Adopted resolution of the city of Leverkusen (Germany) on TTIP, CETA and TiSA

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This is the text of the "Bürgerantrag" of the initiative "Stop TTIP Lev" as unanimous adopted on 22 June by the Council of the city of Leverkusen (Germany)

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  • Peter Rhrig 22. Mai 2015

    Dhnnberg 63

    51375 Leverkusen

    [email protected]

    Telefon: 0214-869 16 27

    (siehe auch anliegendes Begleitschreiben an den OB)

    Brgerantrag gem 24 GO NRW in Verbindung

    mit 6 der Hauptsatzung der Stadt Leverkusen

    Kommunale Selbstverwaltung retten

    Seit 2013 verhandelt die EU-Kommission mit den USA ber das Transatlantische Freihandels- und Inves-

    titionsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), nachdem ein entsprechendes

    Abkommen zwischen der EU und Kanada, CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement), be-

    reits zwischen 2009 und 2014 ausgehandelt, aber noch nicht ratifiziert worden ist. Auerdem befindet

    sich die EU zurzeit in Verhandlungen mit den USA und 21 anderen Staaten ber TiSA (Trade in Services

    Agreement), welches das Ziel hat, sogenannte Handelshemmnisse im Dienstleistungssektor zu beseiti-

    gen. Alle diese Verhandlungen wurden und werden ohne die notwendige Transparenz ber Inhalte und

    Verhandlungsmandate gegenber Parlamenten und ffentlichkeit gefhrt. Die weitgehende Geheimhal-

    tung der Verhandlungsdokumente widerspricht demokratischen Prinzipien, erst recht angesichts der um-

    fassenden Bedeutung der Abkommen fr wesentliche Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens.

    Die Stadt Leverkusen knnte in vielen Bereichen betroffen sein, unter anderem mit ihrer Beteiligung an

    der EVL als Querverbundunternehmen fr die Energie- und Wasserversorgung, mit dem Betrieb des

    stdtischen Klinikums und der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft WGL, mit ffentlich subventionier-

    ten Theater- und Konzertangeboten und Kultureinrichtungen der Stadt, mit ihren ffentlichen Zuschssen

    fr Sozialeinrichtungen, mit ihrer Beteiligung am Nahverkehrsverbund, mit ihrer auf die 6.000 ortsansssi-

    gen und regionalen Unternehmen und Einzelhndler ausgerichteten Wirtschaftsfrderung sowie mit ihrem

    umfangreichen ffentlichen Ausschreibungs- und Beschaffungswesen. Auch die stdtische Sparkasse

    Leverkusen wre betroffen, sofern wie geplant die Finanzmarktregulierungen Bestandteil der Freihan-

    delsabkommen werden sollten. Vor diesem Hintergrund stellen wir den folgenden Antrag.

    Der Rat der Stadt Leverkusen mge beschlieen:

    Die geplanten Freihandelslabkommen bergen erhebliche Risiken fr Dienstleistungen der Daseinsvor-

    sorge, die durch die Kommunen und ihre Unternehmen verantwortet und erbracht werden. Beeintrchti-

    gungen dieser fr die Brgerinnen und Brger wichtigen Dienstleistungen mssen ausgeschlossen wer-

    den. Ob Krankenhuser, Sparkassen oder die Vergabe ffentlicher Auftrge bei der Mllentsorgung, ob

    ffentlicher Personennahverkehr (PNV), Trinkwasserversorgung, Gas- und Fernwrmenetz, ob die Be-

    reiche Bildung und Kultur (Museen, Theater und anderweitige Kultureinrichtungen), ob Verkehr und Stra-

    enbau bis hin zu regionalen Lebensmitteln: Es ist zu befrchten, dass CETA, TTIP und TiSA die Hand-

    lungsautonomie von Kommunen wie Leverkusen deutlich einschrnken und weitreichende negative Fol-

    gen fr europische Standards im Sozialbereich und bei Gesundheits-, Verbraucher- und Datenschutz

    haben werden.

    Der Rat der Stadt Leverkusen begrt die von vielen Leverkusener Brgerinnen und Brgern untersttzte

    Brgereingabe zu den Freihandelsabkommen. Darin wird ihre groe Sorge zum Ausdruck gebracht,

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    dass diese Vertrge einen massiven Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung darstellen und abzuleh-

    nen sind, weil sie die Gestaltungsmglichkeiten von Stdten und Gemeinden und ihrer Brger und Brge-

    rinnen nachhaltig einschrnken knnen. Der Rat stimmt mit ihrem Anliegen berein, die Gewhrleistung

    und Sicherung von sozialen, kologischen und demokratischen Standards, kommunaler Organisations-

    freiheit und Daseinsvorsorge gegenber Parlamenten und Regierungen einzufordern.

    Der Rat der Stadt Leverkusen fordert die Landes- und Bundesregierung sowie die Abgeordneten des

    Landtags, des Bundestags und des Europischen Parlaments auf, die Ratifizierung von CETA und jedes

    weiteren Abkommens, das die in diesem Beschluss dargelegten Mastbe nicht erfllt, abzulehnen, so-

    wie Beschlsse herbeizufhren, die geeignet sind, entweder den Stopp der derzeitigen Verhandlungen

    ber TTIP und TiSA zu bewirken oder das jeweilige Verhandlungsmandat so zu ndern, dass der folgen-

    den Begrndung voll Rechnung getragen wird.

    Begrndung:

    1. Die Verhandlungen zu allen drei Abkommen fanden und finden weitgehend als Geheimverhandlungen

    statt unter Ausschluss der ffentlichkeit. Nicht einmal die Abgeordneten des Europischen Parla-

    ments und des Deutschen Bundestages haben uneingeschrnkten Zugang zu den Dokumenten. Ob-

    wohl die Stadt Leverkusen und alle anderen Stdte und Kommunen direkt betroffen sind, werden die

    kommunalen Spitzenverbnde nicht in die Verhandlungen eingebunden, ebenso nicht die Gewerk-

    schaften des ffentlichen Dienstes und nicht einmal der EU-Ausschuss der Regionen, dessen Aufga-be die Interessenvertretung der regionalen und lokalen Gebietskrperschaften auf EU-Ebene ist. Dies

    widerspricht demokratischen Standards und Erfordernissen und hebelt die kommunale Selbstverwal-

    tungsgarantie (Subsidiaritt) aus, die im Grundgesetz festgeschrieben ist, wo es in Artikel 28 (2) heit:

    Den Gemeinden muss das Recht gewhrleistet sein, alle Angelegenheiten der rtlichen Gemein-

    schaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.

    2. Die Abkommen enthalten Standstill- und Ratchet-Klauseln. Die Standstill-Klausel legt fest, dass nach

    Einigung auf einen Status der Liberalisierung (was Privatisierung und damit Kommerzialisierung be-

    deutet) dieser Status nicht wieder aufgehoben werden kann. Die Ratchet-Klausel (Sperrklinken-Klau-

    sel) regelt, dass zuknftige Liberalisierungen eines Bereichs nicht wieder rckgngig gemacht wer-

    den knnen. Solche Klauseln sind strikt abzulehnen. Es muss sichergestellt werden, dass Rekommu-

    nalisierungen jederzeit und uneingeschrnkt mglich bleiben. Der ffentliche Dienstleistungssektor

    und die demokratisch legitimierte kommunale Selbstverwaltung drfen keinesfalls zugunsten partieller

    wirtschaftlicher Interessen und damit zu Lasten der Daseinsvorsorge beeintrchtigt werden.

    3. Die Freihandelsabkommen legen fest, welche Dienstleistungen von Kommunen erbracht werden

    drfen und welche dem Wettbewerb unterliegen mssen. Dies kann nahezu alle bisher ffentlichen

    Dienstleistungen umfassen und die Bevorzugung regional ttiger Anbieter bei ffentlichen Auftrgen

    ausschlieen, da von einem bestimmten Schwellenwert an Auftrge nicht nur EU-weit, sondern auch

    im Land des Vertragspartners ausgeschrieben werden mssen. Der politische Gestaltungswille darf in

    Hinsicht auf das ffentliche Beschaffungswesen nicht strker eingeschrnkt werden, als es nationale

    Regelungen und das europische Vergabe- und Konzessionsrecht bereits heute vorsehen.

    4. Die TTIP-Investitionsschutzregelungen werden voraussichtlich dazu fhren, dass die Entscheidungs-

    freiheit der Kommunen eingeschrnkt wird, weil sie Schadensersatzansprche von Investoren befr-

    chten mssen. Bei TTIP und CETA sollen internationale Konzerne ein Sonderklagerecht vor privaten

    Schiedsgerichten gegen beschlossene Gesetze und kommunale Beschlsse erhalten. Gegen die

    Schiedssprche gibt es keine Widerspruchsmglichkeit, das heit: keine Berufungsinstanz. Dies he-

    belt rechtsstaatliche Verfahren in Europa aus. Spezielle Investorenschutzregelungen und private

    Schiedsgerichte mssen grundstzlich ausgeschlossen werden. Stattdessen soll auch fr Investoren

    aus Drittstaaten ausschlielich der in der Verfassung gesicherte Rechtsschutz nationaler und EU-Ge-

    richte gelten.

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    5. Insbesondere CETA greift mit Regelungen in die kommunale Daseinsvorsorge ein unter anderem

    mit einer Negativliste, die alle Bereiche auflistet, die von Marktzugangsbeschrnkungen ausgenom-

    men werden. Dies wre von erheblichem Nachteil fr die Kommunen, da in Zukunft mgliche neue

    Formen der Daseinsvorsorge verhindert werden. In allen Freihandelsabkommen muss die kommu-

    nale Organisationsfreiheit vor den Marktzugangsverpflichtungen gesichert und garantiert werden.

    6. Der Abbau von Handelshemmnissen darf nicht zu Lasten europischer Standards im Sozialbereich

    und beim Umwelt-, Gesundheits-, Verbraucher- und Datenschutz gehen. Dies betrifft nahezu alle Le-

    bensbereiche vom Erhalt regionaler Kennzeichnungen von Lebensmitteln ber Einsatz von Gentech-

    nik bis hin zu Arbeitsrecht und -schutz. Das in Europa mhsam erkmpfte EU-Vorsorgeprinzip bei

    Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsschutz muss uneingeschrnkt erhalten bleiben.

    (Peter Rhrig)