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Schweizer Präzision Stäubli wird 125 und will am Standort Bayreuth weiter expandieren Von Roland Töpfer W enn ein Schwei- zer Familienun- ternehmen und Made in Germa- ny eine Verbindung eingehen, ist dies nicht die schlechteste Vo- raussetzung für wirtschaftlichen Erfolg. Die im Kanton Zürich sit- zende Stäubli International AG mit 4500 Mitarbeitern und rund einer Milliarde Euro Umsatz hat am Standort Bayreuth knapp 500 Mitarbeiter, die, geführt von drei Geschäftsführern, drei Bereiche abdecken: Kupplungssysteme (Connectors), Industrieroboter (Robotics) und Textilmaschinen (Textile). Man könnte sagen: Drei Firmen unter einem Dach. Gut laufen die Geschäfte mit Kupplungen und Robotern, et- was verhaltener die mit Teppich- webmaschinen. Das liegt daran, sagt Geschäftsführer Stefan Süp- pel, der auch Standortsprecher ist, dass viele klassische Abnehmer- länder wie Syrien, der Iran oder die Türkei politische Spannungs- gebiete geworden sind. Saudi- Arabien, auch ein wichtiger Kun- de, leide unter dem niedrigen Öl- preis. „Das wirkt sich auf die Ge- schäfte aus.“ 95 Prozent der Ma- schinen, zu denen auch Jac- quard- und Schaftmaschinen zählen, gehen ins Ausland, sagt Süppel. Bis 2020 möchte er mit Stäubli Textile, jetzt noch welt- weit Nummer zwei, Marktführer werden. Die Teppichwebmaschi- nen kosten zwischen 600 000 und 1,9 Millionen Euro das Stück. Insgesamt läuft es am Standort Bayreuth, der einen dreistelligen Millionenumsatz zur Konzernbi- lanz beisteuert, gut. Die Roboter, produziert in Frankreich, werden in Bayreuth vertrieben. Von hier aus wird auch gemeinsam mit dem Kunden das genaue Anforde- rungsprofil definiert, eine aus- führliche Beratung angeboten. Die Nachfrage nach Robotern nimmt global stark zu, sagt Ge- schäftsführer Gerald Vogt, der seit Mitte letzten Jahres der konzern- weite Roboter-Chef ist. Zwölf, 13 Prozent Wachstum jedes Jahr ge- be es derzeit. Roboter könnten nun auch Hand in Hand mit Men- schen arbeiten, werden den Men- schen „aber nicht so schnell ver- drängen“. Immer wieder habe sich gezeigt, dass dort, wo die In- dustrie verstärkt auf Roboter setzt, durch steigende Wettbe- werbsfähigkeit auch viele neue Arbeitsplätze entstanden seien. Fast 50 Prozent des Bayreuther Stäubli-Umsatzes generiert Ge- schäftsführer Norbert Ermer mit Kupplungen, Spannsystemen und elektrischen Steckverbindern. „Connectors läuft sehr gut“, sagt er. Man verbuche sehr starke Auf- tragseingänge. Viele Kupplungs- systeme gehen an Autozuliefe- rer. 15 Millionen Fahrzeuge wer- den laut Ermer weltweit jedes Jahr mit Stäubli-Wechselsystemen produziert. Auch Kunststoff- und Keramikindustrie sind wichtige Kunden. Immer kommt es darauf an, die Rüstzeiten zu verkürzen, die Laufzeiten der Maschinen zu erhöhen. Stäubli hat sein Personal in Bay- reuth in den letzten Jahren im- mer wieder aufgestockt. Die Mar- ke von 500 Beschäftigten wird bald überschritten. Das Schwei- zer Familienunternehmen will in Bayreuth weiter expandieren und hat sich ein Grundstück gesi- chert. „Die Automatisierung ist unser Markt“, sagt Süppel. Mit einer Mischung aus Tradi- tion und Innovation will Stäubli diesen Markt bearbeiten. „In den Firmengenen sind wir Schwei- zer“, sagt Vogt. „Wir sind nicht die Günstigsten, also müssen wir durch Produkte, Service und Sup- port überzeugen.“ Größere Probleme bei der Suche nach Fachkräften hat Stäubli bis- lang nicht. Ermer: „Wir kriegen die Leute, die wir brauchen.“ Das Unternehmen habe einen guten Namen als Arbeitgeber. Auch Rückkehrer, die nach dem Stu- dium auswärts wieder in Ober- franken leben und arbeiten wol- len, kämen zu Stäubli. 2017 ist für das Unternehmen ein besonderes Jahr. Die Schweizer mit Bayreuther Standbein feiern ihren 125. Geburtstag. In Deutschland starteten sie 1969 mit der Übernahme des Bayreu- ther Schaftmaschinenherstellers Erich Trumpelt. Vor 125 Jahren begann Herr Stäubli mit der Re- paratur von Schaftmaschinen, stellte später selber solche Ma- schinen für Gewebe und Stoffe her. Vor über 60 Jahren stellte sich das Unternehmen breiter auf, verkaufte Kupplungssysteme. Dann, 1986, begann der Handel mit Robotern. Sieben Jahre spä- ter entwickelte das Unterneh- men selbst einen Roboter, den ersten mit gekapseltem Aufbau und einem eigenen, sehr kom- pakten Getriebe mit einem Loch in der Mitte. Der Roboter war schneller und präziser als her- kömmliche Produkte, wurde auch in Reinräumen oder in der Le- bensmittelbranche eingesetzt. Mechanische Präzision kannten die Schweizer ja schon von ihren Webmaschinen. Stäubli feiert 125. Geburtstag. In Bayreuth wird ausgebaut, sagen die Geschäftsfüh- rer Stefan Süppel, Gerald Vogt und Norbert Ermer (von links). Foto: Roland Töpfer Läuft bei Stäubli: Das Geschäft geht wie ein Schweizer Uhrwerk. In Bay- reuth in drei Ge- schäftsbereichen – auch mit Robotern. Foto: Stäubli Die WIRTSCHAFT Für Bayreuth und die Region Nordbayerischer KURIER

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Schweizer PräzisionStäubli wird 125 und will am Standort Bayreuth weiter expandieren

Von Roland Töpfer

W enn ein Schwei-zer Familienun-ternehmen undMade in Germa-

ny eine Verbindung eingehen, istdies nicht die schlechteste Vo-raussetzung für wirtschaftlichenErfolg. Die im Kanton Zürich sit-zende Stäubli International AGmit 4500 Mitarbeitern und rundeiner Milliarde Euro Umsatz hatam Standort Bayreuth knapp 500Mitarbeiter, die, geführt von dreiGeschäftsführern, drei Bereicheabdecken: Kupplungssysteme(Connectors), Industrieroboter(Robotics) und Textilmaschinen(Textile).Man könnte sagen: DreiFirmen unter einem Dach.Gut laufen die Geschäfte mitKupplungen und Robotern, et-was verhaltener die mit Teppich-webmaschinen. Das liegt daran,sagt Geschäftsführer Stefan Süp-pel,derauchStandortsprecher ist,dass viele klassische Abnehmer-länder wie Syrien, der Iran oderdie Türkei politische Spannungs-gebiete geworden sind. Saudi-Arabien, auch ein wichtiger Kun-de, leide unter dem niedrigen Öl-preis. „Das wirkt sich auf die Ge-schäfte aus.“ 95 Prozent der Ma-schinen, zu denen auch Jac-

quard- und Schaftmaschinenzählen, gehen ins Ausland, sagtSüppel. Bis 2020 möchte er mitStäubli Textile, jetzt noch welt-weit Nummer zwei, Marktführerwerden. Die Teppichwebmaschi-nen kosten zwischen 600 000 und1,9 Millionen Euro das Stück.Insgesamt läuft es am StandortBayreuth, der einen dreistelligenMillionenumsatz zur Konzernbi-lanz beisteuert, gut. Die Roboter,produziert in Frankreich, werdenin Bayreuth vertrieben. Von hierauswirdauchgemeinsammitdemKunden das genaue Anforde-rungsprofil definiert, eine aus-führliche Beratung angeboten.Die Nachfrage nach Robotern

nimmt global stark zu, sagt Ge-schäftsführerGeraldVogt, der seitMitte letzten Jahres der konzern-weite Roboter-Chef ist. Zwölf, 13Prozent Wachstum jedes Jahr ge-be es derzeit. Roboter könntennun auch Hand in Hand mit Men-schen arbeiten, werden den Men-schen „aber nicht so schnell ver-drängen“. Immerwiederhabesichgezeigt, dass dort, wo die In-dustrie verstärkt auf Robotersetzt, durch steigende Wettbe-werbsfähigkeit auch viele neueArbeitsplätze entstanden seien.Fast 50 Prozent des BayreutherStäubli-Umsatzes generiert Ge-schäftsführer Norbert Ermer mitKupplungen, Spannsystemen und

elektrischen Steckverbindern.„Connectors läuft sehr gut“, sagter. Man verbuche sehr starke Auf-tragseingänge. Viele Kupplungs-systeme gehen an Autozuliefe-rer. 15 Millionen Fahrzeuge wer-denlautErmerweltweit jedesJahrmit Stäubli-Wechselsystemenproduziert. Auch Kunststoff- undKeramikindustrie sind wichtigeKunden. Immer kommt es daraufan, die Rüstzeiten zu verkürzen,die Laufzeiten der Maschinen zuerhöhen.Stäubli hat sein Personal in Bay-reuth in den letzten Jahren im-mer wieder aufgestockt. Die Mar-ke von 500 Beschäftigten wirdbald überschritten. Das Schwei-zer Familienunternehmen will inBayreuth weiter expandieren undhat sich ein Grundstück gesi-chert. „Die Automatisierung istunser Markt“, sagt Süppel.Mit einer Mischung aus Tradi-tion und Innovation will Stäublidiesen Markt bearbeiten. „In denFirmengenen sind wir Schwei-zer“, sagt Vogt. „Wir sind nicht dieGünstigsten, also müssen wirdurch Produkte, Service und Sup-port überzeugen.“Größere Probleme bei der Suchenach Fachkräften hat Stäubli bis-lang nicht. Ermer: „Wir kriegendie Leute, die wir brauchen.“ Das

Unternehmen habe einen gutenNamen als Arbeitgeber. AuchRückkehrer, die nach dem Stu-dium auswärts wieder in Ober-franken leben und arbeiten wol-len, kämen zu Stäubli.2017 ist für das Unternehmen einbesonderes Jahr. Die Schweizermit Bayreuther Standbein feiernihren 125. Geburtstag. InDeutschland starteten sie 1969mit der Übernahme des Bayreu-ther SchaftmaschinenherstellersErich Trumpelt. Vor 125 Jahrenbegann Herr Stäubli mit der Re-paratur von Schaftmaschinen,stellte später selber solche Ma-schinen für Gewebe und Stoffeher.Vorüber60Jahrenstellte sichdas Unternehmen breiter auf,verkaufte Kupplungssysteme.Dann, 1986, begann der Handelmit Robotern. Sieben Jahre spä-ter entwickelte das Unterneh-men selbst einen Roboter, denersten mit gekapseltem Aufbauund einem eigenen, sehr kom-pakten Getriebe mit einem Lochin der Mitte. Der Roboter warschneller und präziser als her-kömmliche Produkte,wurde auchin Reinräumen oder in der Le-bensmittelbranche eingesetzt.Mechanische Präzision kanntendie Schweizer ja schon von ihrenWebmaschinen.

Stäubli feiert 125. Geburtstag. In Bayreuth wird ausgebaut, sagen die Geschäftsfüh-rer Stefan Süppel, Gerald Vogt und Norbert Ermer (von links). Foto: Roland Töpfer

Läuft bei Stäubli:Das Geschäft gehtwie ein SchweizerUhrwerk. In Bay-reuth in drei Ge-schäftsbereichen –auchmit Robotern.Foto: Stäubli

DieWIRTSCHAFTFür Bayreuth und die Region

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2 DIE WIRTSCHAFT Freitag, 2. Juni 2017Nordbayerischer Kurier |

IMPRESSUM

Sonderveröffentlichung: Die Wirtschaft

Nordbayerischer Kurier Zeitungsverlag GmbH (HRB 34),Theodor-Schmidt-Straße 17, 95448 Bayreuth

V.i.S.d.P.: Christina Knorz

Redaktion und Gestaltung: Eric Waha

Verantwortlich für Anzeigen: Alexander Süß

Alle bisherigen Ausgaben im Internet unterwww.nordbayerischer-kurier.de/die-wirtschaft

Stäubli: 125 Jahre und kein bisschen müde – die Schweizerinvestieren in den Standort Bayreuth Seite 1

Siebenquell: Nichts ist heute wichtiger als Entschleunigung –das geht in Weißenstadt auf besondere Weise Seite 3

Interview mit Ulrich Kater: Was der große Finanzexperte überdie Zukunft und die Inflation sagt Seiten 4 und 5

Die Großen im Kleinen: Die Genossenschaft VEMA expandiertim beschaulichen Unterkonnersreuth Seite 6

Stromnetzbetreiber Tennet: Sie stemmen drei Großprojektefür die Energiewende Seite 7

ZF: Neue Formen der Mobilität verlangen nach neuenLösungen, die in Auerbach entwickelt werden Seite 8

Becher Mode: Warum Lifestyle im Einzelhandel wichtig undReden gut gegen das Internet ist Seite 9

Von Orgeln und Kränen: So profitiert Oberfranken von derVirtuellen Hochschule Bayern Seite 10

Bald 100 und kein bisschen alt: Die Metzgergenossenschaftstellt sich breit auf gegen den Trend Seite 11

Seite 6 Seite 11

Inhaltsverzeichnis

Seite 3

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3DIE WIRTSCHAFTFreitag, 2. Juni 2017 | Nordbayerischer Kurier

Seelenmassage am SeeSiebenquell in Weißenstadt: Entschleunigung als Geschäftsmodell

VonRolandTöpfer

S ie bohrten mitten inGranit, es gab vieleZweifler, doch die Mu-tigen hatten Erfolg: Flu-

oridhaltiges Schwefel-Thermal-wasser in 1835 Metern Tiefe, dasmit 33 Grad an die Oberflächeströmt. Der Bohrung folgte die In-vestition: 65 Millionen Euro fürdas „GesundZeitResort Sieben-quell“, ein auf 100 000 Quadrat-metern errichtetes Thermalbadmit angegliedertem Hotel, das inetwas respektvollerem Abstandzum See thront als das vor zehnJahren eröffnete Kurzentrum, dasdirekt amWasser steht.

Siebenquell? Sieben Quellen?Nein. Aber sieben Heilwässerkommen zur Anwendung. Kur-zentrum und Siebenquell habenje eine Quelle, den restlichen„Quellen“ werden vor Ort ver-schiedeneMineralien zugeführt.Siebenquell und Kurzentrum sol-len sich sinnvoll ergänzen, sagtder geschäftsführende Gesell-schafter Stephan Gesell. Im Kur-zentrumgehe es vorrangig umdieBehandlung des Bewegungsap-parates. Siebenquell wolle für„Entschleunigung und Entstres-sung“ stehen, den Akzent auf Er-nährung und Bewegung legen,habe eine jüngere Zielgruppe. Ein

Geschäftsmodell, das Zukunft ha-ben dürfte, denn Erschöpfungs-zustände wegen digitaler Reiz-überflutungnehmen rasch zu.Gesell ist mittlerweile Geschäfts-führer und Gesellschafter einerkleinen Hotelgruppe: die beidenHäuser in Weißenstadt und ein

drittes in Waren an der Müritz inMecklenburg-Vorpommern. DasneueHaus inWeißenstadtwarmitAbstand das teuerste. Für die 65-Millionen-Investition sammelteGesell 14,5 Millionen Euro Eigen-kapital ein, über 50 Prozent da-von bei Weißenstädter Bürgern

und Geschäftsleuten, fast 100Prozent aus der Region. Das Kur-zentrum hatte 18 Millionen nettogekostet, in Waren, vor fünf Jah-ren eröffnet, waren es 25 Millio-nen. Fast 15 Millionen Euro Zu-schüsse (GA-Mittel) des Frei-staats bekam Gesell für das neueHaus und die Schaffung neuer Ar-beitsplätze. Der Landkreis Wun-siedel istHöchstfördergebiet.Gesell, gelernter Bankkaufmannund Sparkassenbetriebswirt, istgebürtiger Weißenstädter, warmal Zweiter Bürgermeister, istnoch Fraktionschef der CSU imStadtrat. Er erinnert sich gut andie Zeit kurz nach der Jahrtau-sendwende, als die Region starkunter dem Strukturwandel litt(Porzellanindustrie, Textil) undsich Untergangsstimmung breit-machte. Eswurde viel gejammert.Lamentiert, dass es kein Morgengebe. Das kann nicht sein, dachtesich Gesell, zog auf eigene Faustlos, studierte Tourismuskonzepteund war sich sicher, dass der Na-turschatz Fichtelgebirge vieleChancen eröffne. Über 50 Gesell-schafter gewann er schließlich fürdas Kurzentrum, davon 80 Pro-zent Bürger ausWeißenstadt.Jetzt Siebenquell mit 130 Gesell-schaftern. Gesell geht nach denüblichen Anfangsverlusten für2018 von einem Jahr mit Gewinnaus. Die Gästezahlen seien bereitssehr gut, die Aufenthaltsdauermüsse aber noch gesteigert wer-den, sagt er. 200 000 Tagesgästeund 58 000 Übernachtungen soll

das Siebenquell-Hotel dieses Jahrerreichen, das wäre eine Hotel-auslastung von rund 70 Prozent.Für 2018 sind 62 000 Übernach-tungen geplant. Der Umsatz sollvon10,5Millionendieses Jahr auf12,5 Millionen Euro im nächstenJahr steigen.Das Siebenquell liegt idyllisch amSee. „Ruhe, Stille, Sinnsuche,Spiritualität – das wird ein Rie-senmarkt“, ist Stephan Gesellüberzeugt. Auch eine kleine Ka-pelle hat Gesell in den neuen Bauintegriert. Nicht irgendwo amRand, sondern mitten zwischenTagesgast- und Hotelbereich, da-mit beide Gästegruppen Zuganghaben. Durch ein gläsernes Kreuzmit einem Ausschnitt der vomHubble-Teleskop fotografiertenCigar Galaxy (Zigarrengalaxie),13 Millionen Lichtjahre von unsentfernt, fällt Licht in die Kapelle.Sinn-Zeiten mit einem evangeli-schen Pfarrer werden den Gästenangeboten. Die christlich-abend-ländische Basis ist Gesell wichtig.Es gibt kein esoterisches AngebotimHaus.ImMoment hat der Geschäftsfüh-rer mit dem Siebenquell seinenAngaben zufolge rund umdie Uhrzu tun. Wenn wieder mal etwasLuft ist, könnte er vielleicht sogarnoch einmal an Neues denken.Nein, erwolle nicht für alle Zeitenausschließen, in Weißenstadtnoch einmal tätig zu werden, sagtder 44-Jährige, der sich selbst ei-nen „extremen Lokalpatrioten“nennt.

Nennt sich „extremer Lokalpatriot“: Stephan Gesell ist der geschäftsführende Gesell-schafter der Therme Siebenquell und des Kurzentrums. Foto: Roland Töpfer

Das Aktivbecken mit Blick in Richtung des Strömungskanals im neuen Siebenquell inWeißenstadt. Foto: Siebenquell

Sieben Heilwässerim Einsatz

Das Verwöhnbecken im neuen Siebenquell in Weißenstadt: Der Geschäftsführer Stephan Gesell ist überzeugt, dass die Menschen zunehmend Entschleunigung brauchen, wenn sie etwas gegen die Reizüberflutung derdigitalisierten Welt tun möchten. Entschleunigung, die im warmen Wasser gelingen soll. Foto: Siebenquell

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4 DIE WIRTSCHAFT Freitag, 2. Juni 2017Nordbayerischer Kurier |

„Die Inflation frisst Kaufkraft weg“Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater über Konjunktur und Zinsen, Sparer und Preise

Von Roland Töpfer

W ie geht es weitermit der Wirt-schaft, an derBörse, bei den

Zinsen? Wir fragten nach beiUlrich Kater, Chefvolkswirt derFrankfurter Dekabank. „Die EZBdürfte die Leitzinsen nicht vor2019 erhöhen“, sagt Kater.

Die deutsche Wirtschaftsteuert moderat aufwärts.Das wird so bleiben?Ulrich Kater: Der deutsche Kon-junkturmotor läuft nun schon seitJahren auf hohen Touren. Wennvielfach in wirtschaftlichen Zu-sammenhängen von Abwärtsspi-ralen die Rede ist, muss man hiereinmal festhalten: es gibt auchAufwärtsspiralen.

Aufwärtsspiralen?Kater: Steigende Nachfrage führtzu mehr Beschäftigung, damit zuweiter steigender Nachfrage, da-mit zu noch mehr Beschäftigungund nun langsam auch stärkersteigenden Löhnen. Anders alsnoch in den Nullerjahren, ist derprivate Konsum hierbei ein we-sentlicher Faktor.

Und der Export?Kater: Der Export ist zwar eineStütze der Wirtschaft, für Wachs-tum sorgt er zurzeit aber nicht.Das hat auch damit zu tun, dassdie schwache globale Investiti-onstätigkeit gar nicht günstig istfür die deutschen Exporteure.

Die niedrigen Zinsen helfender Wirtschaft?Kater: Die fast schon einschlä-fernd stabile Konjunktur der letz-ten Jahre und die betäubendeNiedrigzinsphase helfen, aber imGegensatz zu anderen europäi-schen Regionen hat die deutscheWirtschaft die niedrigen Zinsenweniger nötig. Hierzulande mussmanauchdienegativenSeitenderNullzinsen mehr gewichten. Solassen sie beispielsweise den Wil-len erlahmen, die eigenen Wirt-schaftsbedingungen an den Wan-del der Welt anzupassen, auch inDeutschland.

Der Staat profitiert?Kater: Immerhin nutzt der deut-sche Staat die Gunst der Stunde,um seine Schulden zu reduzie-ren. Von daher sollte man sich beiallen Forderungen nach Steuer-senkungen bei hohen staatlichenEinnahmen dessen bewusst sein,dass dann die viel beklagtenStaatsschulden nicht abgesenktwerden können.

Und die Unternehmen?Kater: Die Unternehmen sehentrotz der anhaltend niedrigenZinsen keine große Veranlas-sung, den Investitionsmotor an-zuwerfen. Die Investitionstätig-keit ist eher verhalten, wofür esandereGründegebenmussalsdasniedrige Zinsniveau. Insbesonde-

re dürfte die politische Unsicher-heit eine Rolle spielen.

Wo sehen Sie die größtenRisiken für die Konjunktur?Kater: Die politische Unsicher-heit stellt nicht nur für die Un-ternehmen, sondern für die ge-samte Konjunktur einen dergrößten Risikofaktoren dar. Pro-tektionistische Tendenzen unddie Stärke von äußerst links be-ziehungsweise rechts positionier-ten Parteien spiegeln dies wider.Der Wahlausgang in den Nieder-landen und in Frankreich stimmtjedoch zuversichtlich, dass daspolitische Ruder in Europa zu-mindest in den kommenden Jah-ren nicht herumgerissen wird.

Und die USA?Kater: Die Erkenntnis, dass US-Präsident Trump nur mit Wasserkochen kann, setzt sich langsamdurch. Daher haben sich die Ri-siken für die deutsche Konjunk-tur von dieser Seite verringert.

Die Preise steigen wiederschneller. Wie hoch wird dieInflation in diesem und imnächsten Jahr sein?

Kater: Dass die Inflation vor kur-zem zeitweise über zwei Prozentgestiegen ist, ist vor allem da-rauf zurückzuführen, dass sich

der Ölpreis seit Anfang letztenJahres massiv erholt hat. Der Ef-fekt auf die Verbraucherpreisesollte aber nun vorbei sein. MitBlick in die Zukunft hängt die In-flation deshalb in erster Linie da-

von ab, ob es neben Benzin undHeizöl auch in anderen Berei-chen zu stärkeren Preisanstiegenkommt.

Wird es dazu kommen?Kater: Entscheidend hierfür istdie Lohnentwicklung. Aber trotzder sehr niedrigen Arbeitslosig-keit in Deutschland sind stärkereLohnanstiege bislang ausgeblie-ben. Dies deutet darauf hin, dassdie Inflation zumindest in dennächsten zwei Jahren nicht nach-haltig über zwei Prozent kom-men wird.

Das Geld der Sparer wirdentwertet?Kater: Wer heute 100 Euro an-legt, möchte gerne in einigen Jah-ren für dieses Geld mindestens soviele Güter und Dienstleistungenkaufen können wie heute. Selbstwenn die Inflationsraten in Zu-kunft sind wie heute, frisst die In-flation dennoch Stück für StückKaufkraft vomErspartenweg. Umdas auszugleichen, sollte das Er-sparte so angelegt werden, dassdie Inflation durch die erwirt-schaftete Rendite mindestensausgeglichen wird.

Wie macht man das?Kater: Der Inflation ein Schnipp-chen schlagen. Fest verzinste An-lagen bringen derzeit leider nurZinsen, die deutlich geringer sindals die Inflationsrate. Wenn Spa-rer dieser Entwertung begegnenmöchten, dannmüssen sie sich di-rekt an der Wirtschaft beteiligen.

Damit steigt aber auchdas Risiko.Kater: Damit setzen sie sich stär-kerenSchwankungenausalsbeimSparkonto, weil die Wirtschaftnun mal zyklisch verläuft. Es istnicht immer einfach, solcheSchwankungen, zum Beispiel anAktienmärkten, auszuhalten.Doch gerade bei Aktien ist davonauszugehen, dass diese im Durch-schnitt über die Jahre dank desglobalen Wachstums steigendeKurse verzeichnen werden. So-fern die Sparer zwei wichtige Re-geln beachten, nämlich erstenseine breite Streuung dieser risi-koreicheren Anlagen und zwei-tens das regelmäßige Sparen indiese Anlagen, dann haben sie gu-te Chancen, auf längere Sicht Er-träge zu erwirtschaften, die ober-halb der Inflationsrate liegen.

Zur Person

Ulrich Kater kam 1964 in Göttingen zur Welt. In seiner Heimatstadt studierte er Volkswirtschaft und promovierte 1995 am Finanzwissen-schaftlichen Lehrstuhl der Universität in Köln. Im Anschluss daran gehörte er dem Stab des Sachverständigenrates zur Begutachtung dergesamtwirtschaftlichen Entwicklung für die Themen Geldpolitik und Kapitalmarkt an. Ab 1999 war er am Aufbau der VolkswirtschaftlichenAbteilung der Dekabank beteiligt. Seit 2004 ist er Deka-Chefvolkswirt, arbeitet als Fachautor und in der universitären Lehre.

„Die politischeUnsicherheit stelltnicht nur für dieUnternehmen,sondern fürdie gesamte

Konjunktur einender größten Risiko-

faktoren dar.“ULRICH KATER

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5DIE WIRTSCHAFTFreitag, 2. Juni 2017 | Nordbayerischer Kurier

Aber Aktien sind schon sehrteuer. Zu teuer?Kater: Aktien sind im Vergleichzu anderen Anlageklassen wiezum Beispiel Renten keineswegsteuer. Aber auch für sich genom-men sind deutsche und europäi-sche Aktienmärkte derzeit nichtüberbewertet. Das Rekordniveaubeim Dax geht auch mit rekord-hohen Gewinnen der Unterneh-men einher. Selbst die Kursrück-gänge der vergangenen Crashssind am Gesamtmarkt mittler-weile wieder mehr als ausgegli-chen.

Sehen Sie eine größereKorrektur der Kurse kommen,vielleicht sogar einen Crash?Kater: Die Rahmenbedingungenfür die Aktienmärkte sind intakt.Für das abgelaufene erste Quar-tal berichten die deutschen Un-ternehmen spürbare Anstiege derUmsatz- und Gewinnzahlen. DerAusblick auf den weiteren Jah-resverlauf stimmt ebenfalls zu-versichtlich. Aber ganz klar: Ak-tienmärkte sind zyklische Märktemit einem langfristigen Trendnach oben.

Wenn die Zinsen wiedersteigen, werden Aktienweniger attraktiv.Wann steigen die Zinsen?Kater:DieEZBwirdbisEnde2017an denWertpapierkäufen im Um-fang von 60 Milliarden. Euro proMonat festhalten. Ab Frühjahr2018 reduziert sie die monatli-chen Ankaufvolumina sukzessi-ve. Eine Anhebung des Einlagen-satzes wird erst dann zu einer re-alistischen geldpolitischen Opti-on, wenn die EZB ihre unkon-ventionellen Maßnahmen einge-stellt hat.

Wann?Kater: Die EZB dürfte die Leit-zinsen nicht vor 2019 erhöhen.Dabei wird sie zuerst den Einla-gensatz anheben, bevor sie 2020an der Schraube des Hauptrefi-nanzierungssatzes drehen kann.Macht die EZB all das behutsamund im richtigen Tempo, müssendie Zinserhöhungen für risikorei-che Anlagen wie Aktien nichtzwangsläufig schädlich sein.

Gibt’smalwiederSparbriefemitdrei, vier Prozent?Kater: Geht man, beginnend mit2019/2020, von sukzessive stei-genden Leitzinsen aus, kann mangewiss ein paar Jahre draufrech-nen, bis wir in Deutschland wie-der ein normales Zinsniveau er-reichen werden. Ein neutralerLeitzins in der Größenordnungvon zwei Prozent erscheint ge-genMitte der 2020er Jahre als re-alistisch. Dies ist ein niedrigeresNiveau als vor der Finanz- undStaatsschuldenkrise. Daher müs-sen sich deutsche Anleger damitabfinden, dass Sparzinsen vondrei bis vier Prozent auf abseh-bare Zeit nicht realistisch erschei-nen.

Hat die EZB mitZinserhöhungen schon zulange gewartet?Kater: Ginge es nur um die Be-urteilung der deutschen Wirt-schaft, dann könnte man Argu-mente für höhere Zinsen finden.Aber die EZB ist eben eine euro-

päische Zentralbank, die sich amDurchschnitt des Euroraums aus-richtet. Bei der bislang sehr nied-rigen europäischen Inflationsra-te kann man ihr nicht den Vor-wurf machen, zu spät dran zusein.

Steigende Zinsen drücken aufdie Konjunktur?Kater: Grundsätzlich ja, dennsteigende Zinsen belasten dieSchuldner. Wer einen Kredit auf-nehmen möchte, muss mehr Geldfür den geliehenen Betrag zah-len. Das bremst insbesondere dieInvestitionen in einer Volkswirt-schaft. Die Belastung der Kon-junktur geht aber auch über denKonsum. Bei höheren Zinsenüberlegen sich die privaten Haus-halte deutlich öfter, ob sie für grö-ßere Konsumausgaben tatsäch-lich einen Kredit aufnehmen sol-len.

Das wird wieder so kommen?Kater: Diesmal könnte es anderskommen. Denn überwinden wirnach einem Jahrzehnt extremniedriger Zinsen irgendwann tat-sächlich das extreme Niedrigzins-umfeld, könnte dies auch stim-mungsaufhellend wirken. Unterdem Motto, die Krisen der Ver-gangenheit sind gänzlich über-wunden und wir können wiederzur Normalität zurückkehren,könnten steigende Zinsen eineWeile sogar einen Schub für dieKonjunktur bringen.

Steigende Zinsen könnten aberauch dazu führen, dass sich dieSchuldenkrise wiederverschärft?Kater: Bei hoher Verschuldung,wie sie selbst zehn Jahre nach derFinanzkrise in vielen Ländern derWeltwirtschaft noch besteht, sindhohe Zinsen Gift, denn die Schul-dentragfähigkeit geht dann zu-rück. Dazu kommt, dass Kredit-ausfallraten nach oben gehen.Deshalb achten die Zentralban-ken so extrem darauf, dass der

durchaus gewollte Zinsanstiegsehr moderat vonstattengeht, da-mit sich alle Beteiligten langsamdaran gewöhnen können und eszu keiner neuerlichen Krisekommt.

Unberechenbarkeit ist dieverlässliche Größe der neuenUS-Politik. Wie berechenbar istdie Welt überhaupt noch?Kater: Politische Risiken sindheutzutage ein großes Thema.Aber gerade die letzten Wochenund Monate brachten einiges anBeruhigung. US-Präsident Trumpmuss nach und nach erkennen,dass er ohne den US-Senat nichtregieren kann. Daher nimmt erSchritt für Schritt Abstand vonseinenextremstenPlänen.Dievonder neuen US-Politik ausgehen-de globale Gefahr des Protektio-nismus hat zuletzt deutlich ab-genommen.

Und in Europa?Kater: In bedeutenden europäi-schen Ländern haben sich die eu-ropakritischen Parteien bei Wah-len nicht durchsetzen können. Al-les in allem scheint also die Weltvon heute nicht wirklich unbe-rechenbarer zu sein, als dies inderVergangenheit immer wieder malder Fall gewesen ist.

Was heißt das für dieWirtschaft, für Sparer undAnleger, für uns alle?Kater: Die Weltwirtschaftwächst robust,abernicht schnell.Die Zinsen werden irgendwannwieder steigen, aber in Europaerst in einigen Jahren. Für An-leger bleibt die wichtigste Er-kenntnis, dass man mit Festzins-anlagen oder kurzfristig ange-legtem Geld in Zukunft immerweniger wird kaufen können,trotz niedriger Inflation. Wennauch die Festzinsmärkte Prob-leme bereiten, so tut das dieWirtschaft nicht. Wir leben zwarin einer Welt ohne Zinsen, abersicher nicht in einer Welt ohnePerspektiven.

„Die EZB dürfte die Leitzinsennicht vor 2019 erhöhen.“

ULRICH KATER

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6 DIE WIRTSCHAFT Freitag, 2. Juni 2017Nordbayerischer Kurier |

Die Firma im Dorf lassenDie Versicherungsmakler bei VEMA investieren wieder im kleinen Unterkonnersreuth

Von Otto Lapp

W er frech ist, könn-te sagen, die VE-MA eG hat mehrMitarbeiter als

Unterkonnersreuth Einwohnerhat. 50 Mitarbeiter. Unter derFührung von Hermann Hübner,dem Vorstandsvorsitzenden derVEMA eG, wird die Genossen-schaft noch größer, ein Anbauentsteht und auf der Suche nachMitarbeitern ist er auch schonwieder. Ein Blick in ein Unter-nehmen, das als Genossenschaftagiert, vom Sitz her ländlich istund dessen Dienstleistungendeutschlandweit gefragt sind.An einer der wenigen Kreuzun-gen in Unterkonnersreuth stehtein Bauernhäuschen, davor ei-nes dieser kleinen Schildchen,wiesie für Dörfchen typisch sind.Rechts geht’s auf die Theta. Linkseine Sackgasse. Wer zur VEMAVersicherungs-Makler-Genos-senschaft eG will, kann sich kaumverfahren, ermuss nur seinemNa-vi trauen, denn in der Sackgassesind die Gästeparkplätze. Und abda hört Unterkonnersreuth auf,ein Dörfchen zu sein, hier be-ginnt ein modernes Unterneh-men auf Wachstumskurs.

Wie die VEMA eG aufs Dorfkommt? Hermann Hübner (56),Vorstandsvorsitzender der Mak-ler-Genossenschaft, kommt selbstausUnterkonnersreuth. „EinKind,so richtig vom Land“, der nochheute viel draußen in der Naturist. Geprägt hat ihn die Jugend-arbeit, die Landjugendgruppe vorOrt, eine der ältesten in Bayern.Dort hat er gelernt, wie man sichum die Förderung des ländli-chen Raumes kümmert. So et-was hallt nach. Und animierte ihn.„Was die Münchner können, kön-nen wir hier auch.“ Und in Bay-reuth sind die Gewerbeflächenknapp, höchstens Wolfsbach wä-re im Angebot gewesen. Aberselbst im winzigen Unterkonners-reuth ist man nur zehn MinutenvomBahnhof inBayreuthweg.„Imgrünen Speckgürtel.“50 von 70 VEMA-Angestellten ar-beiten hier, moderne Büroarbeits-plätze,Felder,BäumeundeinBau,der in jedem Industriegebiet ste-hen könnte. Und der jetzt für et-wa zwei Millionen Euro erwei-tert wird, Platz für weitere Mit-arbeiter.Was macht die VEMA eG ei-gentlich? Hübner antwortet miteiner Gegenfrage: „Wasmacht einVersicherungsmakler?“ Währendein Versicherungsvertreter einebestimmte Versicherung vertre-te, vertrete ein Makler die Kun-den. Er suche die besten Ange-bote, die auf dem Versicherungs-markt seien. Nicht nur nach demPreis, sondern auch nach den Ver-tragsbedingungen. Etwawenn dieWachskerzen am Weihnachts-

baum brennen und das Wohn-zimmer Feuer fängt. Nicht jedeVersicherung zahle bei dieser gro-ben Fahrlässigkeit. Oder wer je-mals Rotwein übers neue Sofa beiFreunden gekippt hat, weiß, dassnicht jede Versicherung den Neu-preis bezahlt. „In guten Policen istder Neupreis mit drin“, sagt Hüb-ner. So gebe es viele Kleinigkei-ten, bei denen Makler wissen, wieÄrger zu vermeiden ist.

HierkommtdieVEMAeGinsSpiel,die Versicherungs-Genossen-schaft in Unterkonnersreuth. Vor

genau 20 Jahren haben sich 17Makler zusammengeschlossen,Hübner war einer davon. Inzwi-schen ist die Genossenschaft auf

2600 Maklerbetriebe in ganzDeutschland angewachsen. ImDurchschnitt hat jeder davon et-wa sechs Mitarbeiter. Eine ein-flussreiche Einkaufsmacht also,die gebündelt bei den Versiche-rungen einiges an Sonderkondi-tionen bei Preisen und Leistun-gen für ihre Kunden heraushan-deln kann. „Wie bei einer Ein-kaufsgenossenschaft“, sagt Hüb-ner. Vergleichbar ist der Aufbau

tatsächlich mit den Einkaufsge-meinschaften, die hinter den In-tersport-Läden stehen oder derWinzergenossenschaft, der BÄ-KO für die Bäcker oder der DATEVbei den Steuerberatern. Allen istgemeinsam, dass die Mitgliederkeine Endkunden sind, sondernals Verhandlungsmacht mit denAnbietern bessere Einkaufsbedin-gungen aushandeln. Hübner:„Wenn sich viele Makler zusam-mentun …“ Das ist die Genos-senschaftsidee – und das ist einKernbereich der VEMA eG in Un-terkonnersreuth. Ein weiterer isteine Technologieplattform, aufder dieMakler ähnlichwie bei Rei-sebüros ihre Geschäfte abschlie-ßen können. „Hauptgeschäft istdieVersicherungsvermittlung,dasandere sind Dienstleistungen“,sagt Hübner. Die Hälfte des Ver-sicherungsmarktes betreuen dieVertreter, ein Viertel geht überMakler, der Rest über sonstigeVertriebswege wie Banken. Auchhinter großen Portalen im In-ternet steckten Makler.Wasmandamit verdient?DieUm-satzzahlen werden nicht veröf-fentlicht, sagt Hübner. Aber „al-le vier Jahre hat der Umsatz sichverdoppelt“, sagt er, „ebenso dieZahl der Mitarbeiter.“.

Die kommen aus ganz Franken,der Oberpfalz sowie aus Thü-ringen, teils mit langen Anfahr-wegen. Aber sie bleiben. Es ge-be, so der Chef, kaum Fluktua-tion. Schwierigkeiten, sie zu fin-den für eine Firma auf dem Dorf?„Genauso schwer wie in derStadt.“ Aktuell sucht er Infor-matiker, auchdaswie in der Stadt.„Am liebsten fünf Software- undPHP-Entwickler“, sagt Hübner.Angst vor der Konkurrenz des In-ternets? Nein. „Der Vertrieb al-lein wird nicht überleben“, sagter, auch der reine Internetver-trieb nicht. „Alles wächst zusam-men.“Im Herbst beginnt ein Student imRahmen eines dualen Studiums.Alles wie bei einem großen Un-ternehmen in der Großstadt:„Aber es ist alles angenehmer.“Kein Autolärm, Wiesen und inKürze haben die Mitarbeiter Pa-tenschaften für Obstbäume undBeerensträucher, die neben demerst vier Jahre alten Bau ge-pflanzt werden, scherzt er. Ge-meint ist die Ausgleichsfläche fürden Neubau, der im März be-gonnen hat.Im Haus sind noch andere Fir-men, mit denen die VEMA eG engzusammenarbeitet. Eine gestal-tet Internetseiten für Versiche-rungsmakler, eine andere bieteteinen Internetservice. Und Hüb-ners eigene Maklerfirma mit vierBeschäftigten. Daneben gibt esnoch eine Niederlassung im groß-städtischen Karlsruhe, wo an ei-ner Akademie die Mitglieder di-gital fortgebildet werden.

Die Zentrale: Der Hauptsitz der VEMA in Unterkonnersreuth. Von hier aus werden mehr als 2600 Versicherungsmakler im gan-zen Bundesgebiet betreut. Fotos: Andreas Harbach

Die drei an der Spitze von VEMA: Andrea Pöhlmann, der Vorstandsvorsitzende Hermann Hübner, der aus Unterkonnersreuthstammt, und Thomas Würsch.

Helle Büros, Ruhe, und ein Blick auf die dörfliche Struktur von Unterkonnersreuth oder von anderen Büros aus einfach ins Grü-ne. Das zeichnet den Unternehmenssitz in Unterkonnersreuth aus. 50 Mitarbeiter haben hier ihren Sitz.

Mitarbeiteraus ganz Franken

„Ein Kind, sorichtig vom Land“

2600 Makler inganz Deutschland

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7DIE WIRTSCHAFTFreitag, 2. Juni 2017 | Nordbayerischer Kurier

Großprojekte für die EnergiewendeDer Stromnetzbetreiber Tennet sucht nach Wegen, erneuerbaren Strom zuverlässig zu machen

Von Moritz Kircher

T ennet baut und be-treibt Stromleitungen –das stimmt. Aber es istnoch lange nicht alles,

was der Übertragungsnetzbetrei-ber mit Sitz in Bayreuth macht.Das Unternehmen begreift sichaber auch als Dienstleister derEnergiewende. „Wir suchen nachneuen Wegen, um erneuerbareEnergien steuerbar zu machen“,sagt Sprecherin Ulrike Hörchens.

Moderne Autos sind voller Sen-soren, die messen, was außer-halb des Autos passiert. Die An-zeige der Außentemperatur? SeitJahren Standard. Die Wind-schutzscheibe weiß nicht nur,dass es regnet, sondern auch wiestark. Übers Navi ist immer derStandort eines Wagens verfüg-bar. Undwenn es neblig ist, schal-ten sich die Scheinwerfer auto-matisch ein. „DieseDaten gibt es“,sagt Ulrike Hörchens. „Die Frageist nur, wieman sie nutzen kann.“Aber was hat das alles mit demStromnetz zu tun? Die Aufgabevon Tennet ist es, zu jeder Zeit da-für zu sorgen, dass genau so vielStrom im Netz ist, wie gerade ge-braucht wird. Früher wurdenGroßkraftwerke hochgefahren,wenn die Nachfrage stieg. DieAufgabe des Netzbetreibers ist esjetzt, auch bei steigendem Anteilerneuerbarer Energien für einstabiles Netz zu sorgen. Und da-für braucht es möglichst genaueWetterprognosen.Da kommen Autos als mobileWetterstationen genau richtig. In

einem Pilotprojekt will man nunmit Volkswagen zusammenarbei-ten. Der Konzern habe „sehr of-fen“ auf die Anfrage von Tennetreagiert, sagtHörchens.WenndasPilotprojekt erfolgreich verläuft,sollen die VW-Daten ein weitererBaustein in den Wetterprogno-sen von Tennet sein. Je genauerdie Vorhersagen sind, desto bes-ser kann vorausberechnet wer-den, wann wie viel Sonnen- undWindstrom ins Netz eingespeistwird. Das senkt die Kosten fürspontane Eingriffe, die sich mo-mentan jährlich im dreistelligenMillionenbereich bewegen. Kos-ten, die auf die Stromverbrau-cher umgelegt werden.Die ersten Ansätze für die Ko-operation von Tennet und VWsindpositiv.ErsteTestfahrtensindgelaufen. „Wir haben gesehen,dass die Daten unsere Wetter-prognosen noch verbessern kön-nen“, sagt Hörchens. Das Pilot-projekt zwischen dem Autoher-steller und dem Netzbetreiber istauf ein Jahr angelegt.Und der Datenschutz? Schließ-lich dürften Millionen VW-Fah-rer kein Interesse daran haben,dass Tennet jederzeitweiß,wo siegerade unterwegs sind. „Wirbrauchen nur anonymisierte Da-ten“, sagt Ulrike Hörchens. Au-ßerdem bekommt das Unterneh-men keine Daten einzelner Au-tos, sondern immer zusammen-gefasste, regionalisierte Daten.

Kritiker sagen: Die Energiewen-de wird nie funktionieren, weilerneuerbarer Strom immer nurdann verfügbar ist, wenn der

Energieträger – Wind und Sonne– gerade verfügbar ist. Die Folgesei, dass im Hintergrund immerein konventioneller Kraftwerks-park stehen muss, der dann ein-springt, wenn es gerade keinensauberen Wind- oder Sonnen-strom gibt.„Wirmüssen es schaffen, die starkvom Wetter abhängige erneuer-bare Stromproduktion flexibel zusteuern“, sagt Urban Keussen,Vorsitzender der Tennet-Ge-schäftsführung. Ein Baustein da-zu könnte die sogenannte Block-chain-Technologie sein. In im-mer mehr Haushalten stehenkleine Batterien, die in erster Li-nie dazu da sind, den Strom zuspeichern, der in der Solaranlageauf dem Dach erzeugt wird.Doch diese Speicher lassen sichvernetzen. Sie stehen dezentral,können aber im Verbund wie eingroßer Stromspeicher genutztwerden. In einem weiteren Pi-lotprojekt arbeitet Tennet dafürmit der Sonnen GmbH aus demschwäbischen Wilpoldsried zu-sammen. Sonnen produziert Bat-teriespeicher für Privathaushalteund Kleinbetriebe. Die Block-chain-Lösung–dasVernetzenundSteuern von Haushaltsbatterien –wurde von IBM entwickelt.

In Dubai werden künstliche In-seln im Meer aufgeschüttet, umreiche Touristen anzulocken.AuchTennetplantgemeinsammitanderen Unternehmen einekünstliche Insel, möglicherweiseauch mehrere. Inmitten derNordsee. Dort sollen aber keineUrlauber ankommen, sondern

Strom. Strom, der von Windrä-dern in der umliegenden See ge-liefert wird.Am möglichen Standort zwi-schen Dänemark und England istdie See besonders Flach. Es wäreein idealer Standort für Off-shore-Windräder – wäre das Fest-landnicht soweitweg. Von künst-lichen Inseln aus könnten dieWindräder betrieben, der Stromgesammelt und an die Küsten ge-leitet werden. Für das Projekt ko-operiert Tennet mit dem däni-schen Unternehmen Energi-net.dk. Eine entsprechende Ver-

einbarung wurde im März un-terzeichnet.Die Vision: An die Inseln könn-ten Windräder mit einer Leis-tung von bis zu 100 Gigawatt an-geschlossen werden. Das ist das74-Fache des vor zwei Jahrenstillgelegten Kernkraftwerks Gra-fenrheinfeld. Gegenüber „Spie-gel online“ sagte Tennet-Spre-cher Mathias Fischer: „Wir sindfest entschlossen, die Insel zubauen.“ Es ist das langfristigsteder drei Projekte. Die erste Inselkönnte im Jahr 2035 in Betriebgenommen werden.VW-Projekt

Batterie-Projekt

Insel-Projekt

Eine Insel mit Hafen und Landebahn: Inmitten der Nordsee könnten die Leitungen für einen gigantischen Windpark zusammenlaufen. Animation: Tennet TSO

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B A Y R E U T H

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8 DIE WIRTSCHAFT Freitag, 2. Juni 2017Nordbayerischer Kurier |

ZF will Megatrends gestaltenAm Standort Auerbach dreht sich (fast) alles um das Zukunftsthema Elektromobilität

Von Stefan Brand

D ieser Firmenstandortist fest zementiert.Immer noch weitmehr als 1000 Mit-

arbeiter, mehr denn je global un-terwegs. Auchwenn da jetzt nichtmehr der legendäre SchriftzugCherry prangt. Sondern nur nochzwei schlichte Buchstaben: ZF.Auch wenn hier jetzt nicht mehrComputertastaturen und Weiß-ware in vielerlei Gestalt das Pro-duktionsgeschehen bestimmen.Sondern hochkomplexe Steuer-einheiten für die Automobilin-dustrie neuer Prägung. Die ist imWandel, im Umbruch. „Und dassind wir auch“, sagt Harald Deiss,Leiter des ZF-Standorts Auer-bach und des Geschäftsfelds Elec-tronic Systems.Das hat mit Innovation zu tun. Ei-neerzwungene Innovation.Denn:„So eine Neuorientierung machtmanjanichtzumSelbstzweck,dashat in der Regel einen Auslöser.Nämlich den Markt und die Ge-sellschaft.“ Stichwort neue For-men derMobilität. Stichwort Um-weltbewusstsein. Stichwort Si-cherheit. Das Auto werde geradeneu erfunden. Sozusagen. Gut, inDeutschland laufe der Prozess hinzum E-Automobil ein wenig zäh,„da hätte man etwas früher ge-staltend mitwirken können“. Dasändere aber nichts daran, dassschon in absehbarer Zeit wohlüberwiegend elektrisch angetrie-bene Fahrzeuge auf den Straßenzu finden sein werden.

ZF habe sich aufgemacht, diesenProzess zu begleiten. Federfüh-rend. „Unsere Strategie beruhtdarauf, bei diesen, nennen wir esruhig so, Megatrends dabei zusein“, sagt Deiss (51). Bei derElektromobilität, beim autono-men Fahren, bei der Fahrsicher-heit. Und damit bei der Zukunftder Antriebstechnik. Durch dieBank große gesellschaftlicheThemen, so Deiss.Ein Muss, will ein Unternehmenin dieser Branche vorne mitspie-len. Beispiel China: Wer auf die-sem Markt „normale“ Autos anden Mann bringen will, muss einbestimmtes Kontingent an E-Fahrzeugen mitliefern. „Das isteine klare Vorgabe, das hat na-türlich mit den enormen Umwelt-problemen dort zu tun“, sagtDeiss. In China seheman die Luft-verschmutzung, da werde derHandlungsbedarf auf den erstenBlick erkennbar. Bei uns sei dasnoch anders.ZF bewege sich auf einem Wett-bewerbsfeld, auf dem große Na-men mitwirken. Bosch, Siemens,Continental, Valeo, Hitachi. Undeinige mehr. Ganz zu schweigenvon den namhaften Autoherstel-lern selbst. Die haben bisher inerster Linie Verbrennungsmoto-ren entwickelt, dieser Markt

bricht ihnen irgendwann weg.Neuorientierung also auch beidiesen Giganten, bei BMW, Audi,Mercedes.Deiss ist zuversichtlich.Undschonauch ein wenig stolz auf die Kon-sequenz, mit der ZF schon vor ge-raumer Zeit begann, sich auf die-se Strategie auszurichten. ZF ha-be enormviel in die Forschung ge-steckt. In elektronische Getrie-besteuerungen zum Beispiel, diegerade jetzt beim Übergang zumvollelektrischen Fahren in Hyb-ridantrieben eine wichtige Rollespielen. Und natürlich in eineHightech-Leistungselektronik fürdenvollelektrischenAntrieb.–„dastecken hunderte Mann-Jahredrin, da sind wir schon 2009 ein-gestiegen nach der Übernahmevon Cherry durch ZF“. Das Un-ternehmen ZF mit Hauptsitz inFriedrichshafen hat 2016 eine ei-gene „Division“ für den BereichElektromobilität ins Leben geru-fen. Der Standort Auerbach ist da-bei ein wesentliches Standbein.Eine Säule, wie Deiss sagt. Eine

Säule, in die ZF kräftig investierthat. Mehr als 100 Millionen Euroin den vergangenen Jahren, sagtUnternehmenssprecher MichaelLautenschlager.Die neue Leistungselektronik,wesentlich leichter und kompak-ter als ihre Vorgänger, ist noch inder Prototypphase. Aber nichtmehr lange: „Spätestens 2018 solldie Serienfertigung starten“, soLautenschlager.AlsPartnermit imBoot sitzt ein „namhafter euro-päischer Premiumhersteller“,mehr will er zum jetzigen Zeit-punkt nicht verraten. Und, klar,elektronische Antriebstechnikspielt nicht nur bei Autos eine Zu-kunftsrolle. Sondern längst auchbei Nutzfahrzeugen, bei Landma-schinen, bei Bussen. Und auch daist ZF in der ersten Reihe dabei,sagt Standortleiter Deiss. Das sollauch so bleiben.Der Umbruch im AuerbacherWerk–unddarauf legenDeissundLautenschlager Wert – sei nur miteinem Mitarbeiterstamm mög-lich gewesen, der mitzieht. „DasGute war ja, dass hier jede Men-ge Kompetenz als Basis vorhan-den war“, so Deiss. Dazu geselltesich der Wille, die neuen Wegemitzugehen. Mit Fort- und Wei-terbildung, mit viel Eigeninitia-tive. Was die Beschäftigten leis-teten und leisten, sei alles ande-re als selbstverständlich.

Nun sollen der aufwendigen Vor-bereitung Taten folgen: „Wir ste-hen vor der Phase der Massen-fertigung. Bei uns in Auerbachsitzt zudem die Intelligenz, dieSoftware sozusagen, wir sind dieTriebfeder.“ Zurzeit werdenkomplett neue, hochautomati-sierte Maschinenstraßen einge-richtet, „all das muss sich be-währen“. Und dies in einem sehrhartenWettbewerb, bei demauchUnternehmen auf der Bühne er-scheinen, die mit dieser Branchebisher gar nichts zu tun hatten.Wie LG,wie Samsung. Deiss: „Wirstehen vor einer gigantischenEntwicklung angesichts der Tat-sache, dass bis 2025 rund 25 Pro-zent aller Fahrzeuge elektronischangetriebenwerden sollen.“Ganzoder zumindest teilweise.Er glaubt fest daran, dass ZF sichbehaupten wird. Und damit derStandort mit seinen im Momentrund 1150Mitarbeitern eine dau-erhafte Blüte erlebt. In der ZF-Fi-liale in Wolfsbach bei Bayreuthsind weitere 170 Jobs ansässig.Übrigens: ZF macht nicht nur inE-Autos. „Die weiße Ware, dieSchalter sind nach wie vor einRenner“, betont Sprecher Lau-tenschlager. Kein Bereich, denman mit hohem Aufwand aus-bauen wolle. Eher ein Selbstläu-fer, der sich mehr als nur rech-net. Kein Wunder, ist doch in 75Prozent der Türschlösser west-europäischer Autos ein ZF-Schal-ter eingebaut.

Neue Serienfertigung, neue Maschinen im großen Stil (Bild) – das braucht Platz. Und der ist nicht unbegrenzt vorhanden. Des-halb gab es in jüngster Zeit am Standort Auerbach auch eine größere Umzugsarie. Fotos: red

Ist überzeugt, dass ZF sich strategisch richtig aufgestellt hat und so den „Megatrend“ in Richtung Elektromobilität erfolgreichbegleiten kann: Standortleiter Harald Deiss.

Die Produktion von Getriebesteuerungen ist ein zentrales Produktionsfeld in Auer-bach – aber auch die Schalterfertigung spielt nach wie vor eine große Rolle.

Das Auto wirdneu erfunden

Vor gigantischerEntwicklung

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9DIE WIRTSCHAFTFreitag, 2. Juni 2017 | Nordbayerischer Kurier

Florian Conrad (41) in einem der Lounge-Sessel im komplett umgestalteten Eingangsbereich des Modehauses. Lifestyle-Möbel findet man hier genauso wie ausgesuchte Schuhe, die gerade angesagt sind. Auf der an-deren Seite gibt es feine Bio-Kosmetik. Wohlfühlen, sagt Conrad, stehe ganz oben auf der Wunschliste der Kunden. Foto: Eric Waha

Handeln im WandelModehaus Becher: Die dritte Generation investiert in die Zukunft

VonEricWaha

A lles neu. Der Ein-gangsbereich hat sichkomplett verändert.Lounge-Sessel, Regale

mitKosmetik,Leuchten,Leuchter.Der Kassenbereich ist abgewan-dert undauf denerstenBlicknichtzu sehen. Das Modehaus Becherstellt sichneuauf, erfindet sicheinStück weit neu. Als Antwort imWandel des Modehandels. Undaus der Tradition des Familienun-ternehmens heraus, das sich im-mer wieder den neuen Entwick-lungenstellenmussteundmuss.Für Florian Conrad (41), Ge-schäftsführer von Becher Modeundseit2007imUnternehmen, istdie erste Stufe gerade abgeschlos-sen. Und er denkt schon an dienächste. „Bis zum Herbst wirdauch das Obergeschoss stufen-weise umgestaltet sein. Lifestyli-scher, mit weiteren Marken. Fri-scher.“ Als Fortsetzung einesWandlungsprozesses, den FlorianConrad, Generation Nummerdrei, die das Modehaus Becherführt, im Frühjahr eingeleitet hat.„Alles im laufenden Betrieb, sonstwär’s ja langweilig“, sagt Conradund grinst. „Über die Schienekommt man mit den Kunden jaauch ins Gespräch, kann auchNeugierde schaffen auf das, waswirdagerademachen.“BecherMode,gegründet1939vonEberhard Becher in der Schulstra-ße, hat als Großhandel begonnen,blättert Conrad in der Geschichte.„Mit Reisenden, die Kurzwaren in

ganz Nordbayern vertrieben ha-ben.“ Irgendwann kamen immermehr Artikel dazu, damit wuchsder Wunsch nach einem stationä-renHandel, der „diemeiste Zeit inder Friedrich-von-Schiller-Straßebetriebenwurde“.DerStandort istgeblieben, die Voraussetzungenhaben sich geändert: Waren bisvor zwölf Jahren Gewerbetrei-bende oder Mitglieder von BSW –Beamte und Angestellte des öf-fentlichen Dienstes – oder demBauernverband Kunden bei Be-cher Mode, sind es heute die Ein-zelhandelskunden.

FlorianConradsVaterHerbert hat„damals auf Einzelhandel umge-stellt, als im Prinzip der erste gro-ße Einschnitt in derModebranchekam: Die großen Lieferanten wieTriumph oder international auf-gestellte Konzerne wie Esprit ha-ben gesagt, wir brauchen keinenexternen Großhandel mehr, dasmachenwir selber. Damit sind na-türlich die Konditionen für unsereKunden weggefallen.“ Und derpositive Effekt eines Nettopreisesauf dem Etikett. „Die Kundenwussten, dassdieMehrwertsteuernoch draufkommt. Im Kopf aberdachte man sich: Ach, wie güns-tig.“ Dennoch sei im Schnitt einPreisvorteil von rund 20 Prozentübriggeblieben.

In den Standort hat Becher Modeimmer wieder investiert. „Das jet-zige Outfit stammt von 2001,schaut doch immer noch ganz or-dentlich aus“, sagt Conrad. Aber:Mit dem Wechsel von Groß- zuEinzelhandel „warenwir plötzlichmit dem Innenstadthandel ver-gleichbar. Der Kunde musste na-türlich hierher wollen.“ VomGrundsatz kein Problem, weil derBayreuther Kunde gerne nahe ansGeschäftmit demAuto fährt. „Wirkönnen da schonmit unseren kos-tenlosen Parkplätzen punkten“,sagtConrad.Jedoch kommt zum Vergleich mitden direkten Mitbewerbern vorOrt auch der Vergleich mit demOrt, der niemals schläft: dem In-ternet. „24 Stunden, sieben Tagedie Woche, Ware für fast jedenPreis“, so formuliert es FlorianConrad. Ähnliche Konkurrenz –den Versandhandel alter Schule –habe es „natürlich auch schon im-mer gegeben“. Die Vorzeichenhaben sich geändert: „Wenn mansich etwas gönnen wollte, nichtum den Preis, sondern um dieQualität. Dann ging man in denstationären Handel. Stadt undLand haben sich solidarisch ge-zeigt, haben beim ortsansässigenHandel gekauft.“ Conrad ist nachwie vor davon überzeugt, dass„eine gesunde Handelslandschafteine Stadt erst attraktiv macht“.Sonst werde eine Stadt aus-tauschbar, „wenn besondere Pro-dukte und Nischen wegbrechen“.Dem Handel gibt Conrad eineTeilschuld an der Situation: „Die

Branche hat dem Verbraucher jalange genug erklärt, dassGeiz geilist unddass es auf alles 20Prozentgibt.Bisauf Tiernahrung.“Jetzt müsse man die Trendwendeeinleiten und dafür sorgen, dass„man ihm etwas bietet. Und ernichtgleichanderTürnachRabattfragt.“ Conrad will diese Trend-umkehr damit schaffen, dass erBecher Mode breiter aufstellt,„weil Bayreuth ein großstädti-sches Haus nicht oder nicht mehrhat“.EinigeZehntausendEurohaterdeshalballein indenUmbaudesEingangsbereiches investiert –hatviel selbst gemacht. „Lifestyle,Beauty,einbisschenSchuhe“, sagtConrad. Eine nachhaltige Aus-richtung der Produkte gehört fürihn mit dazu. „Kosmetik und Lak-ritz aus Dänemark“, zumBeispiel.AlsErgänzungzumSortiment,mitdem sich das Modehaus neu aus-richtet. Um die Stammkunden zuüberraschen, um neue Kunden zugewinnen.„Die Jüngeren, zwischen 25 und40, die sind die Herausforderung.Das sind die, die vielleicht früherden ganzen Tag hier verbrachthaben, wenn die Oma im Groß-handel eingekauft hat.“ Ein be-sonderes Duschgel oder eineschöne Deko sollen helfen, neu-gierig zu machen – sollen dazubeitragen,Kundenauchdauerhaftzubinden.Dabei, sagt Conrad, müsse mannatürlich aufpassen, „dass mansich nicht verzettelt, dass mannicht mehr Accessoires als Kern-geschäft anbietet. Allerdings

dreht sich auf der Beauty-Ebeneviel.Wirmerken,wir habendamitaufs richtige Pferd gesetzt. Manmuss da aber auch konsequentbleiben. Nicht alles funktioniertgleichgut.“Conrad, der derzeit bei BecherMode 22 Mitarbeiter beschäftigt,muss über die Frage, ob der Mo-dehandel in der Generation vierseiner Familie eine Chance hat,etwas nachdenken. „Natürlichhoffe ich, dass ich etwas Wertvol-les an die nächste Generationübergeben kann“, sagt er. „Unter-schreiben würde ich es nicht.“ Zu

viel, sagt Conrad, ist derzeit imUmbruch. Nicht nur wirtschaft-lich. Vor allem gesellschaftlich.Jedoch setzt er darauf, dass dieKunden Lust haben, etwas auszu-probieren.„VielerufennachetwasNeuem, nutzen aber die Möglich-keiten nicht.“ Familienunterneh-men wie seines seien die richtigeAntwort auf dasGeschäftmit demInternet: „Mit uns kann man re-den,wennetwasnicht sogut läuft.Vieles lässt sich direkt ändern“,sagtConrad. „Ich vertraue einfachein Stück weit darauf, dass dieLeute hier aus Stadt und Land sa-gen:Das ist einer vonuns, demge-be icheineChance.Diebildenaus,sind vor Ort. Und das bleiben wirauch.“

Der ersteEinschnitt: Hin

zum Einzelhandel

Reden – die richtigeAntwort

aufs Internet

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10 DIE WIRTSCHAFT Freitag, 2. Juni 2017Nordbayerischer Kurier |

Von Orgeln und KränenWie Oberfrankens Firmen von der Virtuellen Hochschule Bayern profitieren

VonNorbertHeimbeck

D ie Virtuelle Hoch-schule Bayern ist einvirtuelles Konstrukt,aber was ihre Wis-

senschaftler leisten, wirkt sichganz praktisch im Alltag von klei-nen und mittleren Unternehmenaus. Mehr als eine Million EuroFördergelder gibt es in diesemJahr für sieben neue Angebote –einige davon aus der UniversitätBayreuth. Es geht um Leichtbau,um 3-D-Druck und um Optimie-rungderProduktionsprozesse.Die Virtuelle Hochschule Bayern(vhb) ist eine Ergänzung der be-stehenden Studienangebote imFreistaat. Studenten der ange-schlossenen Hochschulen könnenkostenlos auf die vhb-Kurse zu-greifen und diese mit einem Leis-tungsnachweis abschließen. DaserworbeneWissen wird an der re-alen Hochschule angerechnet.AuchNicht-StudentenkönnendieKurse gegen ein Entgelt belegen.HierkommendieUnternehmen inderRegion insSpiel.Die Fraunhofer-ProjektgruppeRegenerative Produktion in Bay-reuth steckt hinter dem Projekt„Wissenstransfer Hochschule undBeruf“. Dieses Projekt wird vonder vhb koordiniert und mit ins-gesamt rund 1,1 Millionen Eurogefördert. Davon stammen742 000 Euro aus Mitteln des Eu-ropäischenSozialfonds (ESF),dasbayerische Wissenschaftsminis-terium trägt 365 000 Euro bei.Stefan Freiberger vom Fraunho-

fer-Leitungsteam sagt: „Für dieUnternehmen ist Weiterbildungein wichtiges Thema. Es geht vorallem um Mitarbeiter, die schonlänger dabei sind, etwa Fachar-beiter, Fertigungsleiter und ähn-liche. Viele Anforderungen in denjeweiligen Berufen haben sichverändert. Hier gute Angebote zuschaffen, ist unser Anliegen.“ Voreineinhalb Jahren gewannFraunhofer bereits einmal För-dermittel aus dem ESF, damalsmit einem Projekt zur Verbesse-rung der Energieeffizienz. In die-sem Jahr sind es also drei For-schungsprojekte, die gefördertwerden.Melanie Klein will kleine undmittlere Unternehmen für Leicht-bautechnologien begeistern:„Maschinenbauer oder Anlagen-hersteller sind imMetallbau firm.Aberwirwollenihnenzeigen,dassauch andere, neue Werkstoffe fürderen Aufgaben infrage kommen.

Glasfaser oder innovative Alumi-nium-Legierungen können in vie-lenBereicheneingesetztwerden.“Eine Arbeit, die Klein realisierthat, kommt aus einem überra-schenden Bereich: Für einen Or-gelbauer sollten Wege gesuchtwerden, schwere Holzkonstrukti-onen durch neue Werkstoffeleichter zu machen: „Es ging um

die Verbindungsstücke zwischenden Pfeifen und den Tasten. Beigroßen Orgeln kommen da bis zu20 Meter Wegstrecke zusammen.Mit Hilfe moderner KunststoffekonntenwireineLösung finden.“Von der Orgel zur Schifffahrt:Leichtbau ist auch ein Thema fürKrananlagen. Die BayreutherWissenschaftler arbeiten in die-sem Bereich mit Hafenbetreibern

in weniger entwickelten Ländernzusammen.Das zweite Forschungsprojekt,das neu in die Förderung aufge-nommen wurde, fällt unter dasStichwort „Prozessoptimierung“.Mit Hilfe der Wertstrommethodekönnen sämtliche Produktions-prozesse im Unternehmen „aufeinem einzigen Blatt Papier“ ab-gebildet werden. So werden Zu-sammenhänge transparent, sagtSebastian Schötz, der hier als An-sprechpartner für die Unterneh-men zur Verfügung steht. DasWissen um zahlreiche Prozesse inden Unternehmen stecke in denKöpfen der Mitarbeiter. DieWert-strommethode, die weltweit an-gewandt wird, schaffe Durch-blick.SiebeantwortezumBeispielFragen wie „Warum haben wir ei-ne Vor- und eine Endmontage?Könnten wir das nicht an einereinzigen Montagestation erledi-gen?“ Oder: Wenn in einem Un-ternehmen immerwiederaneinerbestimmten Stelle Überlastungenaufträten, mache die Wertstrom-methodeklar,worandas liegt.Bei diesem Forschungsprojekt ge-he es nicht darum, Arbeitsplätzein den Unternehmen einzuspa-ren, sagt der wissenschaftlicheMitarbeiter Christoph Velte. Viel-mehr würde den Unternehmengezeigt, wie sie schneller werdenkönnten, wie Durchlaufzeitensinken und Rüstzeiten kürzerwerden könnten. Velte: „Wir wol-len mit diesem Projekt analyti-sches Denken in den Unterneh-men verankern. Bisher werden

gerade in kleinen Unternehmenviele Entscheidungen aus demBauch heraus getroffen. Wir zei-gen den Leuten, wie sie mit fun-dierten Analysen zu Lösungenkommen.“DasdritteForschungsprojektträgtden etwas sperrigen Titel „Nach-haltige Prozessexzellenz durchkontinuierliche Produktionsopti-mierung“. Ganz simpel geht esdabei darum, in den Unterneh-men Methoden einzuführen, diezum Beispiel Sauberkeit und Ord-nung am Arbeitsplatz gewähr-leisten. „Wenn einMitarbeiter vorArbeitsbeginn erst dieWerkzeugezusammensuchen muss, kostetdas wertvolle Zeit“, sagt ChristianSchuh, der hierfür Ansprechpart-ner ist. Unter dem Stichwort „Kai-zen“ war diese Methode als per-manenter Optimierungsprozessschon einmal ein Trendthema inden Unternehmen. „Uns geht esdarum, dass die mitwirkendenUnternehmenamBallbleibenundauf diese Weise dauerhaft profi-tieren.“Für jedes dieser Forschungsvor-haben haben die Fraunhofer-In-genieure rund zwei Dutzend Fir-men aus der Region als Koopera-tionspartner gewonnen. DerenMitarbeiter bekommen Zugangzum E-Learning-System der Uni-versitätBayreuthundkönnendortnicht nur die Lerninhalte abrufen,sondern sich auch mit anderenStudienteilnehmern austau-schen. Dieses virtuelle Lernenwird durch Präsenzveranstaltun-genanderUniergänzt.

Radsportler wissen: Besonders leicht muss ein Rahmen sein, aber auch stabil. Mo-derne Werkstoffe erfüllen diesen Anspruch. Foto: Andreas Harbach

Zusammenhängewerden transparent

Von ihrer Arbeit können Unternehmen in der Region lernen: Das Bayreuther Fraunhofer-Team Sebastian Schötz, Stefan Freiberger, Melanie Klein, Christian Schuh, Benjamin Torenz, Eva Schenk, Thomas Uhlemannund Rolf Steinhilper (von links) präsentiert einen besonders leichten Fahrradrahmen. Foto: Andreas Harbach

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11DIE WIRTSCHAFTFreitag, 2. Juni 2017 | Nordbayerischer Kurier

Breit aufgestellt gegen den TrendMetzgergenossenschaft erfindet sich im 100. Jahr neu: Mehr ran an Veranstalter und Endverbraucher

Von EricWaha

D er Genossenschafts-gedanke ist noch da:Gemeinsam ist manschließlich stärker.

Das gilt heute, 99 Jahre nach derGründung der Metzgergenossen-schaft, genauso wie einst. Aber:Waren in den Jahren ab 1918hauptsächlich die Metzger dieKundenderGenossenschaft,musssich das Unternehmen heuteständig neu aufstellen. Neu er-finden. Und breit aufgestellt ge-gen den Trend des Metzgerster-bens antreten.Es riechtnachGewürzen.DerDuftist das Erste, was einem in die Na-se steigt. Anregend, irgendwie.Links am Eingang stehen großeKunststoffschüsseln, Grills undWärmeplatten in den unter-schiedlichsten Größen folgen.Metzgerswaagen stehen in denRegalen. Und dann kommt dieDuftquelle, abgefüllt in große ro-te Kunststoffbehälter eines regi-onalen Gewürzherstellers. „Kannman alles auch in kleinenMengenabwiegen“, sagt Günter Volpert,der geschäftsführende VorstandderMetzgergenossenschaft.

DieMetzgergenossenschaft in derDrossenfelder Straße hinter demSchlachthof ist so etwas wie einSupermarkt des großen – aberauch des kleinen – Bedarfs. BreiteGänge zwischen hohen Regalen,einige Schwerlastregale darun-ter. Das Sortiment? „Riesig. Breitgefächert. Aber eben nicht in derTiefe des Sortiments“, sagt Vol-pert. „DieGenossenschaft“, wie erdas Unternehmen stets nennt,„kann Feste komplett ausstatten.Vom A wie Anis bis Z wie Zahn-stocher haben wir hier alles. Undwenn einer eine Imbissbude auf-macht, dann findet er hier auchalles, was er braucht.“Das gilt natürlich auch für die, dieeinst die Genossenschaft gegrün-det haben: die Metzger. Wurst-hüllen, Werkzeug, die unter-schiedlichsten Scheiben zum Be-stücken eines Fleischwolfs, Gum-mistiefel, Kleidung für den Be-rufsstand – alles da.Am 3. Dezember 1918, kurz nachEnde des Ersten Weltkriegs, ha-ben sich 34Metzger aus Bayreuthzusammengetan und die Genos-senschaft aus der Taufe gehoben.Zum Ende des Jahres hatten sienoch zwei weitereMetzger auf ih-rer Seite, wie aus dem Protokoll-buch der Generalversammlun-gen, geführt in gestochen schar-fer Handschrift mit Tinte und Fe-der,hervorgeht. „HintergrundderGründung war: Wer im großenStil einkaufen kann, bekommtgünstigere Einkaufspreise.“ Rund60 Mitglieder hat die Genossen-schaft heute, „jeder hat in der Re-gel zwei Anteile, so wie es in der

Satzung steht. Ein Anteil kostet255,65 Euro“, sagt Volpert.Wie in anderen Nahrungsmittel-bereichen auch, hat es die Metz-ger in den vergangenen Jahrengebeutelt: „Es werden immer we-niger“, sagt Volpert. Er selbst hatvor fünf Jahren seine Metzgereizugesperrt, kennt die Probleme,die seine Kollegen haben, nur zugut. Seit 2013 ist er der Chef der

Genossenschaft. Seit drei Jahrenmache die Genossenschaft „stetigGewinne“ – nach einem eherdurchwachsenen ersten Ge-schäftsjahr. Acht Mitarbeiter hatdie Genossenschaft, der Jahres-umsatz liegt bei rund 1,8 Millio-nen Euro.Seit die Metzger weniger werden,werden nicht nur die Privatkun-den, die schon seit jeher bei derGenossenschaft einkaufen kön-nen, sondern auch die größerenKunden aus der Gastronomie unddie Veranstalter immer wichtiger.„Wir sind inzwischen so etwaswieein Fachgeschäft für diese Art desBedarfs geworden“, sagt Volpert.„Eines, wie man es in Bayreuthsonst nichtmehr findet.“ Auch dieMetzger seien mit der Zeit ge-gangen, kauften dort ein, wo derPreis durch die noch größerenMengen günstiger ist. „Wir kön-nen beispielsweise keine 30 Pa-letten Frittierfett kaufen und vor-halten, wir haben zwei oder dreiPaletten. Mit entsprechendemPreis. Aber wir haben es da. Undwenn sie schnell was brauchen,dann kaufen sie bei uns“, sagt Vol-pert. „Eskommtöfter vor, dasswiram Wochenende mal schnell auf-machen oder etwas liefern müs-sen, weil einer etwas dringendbraucht.“

Dieser Service, „den es halt im In-ternet nicht gibt“, sei inzwischeneines der Standbeine geworden.Für die Metzgereien ebenso wiefür die Gastronomie oder die Ver-eine und Betriebe, die Veranstal-tungen organisieren. Das Ein-zugsgebiet der Genossenschaft istgroß: In ganz Oberfranken wirdtäglich geliefert, rund 500 Kun-den hat das Unternehmen der-zeit. „Jeder bekommt seine Spe-zialität, die es zum Teil auch nurbei uns gibt.“Eine davon ist der Eichmar-Senf.Ein mittelscharfer Senf in einemroten oder blauen Eimerchen,„den es exklusiv bei uns gibt. Erwird inOberkotzau nach eigenemRezept für die Genossenschafthergestellt.“ Da Senf und Brat-würste zusammengehören wiedas Amen zum Gebet, kommt derSenf indenBratwurstregionengutan. „In Bamberg und Nürnbergverkaufen wir den stark. Bay-reuth könnte da noch ein biss-chen aufholen“, sagt Volpert.Groß gefeiert wird das Jubiläumim kommenden Jahr nicht. „Ak-tuell planen wir zumindest nochnichts“, sagt der geschäftsführen-de Vorstand. Was sich nicht än-dert: „Wir sind ständig dabei, unsneu zu erfinden. Stehen vor neu-en Herausforderungen, auf diewir mit neuen Geschäftsfeldernantwortenmüssen“, sagt Volpert.

Kinder lieben sie. Und hier gibt es die Haut dazu: Gelbwurst. Günter Volpert, der geschäftsführende Vorstand der Metzgergenos-senschaft, mit einem der vielen Tausend Artikel, die es in der Metzgergenossenschaft gibt. Fotos: Eric Waha

Breite Regale, lange Flure, Verpackungen, die Großverbraucher brauchen. Aber auch Waren des täglichen Bedarfs, speziell rundum Küche und Kochen für den Endverbraucher gibt es dort, in der Wundertüte Metzgergenossenschaft.

EigeneMarke,eigenesRezept:DenEich-mar-SenfgibtesnurinderGenossenschaft.

Für jeden Fleischwolf und jede Wurstbraucht man eine bestimmte Scheibe.

Aufgereiht und mit ordentlich Grip: Dieweißen Dunlop-Stiefel

„Von A wie Anis bisZ wie Zahnstocherhaben wir alles.“ „Jeder bekommt

seine Spezialität,die es zum Teilauch nur beiuns gibt.“

Das Unternehmen

Die Metzgergenossenschaft hatte ihre Räume immer in der Nähedes Bayreuther Schlachthofs. Als der Schlachthof in der Innenstadtgeschlossen und in der Drossenfelder Straße neu gebaut wurde, zogdie Genossenschaft mit um. Das neue Gebäude bezogen die Metz-gergenossen im Jahr 1996. Es wurde für 1,9 Millionen Mark damalsgebaut. Dort finden auch die Genossenschaftsversammlungen statt.Aufsichtsratsvorsitzender ist der Innungsobermeister der BayreutherMetzger, Martin Imhof. wah

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