Atlas Sanierung
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8/20/2019 Atlas Sanierung
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E d i t i o n ∂ MUSSOPETZINKA
RUDOLPHI
AtlasSanierung
INSTANDHALTUNGUMBAUERGÄNZUNG
GIEBELERFISCHKRAUSE
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Atlas
SanierungINSTANDHALTUNGUMBAUERGÄNZUNG
GIEBELER
FISCH
KRAUSE
MUSSO
PETZINKA
RUDOLPHI
BirkhäuserBasel · Boston · Berlin
Edition DetailMünchen
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Autoren
Georg GiebelerProf. Dipl.-Ing. ArchitektFachgebiet Baukonstruktion, Hochschule Wismar
Rainer FischDr.-Ing. ArchitektBundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Berlin
Harald KrauseProf. Dr. rer. nat. Dipl.-Phys.Fachgebiet Bauphysik und Gebäudetechnik, Hochschule Rosenheim
Florian MussoProf. Dipl.-Ing. ArchitektLehrstuhl für Baukonstruktion und Baustoffkunde, TU München
Karl-Heinz PetzinkaProf. Dipl.-Ing. ArchitektFachgebiet Entwerfen und Gebäudetechnologie, TU Darmstadt
Alexander RudolphiProf. Dipl.-Ing.Gesellschaft für Ökologische Bautechnik mbH, Berlin
Redaktion
Projektleitung:Steffi Lenzen, Dipl.-Ing. Architektin
Redaktion und Lektorat:Julia Liese, Dipl.-Ing.
Redaktionelle Mitarbeit:Claudia Fuchs, Dipl.-Ing. Architektin; Carola Jacob-Ritz, M. A.;Eva Schönbrunner, Dipl.-Ing.; Nicole Tietze, M. A.
Zeichnungen:Marion Griese, Dipl.-Ing; Martin Hämmel, Dipl.-Ing.;Daniel Hajduk, Dipl.-Ing.; Caroline Hörger, Dipl.-Ing.;Claudia Hupfloher, Dipl.-Ing; Nicola Kollmann, Dipl.-Ing.;Simon Kramer, Dipl.-Ing.; Elisabeth Krammer, Dipl.-Ing;Dejanira Ornelas, Dipl.-Ing.
Herstellung / DTP:Roswitha Siegler
Repro:Martin Härtl OHG, Martinsried
Druck und Bindung:Kösel GmbH & Co. KG, Altusried-Krugzell
Koautoren:
Petra Kahlfeldt, Dipl.-Ing. ArchitektinKahlfeldt Architekten, Berlin
Florian Lang, Dipl.-Ing. ArchitektLang+Volkwein Architekten und Ingenieure, Darmstadt
Jochen Pfau, Prof. Dr.-Ing.Fachgebiet Innenausbau, Hochschule Rosenheim
Ulrich Schanda, Prof. Dr. rer. nat. Dipl.-Phys.Fachgebiet Bauphysik und Gebäudetechnik,Hochschule Rosenheim
Elmar Schröder, Dipl.-Phys.Müller-BBM, Planegg
Jürgen Volkwein, Dipl.-Ing. ArchitektLang+Volkwein Architekten und Ingenieure, Darmstadt
Johann Weber, Dipl.-Ing.Lehrstuhl für Baukonstruktion und Baustoffkunde, TU München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über abrufbar.
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurchbegründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, desNachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungenund Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder derVervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung inDatenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugs-weiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung diesesWerkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetz-lichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweilsgeltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungs-pflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestim-mungen des Urheberrechts.
© 2008, erste AuflageInstitut für internationale Architektur-DokumentationGmbH & Co. KG, München
Birkhäuser Verlag AG
Basel · Boston · BerlinPostfach 133, CH-4010 Basel, SchweizEin Unternehmen der Fachverlagsgruppe SpringerScience+Business Media
Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfreigebleichtem Zellstoff. TCF∞Printed in Germany
ISBN: 978-3-7643-8874-4
www.birkhauser.ch
9 8 7 6 5 4 3 2 1
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Inhalt
Impressum 4Vorwort 6
Teil A Einführung 8
1 Begriffsdefinition 10Georg Giebeler
2 Weiterbauen – Gedankenzum Bauen mit Bestand 16
Georg Giebeler, Petra Kahlfeldt
Teil B Grundlagen 20
1 Sanierungen planen 22Georg Giebeler
2 Bauphysik 32Harald Krause, Jochen Pfau,Ulrich Schanda, Elmar Schröder
3 Technische Gebäudeausstattung 52Karl-Heinz Petzinka, Bernhard Lenz,Jürgen Volkwein, Florian Lang
4 Denkmalpflege 72Rainer Fisch
5 Baustoffe in Sanierungsprojekten 86Florian Musso, Johann Weber
6 Gefahrstoffe im Bestand 102Alexander Rudolphi
Teil C Zeitenatlas 116
Georg Giebeler0 Einordnung der Bauaufgabe 1181 Allgemeine Sanierungsaufgaben 1222 Gründerzeitbauten 1870 –1920 1323 Zwischenkriegsbauten 1920 –1940 1544 Nachkriegsbauten 1950 –1965 1725 Wohlstandsbauten 1965 –1980 190
Teil D Gebaute Beispiele im Detail 206
Projektbeispiele 1 bis 18 208 – 265
Teil E Anhang 266
Glossar 266Verordnungen, Richtlinien, Normen 268Literatur 272Abbildungsnachweis 274Sachregister 276Autoren 279
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»Eine Veränderung, die keine Verbesserung ist,
ist eine Verschlechterung.« Adolf Loos
In dieser Reihe sind schon viele Atlanten er-schienen und alle vertiefen ein Teilgebiet desBauens: Beton, Holz, Fassade. Der AtlasSanierung hingegen behandelt alle Bereichedes Bauens: vom Fundament bis zum Innen-
anstrich, von der Vorplanung bis zur Bauüber-wachung. Dies auf nur 280 Seiten zu vereinenerscheint gewagt, denn zu jedem einzelnendieser Themen gibt es umfangreiche Literatur.Und tatsächlich baut dieses Buch auf demWissen auf, das jeder Architekt mitbringensollte. Es ersetzt keines der schon erschienenStandardwerke zu Konstruktionen oder Bau-stoffen, es fügt nur etwas hinzu: Konstruktionenund Baustoffe, mit denen wir – die Planer – unsim Umbau und der Sanierung beschäftigenmüssen.Denn: Der wesentliche Unterschied zwischenUmbau und Neubau ist jener, dass das Hausim ersten Fall schon steht. Auch wenn es sichaus dieser banal klingenden Aussage nichtdirekt erschließt, enthält sie Fragen wie: Gibt esdie Notwendigkeit, zwischen architektonischenPlanungen für Um- und Neubauten zu unter-scheiden? Wenn ja, liegen die Unterschiede inallen Planungs- und Bauphasen? Benötigt manzusätzliches Wissen, um Umbauten sicher zubeherrschen?Die Antwort lautet: Ja, es gibt grundlegendeUnterschiede in Planungsmethodik, Bewer-tungsmodellen und Fachwissen, welche mansich als Planer aneignen muss, um Umbautenfür sich und den Bauherrn zu einem erfolg-reichen Abschluss zu führen.Die folgenden Kapitel widmen sich daherhauptsächlich den methodischen Unterschie-
den zwischen Neu- und Umbauten. Dies setztvoraus, dass man Erfahrung in der Planung vonNeubauten mitbringt – was üblicherweise aucherwartet werden kann, da die Neubauplanung Teil jeder Architektenausbildung ist. Die heuteüblichen Studiengänge behandeln jedoch sel-ten die Planung von Umbauten und Sanie-rungen, was umso mehr verwundert, als derUmgang mit vorhandenen Gebäuden in allenbisherigen Epochen üblich war und zudemsehr pragmatisch gehandhabt wurde: Wasnutzbar war, wurde genutzt; was umzubauenwar, wurde dem eigenen Geschmack und demeigenen Nutzen angepasst; was »übrig« war,
wurde abgebrochen. Erst die Moderne forciertden radikalen Bruch mit dem Bestand: dieneue Stadt, das neue Haus, die neue Gesell-schaft. Etwas später, nachdem die Zerstö-rungen des Zweiten Weltkriegs diese »neuen«
Städte ermöglicht hat, bemerkt man, dass aufdiesem Weg einiges verloren zu gehen droht.Das Pendel schlägt zurück. Anfang der 1960er-Jahre gibt es eine bemerkenswerte Allianz zwi-schen Erneuerern wie Alexander Mitscherlichund Bewahrern wie Hans Sedlmayr, die über-einstimmend den Erhalt der alten Städte for-dern. Ein Kind dieser Zeit ist die Denkmalpfle-ge, auf deren Idee des Schützens und Erhal-tens sich die in der Folge erscheinende Fach-literatur, aber auch entsprechende neue Studi-engänge orientieren. Ökonomisch durchsetz-bar nur bei besonderen Exponaten vergange-ner Baukunst, scheinen die Sanierungen undUmbauten der banal erscheinenden Bautenkeine Aufgaben für ambitionierte Architekten zusein. Dies hat sich erst im letzten Jahrzehntgewandelt – wohl auch dem Umstand geschul-det, dass das Auftragsvolumen im Neubaube-reich deutlich zurückgegangen ist. Heute sindes auch solche Bauaufgaben, die den Weg indie Fachzeitschriften und Architekturvorträgefinden.Die Lücke zwischen Büchern aus dem Bereichder Denkmalpflege und jenen der Neubaukon-struktion zu schließen, ist das Anliegen diesesAtlas. Dabei basieren viele Aussagen auf per-sönlichen Erfahrungen. Dass es daher auchviele andere Lösungsansätze als die vorge-schlagenen gibt, ist selbstverständlich.
Ein Atlas, der nach Epochen geordnet ist und der historische Zeichnungen enthält
Der Teil C des Atlas ist in vier Zeitabschnitteunterteilt: Gründerzeit, Zwischen- und Nach-kriegszeit sowie Wohlstandsbauten. Eine ande-re Unterteilung – beispielsweise nach Bauteilenwie Wand und Decke – entspräche eher demüblichen Aufbau eines Konstruktionsatlas. Umdas zu sanierende Gebäude jedoch in seinerGesamtheit zu verstehen, werden die jeweili-gen Bauteile einer Epoche in direktem Zusam-menhang behandelt. Die Aufteilung in Bauteiledient dabei als Untergliederung der vier Zeitab-schnitte; es finden sich also zu jedem Bauteil
Vorwort
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vier Kapitel, beispielsweise Decken der Grün-derzeit, Decken der Zwischenkriegszeit usw.Zeitspezifische Bauarten von Decken stehen indirektem Zusammenhang zu der zeittypischdazugehörende Wandbauart. Alle Bauteile wer-
den dabei neben der textlichen Beschreibungmit historischen Zeichnungen dargestellt, die inder Regel den damaligen Standardwerken zurBaukonstruktion entnommen sind. Daran inte-ressiert weniger die – zugegebenermaßen wun-derbare – Grafik als vielmehr deren hoher Infor-mationsgehalt. Es empfiehlt sich, die Zeich-nungen genau zu betrachten, da sie oft überdie in der Bildunterschrift ausgewiesenenInhalte weit hinausgehen und so wertvolle Hilfe-stellungen in der Planung darstellen. DerGrund für die Beschreibung längst überholterBautechniken ist einfach: Diese Technikengehören zu dem Haus, welches saniert werdensoll. Sie bilden damit die Grundlage unsererPlanungsaufgabe: Historische Detailausbil-dungen, materialspezifische Kennwerte unddie zum Entstehungszeitpunkt verwendetenMaterialien sind wesentliche Parameter, auf diedie Planung aufbauen muss. Erst das Wissenüber alte Konstruktionen lässt eine sinnvolleEntscheidung über deren Erhalt, Ersatz oderSanierung zu.
Ein Atlas, der ohne Standarddetails auskommt
Kein Umbau ist wie der nächste. Selbst derVersuch einer ganzheitlichen Betrachtung desGebäudes in seinem Zeitabschnitt stellt natür-lich eine starke Vereinfachung dar. Einerseitssind die Zeitabschnitte nicht klar getrennt, son-dern bilden ein Kontinuum, was auch auf die
verwendeten Baukonstruktionen zutrifft; ande-rerseits gibt es – insbesondere in Zeiten mitmangelhafter Verkehrsinfrastruktur – regionaleUnterschiede in den Bauweisen, welche aufden lokal verfügbaren Materialien basieren.Wenn es also kein historisches Standarddetail,beispielsweise einer Holzbalkendecke, gebenkann, so kann es auch kein Standarddetail zurSanierung dieser Decke geben – ganz abgese-hen davon, dass auch die heutigen Ansprüchenicht einheitlich sind, sondern auf unterschied-liche Nutzungszwecke und Baugesetzge-bungen reagieren müssen. Statt solcher kon-kreter und damit ausschließender Vorschläge
zeigt das Buch häufig auftretende technischeSchwächen der historischen Konstruktionen.Die meisten davon waren den zeitgenös-sischen Architekten wohl bewusst, wurdenjedoch aufgrund des Stands der Technik oder
des Diktats der Ökonomie bewusst in Kaufgenommen. Trotz der oben beschriebenen Pro-blematik enthält das Buch Verbesserungsvor-schläge für ebensolche »historischen« Schwä-chen – wiederum im Spannungsfeld zwischenheutiger Gesetzeslage, Innovationen undKosten.
Ein Atlas, der weit mehr enthält als »alte« Bau-
konstruktionen
Allen Einschränkungen zum Trotz gibt es beiSanierungsvorhaben sehr ähnliche und wieder-kehrende Aufgaben und Randbedingungen.Diese sind hauptsächlich im Teil B zusammen-gefasst. Der Versuch einer Begriffsdefinition,Hinweise zur Planung von Umbauten, bau-physikalische Sanierungen, Veränderungen ander technischen Infrastruktur, Denkmalpflege,Materialien und die Schadstoffsanierung sindzwar ebenfalls abhängig von der vorgefunde-nen Gebäudestruktur, jedoch in eigenen Kapi-teln zusammengefasst, um die Übersichtlich-keit zu erhöhen. Ergänzt wird dies um überge-ordnete, immer wiederkehrende Sanierungenwie Trockenlegungen oder Wärmedämmmaß-nahmen. Die historischen Bauweisen in Teil Cbieten erst dann eine echte Planungshilfe,wenn man sie in Verbindung mit den Informa-tionen aus den Teilen A und B sieht.
Mein Dank geht neben den unzähligen Institu-
tionen und Personen, die maßgebliche Informa-tionen beisteuern konnten, auch an die Autorenbaukonstruktiver Standardwerke. Diese Bücherseien jedem Planer – neben diesem Atlas –besonders ans Herz gelegt, denn ihre Lektüreist nicht nur informativ, sondern zumeist auchsehr kurzweilig.
Georg GiebelerKöln, im August 2008
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Abb. A Palais Langhans, Prag (CZ), Ladislav Lábus
Teil A Einführung
1 Begriffsdefinition 10
Rekonstruktion 11
Restaurierung 11
Rückbau 12
Gebäudeabbruch 12
Renovierung / Instandhaltung 12 Reparatur / Instandsetzung 13
Sanierung 13
Umbau 14
Entkernung / Neubau mit Teilerhalt 14
Modernisierung 14
Schadstoffsanierung 15
Erweiterung /Anbau 15
Ausbau 15
Umnutzung 15
2 Weiterbauen – Gedanken zum 16
Bauen mit Bestand
Weiterbauen? Weiterbauen! 17
Bauen im Bestand? Bauen mit Bestand! 18
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A 1.1 Erzbischöfliches Diözesanmuseum »Kolumba«,Köln (D) 2007, Peter Zumthor
A 1.2 Frauenkirche, Dresden (D) 1743 / 2005,George Bähr
A 1.3 Planungsaufwand der verschiedenen Sanierungs-maßnahmen
Begriffsdefinition
Georg Giebeler
Es gibt keinen allgemeingültigen Begriff, der alleBaumaßnahmen an bestehenden Gebäudenallumfassend beschreibt und als solcher auchgenerell verstanden wird. Vielmehr gibt es eineVielzahl von Begriffen, die neben dem Begriff
Sanierung existieren und etwas Ähnliches odergar das Gleiche meinen: Umbau, Instandset-zung, Modernisierung, Kernsanierung, Rückbau,Bauen im Bestand, Restaurierung, Renovierung.Diese Unschärfe hat mehrere Gründe. Zumeinen ist der Grad des Umbaus gemessen amUmfang der zu erhaltenden Bausubstanz sehrunterschiedlich: Er reicht von kleinmaßstäb-lichen Reparaturen bis zu grundlegenden Kern-sanierungen. Zum anderen resultieren die Ein-griffe in die Bausubstanz aus unterschiedlichenBeweggründen: ästhetischen, technischen odernutzungsspezifischen. Hinzu kommt eine »tradi-tionell« ungenaue Wortwahl, die eine eindeutige,scharf abgegrenzte Zuordnung von Begriff zuMaßnahme unmöglich macht.Dieses Kapitel versucht dennoch die verschie-denen Begriffe zu fassen und voneinanderabzugrenzen. Dies geschieht nicht im Sinneeiner endgültigen Definition. Ziel ist es viel-mehr, dem Architekten durch die Einordnungeine Planungshilfe an die Hand zu geben.Verschiedenartige Eingriffe in den Gebäude-bestand bedingen sowohl unterschiedlichePlanungsmethoden als auch unterschiedlicheBaumaßnahmen. Ist der Architekt in der Lage,seine Aufgabe einem Begriff zuordnen, kanndas zur Klärung des Planungs- und Baupro-zesses beitragen. Daher sollen die Begriffe imFolgenden nicht nur erklärt und eingegrenztwerden, sondern es werden auch praktische
Hinweise für die Umsetzung der Planungsauf-gabe gegeben.Die Einordnung geschieht nach zwei Gesichts-punkten: erstens nach dem Umfang des Ein-griffs in den Bestand und zweitens nach demMaßstab der Bauaufgabe. Aus der Kombina-tion von beiden lassen sich Planungsmethodenund Baumaßnahmen ableiten. Das Maß desEingriffs beginnt mit dem Nachbau eines nichtmehr oder nur noch in Teilen bestehendenBauwerks und reicht über den Komplettab-bruch mit anschließenem Neubau bis zur Erhal-tung in unterschiedlichen Graden (Renovierungbis Entkernung):
• Rekonstruktion• Restaurierung• Rückbau• Gebäudeabbruch• Renovierung / Instandhaltung
• Reparatur / Instandsetzung• Teilsanierung• Sanierung• Kernsanierung / Generalsanierung• Umbau• Entkernung / Neubau mit Teilerhalt
Hinzu kommen weitere Begriffe, die im Zusam-menhang mit Sanierung fallen können, abernicht in dieses Schema passen:
• Modernisierung• Schadstoffsanierung• Erweiterung / Anbau• Ausbau• Umnutzung
In vielen Fällen treffen mehrere Begriffe aufeine Bauaufgabe zu, weil sich die Begriffe teil-weise überschneiden oder mehrere Maßnah-men gleichzeitig durchgeführt werden. Die Ein-ordnung der Objektgröße ist hingegen relativeindeutig. Sie lässt sich in fünf Kategorien un-terteilen:
• XXL: Stadt / Quartier• XL: Block / Gebäudekomplex• M: Gebäude• S: Gebäudeteil / Geschoss• XS: Wohnung / Einzelraum
Zur Kategorisierung könnte man die Begriffe»Weiterbauen« oder »Bauen im Bestand« ver-wenden. Beide Begriffe beschreiben keine Maß-nahmen im technischen Sinne, sondern verdeut-lichen eher eine Haltung. Weiterbauen spiegeltden dauerhaften Prozess des Bauens wider:Nach dem Umbau ist vor dem Umbau. Außer-dem stellt der Begriff klar, dass jede Maßnahmeauf die vorhandenen Strukturen reagieren muss.Streng genommen ist es also kein »Bauen imBestand«, sondern »Bauen mit Bestand«.
A 1.1
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Rekonstruktion
Unter Rekonstruktion versteht man den Nach-bau eines nicht mehr vorhandenen Bauwerks,d. h. es handelt sich streng genommen um einenNeubau. Bei einer ernsthaften Rekonstruktion
wird jedoch auch auf alte Baukonstruktionen zu-rückgegriffen. Rekonstruktionen werden immerwieder kontrovers diskutiert, wobei die Kritik inder Regel umso heftiger ausfällt, je weniger tat-sächlich rekonstruiert, also originalgetreu wie-derhergestellt wird. Sehr kritisch wird z. B. diePlanung des Berliner Schlosses verfolgt; dage-gen hat die Rekonstruktion der Dresdener Frau-enkirche viel Zustimmung erhalten (Abb. A 1.2).Obwohl sie auf einem alten Entwurf basieren,sind Rekonstruktionen immer Neubauten ohneOriginalbestand. Es gelten daher im Allgemei-nen die bekannten Regeln für Neubauten. Nor-men und Gesetze, Herstellerrichtlinien, Bauab-lauf, Bauzeiten, Art der Ausschreibung undBauleitung entsprechen weitgehend jenen des
Neubaus. Auch die Arbeitsweisen in der Pla-nungsphase sind ähnlich, denn selten sind his-torische Bauten so ausreichend dokumentiert,dass der Architekt nichts Neues entwerfenbzw. konstruieren muss. Zudem sind im Zwei-
ten Weltkrieg ein Großteil der europäischenund insbesondere der deutschen Bauarchivezerstört worden, sodass man bei dieser Bau-aufgabe oftmals auf Illustrationen oder Foto-grafien zurückgreifen muss statt auf maßstabs-getreue Architektenpläne. Rekonstruktion alsEntwurf bedeutet neben der Aufarbeitung dervorhandenen Quellen zum Originalgebäudealso auch eine künstlerische Nachahmung desBaustils einer gewissen Epoche durch denheutigen Architekten, d. h. es ist keine aus-schließlich wissenschaftliche Aufgabe. In deneinzelnen Planungsschritten hilft zeitgenös-sische Fachliteratur, wenn es darum geht, his-torische Konstruktionen möglichst detailgenaumit heutigen Mittel neu zu erstellen.
Restaurierung
Restaurierung bedeutet die Fertigstellung einunvollendeten Bauwerks. Der Begriff entstandin der Zeit der Romantik, als das Interesse anKulturdenkmälern der Vergangenheit in den
Blickpunkt rückte. Er wurde wesentlich durchden französichen Architekten und Kunsthisto-riker Eugène Viollet-le-Duc geprägt, der zuBeginn des 19. Jahrhunderts mittelalterlicheSchlösser restaurieren ließ. Ebenso wurde deKölner Dom nach fast 300 Jahren Baustillstanvollendet (Abb. A 1.4). Restaurierung ist derRekonstruktion sehr ähnlich, nur dass bei erstrer noch Originalbauteile vorhanden sind, weche zeittypisch ergänzt werden. Ihre Nähe zuRekonstruktion macht sie ähnlich umstritten:»Die Restaurierung ist eine Maßnahme, dieAusnahmecharakter behalten sollte. Ihr Ziel ises, die ästhetischen und historischen Wertedes Denkmals zu bewahren und zu erschlie-ßen. Sie gründet sich auf der Respektierung
A
A
Planungsumfang eines Gebäudes Planungsaufwand im Ver- (M) im Verhältnis zum Neubau1 hältnis zu M (Gebäude)2
Rekonstruktion / Restaurierung ++ ° + + + / / / aufwendig in der Planung, da man Bauforschung betreiben muss Abbruch / Rückbau entf. entf. entf. - - - + entf. oft durchgeführt von spezialisierten Unternehmen
Renovierung / Instandhaltung entf. entf. entf. - + ° ° ° aufwendig in Organisation (wann kann gearbeitet werden)und Abrechnung (viele Regieleistungen)
Reparatur / Instandsetzung entf. entf. - - - + ° ° ° aufwendig in Organisation und Abrechnung, häufig keine PlanungsleistungeTeilsanierung - - entf. + ++ ++ entf. entf. entf. aufwendig in Organisation und Abrechnung,
häufig Streitigkeiten mit NachbarnSanierung - - ent. ° + ++ ° + + hoher Aufwand in der Bauleitung aufgrund vieler UnabwägbarkeitenKernsanierung / Generalsanierung - - entf. + + + ° + entf. insgesamt leicht erhöhter Aufwand an den Schnittstellen Bestand / NeubauUmbau + ° ++ ++ ++ ° ++ ++ hoher Entwurfsaufwand durch Anpassung an den Bestand,
hoher konstruktiver Aufwand
Entkernung / Neubau mit Teilerhalt ° + ° + + / / / nur Mehraufwand für SicherheitsmaßnahmenErweiterung + ° + ° ° / / / Maßnahmen im Bestand haben nur einen kleinen Anteil am Gesamtbudge
Ausbau + + ++ ++ ++ entf. entf. entf. viele Bauteile des Bestands werden übernommen; bei Teilausbau: aufwend in Organisation und Abrechnung, häufig Streitigkeiten mit Nachbarn
Umnutzung entf. + entf. entf. entf. ° ° ° nur Genehmigung notwendig, kann aber sehr umfangreich sein
V o r e n
t w u r f ,
E n
t w u r f
G e n e
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W e r k p
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A u s s c
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V e r g a
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B l o c
k / G e
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S :
G e
b ä u
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G e s c
h o s s
X S :
W o
h n u n g
/
E i n z e
l r a u m
++ deutlich mehr+ mehr
° ungefähr gleich- geringer
- - deutlich geringerentf. kommt kaum oder
nicht zur Anwendung
/ nicht vergleichbar, kannnicht bewertet werden(z. B. aufgrund großerSchwankungen)
1 gibt eine Hilfestellung, um wieviel höher der Umbau-zuschlag ausfallen muss oder wo er entfallen kann
2 notwendige Erhöhung des Umbauzuschlags je nachGröße des Objekts
Begriffsdefiniti
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Begriff »konzeptioneller Rückbau«. Auslöserwar der massenhafte Wohnungsleerstand inostdeutschen Städten als Folge der Wiederver-einigung. Aber auch in anderen Regionen tre-ten vergleichbare Probleme auf; sie resultieren
meist aus tiefgreifenden, strukturellen Prozes-sen, die einen wirtschaftlichen Niedergang unddamit einen dramatischen Wegzug der Bewoh-ner auslösen – so z. B. in Detroit nach dem Zu-sammenbruch der Automobilproduktion.Der Rückbau soll städtebauliche Probleme desLeerstands durch gezielten Abbruch einzelnerGebäude, Blocks oder Stadtteile heilen, alsoden Schrumpfungsprozess steuern. Oft schei-tern diese Konzepte aber an der fehlenden Fi-nanzierung, da ein Abbruch ohne Neubebau-ung niemals Rendite abwerfen kann.
Gebäudeabbruch
Neben großflächigem Rückbau werden oft ein-zelne Gebäude abgebrochen, um an dersel-ben Stelle einen Neubau zu errichten. Dies istkeine originäre Architektenleistung, denn sie
wird oftmals schon im Projektentwicklungssta-dium von spezialisierten Firmen durchgeführt,da nur sie das entsprechende Fachwissen mit-bringen. Zu beachten sind neben Bauvor-schriften (Abbruchgenehmigung) auch Statik
(spezielle Abbruchstatik) und Sicherheitsricht-linien für Beschäftigte und Anwohner sowieUmweltschutzmaßnahmen für Schad- und Ge-fahrstoffe. Seit 2000 sind Abbrucharbeiten inder DIN 18 007 geregelt.
Renovierung / Instandhaltung
Renovierung fügt dem Bestand nichts Neueshinzu oder tauscht Altes gegen Neues aus,sondern erhält durch fachgerechte »Pflege«den Wert und die Funktion des Bestandsge-bäudes. Eine typische Renovierung erfolgt beiMietobjekten. Die Zweite Berechnungsverord-nung legt hierzu fest: »Schönheitsreparaturenumfassen nur das Tapezieren, Anstreichenoder Kalken der Wände und Decken, das Strei-chen der Fußböden, Heizkörper einschließlichHeizrohre, der Innentüren sowie der Fenster
des überlieferten Bestandes und auf authen-tische Dokumente. Sie findet dort ihre Grenze,wo die Hypothese beginnt«. [1]Dieser wohlgemeinte Ratschlag wird jedoch oftmissachtet, auch weil man häufig nicht auf
Originaldokumente zurückgreifen kann. Zudemerschließt sich nicht immer, was denn nun alsOriginal gilt: der erste Bau, die erste Erweite-rung, die erste Sanierung oder der erste Um-bau? Dieser Konflikt zieht sich durch die Fach-diskussionen der letzten Jahrzehnte, und dieAntworten spiegeln eher den jeweiligen Zeit-geist wider als dass sie allgemein anerkanntwären. Möglicherweise liegt dies auch darinbegründet, dass der Begriff »Original« in derDiskussion fälschlicherweise aus der bildendenKunst auf die Architektur übertragen wurde, diediesen Begriff nie kannte.
Rückbau
Um die Jahrtausendwende entdeckten dieStadtplaner das Thema Abbruch als »nega-tives Bauen« neu und überhöhten es mit dem
Gewerk Bauteil Überprüfung Intervall
Erdarbeiten Dränage auf Versandung prüfen und spülen, Wurzelschäden 5 Jahre Grundleitungen Brüche durch Setzungen und Wurzeln, Verschlammung 5 Jahre
Rohbau alle Bauteile Setzungsrisse erstmals 5 Jahre nach Fertigstellung
Zimmerer Bindergelenke Bolzen auf Festigkeit prüfen 5 Jahre alle Bauteile auf Fäulnis (Schwimmhallen u. Ä.) und nach Wasserschäden 5 Jahre
Dachdecker Flachdach Gullys, Hochzüge, Durchführungen, Bewuchs entfernen, Sprödrisse jährlich zum Winteranfang Steildach Rinnen, Fallrohre, Sichtkontrolle Dachsteine jährlich zum Winteranfang
Heizung Heizkessel Abgaswerte jährlich zum Winteranfang Leitungen Verschlammung, Dichtigkeit insbesondere bei automatischer Nachfüllung 5 Jahre Heizkörper und Heizflächenverteiler Ventile auf Gängigkeit und Dichtigkeit 5 Jahre
Sanitär Warmwasserbereitung Verkalkung 5 Jahre
Elektro FI-Absicherung Funktion jährlich
Brandschutz Rauchmelder Funktion jährlich Feuerlöscher Kontrolle, Neubefüllung 2 Jahre Fluchtwege Abstellen von Gegenständen, Unterkeilen von Türen ständig
Fenster Holzfenster Außenbeschichtung 2 Jahre alle Fenster Dichtungen auf Sprödheit und Risse 2 Jahre
Dämmung Konstruktionen mit Dampfbremse Feuchtigkeit einmalig 5 Jahre nach Fertigstellung
Parkett geölte Oberflächen Pflegehinweise: Reinigen und Ölen jährlich
Renovierungsfristen Mietwohnungen1 Küchen, Bäder, Duschen 3 Jahre Wohnräume, Schlafräume, Flure, Toiletten 5 Jahre andere Nebenräume 7 Jahre1 nach Mustermietvertrag des deutschen Bundesjustizministeriums von 1976, jedoch nicht als starre Fristen
A 1.4
A 1.5
12
Begriffsdefinition
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und Außentüren von innen.« [2] Unter Instand-haltung versteht der Gesetzgeber ebendort:»Instandhaltungskosten sind die Kosten, diewährend der Nutzungsdauer zur Erhaltung desbestimmungsmäßigen Gebrauchs aufgewendet
werden müssen, um die durch Abnutzung,Alterung und Witterungseinwirkung entstehen-den baulichen oder sonstigen Mängel ord-nungsgemäß zu beseitigen.« Eingeschlossenwerden Arbeiten, welche eigentlich schonunter Instandsetzung fallen: »Die kleinen In-standhaltungen umfassen nur das Behebenkleiner Schäden an den Installationsgegen-ständen für Elektrizität, Wasser und Gas, denHeiz- und Kocheinrichtungen, den Fenster-und Türverschlüssen sowie den Verschluss-vorrichtungen von Fensterläden.«Versäumte Instandhaltungen können geradebei nicht einsehbaren Flächen wie z. B. Flach-dächern zu großen Schäden führen. Dahersollte der Planer dem Bauherrn eine Zusam-menstellung geeigneter Instandhaltungsar-beiten einschließlich üblicher Intervalle und Ar-beitsanweisungen an die Hand geben – einenach HOAI zusätzlich zu vergütende Leistung.Auch die verwendeten Baustoffe sollten aufge-führt werden, denn mineralische Innenanstrichemachen beispielsweise nur dann Sinn, wennsie bei jeder Renovierung auch wieder minera-lisch ausgeführt werden. Eine typische Check-liste mit regelmäßigen Fristen zur Überwa-chung und Sanierung zeigt Abb. A 1.5.
Reparatur / Instandsetzung
Instandsetzung ist beschränkt auf den Aus-tausch bzw. die Reparatur von defekten Bau-
teilen. Instandsetzungsarbeiten fallen zwischenden Grundsanierungsintervallen regelmäßigan und obliegen meist der Hausverwaltungohne Planungsunterstützung. Aus wirtschaft-lichen Gründen sollte untersucht werden, obsich die Instandsetzung gleicher Bauteile häuft.Ein einziger Wasserrohrbruch kann z. B. Zufallsein, jährliche sind es sicher nicht. Im letzterenFall ist ein Austausch aller Wasserleitungenab dem Keller anzuraten. Der Rohrbruch kannaber auch durch frühere Instandsetzungenausgelöst worden sein, wenn z. B. ein Eisen-rohrsystem partiell durch Kupferrohre ergänztworden ist.
Bei Instandsetzungsarbeiten entstehen zwangs-läufig Folgekosten, die die eigentlichen Repara-turkosten deutlich übersteigen können – etwawenn bei der Suche nach einem Rohrbruch in-takte Fliesen abgeschlagen werden müssen. In
diesem Fall stellt sich die Frage, ob man nichtgleich den Schritt zur Sanierung unternimmt,d. h. die gesamten Bäder erneuert. Dann lassensich nämlich die Kosten, zumindest bei Miet-wohnungen, teilweise auf die Mieter umlegen.
Sanierung
Sanierungsmaßnahmen umfassen im Gegen-satz zu Instandsetzungen auch intakte, aberbeispielsweise unmoderne Bauteile bzw.Oberflächen. Anders als bei Umbauten schlie-ßen sie jedoch keine wesentlichen Änderungenan Tragstruktur und Raumbildung ein. Sie sindalso genau zwischen Instandsetzung undUmbau angesiedelt. Der Umfang von Sanie-rungsmaßnahmen kann sehr unterschiedlichsein.
Teilsanierung
Teilsanierungen umfassen nur ein Bau- bzw.Gebäudeteil, beispielsweise die Fassade, dasErdgeschoss oder den Osttrakt. Sie zählen zuden organisatorisch schwierigsten Aufgaben,weil sie im laufenden Betrieb durchgeführt wer-den. Konflikte mit den Nutzern sind vorpro-grammiert, da sich Teilsanierungsaufgabennicht isoliert ausführen lassen; die technischeInfrastruktur erstreckt sich z. B. über das ge-samte Gebäude. Eine wirksame Strategie istdie frühzeitige und ausführliche Informationüber die geplanten Maßnahmen. Stemmarbei-
ten in bewohnten Gebäuden beispielsweisesind sehr lästig, insbesondere wenn sie mor-gens um sieben Uhr begonnen werden. Rück-sichtnahme durch vertraglich festgelegte Ar-beitszeiten sowie die Kommunikation über denZeitraum der Baumaßnahmen schaffen hierAbhilfe: Die Arbeiten bleiben lästig, aber diezeitliche Begrenzung steigert die Akzeptanz.Ähnliches gilt für das Aufstellen eines Gerüsts,die Stilllegung von Infrastruktur (insbesonderedes Fernsehens), Arbeiten an inneren und äu-ßeren Erschließungen sowie alle Arbeiten, dieeine überdurchschnittliche Staub-, Lärm- oderVibrationsentwicklung erwarten lassen.
Gerade bei Teilsanierungen sollten die Zeit-und Kostenpuffer höher als üblich angesetztund ein Budget für Kollateralschäden aneigentlich nicht zu sanierenden Teilen einge-plant werden. Solche Schäden sind unver-
meidlich und deren Beseitigung sollte unbüro-kratisch und schnell erfolgen können. Zu-dem sollte man den Bauherrn bei vermietetenObjekten unbedingt auf die Gefahr von Miet-verlusten hinweisen. Denn wenn die »Taug-lichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßenGebrauch« aufgehoben oder gemindert wirderlaubt die deutsche Rechtsprechung Miet-minderungen von im Mittel 20 %. Dies ist be-reits der Fall, wenn die Wohnung aufgrund voStaubentwicklung nicht gelüftet werden kannoder man im Büro aufgrund von Lärm nichttelefonieren kann.
»Normale« Sanierung
Übliche Sanierungen umfassen das gesamteGebäude oder zumindest einen schon im Be-stand klar abgegrenzten, autonomen Gebäu-
A 1.4 Dom, Köln (D) 1248 / 1880, Gerhard von Rile /Ernst Friedrich Zwirner, Karl Eduard Voigtel
A 1.5 Instandhaltungsfristen (Vorschlag)A 1.6 rückgebauter Plattenbau, Leinefelde (D)
1961 / 2004, Stefan Forster ArchitektenA 1.7 Umbau eines Kaufhauses, Eschweiler (D) 2006
BeL ArchitektenA 1.6
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Begriffsdefiniti
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Umbau
Umbauten greifen immer in die Struktur desGebäudes ein. Sie erweitern den Begriff derSanierung um Eingriffe in die Statik und / oderdas Raumgefüge. Daher ist es bei Umbauten
unerlässlich, sich mit der vorhandenen Trag-struktur auseinanderzusetzen. GrundlegendeSanierungsmaßnahmen sind fast immer auchUmbauten, sodass sich viele Baumaßnahmenam besten durch mehrere Begriffe beschreibenlassen, z. B. »Grundsanierung mit Umbauten«.Strukturelle Eingriffe bedürfen eines statischenNachweises, der auch die vorhandene Bau-substanz einbeziehen muss. Dies macht früh-zeitige, oft zerstörende Untersuchungen überverwendete Baustoffe und Bauausführungenunerlässlich, beispielsweise das Aufstemmeneiner Betondecke zur Klärung von Lage undArt der Bewehrung. Im Zuge von Umbautensind außerdem echte Entwurfsleistungen erfor-derlich, da mit ihnen auch Änderungen derRaumkonstellation oder der Erschließungssys-teme einhergehen. Dieser zusätzliche plane-rische Aufwand findet in der deutschen Hono-rarordnung als Umbauzuschlag seine Berück-
sichtigung. Teilumbauten sind analog zu Teil-sanierungen zu betrachten.
Entkernung / Neubau mit Teilerhalt
Die Entkernung kommt einem Neubau sehr
nahe. Häufig handelt es sich um Maßnahmen –aus einem umstrittenen Denkmalschutzver-ständnis resultierend –, bei denen die Fassadeeines Altbaus erhalten, das Innere jedoch kom-plett abgebrochen und neu errichtet wird.
Modernisierung
Der Begriff der Modernisierung wird in ersterLinie im Mietrecht verwendet. Gemäß BGBkann die Jahresmiete um 11 % der für die Mo-dernisierung aufgewendeten Kosten erhöhtwerden, wenn die Maßnahme entsprechendder gesetzlichen Vorgaben durchgeführt wurde(u. a. fristgerechte Vorankündigung, detaillierteBeschreibung der geplanten Maßnahmen). Mo-dernisierungen können Teilsanierungen sein,z. B. die nachträgliche Wärmedämmung oderder Austausch von Fenstern, aber auch Um-bauten wie der nachträgliche Anbau von Bal-konen. Sie dienen in jedem Fall der Verbesse-
deteil. Die notwendigen Abbrucharbeiten er-strecken sich meist nur auf Oberflächen oderVorarbeiten für die Ertüchtigung des Brand-,Schall- oder Wärmeschutzes. Ergänzungenund Änderungen der vorhandenen Infrastruktur
sind üblich, deren vollständiger Austausch sel-tener. Sanierungszyklen für einzelne Bauteilesind empirisch relativ gut ermittelt (siehe Sanie-rungen planen, S. 23, Abb. B 1.2). Echte Sa-nierungen ohne Nutzungsänderung bedürfenkeiner baurechtlichen Genehmigung und sinddurch den Bestandsschutz abgesichert, wäh-rend dieser bei Grundsanierungen oder Um-bauten meist erlischt.
Kernsanierung / Generalsanierung
Abbruchmaßnahmen bei Generalsanierungensind sehr umfangreich. Sie führen das Gebäu-de quasi in einen Rohbauzustand zurück. DiePrimärkonstruktion bleibt größtenteils unverän-dert. Typische Maßnahmen sind der vollstän-dige Austausch der Infrastruktur sowie die Er-tüchtigung aller Bauteile gemäß heutiger Ge-setze und Standards. Aufgrund ihres Umfangssind Generalsanierungen sehr kostenintensiv,insbesondere wenn zusätzlich notwendigeSchadstoffbeseitigungen anfallen. Im Gegen-zug erhält man aber ein Gebäude, das in Aus-stattung und Sicherheit einem Neubau sehrnahekommt. Dies drückt sich auch dadurchaus, dass mit der Fertigstellung de facto alleBauteile der Gewährleistung unterliegen, auchim Hinblick auf heutige Normen und Gesetze.Bei einfachen Sanierungen wird diese oftmalsnicht oder nicht im vollen Umfang gewährt, daviele Bauteile im ursprünglichen Zustand ver-
bleiben. Bezüglich der Planung unterscheidetsich eine Grundsanierung nicht wesentlich voneinem Neubau, auch weil viele Unwägbarkeitensozusagen abgebrochen werden. Eventuellverbleiben unter wirtschaftlichen Aspektennicht zu beseitigende Schwächen des Roh-baus, z. B. fehlende Horizontalsperren, über-mäßige Deckenverformungen oder schalltech-nische Schwächen durch geringe Flächenge-wichte. Bei der Planung sollten auch die meistdeutlich außerhalb heutiger Normen liegendenEbenheitstoleranzen berücksichtigt werden,welche erst seit 1969 durch die DIN 18 202,Blatt 1 geregelt werden.
A 1.8 Dachgeschossausbau, München (D) 2006,Andreas Meck, Susanne Frank
A 1.9 Museum, Veenhuizen (NL) 2007,Atelier Kempe Thill
A 1.10 Umbau des Alten Hofs, München (D) 2006,Auer + Weber, Peter Kulka
A 1.11 Umbau einer ehemaligen Brikettfabrik zumWohnungsbau, Frechen (D) 2007, ASTOC
A 1.8
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Begriffsdefinition
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rung der Mietfläche durch gesteigerten Komfortoder Senkung der Betriebskosten. FolgendeMaßnahmen gelten als Modernisierungen imSinne des deutschen Mietrechts:
• Ertüchtigung des Wärme- und Schall-schutzes, auch im Innenbereich (z. B.zwischen Treppenhaus und Wohnung)
• neue Sanitärausstattung• Einbau einer Zentralheizung (statt Einzelöfen)
oder einer zentralen Warmwassererzeugung(statt Einzelboilern)
• Ergänzung von Elektroinstallationen, auchKabelfernsehanschluss oder der Einbaueiner Gegensprechanlage
• Errichtung von Balkonen oder Wintergärten• Einbau eines Aufzugs
Schadstoffsanierung
Unter Schadstoffsanierung versteht man diefachgerechte Entfernung und Entsorgung vonSchadstoffen aus Gebäuden. Die Luftbelas-tung in Innenräumen durch Schadstoffe istseit Ende der 1970er-Jahre durch PCP-basierteHolzschutzmittel und Asbestfasern ein Sanie-rungsthema. Inzwischen ist die Gefährlichkeitvieler weiterer Stoffe bekannt geworden; derenSanierungsmöglichkeiten werden im KapitelSchadstoffe behandelt (siehe Seite 102ff.).Je nach Gebäudenutzung existieren verschie-dene Verordnungen einschließlich unter-schiedlicher Grenzwerte: Die »maximale Ar-beitsplatzkonzentration« (MAK) etwa wird beiGewerbenutzungen angewendet, die Richt-werte I und II des »Sachverständigenrats fürUmweltfragen« (SRU) gelten dagegen bei
Wohnungen und öffentlichen Gebäuden. Soll-ten die bei Raumluftmessungen festgestelltenWerte die vorgeschriebenen Grenzwerte über-schreiten, muss eine Schadstoffsanierungdurchgeführt werden, welche im Zuge derBauarbeiten oder davor stattfinden kann. Fürden Bauherrn bedeuten solche Sanierungenoft erhebliche Bauzeitverlängerungen undKostenerhöhungen. Eine frühzeitige Messungist also bei vermuteten Belastungen dringendanzuraten. Bei Gebäuden, die zwischen 1960und 1990 errichtet oder saniert wurden, ist dieWahrscheinlichkeit einer Schadstoffbelastungrelativ hoch.
Erweiterung / Anbau
Unter Erweiterung versteht man einen Neubau,welcher im direkten Nutzungszusammenhangmit einem Altbau steht. Planerisch ist zu be-rücksichtigen, dass ein Umbau im Anschluss-
punkt an den Bestand meist unvermeidlich istund demnach statische Belange zu überprüfensind. Häufige Mängel entstehen auch durch dieunterschiedlichen Setzungen zwischen Alt- undNeubau insbesondere bei:
• unterschiedlicher Höhenlage der Fundament-sohlen
• Fundamentierung des Neubaus im Bereichder ehemaligen Baugrube
• Fundamentierung in unterschiedlichenBodenklassen
• Aufstockungen von Teilbereichen des Alt-baus (nachträgliche Setzungen)
• Wasserhaltungsmaßnahmen für den Neubauwie Grundwasserabsenkung
Ausbau
Als Ausbau bezeichnet man sämtliche Arbeitennach der Errichtung des Rohbaus einschließ-lich Dachstuhl und Dachdeckung. Eine typi-sche Maßnahme ist der Dachgeschossausbau,d. h. der Ausbau eines ursprünglich nicht ge-nutzten Dachraums. Dabei auftretende bau-konstruktive Probleme sind in den Kapiteln All-gemeine Sanierungsaufgaben und Gründer-zeitbauten beschrieben (siehe S. 127f. undS. 153). Hinzu kommt der Verlust des Bestands-schutzes, was die baurechtliche Genehmigunginsbesondere in den Bereichen Brandschutz,Fluchtwege, Abstandsflächen und Stellplatz-
verordnung erschwert. Weitere Probleme erge-ben sich aus der Durchführung im laufendenBetrieb (siehe Teilsanierung, S. 13). Ausbautensind daher planerisch sehr anspruchsvoll undsollten entsprechend honoriert werden.
Umnutzung
Änderungen der Nutzung unterliegen demBaurecht. Dies betrifft in erster Linie eindeutigeÄnderungen – wie die Umnutzung eines Wohn-gebäudes in ein Bürogebäude –, auch wennes sich nur um eine Teileinheit handelt. Aberauch »leichte« Änderungen innerhalb einerNutzungsgruppe – z. B. vom Bäcker zum Fri-
seur – bedürfen in bestimmten Fällen einerbehördlichen Genehmigung, und zwar dann,wenn Unterschiede in Bezug auf ArbeitsschuEmissionsschutz, Stellplatzverordnung o. Ä. bstehen. Aus diesem Grund können auch Nut-
zungsintensivierungen genehmigungspflichtigNutzungsänderungen darstellen, z. B. wenn dbisherige Konzernzentrale als Büroetage an eCallcenter vermietet wird. Problematisch ist ddamit einhergehende Verlust des Bestands-schutzes. Dadurch kann eine Umnutzung wereichende Konsequenzen nach sich ziehen,denn in einem solchen Fall sind womöglich dgegenwärtigen baurechtlichen Vorschrifteneinzuhalten, die der Bestand nicht erfüllt. DiesGesetzeslage wird vielfach kritisiert, da sie delangfristigen Nutzung von Gebäuden entge-gensteht und damit ökonomisch und ökolo-gisch fragwürdig ist.
Anmerkungen:
[1] Charta von Venedig, 1964[2] Zweite Berechnungsverordnung, § 28
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A 2.1 Rathaus (Erweiterung), Göteborg (S) 1937,Gunnar Asplund
A 2.2 Fondazione Querini Stampalia, Venedig (I) 1963,Carlo Scarpa
A 2.3 Römisches Theater (Umbau), Sagunto (E) 1994,Giorgio Grassi
Weiterbauen – Gedanken
zum Bauen mit Bestand
Georg Giebeler, Petra Kahlfeldt
Gebäudesanierungen bedeuten immer auchAnpassungen an aktuelle Standards, ob inHinblick auf geänderte Nutzeransprüche oderan neue technische Vorschriften. Die hierfürnotwendigen Baumaßnahmen erfordern Kennt-
nisse sowohl über aktuelle Bautechniken alsauch über historische Bauweisen. Aufbauendauf dem Verstehen und Bewerten historischerKonstruktionen ist diese Aufgabe technisch lös-bar. Der Schwerpunkt scheint dabei in ersterLinie auf den technischen und nicht auf dengestalterischen Komponente zu liegen, worausman schließen könnte, dass Sanierungen undUmbauten eine reine Ingenieursleistung seien.Diese weitverbreitete Meinung resultiert mög-licherweise daraus, dass vordergründig ein we-sentlicher Teil der Gestaltung schon vollbrachtist: Das Volumen ist weitgehend festgelegt, dieStruktur des Gebäudes wird durch die Trag-glieder vorgegeben und selbst das Erschei-nungsbild scheint – insbesondere bei Massiv-bauten – bereits fixiert zu sein. Die Aufgabedes Planers lässt sich somit scheinbar auf dieLösung der rein technischen Probleme des Alt-baus wie mangelhaften Wärme- oder Schall-schutz reduzieren, wobei die Gestaltung keineRolle spielt. Verstärkt wird diese Sichtweisedurch die langjährige Praxis der Denkmalpfle-ge: Das auszuführende Detail, die anzuwen-dende Technik und die zu wählende Oberflä-che werden dabei nicht selten von einem Kunst-historiker vorgegeben. Dieser ist zwar ein aufdiesem Gebiet wissenschaftlich ausgebildeterFachmann, vermeidet jedoch schon aus sei-nem Selbstverständnis heraus jede eigene Ge-staltung.
Dabei beinhalten bereits einfache Sanierungenauch eine mindestens gleichwertige gestalte-rische Aufgabe. Schon sehr kleine Maßnahmenund Eingriffe können eine wesentliche Verän-derung des Bestands – meist einhergehendmit einer Beeinträchtigung des Erscheinungs-bilds – bewirken, wie die folgenden Beispielezeigen.Das heute übliche Aufbringen einer nachträg-lichen Außendämmung führt meist zu deutlichtieferen äußeren Fensterlaibungen mit dem ein-hergehenden unbefriedigenden Ergebnis von»Fensterlöchern«. Noch verfälschender istdiese Maßnahme bei einer ehemals glatten
Fassade mit außenbündigen Fenstern. Zudemwerden durch die Dämmung der Laibungendie Fensteröffnungen kleiner, d. h. die Propor-tionen zwischen Fenster und Wand verändernsich. Auch verkleinert die auf die Außenwand
aufgetragene Wärmedämmung vorhandeneDachvorsprünge oder lässt sie sogar vollstän-dig verschwinden. Ebenso werden die fürdie Gliederung der Fassade entscheidenden,geringfügig vorspringenden Bauteile wie Tür-gewände aus Werkstein oder Putzfaschennivelliert. Aus Kostengründen werden hand-werklich aufwendige Verfahren wie steinmetz-mäßig behandelte Sockel mit neuen Putzstruk-turen überdeckt und die bei Putzfassaden derNachkriegszeit üblichen schmalen Fenster-faschen beim Aufbringen des neuen Putzeseinfach vergessen. Selbst die Oberfläche vor-handener Putzfassaden verschwindet mit derSanierung, denn statt alter Putztechniken wieSpritzputz oder Kratzputz werden aus Mangelan erfahrenen Handwerkern nur mehr Reibe-putze angeboten.Ebenso führt der fast immer kommentarloshingenommene und technisch notwendigeAustausch von Fenstern fast zwangsläufigzu breiteren Fensterprofilen, und das grünlichspiegelnde Floatglas als Ersatz des dünnenund welligen Gussglases wirkt besondersdann erschreckend unpassend, wenn mandie alte mit der neuen Ansicht vergleicht.Auch die Neueindeckung eines Steildachsmit breiten Betonformsteinen kann einenGiebel verunstalten, verliert er doch seinenzarten oberen Abschluss durch eingemör-telte Dachziegel zugunsten plumper Ort-
gangsteine.Als weiteres Beispiel sei der Umgang mit Sicht-mauerwerk in Nordeuropa genannt: Hier lässtdas preiswerte Wärmedämmverbundsystemdie prägenden Ziegelfassaden aus dem Stadt-bild mehr und mehr verschwinden. Aber selbstwenn man stattdessen die teure mehrschaligeLösung mit neuem Klinkermauerwerk wählt,wird man die Farbvielfalt, die Ungenauigkeitenund damit die Lebendigkeit der alten Fassadenie erreichen können.Im Innenraum verändern die aus Schall- oderBrandschutzgründen notwendigen Unterde-cken nicht nur die Raumproportionen, sondern
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verdecken alte Hohlkehlen zwischen Wand undDecke oder sogar den Deckenstuck – ganz ab-gesehen davon, dass der Unterschied zwi-schen dem handwerklichen Altputz der Wändeund der toleranzfreien Glätte der Gipskarton-
decke selbst dem Laien unangenehm auffällt.Auch die Verbesserung des Trittschallschutzesbedingt formale Veränderungen wie das Ver-decken der genagelten Dielenböden ein-schließlich der üblichen hohen, lackierten undprofilierten Sockelleisten, welche aus Kosten-gründen gern durch einfache Holzleisten er-setzt werden. Vorhandene Rahmenfüllungs-türen wirken nach der Sanierung aufgrund vonKürzungen für den neuen Bodenaufbau häufigunproportioniert. Auch rein technische Anpas-sungen hinterlassen in alten Gebäuden ein oft-mals seltsam verfremdetes Gesamtbild. So wir-ken einfache Blechheizkörper im Gegensatz zuden wuchtigen Radiatoren des Bestands inalter Umgebung banal, und Treppenhaus-wandsockel aus Fliesen oder besonderen Be-schichtungen werden beim Schlitzen neuer
Vertikalschächte für Elektro- oder Brandschutz-installationen unwiederbringlich zerstört.Diese Beispiele ließen sich noch weiter fortfüh-ren, und immer erscheinen die Sanierungsmaß-nahmen als unvermeidlich. Tatsächlich sind
viele der beschriebenen Baumaßnahmen un-umgänglich, um den Schall-, Wärme- oderBrandschutz an die Gesetzeslage anzupassen.Aber das Ergebnis ist ein anderes, wenn diePlanung nach architektonischen Grundsätzen –also mit konzeptionell, formal, technisch ganz-heitlicher Sichtweise – durchgeführt wird, stattdie Planung ausschließlich nach der techni-schen und ökonomischen Machbarkeit aus-zurichten.Handelt es sich bei obigen Maßnahmen eherum übliche Aufgaben der Sanierung, so giltdas Gesagte umso mehr für weitergehendeEingriffe in den Bestand wie Kernsanierungen,Umbauten und Erweiterungen – also schwie-rige architektonische Aufgaben, die eine Syn-these von Gestaltung und Technik erfordern.Die Entwurfshaltung bezüglich derartiger Pla-
nungsaufgaben scheint im Umbruch zu seinoder sich schon gewandelt zu haben. Rekon-struierendes Anpassen oder kontrastierendesNeues – diese zwei Haltungen standen sich bvor Kurzem noch unversöhnlich gegenüber.
Inzwischen hat sich aus den Erfahrungen miteiner Vielzahl an mit vorhandener Bausubstanarbeitenden Planungsaufgaben – gerade aucaußerhalb der Denkmalpflege – ein neuer An-satz entwickelt, der die Einheit des Gebäudesin den Vordergrund stellt – nicht mehr Alt odeNeu als Gegensatz, sondern Alt und Neu alsharmonisches Ganzes (Abb. A 2.1). DieserGedanke zum »Bauen im Bestand« soll in debeiden folgenden Statements vertieft werden.
Weiterbauen? Weiterbauen!
Bauen, gleich ob Neubau oder Umbau, bedetet immer Weiterbauen – Weiterbauen an einebestimmten Ort, einem Haus, einer Straße,einem Quartier, einer Stadt, einer LandschaftStets geht es um die Auseinandersetzung mitVorgefundenem. Kein Ort ist unbesetzt oderunbeschrieben. Unser Lebensraum ist ein Kuturraum voller sichtbarer und unsichtbarer, injedem Fall aber aufzuspürender Bezüge, d. hgeschichtlicher, geistig-kultureller, räumlichersozialer und emotionaler, funktionaler und physischer Spuren. Diese liegen entweder offenzutage oder können lesbar gemacht werden.Bauen heißt leben. Deshalb gründet Architektauf Dauerhaftigkeit und Kontinuität. Die Aus-einandersetzung mit der eigenen Sozial- undArchitekturgeschichte ist somit wesentlicheVoraussetzung für alles Neue. Jedes architektonische Projekt baut ideell und materiell auf
dem Vorgefundenen und seiner komplexenVorgeschichte auf (Abb. A 2.2 und 3). Somitkommt jeder Veränderung eine Bedeutungund Verantwortung zu, die weit über den indi-viduellen Entwurf des Architekten hinausgehtDas architektonische Thema des Weiterbauenist so alt wie die Architektur selbst. Am Anfangsteht die existentielle Frage »Wie bauen?« –eine einfache Laubhütte, ein Haus zwischenBäumen oder ein Vogelnest? Darauf folgt ir-gendwann die Frage »Wie weiterbauen?« Watun, wenn Hütte, Haus oder Nest sich verän-derten Nutzungsansprüchen oder ganz anderen Anforderungen stellen sollen?
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tät, Authentizität und Ablesbarkeit des Bauserhalten; für viele Architekten ist es ein dankbarangenommenes Argument, um dem eigenenkünstlerisch-individuellen Gestaltungswillen,der sich zwingend vom anonymen historischen
Architektenkollegen abzugrenzen hat, Raum zugeben.Dieses Trennen, Fragmentieren, in Schichtenzerlegen, dem Älteren klar ablesbar Neues hin-zuzufügen ist weitverbreitete Praxis. Ein aufdieser Grundlage basierender Umbau erfordertverständlicherweise große Eingriffe in den Be-stand, um die bildlich, materiell und auch kon-struktiv kontrastierende Zutat etablieren zu kön-nen. Das Ergebnis wirkt allerdings inhomogenund unharmonisch.Grundlage für die Debatten, die nicht nur inder Fachwelt der Architekten um das gelun-gene oder weniger gelungene Weiterbauengeführt werden, können nur architektonischeKriterien selbst sein. Das Bild einer erkenn-baren und Identität stiftenden Stadt, einerStraße oder eines Quartiers als einer kulturellenGemeinschaft von Häusern und Räumen ent-steht als ein im Ganzen Gedachtes, das dasVorhandene selbstverständlich einbezieht undakzeptiert.Mittlerweile haben sich ungeachtet aller Sepa-rierungsbestrebungen ein Verständnis und einePraxis beim Weiterbauen herausgebildet, dienicht das Zelebrieren von Zeitschichten in denVordergrund stellen, sondern die architekto-nische Einheit des Gebäudes hervorheben. Istnicht die zeitüberschreitende Verbindung, diedas Heute und das baulich aus einer Vergan-genheit Verbliebene zusammenzubringt, eine
gute Veranschaulichung von Tradition? Im Be-wusstsein eines kontinuierlichen kulturellenErbes und Bezug nehmend auf architektoni-sche Traditionen geht es bei der Entwurfsauf-gabe »Bauen im Bestand« doch explizit um dieEinladung zu einem Neben- und Miteinander,einer auch ästhetisch und bildlich einfühlsamenKorrespondenz, um die Suche nach einer ko-härenten, inhaltlich zusammenhängenden Ent-wurfshaltung. Miroslav Sik, ein für die qualität-volle Weiterentwicklung der historisch gewach-senen europäischen Stadt ausgezeichneterSchweizer Architekt, sieht die Suche nach einerkohärenten Entwurfshaltung als »die Mitte zwi-
schen schamlos banalen Äußerungen undüberambitionierten gestalterischen Mätzchen.Notwendiges planen, Überflüssiges lassen undsich als Architekt den Häusern und ihren Be-wohnern zuwenden«. [1]
Nur so kann die bildliche Metapher der Verei-nigung als eine Transformation aus Bewahrenund Erneuern entstehen, ohne dass sein Ur-sprung verändert wird oder gänzlich verschwin-det. In einem Entwurfskonzept des »NeuenGanzen« wird das Alte nicht inszeniert, um alsBühne für das Neue zu dienen. Es ist die Su-che nach einer gestalterischen Kohärenz, dieden Bestand und den Neueingriff gleichrangigzu einer architektonischen Gesamtform bringt,jenseits der schier unüberwindbaren Katego-rien Neu und Alt, ohne dass dabei die Viel-schichtigkeit und Vieldeutigkeit in der Bewälti-gung der Bauaufgabe verloren geht. Das alstransformiertes Ganzes zu sehende Neue trägtvon beidem etwas in sich, ohne dass es alsseparate Schicht ablesbar ist: ein kontinuier-liches, homogenes Ganzes. [2] Bauen im Bestand? Bauen mit Bestand!
Doch könnte man Weiterbauen auch in andererWeise missverstehen: als kritikloses Weiterbau-en einer längst vergangenen Epoche, als Re-trowelle, die nach den Designabteilungen derAuto- und Möbelhersteller auch das Bauge-schehen überrollt. Die Kopie des Gestrigen –scheinbar legitimiert durch den Wiederaufbauder Dresdener Frauenkirche – ist neben die-sem verständlichen Akt der Rekonstruktion lei-der auch der Startpunkt für architektonischeMonstrositäten wie die Braunschweiger
Schlossarkaden und für all die vielen kleinen,scheinbar banalen Beispiele in der Traditiondes Bauhauses oder anderer positiv vermarkt-barer Epochen.Dabei ist »historische Architektur« eben histo-risch und kann nicht »heutig« sein. Ein grün-derzeitliches Haus »originalgetreu« wiederher-zustellen muss genauso scheitern wie derUmbau in einen Glaspalast. Dem stehen meh-rere unüberwindbare Hindernisse im Weg:
• andere politische und soziale Bedingungen• anderes Umfeld – architektonisch und
städtebaulich
Weiterbauen erfordert stets ein sensibles Ab-wägen zwischen Bewahren und Erneuern. VonArchitekten wird hierbei Interesse, Wissen, Ein-fühlungsvermögen und auferlegte Einschrän-kung erwartet. Schließlich geht es zunächst
darum, sich auf die konstruktive Sprache undräumliche Lektüre des Bestands einzulassen.Ferner ist eine Entwurfshaltung gefordert, diedie gestellte Aufgabe zwischen Bewahren undErneuern angemessen löst.Doch was ist angemessen? Es kann nicht nurdarum gehen, im Entwurf die funktional tech-nische Fragestellung nach der Verbindung vonAltem und Neuem zu beantworten. Die archi-tektonisch-räumliche Aufgabe verlangt die Um-wandlung von bestehenden Gebäuden, d. h.komponierend-entwerfendes Handeln. Darun-ter ist eine Arbeit »mit den innerlich lebendenFormen zu verstehen, um eine Interpretation,einen feinsinnigen, gleichzeitig technischenund literarischen Akt der schöpferischen Kom-position, zu erreichen« – so jedenfalls sieht esder italienische Architekt Francesco Collotti.Das Spannungsfeld, in dem sich Architektenbewegen, ist schnell umrissen: auf der einenSeite das Bestandsgebäude mit seiner durchKonstruktion und Material geschaffenen Raum-idee und auf der anderen Seite die als notwen-dig erscheinende Zutat, die sich aus geän-derten Ansprüchen oder aus einer verändertenNutzung des Gebäudes ergibt.In konsequenter Weiterentwicklung desSchlagworts aus der Grundsatzdebatte um1900 »Konservieren statt Restaurieren« hatsich in der zeitgenössischen Denkmalpflegedie Haltung durchgesetzt, dass die unter-
schiedlichen Zeitschichten der baulichen Maß-nahmen an einem Gebäude klar erkennbar undohne Zweifel ablesbar sein müssen, dass dasNeue vom Alten konsequent getrennt aufzutre-ten hat. Diese Vorstellung von einem »dualen«System – hier das Alte, dort das Neue – ist fürdas Bauen im Bestand, ob Denkmal oder nicht,zur allgemeinen Leitlinie geworden.Propagiert von Denkmalpflegern und Archi-tekten macht dieses kategorische Separierenvon Alt und Neu bis heute Schule – wenn auchaus ganz unterschiedlichen Intentionen. Fürdie Denkmalpflege, die sich auf wissenschaft-liche Erkenntnisse beruft, bleibt so die Integri-
a b A 2.4
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Weiterbauen – Gedanken zum Bauen mit Bestand
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• andere Gesetze und Vorschriften• andere Handwerkstechniken• anderer Stand der Technik • der Planer ist nicht »historisch«, folglich
kann er nicht im Sinne der Historie bauen
Aus diesen Gründen muss die dogmatischeSpielart des kopierenden Historismus schei-tern. Aber wo liegt die oben beschriebeneMitte, das »versöhnliche Neben- und Miteinan-der«? Es beginnt dort, wo man Weiterbauennicht mehr als Bauen »im« Bestand begreift,also als etwas Neues »in« einem Vorhandenen,sondern als Bauen »mit« Bestand, also das Zu-sammenführen des Vorhandenen mit demNeuen zu einem ganzheitlichen Neuen, wie esbeispielsweise den Architekten Feyferlik / Fritzermit den Neu- und Umbauten für den Wallfahrts-ort Mariazell gelungen ist (Abb. A 2.4 und 5).Das Verwenden des Vorhandenen setzt aberauch das Verstehen des Vorhandenen in seinerGesamtheit voraus. Nur so kann es gelingen,statt einzelner Vor- und Nachteile das gesamteGebäude zu begreifen. Weiterbauen be-schränkt sich dabei nicht auf das Verstehender technischen Besonderheiten, sondern viel-mehr darauf, die ursprüngliche Konzeption zuentdecken und sie im Planungsprozess vomZwang des Faktischen und Geschmäckle-rischem zu befreien, also historisch Konzept-ionelles zu trennen von damals Notwendigem,Vorgeschriebenem, technisch Beschränktemoder zeittypisch Modischem. Anders als einNeubau, der sich einer Haltung – auch »Stil«genannt – anpassen lässt, wird dies ein beste-hendes Gebäude nicht zulassen. Der Bestand
lässt sich nicht nachträglich in eine Haltungpressen. Man kann Umbauten nicht erzwingen.Sieht man als Planer nur die Nachteile desbestehenden Gebäudes, wird man kaum zubefriedigenden Ergebnissen gelangen. Weiter-bauen bedeutet, sich mit den Rosinen ausdem Kuchen einen eigenen Kuchen zu ba-cken, im Bestand das Positive zu entdeckenund das Negative auszublenden, den Bestandzu lieben.Das Vorhandene verstehen, lieben zu lernenund mit dem Neuen zu einem Gesamten zu for-men, könnte man mit einer »Arbeitsgemein-schaft« vergleichen: die Partnerschaft zwi-
schen dem womöglich längst verschiedenenArchitekten des Bestands und jenem desNeuen. Diese Partnerschaft besteht faktisch je-doch nur in einer – quasi schizophrenen – Per-son, der des beauftragten Architekten. Damit
die Partnerschaft trotz unterschiedlicher Vo-raussetzungen gelingt, kann sich der heutigePlaner auf eine gemeinsame Erfahrung beru-fen, die für historische Architekten genausoGültigkeit hatte wie für die heutigen: Alles mussmöglichst preiswert, pünktlich und mängelfreihergestellt werden. Historische Konstruktionenund die daraus resultierende Gestalt sind meis-tens Ausdruck dieser Problemstellung undnicht etwa – wie von Denkmalpflegern oft be-hauptet und von Retrodesignern dankend auf-gegriffen – autonomer künstlerischer Ausdruck.Die Zartheit eines Sprossenkastenfensters istnicht Gestaltung, sondern eine gut funktionie-rende, preiswerte Konstruktion, die aber denheutigen Anforderungen leider nicht mehr ge-nügt. Wenn Weiterbauen bedeutet, eine zeitge-mäße Lösung zu finden, welche in ein Gesamt-konzept passt, kann dies weder die sprossen-lose Aluminiumfestverglasung noch die »Sieht-von-Weitem-fast-so-aus-wie-Konstruktion« sein.Es ist das Fenster, welches der Architekt desBestands gebaut hätte, wenn er denn die heu-tigen technischen Möglichkeiten und densel-ben Betrachtungsabstand zu seiner eigenenEpoche gehabt hätte. Empathie in den Erschaf-fer des Vorhandenen ist nicht außerhalb deseigenen Erlebens möglich, was eine kritikloseÜbernahme jedweden historischen Konzeptsvon vorneherein ausschließt.Empathie im Weiterbauen bedeutet: Wie hätte
der historische Architekt das Detail gelöst?Mit welchen Konstruktionen würde er die EnEVumsetzen, wie die Rosenheimer Fensterbau-richtlinien einhalten oder umgehen? Die Pla-nung des Weiterbauens mit den dafür not-wendigen Neu- und Umbauten setzt heutigeKonstruktionen und heutige Handwerkstech-niken voraus, die von sich aus schon ganzandere Gestaltungen implizieren. Die Strukturund Welligkeit einer Putzfassade aus dem19. Jahrhunderts ist – als preiswerte, mängel-freie Konstruktion – nicht mehr zu imitieren, daheutige Mauersteine viel zu genau sind, die Er-fahrung der Handwerker mit Kalkputzen unzu-
reichend ist und sie – vorsichtig gewordendurch ständige Mängelanzeigen – nicht mehrhandwerklich arbeiten.Weiterbauen oder Bauen mit dem Bestandheißt: den Bestand anzuerkennen und sich
in ihn hineinzudenken, seine Struktur und seinHaltung zu erkennen und zu bewerten – underst dann eine eigene Haltung zu entwickeln,welche auf den Bestand reagiert. Die eigeneHaltung ist dabei immer auf die Gegenwartbezogen: heutige politische und soziale Um-stände, heutige Kosten, heutige Konstruk-tionen. Also ist es nicht verwerflich, sondernschlüssig, sie auch nach heutigen Maßstäbenzu gestalten – nicht um zwanghaft einen Kon-trast herzustellen, auch nicht um das Neueablesbar zu machen, wie es genauso oft wiefalsch gefordert wird. Warum sollte etwassepariert werden, was doch ein Ganzes, eben»ein« Gebäude sein will und nicht eine didaktische 1:1- Ausstellung verschiedener Architeturen. Gefordert wird nur zu Recht, dass essich um »gute« Architektur, also ein konzep-tionell schlüssiges, funktionierendes Ganzeshandelt.Im Weiterbauen taugt die Ausschließlichkeitvon Kontrast oder Anpassung also nicht alsEntwurfsansatz. Beides geht auf in der »ver-ständnisvollen, gleichberechtigten Arbeitsge-meinschaft«; das bedeutet Respekt des heu-tigen Planers gegenüber der Arbeit des historischen Architekten, aber auch dessen post-humes Einverständnis zum Weiterbauen nachheutigen Grundsätzen.
A 2.4 Archivräume im Dachgeschoss, Geistliches Haus,Mariazell (A) 2001, Feyferlik / Fritzer
A 2.5 Sanierung Liturgiebereich und Einbau Orgel,Basilika, Mariazell (A) 2000, Feyferlik / Fritzer
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Anmerkungen:
[1] in seiner Rede anlässlich der Verleihung der Hein-rich-Tessenow-Medaille im Jahr 2005
[2] Dieser Abschnitt stammt von Petra Kahlfeldt, Archtektin in Berlin.
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Abb. B SUVA-Gebäude, sanierte Gebäudehülle,
Basel (CH) 1993, Herzog & de Meuron
Teil B Grundlagen
1 Sanierungen planen 22
Analyse 22
Bewertung 24
Planungsprozess 24
Abbruch 29
Nach dem Umbau ist vor dem Umbau 31
2 Bauphysik 32
Energieeffizienz, Wärme- und
Feuchteschutz 32
Wärmeschutz und Behaglichkeit 33
Bestandsaufnahme 34
Sanierungsmaßnahmen 36
Schallschutz 42
Wesentliche Kenngrößen des Schall-
schutzes und Anforderungswerte 43
Vorgehen im Sanierungsfall 44
Schalltechnische Schwachstellen
bei Bestandsbauten und deren
Beseitigung 45
Brandschutz 48
Brandschutzertüchtigung von
Bestandswänden 49
Brandschutzertüchtigung von
Bestandsdecken 49
Ertüchtigung von Stützen und Trägern 51
3 Technische Gebäudeausstattung 52
Bestandsaufnahme 52
Bewertungskatalog 52
Haustechnik und Denkmalschutz 54
Wasserversorgung 54
Wasserentsorgung 57
Warmwasserheizungssysteme 59
Wärmeerzeuger 61
Warmwasserbereitung 62
Gebäudekühlung 65 Lüftung 67
Elektroinstallation 68
Blitzschutz 70
Vorfertigung von Ver- und Entsorgungs-
systemen 71
4 Denkmalpflege
Geschichtliche Entwicklung seit Beginn
der Neuzeit
Heutiges Begriffsverständnis
Denkmalschutz
Organisationen und Verbände Internationale Abkommen
Baupraktische Denkmalpflege
5 Baustoffe in Sanierungsprojekten
Tragkonstruktion
Holz
Eisen und Stahl
Stahlbeton
Mauerwerk
Gebäudehülle
Flachdach
Dachsteine und -ziegel
Metalldeckungen
Holz und Holzwerkstoffe
Fenster und Türen
Naturwerkstein
Außenputz
Anstriche und Beschichtungen
Dämmstoffe
Ausbau 1
Innenputz und Gipsbaustoffe 1
Holzböden 1
Estrich und Terrazzo 1
6 Gefahrstoffe im Bestand 1
Definition, Deklaration und Umgang
mit Gefahrstoffen 1
Bedeutung der Gefahrstoffkontamination
im Bestand 1
Bewertungsziele bei Gefahrstoff-
kontaminationen im Bestand 1 Notwendige Arbeiten und Ablauf der
Sanierungsplanung 1
Beschreibung der häufigsten
Gefahrstoffe im Gebäudebestand 1
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8/20/2019 Atlas Sanierung
22/279
Sanierungen planen
Georg Giebeler
Die Planung von Umbauten unterscheidetsich grundsätzlich von der Neubauplanung.So ist beispielsweise der gesamte Planungs-prozess von Neubauten bis zum Baubeginnabstrakt: Besprechungen mit Bauherren und
Fachplanern lassen sich durch Teilziele struk-turieren, äußere Bindungen bestehen nur auf-grund gesetzlicher Bestimmungen. Der Bau-herr kann klare Zielsetzungen in Bezug aufBaukosten, Fertigstellungstermin und seinefunktionalen Bedürfnisse vorgeben, manchmalsogar hinsichtlich seiner ästhetischen Vor-lieben.Der Ausgangspunkt eines Umbaus ist da-gegen ein bestehendes Gebäude, was dieSituation entscheidend verändert. Die Planungverlässt die abstrakte Ebene schon zu Beginnund taucht ein in die Probleme des Vorhan-denen. Die Anforderungen des Bauherrn hin-gegen bleiben gleich: Kosten- und Termin-sicherheit, funktionale Notwendigkeiten undformale Wünsche. Die Vorgehensweise beider Umbauplanung muss diesen Zwiespaltberücksichtigen, um ein befriedigendes Er-gebnis zu erzielen.
Analyse
Am Beginn des Planungsprozesses steht dieAnalyse des Bestands, die vielfach planungs-und baubegleitend fortgeführt wird. Je umfang-reicher die Untersuchungen sind, umso größerwird die Planungs- und damit auch die Kosten-und Terminsicherheit. Schon aus Honorargrün-den wird der Architekt jedoch nie eine vollstän-dige Analyse durchführen können. Wichtig istalso die Auswahl der kritischen Stellen. So wird
man bei Holzbalkendecken zur Überprüfungder Gebrauchsfähigkeit immer die Auflager un-tersuchen, nicht jedoch ganze Untersichtenentfernen.Neben der Kenntnis von zeittypischen Män-geln und eigener Erfahrung hilft auch gesunderMenschenverstand: Ein Großteil der Schädenentsteht durch alle Formen von Wasser. Es giltalso vor allem jene Bauteile zu untersuchen,die eventuell durch Niederschlag, Spritz-wasser, Wasser im Erdreich, Wasserdampf(organischer Befall, Fäule) oder Wasserlei-tungen in Mitleidenschaft gezogen wordensein könnten.
ArchiveDer erste Schritt sollte immer das Recherchie-ren von alten Unterlagen darstellen. Pläneund Berechnungen geben einen Überblicküber den damaligen Planungs- und Baupro-
zess und dienen so als Grundlage für weiter-führende oder kontrollierende Untersuchungen.Mögliche Quellen sind der Bauherr, der Vor-besitzer, die damals beauftragten Architektenund Tragwerksplaner sowie das Archiv desBauamts.
BauforschungBauforschung bedeutet die ausführliche histo-rische Analyse des Bestands mit dem Ziel, dieGeschichte und die damalige Planung des Ge-bäudes nachvollziehen zu können. Die Grund-lage bilden aus verschiedenen Quellen zusam-mengetragenes Archivmaterial und stichpro-benartige Bauteiluntersuchungen. Auf dieseWeise können verschienene Bauabschnitte,spätere An- und Umbauten, alte und erst kürz-lich vorgenommene Sanierungen oder Ober-flächenerneuerungen erkannt und dokumentiertwerden. Hilfreich für die Planung ist die Kennt-nis der angewendeten Bautechniken für mög-liche Rückschlüsse auf deren typische Stärkenund Schwächen, aber auch der Hinweis aufkonstruktive Schwachstellen wie z. B. nichtsichtbare Fugen zwischen Erstbauwerk undAnbau.Der große Aufwand solcher Forschungen lässtsich jedoch nur bei historisch wertvollen Ge-bäuden realisieren. Die Arbeitsweise ist jedochohne Weiteres auch auf einfache Planungsauf-gaben übertragbar.
Aufmaß und BestandsplanDas Aufmessen von Bauten oder Bauteilen be-gleitet die Umbaumaßnahmen in allen Leis-tungsphasen. Auch hier müssen die Unter-schiede zu Neubauten berücksichtigt werden.Die Ungenauigkeiten des Altbaus führen immerwieder zu Widersprüchen mit der darauf auf-bauenden Planung. Es gilt also, das Aufmaß zuinterpretieren, d. h. bewusst andere Maße zuzeichnen als die vor Ort gemessenen, um einstimmiges Gesamtbild zu erzielen. Abwei-chungen vom rechten Winkel von wenigenGrad spielen z. B. in der Umbauplanung meist
B 1.1 Umbau einer Industriehalle zum Bürogebäude,Köln (D) 2001, 4000architekten
B 1.2 Lebensdauer verschiedener BauteileB 1.3 Bestandsstruktur von Wohngebäuden in Deutsch-
land
B 1.1
22
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23/279
keine Rolle und sollten vernachlässigt werden.Notwendig ist es auch, Längenunterschiedevon mehreren Zentimetern in einem Raumzu interpolieren. Ziel des Aufmaßes ist nichtein exaktes Abbild, sondern eine stimmige
Planungsgrundlage. Aus diesem Grund sindautomatisierte Systeme, welche aus 3-D-Mes-sungen CAD-Daten erstellen können, nur fürsehr spezielle Anwendungen empfehlenswert,z. B. im Denkmalpflegebereich. Trotzdem gilt es, Messungenauigkeiten zuvermeiden, um eine saubere, interpretierbareUnterlage zu erhalten. Hierzu ist ein Laser-messgerät unverzichtbar, da es genaue Mess-daten liefert und im Gegensatz zum Maßbandeinen Helfer spart (Abb. B 1.6). ZusätzlicheWerkzeuge sind Meterstab, Bleilot und Kom-pass. Folgende Empfehlungen helfen beimAufmaß:
• wenn möglich, Kettenmaße nehmen, stattimmer wieder neu anzusetzen
• durch geöffnete Türen etc. hindurchmessen,um die Gesamtinnenmaße des Gebäudes zuerhalten
• Höhenmessungen im Treppenhaus vorneh-men und Geschosshöhen aufmessen
• Gesamtaußenmaße nehmen• Türanschläge etc. brauchen nur einseitig
genommen zu werden.• bei schiefwinkligen Räumen Diagonalmaße
nehmen; dabei ist die Minimal- bzw. Maxi-malmessung von Lasermessgeräten hilfreich,bei der man mit dem Zielpunkt an einerKante »entlangstreifen« kann
• zur Decke schauen: Oft vergisst man im Auf-
maß die Höhenmaße, Unterzüge etc.• alle Wandstärken messen• Fensteröffnungen wurden meist mit Anschlag
gemauert, also muss man zwei lichte Maßenehmen.
• horizontale Maße möglichst in gleicher Höhenehmen, denn keine Wand ist lotrecht
• wenn möglich, Wand- und Deckenverklei-dungen öffnen, um »Rohbau«-Maße zuerhalten
Den Bestandsplan beginnt man mit den si-chersten Maßen, d. h. mit den Gesamtmaßen,und versucht die Innenräume möglichst logisch
einzupassen (Abb. B 1.4). Interpretieren heißtdann, sich eigentlich wiederholende Maße wiez. B. Fensteröffnungen identisch zu zeichnenund auch zu überprüfen, ob nicht die Pfeiler-maße zwischen den Fenstern identisch sein
sollten, obwohl man differierende Maße aufge-nommen hat. Es gilt, die Idee des damaligenArchitekten zu finden und nicht die Tagesformdes damaligen Handwerkers.Zu Beginn der Planungsphase reicht eine Ge-nauigkeit im Maßstab 1:50. Für spätere Pla-nungsschritte, insbesondere bei Fügungen vonNeu zu Alt, müssen weitere Messungen erfol-gen. In der Regel empfiehlt es sich, ein ge-naues Aufmaß erst nach dem ersten Abbruchdurchzuführen, um doppelte Arbeit zu vermei-den (siehe »Aufräumen« S. 29f.).
ModulordnungenDer Versuch, Bauteile maßlich zu normieren,zieht sich durch alle Epochen. Wie bei vielenanderen Produkten auch existierten jedochje nach Region verschiedene Standards.Überregionale Angleichungen verliefen analogzur derzeitigen Einführung von EU-Normeneher schleppend. Hilfreich für die Interpre-tation des Bestands kann das Wissen umdamals gebräuchliche Modulordnungen sein,um eine Rohbaukonstruktion wie z. B. Mauer-werkstärken und deren Verkleidungen ohneÖffnen der Konstruktion abzuschätzen (Abb.B 1.5).
SichtanalysenViele Schadensbilder und Konstruktionen las-sen sich allein durch Sichtanalysen und eine
»haptische« Kontrolle der Oberfläche eruieren.Da es sich um eine kostengünstige Methodehandelt, ist die vollständige Durchführung undDokumentation ratsam. Dabei ist es hilfreich,die Fotostandorte in einem Bestandsplan zuvermerken, weil später nur so eine eindeutigeZuordnung der Bilder möglich ist.Auch das partielle Öffnen von Bauteilen ist sehrzu empfehlen. Für die Beurteilung einer Holz-balkendecke z. B. ist die Art und Ausführungder Unterdecke und Füllungen wichtig, insbe-sondere in Hinblick auf die Planung von Trag-fähigkeit, Schall- und Brandschutz. In diesemFall reicht meist das Öffnen an einem Balken-
Bauzeit Einfamilien- Mehrfamilien- Wohnfläche Anteil an der
häuser häuser gesamt Gesamtwohn-
Fläche [m2] Fläche [m2] [m2] fläche
bis 1918 305 000 227 000 532 000 18 %
1919 –1948 244 000 145 000 389 000 13 %
1949 –1957 209 000 185 000 394 000 13 %
1958 –1968 252 000 223 000 475 000 16 %
1969 –1978 303 000 258 000 561 000 19 %
1979 –1983 383 000 246 000 629 000 21 %
gesamt 1 696 000 1 248 000 2 980 000 100 %
Bauteil Lebensdauer
[Jahre]
min. max.
Außenputz, Fassaden 30 60
Steildach 40 60
Flachdach 20 40
Fenster 25 40
Isolierverglasung 20 35
Gebäudehülle insgesamt 20 60
Heizung 12 35
auflager von unten. Die Lage der Balken wie-derum kann man auf der Oberseite ablesen,denn dort sind die Bodenbretter genagelt.
Messungen und Laboruntersuchungen
Das Messen von Bauteilwerten sowie labor-technische Untersuchungen können weitereKlarheit über vermutete Probleme geben, istaber – weil aufwendig – nur partiell durchführbar. Daher muss man in der Regel aus Einzelfällen auf die Gesamtkonstruktion schließen,was eine potenzielle Fehlerquelle darstellt.Einfache Geräte zur Ermittlung der Bauteil-feuchte messen den elektrischen Widerstandim Baustoff mittels zweier Elektroden (Abb.B 1.7). Kennt man das Material, lassen sichaus Tabellen Rückschlüsse bezüglich desDurchfeuchtungsgrads in Volumenprozent er-mitteln. Da die Methode relativ ungenau undfehleranfällig ist, sollte sie als Reihenmessungdurchgeführt werden. Die Messung erfolgt ander Bauteiloberfläche; Aussagen über dieFeuchte im Mauerkern können also nicht ge-troffen werden. Dasselbe gilt für Messungen,die auf der dielektrischen Methode, d. h. aufder Messung elektromagnetischer Wellen ba-sieren. Dennoch reichen in der Praxis beideArten der Messung meistens aus, da es in deRegel nur darum geht abzuschätzen, ob einBauteil nass oder trocken ist.Sind genaue Werte oder Messungen im Bau-teilkern erforderlich, kommt man um eine Pro-benentnahme nicht herum. In diesem Fall lässsich die enthaltene Wassermenge mithilfe derDarrmethode durch drei Gewichtsmessungengenau feststellen. Man wiegt zuerst die ent-
nommene Probe, dann die vollständig getrocnete und anschließend die gewässerte, d. h.vollständig gesättigte Probe. Auf diese Weiselässt sich die Bauteilfeuchte in Volumenprozeermitteln.Um die Ursachen von Oberflächenfeuchte –z. B. feuchte, warme Sommerluft auf kühlenOberflächen (Kellermauerwerk) – einordnen zkönnen, sollten Messungen der Bauteilfeuchtdurch die Werte Raumluftfeuchte, Raumtem-peratur und Oberflächentemperatur ergänztwerden.Die Bestimmung des Eigengewichts von Bau-teilen und Konstruktionen kann bei der Planun
B B 1.2
Sanierungen plan
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E i n b a u s c h r a nk N E U
305
7 1
de in einen Umbau zu »zwingen« wird immerzu einem unbefriedigenden Ergebnis führen –sowohl in finanzieller als auch in formaler Hin-sicht.
Schadensbilder, Kernprobleme
Aus der Analyse ergibt sich meist eine Vielzahlvon Schadensbildern, die sich in dieser frühenPlanungsphase nicht vollständig bewerten las-sen. Es gilt, die Kernprobleme herauszuarbei-ten und diese bezüglich Kosten und Terminenabzuschätzen. Abb. B 1.8 zeigt die ökonomi-sche Bewertung einiger typischer Sanierungs-und Umbaumaßnahmen.
Planungsprozess
Umbauten haben einige Besonderheiten, so-wohl im Ablauf als auch in äußeren Randbe-dingungen. Wenn man bisher hauptsächlichNeubauten bearbeitet hat, muss man also alsPlaner umdenken. Dabei steht fest, dass diePlanung und Bauüberwachung von Umbauten
aufwendiger ist als jene von Neubauten, wasin der deutschen Honorarordnung mit demUmbauzuschlag berücksichtigt wird.
Phase 1: GrundlagenermittlungDie Grundlagenermittlung umfasst erste Vor-arbeiten und Gespräche zwischen Bauherr undArchitekt, in denen die Art der zukünftigen Zu-sammenarbeit, die Baukosten, der Fertigstel-lungstermin und allgemeine Nutzerwünschebesprochen werden. Diese Phase unterschei-
von Umbauten von Nutzen sein. Ersetzt manbeispielsweise die Lehmfüllung einer Holzbal-kendecke gegen Schalldämmmatten, kannman das eingesparte Gewicht für Bodenauf-bauten wie schwimmenden Estrich oder abge-hängte Decken verrechnen. Dies ist für den
statischen Nachweis hilfreich.Viele Bauteilanalysen lassen sich über einfacheUntersuchungen vor Ort nicht klären. In diesemFall müssen Proben entnommen und in bau-technischen Labors untersucht werden. Diesbetrifft nicht nur Schadensfälle, sondern auchMaterialkennwerte für Neuberechnungen, z. B.die Betongüte und die Streckgrenze von Stahl-betondecken. Bei Schadstoffsanierungen sindbeispielsweise Luftschadstoffmessungen aufdie Parameter VOC, PCB, Asbest, Formalde-hyd und Schimmelpilze üblich (siehe auch Ge-fahrstoffe im Bestand, S. 102ff.).
Bewertung
Die Bewertung des Bestands ist ein wesent-
licher Teil der Architektenleistung. Schon sehrfrüh muss entschieden werden, ob die Zieledes Auftraggebers in angemessenem Kosten-rahmen erreicht werden können. Aufbauendauf der Analyse des Bestands wird untersucht,inwieweit bestehende Bauteile für das spätereGebäude zu gebrauchen sind und wie groß derSanierungsaufwand dafür ist. Erst daraus lässtsich ableiten, ob sich die Immobilie für einenUmbau eignet oder nicht.Um frühzeitig eine einigermaßen sichere Aus-
sage treffen zu können, sollte man sich auf diefolgenden drei Aspekte konzentrieren.
Nutzung – UmnutzungNicht jedes Bestandsgebäude eignet sich fürjede neue Nutzung. Problematisch wird es
immer dort, wo sehr spezifische unabänder-liche Nutzerinteressen vorliegen. Die Kreissägeeiner Tischlerei etwa braucht einen Bewe-gungsraum, für den es kein Alternativkonzeptgibt. Sind wesentliche, d. h. in der Regel tra-gende Bauteile im Weg, steigt der Aufwand fürdie Umnutzung beträchtlich. Teilumbauten,z. B. eines einzelnen Geschosses, können nochweiterführende Probleme aufwerfen. So sinddadurch erforderliche Abfangungen im darun-terliegenden Geschoss – wenn es bewohnt ist– genauso wenig möglich wie das Neuverlegenvon Abwasserfallrohren.Aus der Diskrepanz zwischen Nutzerwünschenund Bestandsaufnahme ergeben sich alsoZwangspunkte. Diese herauszufinden und ab-
zugleichen ist Teil der Bewertung.
Umbaupotenzial Unter Berücksichtigung der Zwangspunktesollte der Architekt das grundsätzliche Umbau-potenzial des Gebäudes einschätzen, d. h. in-wieweit kann problemlos in die bestehendeStruktur eingegriffen werden, um sie den neuenNutzerwünschen anzupassen. Das Umbau-potenzial ist abhängig von der Bauart unddamit auch von der Erstellungszeit. Ein Gebäu-
B 1.4
24
Sanierungen planen
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det sich erheblich von der Neubauplanung.Schon in den ersten Gesprächen erwartet derBauherr Aussagen über Qualität und Umbau-potenziale des Gebäudes; die Fragen sind alsowesentlich konkreter. Wünsche bezüglich derNutzung sowie Vorgaben zu Baukosten und
Terminen haben dagegen das gleiche Gewichtwie beim Neubau.Gerade bei letztgenannten Fragen sollte manunbedingt klarstellen, dass sich diese beieinem Umbau in einem so frühen Stadium nochnicht beantworten lassen. Welche Maßnahmenkünftig zu treffen sind, um ein auch nur unge-fähr beschriebenes Ziel zu erreichen, klärt sicherst nach genauen Analysen des Bestands,also im ungünstigsten Fall erst nach dem Er-werb des Gebäudes. Der Bauherr geht in die-sem Fall ein erhebliches Risiko ein, da er eineImmobilie erwirbt, ohne genau zu wissen, wanndiese mit welchem finanziellen Aufwand saniertsein wird. Und er nimmt in Kauf, dass er wo-möglich Abstriche an seinem Nutzungskonzept
hinnehmen muss.Umso wichtiger ist die klare und sichere Beant-wortung der folgenden Frage: Lohnt es sich,dieses Gebäude zu sanieren? Welche Schwie-rigkeiten sind zu befürchten?Sehr häufig finden die ersten Gespräche imRahmen von Ortsterminen statt. Diese dienendem Besichtigen, nicht dem Bewerten. Erst dasZurückführen auf eine abstraktere Ebene undeventuell nachträgliche Teilanalysen erlaubeneine relativ gesicherte Aussage darüber, obsich ein Umbau lohnt oder nicht. Dem Architektmuss immer bewusst sein, dass die positiveBeantwortung dieser Frage augenblicklich übereinen großen Teil der Gesamtbaukosten ent-scheidet. Daher ist es zu empfehlen, Leis-tungen aus der Vor- und ggf. auch aus der Ent-wurfsplanung bereits in die Grundlagenermitt-lung mit einzubeziehen. Solche Beratungsleis-tungen sollten auch in der Honorarhöhe be-rücksichtigt werden. Die Bestandsaufnahmeetwa kann als »Besondere Leistung« gemäßHOAI abgerechnet werden.
Phase 2: VorplanungNeben weiterführenden Arbeiten aus der Leis-tungsphase 1 sind die wesentlichen neuen Themenfelder das Erarbeiten eines Planungs-konzepts, erste Gespräche mit Fachplanernund Behörden sowie eine Kostenschätzung.Die statische Tragfähigkeit ist in der Bestands-
bewertung ein wi