Abbott, G. N., Stening, B. W., Atkins, P. W. B. & Grant, A. M. (2006). Coaching expatriate managers for success: Adding value beyond training and mentoring. Asia Pacific Journal of Human Resources, 44, 295–317.

Chmielecki, M. (2009). Coaching modern day nomads. Journal of Intercultural Management, 1, 135–146.

Donnison, P. (2008). Executive coaching across cultural boundaries: An interes­ting challenge facing coaches today. De-velopment and Learning in Organizations, 22, 17–19.

Hornstein, E. v., Steiner, E. & Spörrle, M. (2011). Sag mir, wie soll ich sie führen? Professionelle Begleitung von Führungs­kräften. Wirtschaftspsychologie aktuell, 18 (1), 46–49.

Luthans, K. W. & Farner, S. (2002). Expatri­ate development: The use of 360­degree feedback. Journal of Management Deve-lopment, 21, 780–793.

Osula, B. & Irvin, S. M. (2009). Cultural awareness in intercultural mentoring: A model for enhancing mentoring relation­ships. International Journal of Leadership Studies, 5, 37–50.

Rothlauf, J. (2009). Interkulturelles Manage-ment. Mit Beispielen aus Vietnam, China, Japan, Russland und den Golfstaaten (3., überarbeitete und aktualisierte Auflage). München: Oldenburg.

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Die Landeshauptstadt München setzt auf Coaching als nachhaltiges Qualifizie-rungsinstrument. Coaching-Angebote werden gezielt ausgebaut und fest in der Personal entwicklung von Führungs-kräften verankert. Dabei setzen die Münchner auf interne Coachs.

Coaching ist kein geschützter Begriff. Jeder darf darunter alles verstehen – und leider auch anwenden. Coaching, das seinen Na­men verdient, hat jedoch ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal: In keiner anderen Qualifizierungsform stehen die Selbststeu­erung des Lernenden und die Nachhaltig­keit von Lernerfolgen so im Vordergrund. Die Stadt München grenzt Coaching des­halb scharf von anderen Qualifizierungs­instrumenten wie Mentoring, Beratung, Training oder Supervision ab. Die Chancen einer nachhaltigen Verhaltensänderung von Führungskräften sind im Coaching grundsätzlich höher als im Training. Und im Gegensatz zum Mentoring sind im Coa­ching nicht die Erfahrungen Dritter (Men­tor) erfolgsbedingend, sondern allein das Bewusstmachen und die Neusteuerung der Ressourcen, Motive oder Werte des Coachee. Während bei der Supervision die meist fortlaufende Reflexion von Belas­tungssituationen – in der Regel bei helfen­den Berufen – im Vordergrund steht, sind im Coaching die Konzentration auf vorab fixierte Ziele und eine zeitliche Befristung unabdingbar für einen erfolgreichen Pro­zess.

Internes Coaching: Die Stadt München baut auf Kompetenz im eigenen Haus

S. Scholer

Stefan Scholer,Diplom-Soziologe,

Leiter des Aus- und Fortbildungs-zentrums der Landeshauptstadt

[email protected]

„Coaching ist kein Synonym für Training oder Beratung“, heißt es im Coaching­Konzept der Landeshauptstadt München, der größten kommunalen Stadtverwal­tung Deutschlands. Das Zulassen bera­tender Elemente im Coaching hätte eine Beschränkung und im schlimmsten Fall eine Verhinderung der durch Coaching in­tendierten „Selbstlern­Optionen“ zur Folge und würde einer nachhaltigen Erfolgssi­cherung neu entwickelter Handlungsalter­nativen im Weg stehen. München folgt hier einer Erkenntnis der Lernforschung: „Für nachhaltiges Lernen ist es von entschei­dender Bedeutung, dass der Lernende die erreichten Ergebnisse sich selbst und sei­nen Bemühungen zuschreiben kann und die Ergebnisse in Übereinstimmung mit den Vorstellungen von der eigenen Person und den eigenen Werten und Überzeugun­gen stehen“ (Mielke, 2011). Im Unterneh­menskontext der Stadt München wird Coa­ching deshalb als lösungs­ und zielorien­tierte Unterstützung von Führungskräften durch professionelle interne oder externe Coachs definiert. Der Coach begleitet die

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Führungskraft bei der Realisierung eines Veränderungswunschs oder der Lösung eines Problems, wenn das mit anderen In­strumenten wie Training, Supervision oder Mediation schwerer oder nur mit höherem Aufwand möglich wäre.

Coaching garantiert Transfer

Was veranlasst die Stadt München dazu, zukünftig massiv in Coaching für Füh­rungskräfte zu investieren und dazu ge­zielt Fortbildungsmittel umzuschichten? Sie ist überzeugt, mit Coaching auf ein Instrument zu setzen, mit dem Selbstre­flexion und Verhaltensänderungen der Führungskräfte fast zwingend verbunden sind. Da innerhalb des Arbeitsumfelds der Führungskraft und an individuell formu­lierten konkreten Zielen gearbeitet wird, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Transfer neuer Handlungsoptionen in die Praxis ausgegangen werden. Im Ge­gensatz zu klassischen Seminarformen ar­beiten Führungskräfte im Coaching über einen längeren Zeitraum an ihrer persönli­chen Veränderungsthematik. Eine zurück­lehnende Konsumhaltung wie manchmal in Seminaren ist ausgeschlossen. Nicht zu unterschätzen ist auch der Vorteil, ein persönliches Veränderungsziel in einem geschützten, vertrauensvollen Rahmen zu bearbeiten, was in sonstigen Fortbil­dungsformaten, außer im Mentoring, nicht oder nur eingeschränkt möglich ist.

Coaching bedient „Markt“-Nachfrage

Nahezu alle Umfragen der jüngsten Ver­gangenheit bei Unternehmen und Wei­terbildungsanbietern ergaben für kein anderes Personalentwicklungsinstrument so hohe Potenziale wie für Coaching. Das zeigte sich auch bei einer Umfrage der

Stadt München, die von ihren Führungs­kräften unter anderem wissen wollte, welche Qualifizierungsformen sie bevor­zugen. Ein Ergebnis der Umfrage, an der sich 848 von rund 2500 Führungskräften beteiligten: Coaching landete mit 69,6 Prozent auf dem ersten Platz. Das über­raschte zunächst, da es bisher von den al­lerwenigsten Führungskräften in Anspruch genommen wurde. Als arbeitsplatznahes, zielgenaues und effizientes Personalent­wicklungs­ und Weiterbildungsinstrument war das Potenzial für Coaching bei Weitem nicht ausgeschöpft, obwohl offensichtlich erhebliche Nachfrage bestand. Dem soll in Zukunft Rechnung getragen werden. Um die Qualität von Coaching­Prozessen bei der Landeshauptstadt München zu si­chern, wurde ein bestehender Coach­Pool (externe Coachs) aufgelöst, und die Stadt entwickelte neue hohe Qualitätsstandards, auf deren Grundlage der Pool neu ausge­schrieben wurde (siehe Kasten Seite 32).

Persönliche Kompetenz unabdingbar

Neben den im Anforderungsprofil definier­ten sozial­kommunikativen Kompetenzen wird von einem Coach „persönliche Kom­petenz“ erwartet. Hierzu wird vor allem die Identifizierung der Werthaltungen und Mo­tive des Coach verlangt. Dass diese Kompe­tenz gleichwertig neben anderen als unab­dingbar definiert wurde, mag verwundern. Dahinter steht die simple Erkenntnis, dass ein Coach, der sich nie der Mühe unter­ziehen musste, seine eigenen Motive und Werte zu identifizieren, kaum andere dazu anregen kann, sich mit ihren eigenen in­dividuellen Motivstrukturen und Werthal­tungen auseinanderzusetzen. Vorausge­setzt wird auch „Feldkompetenz“. Sie wird definiert als „reflektierte branchen­, the­menspezifische und kulturelle Erfahrung

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beziehungsweise Wissen über den Kontext „öffentlicher Dienst“. Ein Coach, der für die Landeshauptstadt München tätig ist, muss demzufolge auch über integriertes Orga­nisationswissen verfügen, er muss etwas über Unternehmensprozesse innerhalb der Stadtverwaltung, über deren Führungskul­tur und ­instrumente, über Entscheidungs­abläufe sowie Konfliktmechanismen Be­scheid wissen.

Interne Akzeptanz durch Vertrauen

Die Stadt München setzt zukünftig sowohl auf die Arbeit mit externen als auch mit in­ternen Coachs. In Sachen Feld kompetenz haben interne Coachs per se einen großen Vorteil. Eine andere Frage ist die der Akzep­tanz. In der Literatur wird meist beschrie­ben, dass sich bei der obersten Führungs­ebene ein Coaching durch einen externen Coach empfiehlt, während sich beim mitt­leren und unteren Management auch inter­nes Coaching eignet. Viele Unternehmen kombinieren beide Varianten. Grundsätz­lich wird internes Coaching eher bei gro­

ßen Unternehmen angewandt. Dort hat es in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen (vgl. Offermanns, 2006).

Von diesen Befunden ermutigt, hat auch die Landeshauptstadt München mit ihren über 28 000 Mitarbeitern und rund 2500 Führungskräften beschlossen, neben ex­ternem zukünftig auch auf internes Coa­ching zu setzen. Dabei wissen die Personal­verantwortlichen: Der Erfolg von internem Coaching setzt voraus, dass es von den Zielgruppen als positives und unterstüt­zendes Instrument wahrgenommen und den internen Coachs vertraut wird. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn grundsätz­lich eine offene und auf Vertrauen basie­rende Unternehmenskultur herrscht.

In München jedenfalls erfreut sich die Ar­beit mit internen Coachs mittlerweile reger Nachfrage. Wichtig ist: An externe wie an interne Coachs werden die gleich hohen fachlichen wie persönlichen Anforderun­gen gestellt. Sowohl interne als auch ex­terne Coachs müssen eine qualitativ hoch­

Bei Coachs, die für die Landeshauptstadt Mün­chen tätig sind, wird Folgendes vorausgesetzt:

Mindestalter 30 Jahre; mindestens siebenjährige umfassende Be­

rufserfahrung, möglichst Führungserfah­rung;

qualitativ hochwertige Coaching­Ausbil­dung mit hohem Anteil von Eigenerfah­rung, Mindestdauer von 160 Stunden und möglichst Zertifizierung durch einen gro­ßen Coaching­Verband (wie Deutscher Ver­band für Coaching und Training, Deutscher Bundesverband Coaching);

integriertes psychologisches Wissen (nicht nur aus einer psychologischen Schule) sowie Erfahrungen in der Anwendung psychologi­scher Interventionsverfahren;

systemisches, kontextbezogenes Verständ­nis von Coaching;

Erfahrungen mit betriebswirtschaftlichen Instrumenten.

Die Grundhaltung, die ein Coach erfüllen muss, ist in einer „Ethik für Coachs“ festgehalten. Sie orientiert sich weitgehend an einem Dokument des Deutschen Verbands für Coaching und Trai­ning (www.dvct.de).

Hohe Standards sichern Qualität

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wertige Coaching­Ausbildung nachweisen. Und für die Auswahl interner Coachs wurde das gleiche Assessment­Center (struktu­riertes Interview und Rollenspiel) durchge­führt wie für externe Bewerber. Die Landes­hauptstadt München verfügt bislang über sechs interne Coachs mit entsprechender Qualifikation und Coaching­Erfahrung. Es handelt sich um städtische Dienstkräfte aus verschiedenen städtischen Referaten.

Mittlere Führungsebene profitiert

Die Stadt setzt vor allem im Hinblick auf die verstärkt als Coaching­Zielgruppe avisierte mittlere Führungsebene auf die Arbeit mit internen Coachs. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass ab einer bestimmten Hierar­chieebene in der Regel nach wie vor exter­ne Coachs nachgefragt werden. Für Füh­rungskräfte höherer Ebenen scheint bei der Entscheidung „intern oder extern“ ein gewisser Image­Effekt eine Rolle zu spielen. (Unausgesprochenes) Motto: „Eine in der Hierarchie hoch angesiedelte Führungs­kraft kann sich kaum von einem internen Coach, der in der Verwaltungshierarchie

gegebenenfalls niedriger angesiedelt ist, unterstützen lassen.“ Nichtsdestotrotz lie­ßen sich auch Führungskräfte höherer Ebe­nen bereits von internen Coachs begleiten. Die Entscheidung, zukünftig vor allem auf die Arbeit mit internen Coachs zu setzen, ist in erste Linie wirtschaftlich begründet. Sie sind für den Arbeitgeber wesentlich günstiger. Auch vor dem Hintergrund, dass die Stadtverwaltung mit dem Coaching­Angebot für Führungskräfte künftig in die Breite geht, wäre ein ausschließlich auf externes Coaching zielendes Konzept wirt­schaftlich nicht möglich.

Anreize für internes Coaching

Bei der Stadt München ist man überzeugt: Der Erfolg eines Coachings hängt nicht davon ab, ob ein interner oder externer Coach eingesetzt wird. Entscheidend sind die Persönlichkeit des Coach, seine hand­werkliche Professionalität und Kompetenz zum Aufbau einer vertrauensvollen Bezie­hung zwischen Coach und Coachee. Die Stadtverwaltung setzt gezielt Anreize, um den städtischen Referaten und Dienst­

Bei der Stadt München gilt Coaching als Belohnung für Potenzialträger mit hervorragenden Leistungen

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stellen die Zusammenarbeit mit internen Coachs schmackhaft zu machen: Das wird (bis zu zehn Stunden) aus Mitteln des Per­sonalreferats bezahlt und ist so mit keinen Kosten für die Kunden verbunden. Für ex­ternes Coaching gibt es einen gedeckelten Zuschuss, der in der Regel etwa 50 Prozent der Kosten ausmacht. Die Differenzbeträge müssen die städtischen Referate aus eige­nen Mitteln finanzieren.

Der Vorgesetzte weiß Bescheid

Der oder die Vorgesetzte des Coachee wird stets einbezogen, was die Klärung des thematischen Anlasses und die grobe Zielsetzung des Coachings betrifft. Das Coaching wird gemeinsam vom Coachee und von dessen Vorgesetztem beim städ­tischen Personal­ und Organisationsreferat beantragt. Auf einem Formular wird das Coaching­Anliegen schriftlich begründet. Hier kann auch angekreuzt werden, ob ein externer oder ein interner Coach gefragt ist oder ob man dazu noch Beratung durch das Personalreferat wünscht. Das Personal­referat wird guten Gewissens bei nahezu allen Coaching­Anlässen und Themen auch die Unterstützung durch interne Coachs anbieten.

Zur Verschwiegenheit verpflichtet

Beim Einsatz interner Coachs stellt sich die Frage, wie diese mit Rollenkonflikten um­gehen. Zwei der sechs bei der Stadt Mün­chen eingesetzten Coachs (zu denen auch der Autor zählt) arbeiten zum Beispiel in ihrem „Hauptamt“ im Personal­ und Orga­nisationsreferat. Sowohl externe als auch interne Coachs haben mit der „Ethik für Coachs“ (siehe Kasten Seite 32) einen Ko­dex unterschrieben. Wörtlich heißt es: „Von der zu coachenden Person anvertraute

Informationen unterliegen absoluter Ver­traulichkeit und Stillschweigen, sofern kei­ne Zustimmung durch die zu coachende Person erfolgt ist oder anderweitig gesetz­liche Verpflichtungen zur Offenlegung vor­liegen (etwa Bekanntwerden einer Straf­tat).“ Es ist nahezu ausgeschlossen, dass Informationen über die persönlichen Ziele des Coachee den geschützten Coaching­Raum verlassen. Auch interne Coachs mit einer im Vergleich zu externen Coachs grö­ßeren Nähe zum Arbeitgeber sind Profis genug, diesen Kodex zu erfüllen.

„Strukturelle“ Erkenntnisse

Etwas anderes ist es mit in Coachings ge­wonnenen Erkenntnissen struktureller Natur, die für die Personalabteilung hohe Steuerungsrelevanz haben können. Hy­pothetisches Beispiel: Ein interner Coach erhält in verschiedenen Coachings die Information, dass Mitarbeitergespräche kaum stattfinden. Dann kann durchaus ein Hinweis an die Personalabteilung erfol­gen. Denn es heißt in der „Ethik“ auch: „Ein Coach ist grundsätzlich loyal gegenüber den Interessen, Zielen und Strategien sowie der vorhandenen Wertekultur der Landes­hauptstadt München.“ Dazu gehört auch ein regelmäßiges Mitarbeitergespräch. Ein interner oder externer Coach darf nicht an die Personalabteilung rückmelden: „Die Personen x oder y oder die Dienststelle z führen nie Mitarbeitergespräche.“ Aber allgemeine Hinweise wie: „Aus meinen Coachings gewinne ich den Eindruck, dass Mitarbeitergespräche von Führungskräften nicht ernst genommen werden“ sind mög­lich. Fragen nach Quellen wird ein interner Coach nicht beantworten. Die Grenze ver­läuft dort, wo der persönliche Vertrauens­schutz des Coachee nicht mehr gewährleis­tet ist.

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Neue Führungskultur mit Coaching

Wichtig ist zudem, dass Coaching bei der Stadt München als Belohnung für hervor­ragende Leistungen und Maßnahme für Potenzialträger und nicht für Problemträ­ger kommuniziert wird. Gute Führungskul­tur und kompetente Führungskräfte sind ein entscheidender Faktor für den Erfolg auch bei der Landeshauptstadt München. Selbst wenn in dieser Hinsicht noch keine harten Kennzahlen existieren, wird eine breitere Inanspruchnahme von Coaching zumindest mittel­ und langfristig positive Auswirkung auf die Unternehmenskultur haben. Reflektierte Führungskräfte, die an sich gearbeitet haben, werden ihre aktuel­len Herausforderungen besser bewältigen. Zumindest mittel­ und langfristig aber wird auch das Führungsklima insgesamt einen positiven Schub erhalten. Durch Coaching werden Potenzialträger unterstützt, ihre Posi tion im System zu stärken und dadurch noch bessere Leistungen zu erzielen. Au­ßerdem trägt ein Coaching­Angebot für Leistungsträger zur immer wichtigeren Mitarbeiterbindung und zum „Employer Branding“ bei. Im künftig schärferen Wett­bewerb um die besten Köpfe wird es viele dieser Köpfe überzeugen, dass die Stadt München in die Personalentwicklung ihrer Führungskräfte investiert und mit internen Coachs auch Kompetenz im eigenen Haus zur Verfügung steht.

Weiterführende Literatur

Mielke, R. (2011). Konsequenzen aus der psychologischen Lernforschung. In R. Meier & A. Janßen, Coachausbildung – ein strategisches Curriculum (S. 391–398). Sternenfels: Verlag Wissenschaft und Praxis.

Offermanns, M. & Steinhübel, A. (2006). Coachingwissen für Personalverantwortli-che. Frankfurt am Main: Campus.

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Chefredaktion Bärbel Schwertfeger, Dipl.­Psych.

Redaktionsleitung Isabel Nitzsche, M.A. phil., Dipl.­Journ. Redaktionsbüro printTV Pettenkoferstr. 24 , 80336 München Telefon: +49 (0) 89 260 266 20 Fax: +49 (0) 89 260 266 31 E­Mail: redaktion@ wirtschaftspsychologie­aktuell.de

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Layout und Satz Tanja Bregulla, Aachen

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