Post on 18-Oct-2020
Teilprojekt Totfundanalyse
Analyse der Kollisionsumstände
von Greifvögeln mit Windkraftanlagen
Leonid Rasran*, Hermann Hötker*, Tobias Dürr**
*Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen
** Staatliche Vogelschutzwarte Brandenburg
Gliederung
• Fragestellung
• Datengrundlage und –aufbereitung
• Zielarten
• Statistische Analyse
• Ergebnisse– Technik
– Umgebung
– Wind
• Fazit
Hauptfrage
Welche Faktoren sind entscheidend
für das Kollisionsrisiko von
Greifvögeln an Windkraftanlagen?
Foto: G. Pelz
Datengrundlage
• Kontrollaktivitäten an deutschen Windparks
(überwiegend Brandenburg), zusammengetragen aus
unterschiedlichen Forschungsvorhaben und
Gutachten – ca. 12.000 Einzelkontrollen
(Vogelschutzwarte Brandenburg)
• Betreiber-Datenbank der Windkraftanlagen in
Deutschland (Stand 2008, ca. 20.000 Anlagen
erfasst)
• Totfundkartei der Vogelscutzwarte Brandenburg,
Meldungen von Vogelkollisionen mit
Windkraftanlagen von 1989 bis 2008 (ca. 730 Fälle)
Datenaufbereitung
• Zielarten – Greifvögel (Falconiformes) + einige
weitere Großvögel (Störche, Kraniche, Uhus)
• Information über Kollisionsumstände
Zufallsfunde vs. systematische Kontrollen
Genaue Lokalität/Position der Anlage
Technische Spezifikationen der Anlage
Charakteristika der Umgebung
Wetterbedingungen
• Bildung der Referenzgruppen (per Zufall ausgewählte
WEAs)
0 20 40 60 80 100 120
Goldammer
Höckerschw an
Kolkrabe
Wintergoldhähnchen
Schw arzmilan
Weißstorch
Stockente
Sturmmöw e
Grauammer
Silbermöw e
Star
Haustaube
Ringeltaube
Mauersegler
Turmfalke
Feldlerche
Lachmöw e
Seeadler
Mäusebussard
Rotmilan
Zielarten
Stand Ende 2008
(in vorliegender Studie
berücksichtigt)
Systematische Kontrollen
Übersicht über die Kontrollen (n=12.139) an 454 brandenburgischen
Windenergieanlagen im Zeitraum 2001 – 2007
Technische Charakteristika der Windkraftanlagen
• Anzahl der Turbinen im Windpark
• Relative Position des
Kollisionsstandorts gegenüber
anderen Anlagen im WP
• Hersteller/Konstruktion
• Nennleistung (KW)
• Rotordurchmesser
• Turmhöhe
• Turmkonstruktion
Beschaffenheit der Umgebung von Windkraftanlagen
Landnutzung in der Umgebung von Windkraftanlagen
5 km Radius
CORINE-
database
Rot –
als Kollisions-
standorte
identifizierte
WKAs
Blau –
per Zufall
ausgewählte
Referenzanlagen
Statistische Analysen
• Berechnung der Kollisionsraten
• Varianzanalyse – Vergleiche zw. Kollisionsstandorten
und Referenzgruppe bezüglich einzelner Parameter
• Multiple Regression – relative Bedeutung der
Faktoren für die Erklärung der
Kollisionswahrscheinlichkeit
• Hauptkomponentenanalyse (Principal Component
Analysis; PCA)
R.
2.8.1
PAST
1.99
Art Anzahl SchlagopferBrutpaare in
Deutschland* RL statusFalco subbuteo Baumfalke 4 2600-3400 3Pandion haliaetus Fischadler 1 500 3Accipiter gentilis Habicht 3 11000-13000 *Buteo buteo Mäusebussard 99 77000-110000 *Falco columbarius Merlin 2 nb -
Buteo lagopus Raufußbussard 1 nb -Circus aeruginosus Rohrweihe 4 5900-7900 *Milvus milvus Rotmilan 101 10000-14000 *Aquila pomarina Schreiadler 1 100 1Milvus migrans Schwarzmilan 12 5000-7500 *Haliaeetus albicilla Seeadler 36 500 *
Accipiter nisus Sperber 6 15000-21000 *Falco tinnunculus Turmfalke 26 43000-65000 *Falco peregrinus Wanderfalke 1 810-840 *Pernis apivorus Wespenbussard 1 3800-5000 V
298Bubo bubo Uhu 8 1400-1500 *Grus grus Kranich 2 5200-5400 *Ciconia ciconia Weißstorch 14 4200-4300 3Ciconia nigra Schwarzstorch 1 500-530 *
Larus ridibundus Lachmöwe 31 140000-150000 *Alauda arvensis Feldlerche 28 2100000-3200000 3
Stand Ende 2008 (in vorliegender Studie berücksichtigt)
Ergebnisse Zielarten
* Nach Südbeck et al. 2007
Aus regulären Kontrollgängen ermittelte Fundrate von 0,018
Funde/Anlage/Woche (ca. 1 Vogel pro Windturbine im Jahr)
40 % der Vogelopfer – Zielarten, jede 7. Fund - ein Rotmilan
Keine auffällige Häufung der Opfer unter den jüngeren Vögel
adult
89%
subadult
5%
immatur
6%immatur
19%
subadult
11%
adult
70%
N=65 N=30 N=47
immatur
10%
subadult
20%
adult
70%
Rotmilan Seeadler Mäusebussard
adult
89%
subadult
5%
immatur
6%immatur
19%
subadult
11%
adult
70%
N=65 N=30 N=47
immatur
10%
subadult
20%
adult
70%
Rotmilan Seeadler Mäusebussard
Altersstruktur
N = 65N = 30 N = 47
Zielarten
KollisionN=272
ZufallN=250
01000
2000
3000
4000
5000
Ne
nn
leis
tun
g (
kW
)
F=8,96**
KollisionN=272
ZufallN=250
20
40
60
80
10
01
20
Ro
tord
urc
hm
es
se
r(m
)
F=9,87**
Kollision
N=272
Zufall
N=250
020
40
60
80
100
120
Tu
rmh
öh
e (
m)
F=20,02***
Als Kollisionsorte identifizierte
Turbinen – signifikant größer,
als Durchschnitt
Anlagengröße
Größere Anlagen – Höheres
Kollisionsrisiko pro Turbine
R2 = 0,1523
N=42
0
1
2
3
4
5
6
0 500 1000 1500 2000 2500
Leistung der Windkraftanlagen (kW)
An
zah
l K
oll
isio
nen
pro
MW
Größere Anlagen – weniger Risiko pro erzeugte Energiemenge
Ergebnisse aus der Betrachtung ganzer Windparks
Hersteller
Vogelschlag (N=251) Gesamt (N=19773)
%-Anteil unterschiedlicher Herstellerfirmen
Die Verteilung der Kollisionsopfer nach Anlagenhersteller
entspricht weitgehend den Anteilen des jeweiligen Herstellers auf
dem gesamtdeutschen Markt für Windenergieanlagen (Korrelation
R=0,97)
Gittermast vs. Rohrturmbau
Hypothese: Gittermastanlagen sorgen für höhere Mortalität, da
Vögel die Querverstrebungen als Sitzgelegenheiten nutzen und
damit öfter in Rotornähe kommen.
• 10 WEA mit Rohrturmbauweise
– WP Etzin (HVL) Enercon E70:
– Nh 113,5 m, Rd 71 m, NRFP 78 m, Gh 149 m
• 10 WEA mit Gittermastbauweise
– WP Dretzen (PM) Fuhrländer:
– Nh 111 m, Rd 77 m, NRFP 72,5 m, Gh 149,5 m
Vergleichsstudie
• Absuchen aller WEA in wöchentlichem Abstand im Zeitraum 12. bis einschließlich 45. KW (Mitte März bis Mitte November)
• Ermittlung Abtragerate von Testkadavern
• Ermittlung Suchereffizienz
• Ermittlung Anteil abgesuchter Fläche (vom 100 m Radius um den Mastfuß)
Rohrturmbauweise
• Hochrechnung Verluste:T(gesamt) = 2 Greifvögel
N = 84,6 % gefunden → 15,4 % übersehen
= 0,154
A = 88,2 % prädiert = 0,882
F(Durchschnitt)= 60,5 % abgesucht → 39,5 % nicht
abgesucht = 0,395
T(gesamt) = 2 : (1 - 0,154) : (1 – 0,882) : (1 – 0,395)
= 2 : 0,846 : 0,118 : 0,605
= 33,1 ≈ 33 Greifvogelverluste : 10 WEA
= 3,3 Greifvogelverluste je WEA & Jahr
• Hochrechnung Verluste:T(gesamt) = 3 Greifvögel
N = 85,7 % gefunden → 14,3 % übersehen
= 0,143
A = 72,2 % prädiert = 0,722
F(Durchschnitt)= 90,1 % abgesucht → 9,9 % nicht
abgesucht = 0,099
T(gesamt) = 3 : (1 - 0,143) : (1 – 0,722) : (1 – 0,099)
= 3 : 0,857 : 0,278 : 0,901
= 13,97 ≈ 14 Greifvogelverluste : 10 WEA
= 1,4 Greifvogelverluste je WEA & Jahr
Gittermastbauweise
trotz einer höheren Fundzahl im Windpark mit Gittermastbauweise
höhere erwartete Verluste je WEA im Windpark mit
Rohrturmbauweise
Gitermastanlagen – 2 Funde von Eulen
Höhere ermittelte Verlustrate durch Berücksichtigung von Sucheffizienz
und Abtrag der Kadaver durch Aasfresser
Geringe Stichprobenumfang – Effekt statistisch nicht belegbar
Gittermast vs. Rohrturmbau
0
5
10
15
20
25
30
35
40
Ein
ze
lan
lag
e
En
dstä
nd
ig e
ine
r W
EA
-Re
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(1
N
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N
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ba
ran
lag
en
)
Flä
ch
en
pa
rk
mitte
nd
rin
Kollisionen %
Ausw. Nordbrandenburg %
Kollisionswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit zur
Position der WEA im Windpark
Windpark Zitz-Warchau (7225 Einzelkontrollen)
Einzeln stehende und
periphere Anlagen sind
häufiger als Kollisions-
orte aufgefallen, als
Anlagen mitten im
Windpark
R2 = 0,076
N=65
0
0,5
1
1,5
2
2,5
0 5 10 15 20 25 30
An
zah
l K
oll
isio
nen
pro
WE
A
Windparkgröße
Kompakte Windparks – weniger Schlagopferfunde pro Anlage
Ergebnisse aus der Betrachtung von
ganzen Windparks
Flächenanteile F p
5 km Radius
Siedlung 0,01 nsStraßen 2,83 nsHalden, Deponien, Bergbau 0,08 nsAckerland 40,24 *** K > ZWald 0,31 nsGrünland 35,35 *** K < ZGewässer 5,75 * K < ZSonstige Flächen 69,78 *** K < Z
1 km Radius
Ackerland 39,14 *** K > ZWald 0,93 nsGrünland 31,2 *** K < Z
Strukturen
Nächstgelegenes Gehölz 0,03 nsGeschlossener Wald 2,13 nsGebäude 26,62 *** K > ZStraße 17,29 *** K > ZGewässer 1,76 ns
Vergleiche zwischen Kollisionsstandorten (K) und zufällig
ausgewählten WEAs (Z)
(Varianzanalyse Einzelfaktoren: one way ANOVA)
Landnutzung in der Umgebung der WEA
Mäusebussard, N=50
Ackerland %
Grünland %
Wald %
Rotmilan, N=46
Seeadler, N=12
Schwarzmilan, N=10 Turmfalke, N=11
Weißstorch, N=5
Alle Kollisionen,
N=151
Zufällig ausgewählte
WEAs, N=199Landnutzung in 1 km Umkreis
Landnutzung in der Umgebung der WEA
KollisionN=151
ZufallN=186
0500
1000
1500
2000
2500
En
tfe
rnu
ng
Ge
bä
ud
e (
m)
0500
1000
1500
2000
25
00
En
tfe
rnu
ng
Str
aß
e (
m)
KollisionN=151
ZufallN=186
A. B.
Strukturen in der Landschaft,
die das Kollisionsrisiko beeinflussen
ß = standard partial regression coefficient
Anzahl Kollisionen
Variablen ß p
% Ackerland in 5 km Umkreis 0.289 <0.0001
Entfernung zum nächsten Gebäude 0.203 <0.0001
Position der WEA im Windpark (dummy
variable) -0.13 <0.05
Model statistics F df R²adj. p
15.88 3 0.1277 <0.0001
Ergebnisse multivariate Analysen
Schrittweise rückwärts gerechnete multiple
Regression (nur signifikante Faktoren aufgeführt)
Ackerland in 5 km
Radius
Wald in 5 km Radius
Grünland in 5km Radius
Wasserflächen in 5 km Radius
Position in Windpark
-4,8E07 -3,2E07 -1,6E07 -3,7253E-09 3,2E07 4,8E07 6,4E07
Componente 1
-5E07
-4E07
-3E07
-2E07
-1E07
1E07
2E07
3E07
4E07
Co
mp
on
ente
2
KollisionReferenzanlage
Hauptkomponentenanalyse
Windverhältnisse
• Kollisionsereignisse mit (auf Tag genau) bekannten Zeitpunkt
(N=100)
• Wetterdaten der nächstgelegenen Wetterstationen für den
relevanten Tag (Tagesmaxima)
• Windgeschwindigkeiten in Klassen (3,5 bis 5,5 m/s - schwach,
5,5-8 m/s - mittel, 8-14 m/s – stark und >14 m/s – sehr stark)
Kollisionswahrscheinlichkeit
weitgehend unabhängig von
Windstärke (abgesehen von
Tagen mit ganz schwachen
und ganz starken Winden)
0
10
20
30
40
50
60
70
sehr
schwach
(<3,5 m/s)
schwach
(3,5-5,5 m/s)
mittel (5,5-8
m/s)
stark
(8-14 m/s)
sehr stark
(>14 m/s)
% Windtage
% Kollisionen
• Steigende Anlagengröße erhöht das
Kollisionsrisiko pro Turbine, senkt es aber
umgerechnet auf die Energiemenge
Fazit
• Kompakte Windparks mit großen Anlagen
haben günstigere Risiko/Energieaus-
beutungsverhältnisse als weit verstreute
kleine Einzelanlagen
• Schlüsselfaktor für das Kollisionsrisiko:
Beschaffenheit der Umgebung von
Windparks
Danke!