Das Team-Management – Einführung in ein neues Konzept ... · Workshop 8. KTQ-Forum Berlin...

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Workshop 8. KTQ-Forum Berlin 24.11.2008 Das Team-Management Einführung in ein neues Konzept interdisziplinärer Teamarbeit in der Rehabilitation Holger Grötzbach, M. A. & Heiko Schubert Asklepios Klinik Schaufling Hausstein 2 D 94571 Schaufling ICF- Arbeitsgruppe Schaufling

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Workshop 8. KTQ-Forum Berlin 24.11.2008

Das Team-Management – Einführung in ein

neues Konzept interdisziplinärer Teamarbeit in

der Rehabilitation

Holger Grötzbach, M. A. & Heiko Schubert

Asklepios Klinik Schaufling

Hausstein 2

D – 94571 Schaufling

ICF- Arbeitsgruppe

Schaufling

Herzlich Willkommen zum Workshop

Sanatorium

Hausstein/Schaufling um 1930

Rehabilitation

AGENDA

(gesetzlicher) Auftrag der Rehabilitation

Definition von Therapiezielen

Gesetzliche Grundlagen

„Behinderte oder von Behinderung bedrohte

Menschen erhalten Leistungen (...), um ihre

Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe

am Leben in der Gesellschaft zu fördern,

Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen

entgegenzuwirken“ (SGB IX, §1).

nach: Bihr, D. et al. (2006). SGB IX – Kommentar und Praxishandbuch. St. Augustin: Asgard.

Ätiologie,

Pathologie,

Manifestation

Funktionale

Gesundheit

Kontext-

faktoren

das bio-psycho-soziale Modell der ICF

Partizipation

Gesundheitsproblem

(Gesundheitsstörung oder Krankheit, ICD)

- Alter, Geschlecht

- Motivation

- Lebensstil

Aktivitäten

Umweltfaktoren

- materiell

- sozial

- verhaltensbezogen

persönliche Faktoren

Körper-

funktionen

und -strukturen

Finalität (1)

„Rehabilitationsmaßnahmen (müssen)

ausschließlich dem Ziel der Verbesserung

von Teilhabe (…) dienen. Die Verbesserung

von Funktionen an und für sich, das heißt die

Verbesserung übungsspezifischer Fertig-

keiten in Motorik, Kognition und Sprache ist

nur solange gerechtfertigt, als nachgewiesen

ist, dass hierdurch die Teilhabe verbessert

werden kann1.“

1Quelle: Fries, W. (2007). Reha-Philosophie: Konzepte und Strukturen für eine Teilhabe-orientierte ambulante

wohnortnahe Rehabilitation. In Fries, W. et al. (Hrsg.). Teilhaben! Stuttgart: Thieme, S. 10.

Finalität (2)

„Therapeutische Maßnahmen zur reinen

Funktionsverbesserung, oft von Patienten

gewünscht („meine Hand soll besser werden“),

gehören nicht mehr zum Leistungskatalog der

Sozialleistungsträger1.“

1Quelle: Fries, W. (2007). Reha-Philosophie: Konzepte und Strukturen für eine Teilhabe-orientierte ambulante

wohnortnahe Rehabilitation. In Fries, W. et al. (Hrsg.). Teilhaben! Stuttgart: Thieme, S. 10.

Finalität (3)

„Der Nachweis von Rehabilitationserfolg ist

(…) auf der Ebene von Teilhabe zu führen und

nicht mehr auf der Ebene von Funktions-

verbesserungen1.“

1Quelle: Fries, W. (2007). Reha-Philosophie: Konzepte und Strukturen für eine Teilhabe-orientierte ambulante

wohnortnahe Rehabilitation. In Fries, W. et al. (Hrsg.). Teilhaben! Stuttgart: Thieme, S. 10.

Rehabilitation

Agenda

(gesetzlicher) Auftrag der Rehabilitation

Definition von Therapiezielen

Ziele in der Rehabilitation

„Der Verlauf der Behandlung wird im inter-

disziplinären Team (…) besprochen und

bewertet. Der Patient und seine Angehörigen

müssen dabei so einbezogen werden, dass

über Ziele (…) der Rehabilitation gemeinsam

entschieden werden kann1.“

1Quelle: Huber, W. et al. (2006). Klinik und Rehabilitation der Aphasie. Stuttgart: Thieme, S. 9.

Gemeinsame Entscheidungen?

„In vielen Rehabilitationseinrichtungen wird damit

geworben, dass die Patienten im Mittelpunkt der

Therapien stehen. Häufig bedeutet dies jedoch nur,

dass im interdisziplinären Team eine Reihe von

Therapiezielen festlegt werden, um dann den Patienten

oder seine Angehörigen um Zustimmung zu bitten1.“

1Quelle: McGrath, J. (im Druck). Interdisciplinary goal planning in neurological rehabilitation. In Frommelt, P. &

Grötzbach, H. (Hrsg.) Neurorehabilitation. Heidelberg: Springer.

Interdisziplinäre Teamarbeit

„Jeder gibt Lippenbekenntnisse zur interdisziplinären Arbeit ab.

Allerdings wird die Rehabilitation (...) nur allzu oft durch eine

„Rückenmarks“-Mentalität bestimmt. Scherzhaft gesagt

behandelt der Physiotherapeut die unteren Extremitäten, der

Ergotherapeut die oberen, der Sprachtherapeut zwischen

Rachen und Mund, der Psychologe oberhalb des Mundes und

die Pflege alles, was dazwischen liegt. Die Teambesprechungen

bestehen daraus, dass jede Fachgruppe dem Rehabilitationsarzt

über die Funktionen in ihrem Körperteil berichtet (während alle anderen Aufmerksamkeit heucheln)1.“

1Quelle: Kay, T. & Silver, S. M. (1989). Closed head trauma: Assessment for rehabilitation. In: Lezak, M. (Ed).

Assessment of the behavioural consequences of head trauma. Alan Liss: New York.

Sachwortverzeichnis: Zielsetzung

Welter, F. L. & Schönle, P. W. (1997). Neurologische Rehabilitation: kein Eintrag

Frommelt, P. & Grötzbach, H. (1999). Neuro-Rehabilitation: kein Eintrag

Nelles, G. (2004). Neurologische Rehabilitation: kein Eintrag

Dettmers, Ch., Bülau, P. & Weiller, C. (2007). Schlaganfall Rehabilitation: Eintrag vorhanden

van Cranenburgh, B. (2007). Neurorehabilitation.Eintrag vorhanden

Warum klare Ziele in der

Rehabilitation setzen?

Ziele verbinden Therapeut und Patient

Ziele verbessern das Therapieergebnis

Ziele stärken die Selbstwirksamkeit

Wie erfahren wir von den Zielen

unserer Patienten?

Die Ziele der Patienten sind in Erzählungeneingebettet (Narration).

Hinter dem Ziel „Ich möchte wieder gesund werden“ steht die Frage „Was bedeutet Gesundheit für Sie?“

Fragebögen und Checklisten können den Dialog nicht ersetzen.

Alternative zu Fragebögen und Checklisten: „goal setting“ und „goal attainment scaling“

Einteilung von Zielen in der

Rehabilitation1

Lebensziele; Ziele, die sich auf persönliche

Werte und die Teilhabe an Lebensbereichen

beziehen – langfristige Perspektive: in

Monaten oder Jahren erreichbar

Ziele, die sich auf das Funktionieren und

Handeln im alltäglichen Leben beziehen –

kurz- und mittelfristige Perspektive: in Tagen

oder Wochen erreichbar

1nach: Frommelt, P. & Grötzbach, H. (2007). Zielsetzung in der Schlaganfallrehabilitation. In Dettmers, Ch. et al. (Hrsg.)

Schlaganfall Rehabilitation. Hippocampus: Bad Honnef, 121 – 133.

Berücksichtigung der

Patientenziele in der Teamarbeit1

Körperstruktur /

Körperfunktion:

medizinisch-therapeutische

Sicht

Aktivität / Partizipation:

Patienten-Sicht

Definition von kurz- und

mittelfristigen

Therapiezielen

Therapiemaßnahmen

Therapieergebnis

nach: Grötzbach, H. (2008) Bottom-up oder top-down orientierte Aphasietherapie: Welche ist besser? Die Sprach-

heilarbeit, 2008, 53 (5), 284 – 291.

Konte

xt

Aufnahmeteam

Entlassteam

Zielsetzung in der ICF: top-down1

von den langfristigen

Zielen werden auf der

Basis des Kontextes

mittel- und kurzfristige

abgeleitet

die Ziele sind ge-

meinsame Ziele vom

interdisziplinären Team

und Patienten

Teilhabe

Aktivitäten

Funktionen

Ko

nte

xt

1nach: Frommelt, P. & Grötzbach, H. (2007). Zielsetzung in der Schlaganfallrehabilitation. In Dettmers, Ch. et al. (Hrsg.)

Schlaganfall Rehabilitation. Hippocampus: Bad Honnef, 121 – 133.

Patient: Narration

Patient: langfristige Ziele Patient: mittelfristige Ziele

Team: Teilhabeziele Team: Verlauf

Patient:

Therapieerfahrungen

Ziele in Konflikt

Ziel: Rückkehr in den Beruf

Rentenversicherung:

Leistungsfähigkeit

abstrakt feststellen

Arbeitsverwaltung:

keine Vermittelbarkeit

Patient:

„Ich will, aber ich kann

nicht.“

Rehabilitationsteam

Angehörige:

„Du musst, streng‘ Dich

an!“

Team-Management in Schaufling

Agenda

Organisation der Teamarbeit

Verbesserung der Teilhabe1

„[Die gleichberechtigte Teilhabe] kann nur

erreicht werden, wenn behinderte Menschen

dabei unterstützt werden, ihr Leben

selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu

gestalten, und wenn Hindernisse, die ihren

Teilhabechancen im Wege stehen, beseitigt

werden.“

1Quelle: Deutscher Bundestag (Hrsg.). Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und

Entwicklung ihrer Teilhabe. Drucksache 15/4575, Berlin, 2004.

Rehabilitationsteam in der

Neurologie

Patient

Angehörige

Arzt

Pflege

Logo

PhysioErgo

Psycho

Sozial

Optik

Sport Massage

Freizeit

Formen der Teamarbeit

multidisziplinär

typisch für Akut und Ambulanz

interdisziplinär

bevorzugt in der Rehabilitation

transdisziplinär

nur in Spezialprogrammen verwendet

Vor- und Nachteile verschiedener Teamformen

multidisziplinär interdisziplinär transdisziplinär

Grad der

Zusammen

-arbeit - + ++

Ziele fachspezifisch meist gemeinsame,

übergeordnete Ziele

nur gemeinsame

Ziele

Vorteil geringer Aufwand Orientierung an der

Person im Kontext

und nicht an der

Schädigung

gemeinsame

Sprache und

Haltung

Nachteil isolierte

Sichtweisen

hoher Zeitaufwand

und Aufwand für

Teammanager

nicht in allen

Aufgabenfeldern

durchführbar

multidisziplinär vs. interdisziplinär (1)1

multidisziplinär interdisziplinär p

Infoaustausch zw. den

verschiedenen Berufsgruppen

3,62 2,9 <0,001

Zusammenarbeit mit den Fach-

kollegen

2,4 1,9 0,001

Zusammenarbeit mit den Fach-

kollegen anderer Disziplinen

3,5 2,6 <0,001

Zufriedenheit im Behandlungs-

team

3,2 2,7 0,009

Leistung des Behandlungs-

teams

2,8 2,2 <0,001

2bewertet nach dem Schulnotensystem „sehr gut“ – „ungenügend“

1nach Körner, M. & Bengel, J. (2004). Teamarbeit und Teamerfolg bei multi- und interdisziplinären Teams in der

medizinischen Rehabilitation. Rehabilitation, 43, 348 – 357.

multidisziplinär vs. interdisziplinär (2)1

multidisziplinär interdisziplinär p

Betriebsklima 5,72 6,7 0,006

interne Organisation und

Kommunikation

4,3 6,0 <0,001

Vorgesetztenbeurteilung 5,8 6,1 0,54

2Beurteilung mit Hilfe einer zehnstufigen Ratingskala, wobei 10 = bester Wert

1nach Körner, M. & Bengel, J. (2004). Teamarbeit und Teamerfolg bei multi- und interdisziplinären Teams in der

medizinischen Rehabilitation. Rehabilitation, 43, 348 – 357.

Checkliste für die Arbeit im Team1

Werden Umgangsformen eingehalten?

Behalten Mitglieder Informationen zurück?

Gibt es Mitglieder, die sich nie zu Wort melden?

Gibt es Berufsgruppen, die die meiste Redezeit beanspruchen?

Wird in einer Sprache gesprochen, die jeder versteht?

Wird Kritik geäußert?

Werden Konflikte in der Zusammenarbeit angesprochen?

Können Teammitglieder eigene Unsicherheiten oder Probleme

im Umgang mit Patienten ansprechen?

1nach Drechsler, R. (1999). Interdisziplinäre Teamarbeit in der Neurorehabilitation. In Frommelt, P. &

Grötzbach, H. (Hrsg.). NeuroRehabilitation. Berlin: Blackwell, 54 – 64.

Traditionelle Team-Leitung

Patient

Angehörige

Arzt Massage

Pflege

Logo

Freizeit

PhysioErgo

Sozial

Psycho

Optik

Sport

Arzt-zentrierte Teamleitung:

Vorteile

Leitung liegt bei der Person, die juristische

Verantwortung trägt

traditionell zuständig für Verlängerungs-

anträge, Aufnahme- und Entlassberichte

in den Visiten informierter Ansprechpartner

für Ober- und Chefarzt

Koordination von therapeutischen und

medizinischen Maßnahmen

Arzt-zentrierte Teamleitung:

Nachteile

keine kontinuierliche Teamleitung sicher-

gestellt (Dienstzeiten, häufiger Wechsel

wegen Weiterbildung)

vor allem unerfahrene Assistenten mit der

Koordination häufig überfordert

Aufgabenhäufungen führen zu Zeitmangel

Teamsitzungen degenerieren zu „Abfrage-

stunden“, keine gemeinsame Zielsetzung

Teamprozess in Schaufling

Tag 2: Team 1Lebensziele? Teilhabeziele

Tag 1:Aufnahme

Tag 7: Team 2mittelfristige Ziele,Aktivitäten, Funktionen

Tag 14: Team 3Revision, Verlängerung

Ende Reha:Team 4Entlassungsplanung, Teilhabe

Teamorganisation Schaufling

Bereichsleiter:

fachliche Qualität

T

E

A

M

Team-Manager

Rehabilitand

Arzt

Pflege

Therapeuten

Stationssekretärin

Qualitätsbeauftragter

Orthoptik

Labor

Diagnostik

Konsile

Terminplanung

Aufgaben der Team-Manager

Organisation der Teamarbeit

Leitung der Teamsitzungen

Organisatorische Weisungsbefugnis

Organisation Schriftverkehr

Einführung neuer Teammitglieder

Kontrolle Therapiefrequenz

Ansprechpartner für Patienten

(„troubleshooter“)

Schwierigkeiten bei der Einführung des Team-

Managements in den klinischen Alltag

Berufsgruppen sind unterschiedlich teamorientiert

einige Patienten sind mit ihrer Rolle als selbst-

ständige Akteure in der Rehabilitation überfordert

eine Einigung auf übergeordnete Therapieziele ist

nicht selbstverständlich

die Angaben der Berufsgruppen für den Entlass-

bericht müssen aufeinander abgestimmt werden

Verteilung von Rehabilitationszielen

in der Dokumentation1

Anzahl

Ziele im

Teamproto-

koll

Anzahl

Ziele im

Entlass-

bericht

% Beispiel

Funktion 127 (49%) 87 63 Verbesserung

der Koordination

Teilhabe 133 (51%) 51 37 Schreiben einer

Einkaufsliste mit

zehn Lebens-

mitteln

n = 30

1Quelle: Bühler, S. et al. (2005). ICF-basierte Zieldefinition in der Neurorehabilitation. Neurologie & Rehabilitation, 11,

204 – 211.

Hindernisse für eine

interdisziplinäre Teamarbeit

Identifikation mit der eigenen Berufsgruppe

kein wirklich interdisziplinäres Konzept

und/oder keine Organisation für

interdisziplinäre Arbeit

Angst vor Entprofessionalisierung

„zu kompliziert, auch noch die

Patientenwünsche zu berücksichtigen“

keine Zeit für Teamarbeit

Warum trotzdem Teamarbeit?

Trotz der Schwierigkeiten und Hindernisse

bietet das Team-Management den Rahmen für ein

patienten-zentriertes Arbeiten und

bedeutet den Versuch, dass Therapeutinnen und

Patienten einen gemeinsamen Weg mit

gemeinsamer Verantwortung gehen.

Fazit

Eine Einführung des Team-Managements in

den klinischen Alltag bedeutet Ver-

änderungen in der

Strukturqualität

Prozessqualität.