07 16.11.2010 Von der verlorenen Ethik in der ... · Rechtsanwalt Prof. Dr. Othmar Strasser ......
-
Upload
doannguyet -
Category
Documents
-
view
228 -
download
0
Transcript of 07 16.11.2010 Von der verlorenen Ethik in der ... · Rechtsanwalt Prof. Dr. Othmar Strasser ......
"Therefore, I promise:
I will act with utmost integrity
and pursue my work in an ethical
manner. My personal behavior
will be an example of integrity,
consistent with the values I
publicly espouse."
Von der verlorenen Ethik in der Finanzwirtschaft
Referent:
Rechtsanwalt Prof. Dr. Othmar StrasserTitularprofessor für Privat- und Wirtschaftsrecht
an der Universität St. Gallen
General Counsel Zürcher Kantonalbank
Meeting Lions Club Zürich-Rietbergvom 16. November 2010
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
2
• Ausnützen eines Informationsvorsprungs betreffend Kauforder eines Kunden durch vorgängiges Eindecken mit entsprechen-den Titeln im eigenen Depot in Erwartung steigender Börsen-kurse ?
Was ist ethisch ? - Was ist unethisch ?
• Kauf eines derivaten Anlageproduktes für CHF 50'000 mit Kapitalschutz Niveau 100 %, Laufzeit 5 Jahre, kein Coupon, Partizipation an Basiswert, Bondfloor bei Emission 46'000, Bondfloor bei Verfall 50'000 (wird auf der Kaufabrechnung ausgewiesen); Produkt besteht aus Zero-Bond und Options-komponente; bei Verfall unterliegt der Bondteil (Zinsertrag aus Zero-Bond) der Einkommensbesteuerung (Differenz CHF 50'000 abzügl. CHF 46'000 = CHF 4'000); wegen des schlechten Börsengangs verfällt die Optionskomponente wertlos. Kundin muss auf CHF 4'000 Steuern zahlen, worauf sie beim Kauf sorgfältig und hinreichend aufmerksam gemacht worden ist.
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
3
• Handelsgeschäft zwischen einer Schweizer Bank und einem Vertragspartner im UK mit dem einzigen Zweck, auf Dividen-den von Schweizer Aktien in der Schweiz die volle Verrech-nungssteuer von 35 % zurückzuerhalten, obwohl gemäss DBA zwischen Schweiz (CH) und UK der Vertragspartner einen Sockelbetrag von 15 % nicht zurückerstattet erhalten würde (sog. Dividend Stripping).
Was ist ethisch ? - Was ist unethisch ?
• Mehrfach-Verbriefungen von Hypothekarforderungen (Collateralized Debt Obligations [CDOs]).
• Emission von CDOs mit entsprechender Absicherung durch separate Verträge, weil man mit massiven Verlusten auf solchen CDOs rechnet (Wette auf Verlust).
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
4
• Verkauf eines Anlageproduktes an einen Kunden mit voll-ständiger und damit gesetzesgenügender Aufklärung über den möglichen Totalverlust des Produktes, obwohl dieser damit praktisch sein ganzes Vermögen aufs Spiel setzt.
Was ist ethisch ? - Was ist unethisch ?
• Kreditgewährung an einen Kunden ohne Prüfung des Risikos, dass der Kunde möglicherweise in eine Überschul-dungssituation geraten könnte.
• Gewährung eines Kredites zum Kauf von Wertschriften auf Pump mit der Möglichkeit, dass der Kunde und Kreditnehmer bei schlechtem Gang der Börse am Schluss ein x-faches seines ursprünglichen Vermögens an Schulden hat.
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
5
• Leerverkäufe von Aktien, weil der Verkäufer bei sinkendem Börsenkurs dadurch Gewinne erzielen kann.
Was ist ethisch ? - Was ist unethisch ?
• Abschluss von Verträgen bzw. Verkauf von Produkten in einem nicht regulierten Bereich ("regulatory arbitrage").
• Exorbitant hohe Gehälter für Finanzmanager, obwohl der Gesetzgeber keine Obergrenze fixiert.
• Kann gesetzliches Handeln unethisch sein ?
• Oder gibt es gesetzliches Unrecht ?
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
6
• Gewährung eines Kredites an einen Hersteller von Jeans, der Kinder für sich arbeiten lässt.
Was ist ethisch ? - Was ist unethisch ?
• Investment eines Fonds in ein Unternehmen, das zur Gewin-nung von Erdöl aus Sand riesige Wälder abholzt.
• Sind sogenannte "Baby-Klappen" rechtswidrig und gleich-wohl ethisch geboten ?
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
7
Wenn von "Recht" gesprochen wird, so sind damit verschiedene Vorstellungen verbunden:
Was ist Recht ? - Was ist Ethik ?
• Recht im Sinne von "das ist recht", also im Sinne von ge-recht
• Recht im Sinne einer einzelnen Vorschrift
• Recht im Sinne des einzelnen Rechts, z.B. Stimmrecht, Eigentumsrecht, Recht auf Lohn für Arbeitsleistung usw.
• Recht im Sinne der Gesamtheit der geltenden Vorschriften, der Rechtsordnung
• Recht im Sinne des postulierten Rechts als Gegensatz zum geltenden Recht (z.B. Naturrecht)
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
8
Was ist Recht ? - Was ist Ethik ?
• Recht (im Sinne von Rechtsordnung) ist mit rechtsstaatlicher Macht erzwingbare Norm (Vollstreckung durch das Gericht und den Betreibungsbeamten)
���� Begriff der Rechtsordnung im Gegensatz zu
• Moral (im Sinne von Moralordnung oder Sitte)
= Gesamtheit der gewohnten, faktisch geltenden moralischen Wert-vorstellungen und Urteilsweisen, Grundsätze und Normen, die in einer kulturellen Lebenspraxis das sittlich richtige Handeln in allge-meiner, für jedermann verbindlichen Weise bestimmen. Im Unter-schied zur Rechtsnorm ist Moral rechtsstaatlich nicht erzwingbar. Der Verbindlichkeitsanspruch einer moralischen Norm hängt von der überwiegenden Akzeptanz in einer Gemeinschaft oder Gesellschaft ab (vgl. Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, 2. A., Bern/Stutt-gart/Wien, 30 f.)
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
9
Was ist Recht ? - Was ist Ethik ?
• Ethos (Synonym für Sittlichkeit)= das subjektive Moralbewusstsein, indem Personen ihr perso-
nales Selbstverständnis definieren und ihre Lebensführung bzw. die dieser zugrunde liegenden moralischen Grundsätze faktisch begründen - unabhängig davon, ob es sich um ethisch gute Gründe oder um ideologische Selbsttäuschungen handelt (Gesinnung = personaler Identitäts- und Legitimationsanspruch).
���� Das Moralbewusstsein befasst sich mehr mit der inneren Einstellung eines Menschen, es ist nicht direkt Moralord-nung bzw. Sitte.
���� Das Pendant zu Moralbewusstsein ist das Rechtsbewusst-sein (ebenfalls innere Einstellung eines Menschen in Bezug auf das, was Recht sein soll).
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
10
Was ist Recht ? - Was ist Ethik ?
• Ethos (mit kurzem "E") bedeutet griechisch "Wohnsitz", vertrauter Ort unseres Lebens, an dem wir unsere Ge-wohn-heiten und Sitten (wortverwandt mit "Sitz"!) fest-machen und unseren inneren Halt finden.
• Dies bedeutet: Moral als Moralordnung und Moralbe-wusstsein als innere Einstellung sind zeit-, orts- undkulturabhängig.
• Verschiedene Kulturen (Westeuropa, China, Südamerika) haben unterschiedliche Religionen und somit auch unterschiedliche ethische Vorstellungen.
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
11
Was ist Recht ? - Was ist Ethik ?
• Recht ist nach wie vor national, trotz Völkerrecht (Staats-vertrag zwischen zwei oder mehreren Staaten) oder supranationalen Rechtsvereinheitlichungen (z.B. EU)
���� Noch gibt es keine Weltrechtsordnung.
• Gibt es oder kann es überhaupt einen Welt-Ethos und einen sogenannten "Global Standard" geben ?
���� Vision
���� Hoffnung
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
12
Was ist Recht ? - Was ist Ethik ?
• Versuch einer Antwort durch Peter Ulrich:
Ethik als moderne Vernunftsethik
= philosophische Reflexion, die mit Mitteln der praktischen Vernunft ein allgemeingültiges humanistisches Moralprinzipzu begründen versucht, in dessen Licht die normative Gültigkeit moralischer Ansprüche kritisch geprüft werden kann, und die darüber hinaus universale Bedingungen und Formen des guten Lebens, des gerechten Zusammenlebens und des verantwortlichen Handelns untersucht - möglichst unabhängig von Moral und Ethos-Traditionen, wohl aber in kritischer Auseinandersetzung mit ihnen (universalistischer Vernunftsstandpunkt der Moral)
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
13
Was ist Recht ? - Was ist Ethik ?
Von der Problematik von sogenannten Global Ethic Standards
• Korruption
���� Zero-Toleranz in den USA
���� Sozialübliches Verhalten, z.B. in Fernost
• Geldwäscherei in Panama und in Zentral-Westeuropa
• Gleichstellung der Geschlechter und political correctness USA und Zentralasien
• Diversity und Rassendiskriminierung
• etc.
Fragestellungen für einen internationalen Konzern
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
14
Was ist Recht ? - Was ist Ethik ?
• Ist kodifizierte (in einem Gesetz verfasste) Ethik überhaupt Ethik ?
• Muss Recht immer ethisch sein (Rechtsfahrgebot im Strassenverkehr) ?
• Ist die Einhaltung von Recht und Gesetz (besonders) ethisch ? Oder beginnt die Ethik nicht erst dort, wo das Recht aufhört ?
• Ist Markt - und damit auch Finanzmarkt - und Ethik unverträglich ?
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
15
Schnittstelle von Recht und Ethik
Freiwillige Selbstbindung des Unter-nehmens an Normen, die nach der jeweils anwendbaren Rechtsordnung für das Unternehmen keine Geltung haben oder nicht existieren
•Freiwillige Selbstbindung an internatio-nale Standards (z.B. Wolfsberg Principles)
•Freiwillige Selbstbindung an ausländisches Recht (� z.B. im Konzern)
•Selbstbindung an Fairness-Regeln irgendwelcher Art
Unternehmen
Tochter-gesellschaft
Mitarbeiter Mitarbeiter
Überbindung durch vertragliche Verein-
barung und/oder Statuten
Unternehmen
Freiwillige gegen-seitige Verpflichtung
(z.B. VSB der Banken)
Durch vertragliche Vereinbarung und/oder Statuten (Rechtsinstrumente) werden Normen der Ethik zum Inhalt des Rechts und dadurch durch das Recht erzwingbar !
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
16
Schnittstelle von Recht und Ethik
Einige Thesen
• Solange sich jeder aufgrund seiner inneren Einstellung "korrekt verhält", bedarf es keiner Rechtsnorm.
• Ebenso bedarf es keiner Rechtsnorm, wo die Sanktionen der Moralordnung greifen ("publicly reprimand; naming and shaming").
• Ethisches Verhalten als prinzipien-orientiertes (Markt-)Ver-halten braucht es auch innerhalb einer Rechtsordnung.
���� Keine Umgehungsgeschäfte
���� "Bärenfell-Regel"
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
17
Schnittstelle von Recht und Ethik
Einige Thesen
• Individualethik
Werte wie Humanität, Solidarität, Wahrhaftigkeit, Trans-parenz, Anerkennung der persönlichen Entscheidungs-freiheit der Marktteilnehmer, Ehrlichkeit und Fairness orientieren sich am persönlichen Verhalten in allen Be-reichen, auch im Finanzmarktrecht (prinzipien-orientiert).
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
18
Schnittstelle von Recht und Ethik
Einige Thesen
• Systemethik
���� Nachhaltige Entwicklung
���� Keine Gefährdung des Systems der weltweiten Wirtschaftsordnung
���� Grösse und Dimension von im Einzelfalle sinnvollen Transaktionen wie Leerverkäufen, Mehrfach-Verbrie-fungen etc. können unter dem Titel 'Systemethik' problematisch werden
���� Massenweises Umgehen von Rechtsvorschriften
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
19
Schnittstelle von Recht und Ethik
Einige Thesen
• Systemethik
���� Umgehungsgeschäfte zur Fälschung von Bilanzen (105 Repo-Geschäfte von Lehman Brothers)
���� Weltweit fehlerhafte Anreizsysteme durch exorbitante Gehälter
���� Systemethisches Verhalten aller Marktteilnehmer gefordert
���� Auseinanderfallen von Pflichtverletzung, Verantwortung und Haftung stellt das System in Frage
���� Versagt hier das rechtliche Instrumentarium ?
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
20
Folgen unethischen Verhaltens
• Vertrauensverlust für Unternehmen und den Finanzmarkt
���� Abstimmung mit den Füssen (Verlust von Kunden)
���� Moderner Galgen in den Redaktionsräumen
���� Statt Strick, Tinte und Fernsehkamera
• Gesellschaftliche Sanktionen
���� Soziale Ächtung ist schlimmer als Busse und Gefängnis
���� publicly reprimand/naming and shaming
���� Systemkrisen
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
21
Mögliche Antworten auf die negativen Folgen
• Regulierung ? � Basel III
• Abzockerinitiative
• Compliance-Programme in Unternehmen
• "Principles for Responsible Management Education"
� MBA-Eid nach Art des hippokratischen Eids für Ärzte:
"I will act with utmost integrity and pursue my work in an ethical manner."
© Prof. Dr. Othmar Strasser 16. November 2010
22
Mögliche Antworten auf die negativen Folgen
Strategie
Politik
Ver-sprechen
Produkt-Orientierung
Kunden-Orientierung
Marken-Orientierung
SozialeOrientierung
EthischeOrientierung
"Unser Produkt ist gut"
"Wir schaffen Abhilfe"
"Wir sind wie Du"
"Du gehörst zu uns"
"Wir tun das Richtige"
Das Versprechen der Finanzwirtschaft wandelt sich
1980er Jahre 1990er Jahre Ende 1990er 2000-2005
Quelle: Wolfgang Jenewein, Unterlagen Führungs-Workshop ZKB vom 25./26.10.2010
Null-Fehler-Strategie Neuproduktentwicklung
Top Content
Quality ManagementAkkreditierungen
Customer RelationManagement
MarkenpersönlichkeitMarkenidentität
Community Management
MeinungsführungSoziale Identität
Responsible Leadership
Unternehmensethik
KundenwertKundenbindung
Kundensegmente
EmotionalisierungDifferenzierung
Präsenz
PeergroupsFanclubs
NachhaltigkeitAllgemeinwohl
Werteorientierung
ab ca. 2005